Zuerisport_September

12.09.2019 Aufrufe

4 Lokaltermin Lokaltermin 5 Hieb- und stichfest Ein Besuch bei der Société d’Escrime de Zurich zeigt: Fechten ist schon längst kein elitärer Sport für adlige Haudegen mehr, sondern das perfekte Ausgleichstraining für intelligente Kampfsportler. Denn wer erfolgreich fechten will, braucht Kondition, Köpfchen und Geduld. Die Atmosphäre in der Turnhalle ist alles andere als elitär: Es riecht nach PVC, grelle Neonröhren strahlen von der Decke, auf den Bänken verstreut liegen Sporttaschen und Rollbags, Trinkflaschen und Handtücher. Nur die Waffen, die noch am Hallenrand ruhen, verraten, dass hier gleich eine Sportart trainiert wird, die aus dem Duellwesen der adligen Gesellschaft entstanden ist. Statt um Hofdamen, Ehre und Macht kämpft man hier allerdings um Punkte und Erfahrung. Und das auch längst nicht mehr nur Mann gegen Mann. An einem Montagabend Ende August besuchen wir die Société d’Escrime de Zurich (SEZ), einen der fünf Fecht-Vereine der Stadt, an ihrem Trainingsort im Bildungszentrum für Erwachsene mitten im Zürcher Seefeld. Von den rund 60 aktiven Mitgliedern stellen sich an diesem Abend 15 Männer, Frauen und Kinder in Position. Trainer Gino Gaggia klatscht in die Hände: Beinarbeit! Bei der Grundhaltung sind die Knie permanent gebeugt, der rechte Fuss zeigt auf zwölf Uhr, der linke direkt dahinter auf neun. Mit schnellen Schritten rücken die Fechterinnen und Fechter vor und zurück, bewegen sich mit ausgestreckten Armen auf imaginäre Gegner zu. Danach kommen die Arme dran: Prim, Second, Terz! Reine Trockenübungen, denn die verschiedenen Positionen der Klingenlagen müssen immer wieder probiert werden, bevor man sie sicher und schnell beherrscht und die Stösse des Gegners zuverlässig abwehren kann. Gefochten wird bei der Société d’Escrime de Zurich meist mit dem Degen, einer Stosswaffe mit einer 110 Zentimeter langen, schmalen, dreikantigen Stahlklinge mit biegsamer Spitze. An die 770 Gramm Gewicht in der Hand müssen sich Einsteiger erst gewöhnen. Mit aufgewärmten Muskeln und gelockerten Gelenken greifen die Fechtschülerinnen und -schüler nun nach ihren Waffen und betreten die Fechtbahnen. En garde! Nach der obligatorischen Begrüssungszeremonie gehen die ersten Kämpfe endlich los. Während des Trainings steht man meist mehreren Partnern und Partnerinnen jedes Alters gegenüber. Ausserdem ist es üblich, dass sich auch Fechter mit unterschiedlichen Leistungsniveaus duellieren. Auf der ersten Fechtbahn sind jetzt zwei fortgeschrittene Kampfsportler am Werk. Beide lauern in Angriffsposition, fast regungslos, dann hechtet einer plötzlich mit dem rechten Bein nach vorne, den gezückten Degen weit von sich gestreckt. Die Spitze bohrt sich in die Schutzkleidung des Gegners, und die elektronische Anzeige leuchtet rot. Touché! Gültiger Treffer. Mit blossem Auge könnte man die meisten Stösse während eines Gefechts kaum erkennen, daher wird die Waffe per Körperkabel mit dem Prüfgerät für Treffer verbunden. In der Regel wird nicht nur im Wettkampf, sondern auch im Training mit der elektronischen Anzeigeanlage gefochten. Nur drei Minuten dauert ein Durchgang. Wer zuerst fünf Punkte hat, gewinnt. Die Kampfregeln sind recht einfach, gilt doch im wesentlichen das Gesetz: treffen, ohne getroffen zu werden. Der Angriff kann also abgewehrt werden durch eine klassische Parade oder aber durch einen blitzartigen Gegenstich, den sogenannten Arret. Und weil beim Degenfechten der ganze Körper Trefferfläche ist, wird der Arm ohne Waffe vom Körper weggestreckt, um nicht getroffen zu werden. Bereits nach ein paar Minuten Fechttraining fliessen die ersten Schweisstropfen. Kein Wunder: Unter der strahlend weissen Schutzkleidung wird einem schnell warm. Gepolsterte Jacke, darunter eine Unterziehweste, bei Frauen ein Brustschutz aus Kunststoff, bei Männern ein Suspensorium, Hosen, Kniestrümpfe, gepolsterter Handschuh, Fechtmaske mit Drahtgitter. Zusammen haben die Kleidungsschichten eine Reissfestigkeit von bis zu 1 600 Newton. So fangen sie den Stoss und den Druck der Waffe grösstenteils auf. «Blaue Flecken können trotzdem vorkommen», sagt Anita Kuhn lachend. «Aber gefährlich ist der Sport nicht. Verletzungen En garde! Jung und Alt trainieren beim SEZ im Zürcher Seefeld. durch die Waffe sind sehr, sehr selten.» Die Churerin ficht seit zwölf Jahren bei der Société d’Escrime de Zurich. Eine Späteinsteigerin, die in ihrer Altersklasse der Veteranen bereits an drei Europa- und zwei Weltmeisterschaften teilgenommen hat. Offensiv sein und auf den Gegner losstürzen – oder beobachten und warten, bis der andere angreift? «Grundsätzlich ist das Typ- Wie anstrengend ist Fechten? Und für wen ist der Sport überhaupt geeignet? Antworten auf diese und andere Fragen finden Sie im Interview unter zss.ch sache», sagt Anita Kuhn, die eher zu den Beobachterinnen als zu den Stürmerinnen gehört. «Aber aus taktischen Gründen kann man sich natürlich auch mal anders verhalten. Diese Unberechenbarkeit, die Überraschungsmomente machen den Sport so spannend.» Text: Alice Werner Fotos: Hansjörg Egger Schnupperkurse Im Oktober 2019 beginnt der nächste Schnupperkurs für Erwachsene. Nähere Informationen zu Kursdaten und Kosten: www.sezh.ch/verein/anmeldung Für Jugendliche bis zum 15. Lebensjahr bietet der Club einen Schnupperkurs jeweils am Donnerstagabend an. Details dazu bitte per E-Mail anfragen: info@sezh.ch

4 Lokaltermin<br />

Lokaltermin 5<br />

Hieb- und stichfest<br />

Ein Besuch bei der Société d’Escrime<br />

de Zurich zeigt: Fechten ist schon<br />

längst kein elitärer Sport für adlige<br />

Haudegen mehr, sondern das perfekte<br />

Ausgleichstraining für intelligente<br />

Kampfsportler. Denn wer erfolgreich<br />

fechten will, braucht Kondition,<br />

Köpfchen und Geduld.<br />

Die Atmosphäre in der Turnhalle ist<br />

alles andere als elitär: Es riecht nach<br />

PVC, grelle Neonröhren strahlen<br />

von der Decke, auf den Bänken verstreut liegen<br />

Sporttaschen und Rollbags, Trinkflaschen<br />

und Handtücher. Nur die Waffen, die<br />

noch am Hallenrand ruhen, verraten, dass<br />

hier gleich eine Sportart trainiert wird, die<br />

aus dem Duellwesen der adligen Gesellschaft<br />

entstanden ist. Statt um Hofdamen, Ehre und<br />

Macht kämpft man hier allerdings um Punkte<br />

und Erfahrung. Und das auch längst nicht<br />

mehr nur Mann gegen Mann.<br />

An einem Montagabend Ende August besuchen<br />

wir die Société d’Escrime de Zurich<br />

(SEZ), einen der fünf Fecht-Vereine der<br />

Stadt, an ihrem Trainingsort im Bildungszentrum<br />

für Erwachsene mitten im Zürcher<br />

Seefeld. Von den rund 60 aktiven Mitgliedern<br />

stellen sich an diesem Abend 15 Männer,<br />

Frauen und Kinder in Position. Trainer<br />

Gino Gaggia klatscht in die Hände: Beinarbeit!<br />

Bei der Grundhaltung sind die Knie<br />

permanent gebeugt, der rechte Fuss zeigt auf<br />

zwölf Uhr, der linke direkt dahinter auf neun.<br />

Mit schnellen Schritten rücken die Fechterinnen<br />

und Fechter vor und zurück, bewegen<br />

sich mit ausgestreckten Armen auf imaginäre<br />

Gegner zu. Danach kommen die Arme dran:<br />

Prim, Second, Terz! Reine Trockenübungen,<br />

denn die verschiedenen Positionen der Klingenlagen<br />

müssen immer wieder probiert<br />

werden, bevor man sie sicher und schnell<br />

beherrscht und die Stösse des Gegners zuverlässig<br />

abwehren kann.<br />

Gefochten wird bei der Société d’Escrime<br />

de Zurich meist mit dem Degen, einer Stosswaffe<br />

mit einer 110 Zentimeter langen, schmalen,<br />

dreikantigen Stahlklinge mit biegsamer<br />

Spitze. An die 770 Gramm Gewicht in der<br />

Hand müssen sich Einsteiger erst gewöhnen.<br />

Mit aufgewärmten Muskeln und gelockerten<br />

Gelenken greifen die Fechtschülerinnen und<br />

-schüler nun nach ihren Waffen und betreten<br />

die Fechtbahnen. En garde! Nach der obligatorischen<br />

Begrüssungszeremonie gehen die<br />

ersten Kämpfe endlich los. Während des<br />

Trainings steht man meist mehreren Partnern<br />

und Partnerinnen jedes Alters gegenüber.<br />

Ausserdem ist es üblich, dass sich auch Fechter<br />

mit unterschiedlichen Leistungsniveaus<br />

duellieren.<br />

Auf der ersten Fechtbahn sind jetzt zwei<br />

fortgeschrittene Kampfsportler am Werk.<br />

Beide lauern in Angriffsposition, fast regungslos,<br />

dann hechtet einer plötzlich mit<br />

dem rechten Bein nach vorne, den gezückten<br />

Degen weit von sich gestreckt. Die Spitze<br />

bohrt sich in die Schutzkleidung des Gegners,<br />

und die elektronische Anzeige leuchtet<br />

rot. Touché! Gültiger Treffer. Mit blossem<br />

Auge könnte man die meisten Stösse während<br />

eines Gefechts kaum erkennen, daher wird<br />

die Waffe per Körperkabel mit dem Prüfgerät<br />

für Treffer verbunden. In der Regel wird nicht<br />

nur im Wettkampf, sondern auch im Training<br />

mit der elektronischen Anzeigeanlage<br />

gefochten. Nur drei Minuten dauert ein<br />

Durchgang. Wer zuerst fünf Punkte hat, gewinnt.<br />

Die Kampfregeln sind recht einfach,<br />

gilt doch im wesentlichen das Gesetz: treffen,<br />

ohne getroffen zu werden. Der Angriff kann<br />

also abgewehrt werden durch eine klassische<br />

Parade oder aber durch einen blitzartigen<br />

Gegenstich, den sogenannten Arret. Und<br />

weil beim Degenfechten der ganze Körper<br />

Trefferfläche ist, wird der Arm ohne Waffe<br />

vom Körper weggestreckt, um nicht getroffen<br />

zu werden.<br />

Bereits nach ein paar Minuten Fechttraining<br />

fliessen die ersten Schweisstropfen. Kein<br />

Wunder: Unter der strahlend weissen Schutzkleidung<br />

wird einem schnell warm. Gepolsterte<br />

Jacke, darunter eine Unterziehweste, bei<br />

Frauen ein Brustschutz aus Kunststoff, bei<br />

Männern ein Suspensorium, Hosen, Kniestrümpfe,<br />

gepolsterter Handschuh, Fechtmaske<br />

mit Drahtgitter. Zusammen haben die<br />

Kleidungsschichten eine Reissfestigkeit von<br />

bis zu 1 600 Newton. So fangen sie den Stoss<br />

und den Druck der Waffe grösstenteils auf.<br />

«Blaue Flecken können trotzdem vorkommen»,<br />

sagt Anita Kuhn lachend. «Aber gefährlich<br />

ist der Sport nicht. Verletzungen<br />

En garde! Jung und Alt trainieren beim SEZ im Zürcher Seefeld.<br />

durch die Waffe sind sehr, sehr selten.» Die<br />

Churerin ficht seit zwölf Jahren bei der Société<br />

d’Escrime de Zurich. Eine Späteinsteigerin,<br />

die in ihrer Altersklasse der Veteranen<br />

bereits an drei Europa- und zwei Weltmeisterschaften<br />

teilgenommen hat.<br />

Offensiv sein und auf den Gegner losstürzen<br />

– oder beobachten und warten, bis der<br />

andere angreift? «Grundsätzlich ist das Typ-<br />

Wie anstrengend ist Fechten?<br />

Und für wen ist der Sport<br />

überhaupt geeignet?<br />

Antworten auf diese und andere Fragen<br />

finden Sie im Interview unter zss.ch<br />

sache», sagt Anita Kuhn, die eher zu den<br />

Beobachterinnen als zu den Stürmerinnen<br />

gehört. «Aber aus taktischen Gründen kann<br />

man sich natürlich auch mal anders verhalten.<br />

Diese Unberechenbarkeit, die Überraschungsmomente<br />

machen den Sport so spannend.»<br />

Text: Alice Werner<br />

Fotos: Hansjörg Egger<br />

Schnupperkurse<br />

Im Oktober 2019 beginnt der nächste Schnupperkurs für Erwachsene. Nähere<br />

Informationen zu Kursdaten und Kosten: www.sezh.ch/verein/anmeldung<br />

Für Jugendliche bis zum 15. Lebensjahr bietet der Club einen Schnupperkurs<br />

jeweils am Donnerstagabend an. Details dazu bitte per E-Mail anfragen:<br />

info@sezh.ch

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