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12 Porträt<br />
Porträt 13<br />
Ungleich im Gleichtakt<br />
«Voll im Trend»<br />
Mit Stephan Gantenbein<br />
sprach Jörg Greb<br />
Interview<br />
Der Frauen-Doppelvierer des Ruderclubs Zürich sorgte für die ersten<br />
Skull-Klubtitel bei der Elite – und das zweimal in Folge. Doch trotz<br />
des Erfolgs: Lara Eichenberger, Pascale Winkler, Andrea Fürholz und<br />
Clio Scheidegger verfolgen unterschiedliche Ziele.<br />
Wenn sie zusammen rudern, ist das entspannt und ohne<br />
Druck. Reine Freude. Dies zumindest sagt Pascale Walker:<br />
«Wir treffen uns am frühen Sonntagmorgen, steigen ins<br />
Boot und gleiten über den Zürichsee.» Häufig sind solche<br />
Ausfahrten nicht. Walker, die 24-Jährige, die Älteste und<br />
Erfahrenste im Meister-Vierer von 2017 und 2018, resümiert:<br />
«Rückblickend auf letztes Jahr waren wir mehr zusammen<br />
essen als rudern.» Was kurios tönt, ergibt bei genauerem<br />
Betrachten durchaus Sinn: Das Quartett rudert<br />
zwar gemeinsam für den RC Zürich. An den Schweizer<br />
Meisterschaften strebt es Jahr für Jahr nach dem Optimum,<br />
das heißt: Der Meistertitel im Doppelvierer ist das<br />
Ziel. Hauptsächlich aber verfolgt jede der vier Sportlerinnen<br />
individuelle Ziele. Dem gemeinsamen Projekt räumen<br />
sie folglich nicht oberste Priorität ein. Gleichzeitig aber<br />
schätzen sich die vier Frauen auch privat, darum verbringen<br />
sie einen Teil der spärlichen Freizeit gemeinsam.<br />
Im Rudern selbst aber gibt es mittlerweile markante<br />
Unterschiede – bezüglich Stellenwert und Engagement.<br />
Die Ambitionen rechtfertigen dies: Pascale Walker peilt an<br />
den Weltmeisterschaften mit ihrer Zweier-Partnerin Sofia<br />
Meakin einen Olympia-Startplatz an. Andrea Fürholz ruderte<br />
an der U23-EM um die Medaillen, Clio Scheidegger<br />
konzentriert sich auf den Universitätssport, und Lara<br />
Eichenberger auf das Rudern im Klub – zumindest vorläufig.<br />
Markante Differenzen zeigen sich zwischen den<br />
beiden Profisportlerinnen und den Studentensportlerin-<br />
nen: 6 bis 9 Wocheneinheiten sind es bei den einen, bei den<br />
anderen 12 bis 18 – mit sogar bis zu 25 Trainingsstunden.<br />
So wird klar, dass sich auch die Bedeutung eines Schweizer<br />
Meistertitels unterscheidet: hübsch für die einen, das<br />
Höchste für die anderen. Eine Randnotiz aber illustriert,<br />
dass das Heterogene funktioniert: Pascale Walker ist nach<br />
der WM in Linz (Ö) an die Studenten-EM nach Schweden<br />
gereist, um Clio Scheidegger anzufeuern. Anschliessend<br />
verbrachten die beiden gemeinsam Ferien.<br />
Von der Abneigung zur Faszination<br />
Die unterschiedlichen Projekte machen aber klar: Der<br />
Doppelvierer des RC Zürich steht für keine der vier Protagonistinnen<br />
im Zentrum, und der Zürichsee ist nicht das<br />
Trainingswasser schlechthin. Für Walker und Fürholz ist es<br />
der Sarnersee: Im nationalen Ruderzentrum der Obwaldner<br />
Kantonshauptstadt leben sie während der Woche,<br />
Scheidegger und Eichenberger studieren in Zürich. Gemeinsam<br />
ist dem Quartett aber die Begeisterung für die<br />
Sportart. Pascale Walkers Weg ist hier nachskizziert. Vor<br />
rund zehn Jahren «rutschte sie über die Quartierkinder» in<br />
die Sportart hinein: In Zürich-Wiedikon war’s, als ihr<br />
Bruder über einen Freund auf die Sportart aufmerksam<br />
wurde. Eine Sogwirkung entstand, mehrere Jugendliche<br />
zogen mit. Auch Pascale Walker. Nur: Sie fühlte sich keineswegs<br />
angezogen. Vielmehr fand sie «das Rudern dumm»<br />
– bis sie mit Wettkämpfen begann und sich erste Erfolge<br />
einstellten. Bei ihrer ersten Schweizer Meisterschaft ruderte<br />
sie im Doppelvierer sogleich auf Rang 2. «Dann hat’s<br />
mich gepackt», erinnert sie sich.<br />
Spannende Vielfalt<br />
Und die Begeisterung ist stetig gewachsen. «Die Kombination<br />
der verschiedenen Komponenten fasziniert mich seither»,<br />
sagt Pascale Walker. Ans Technische, das Filigrane,<br />
das Kontrollierte denkt sie – «verbunden mit dem Knallharten».<br />
Und mit der Zeit entdeckte sie die Faszination<br />
eines Teamboots: «Da kommt das Zusammenspiel hinzu,<br />
es funktioniert nur, wenn jede genau dasselbe tut wie die<br />
vor ihr Sitzende.» Eine besonders enge Beziehung pflegt<br />
Pascale Walker zur Mitruderin, die sich leistungsmässig am<br />
entferntesten befindet, zu Clio Scheidegger. «Clio hat kurz<br />
nach mir begonnen, und bis vor zwei Jahren verbrachten<br />
wir jedes Trainingslager gemeinsam.» Als «eine der engsten<br />
Freundinnen» bezeichnen sie sich gegenseitig.<br />
Sitzen die vier jungen Frauen im Doppelvierer des<br />
RC Zürich, gilt es, die Abstimmung zu perfektionieren.<br />
«Ich fahre gerne in einem grossen und schnellen Boot»,<br />
sagt Pascale Walker. Begründet sieht sie dies nicht zuletzt<br />
darin, dass «ich ein ausgeprägter Teammensch bin». Spannend<br />
findet sie, wie die verschiedenen Charaktere mit den<br />
unterschiedlichen Stärken zu einer Einheit verschmelzen.<br />
Auf ihrem Weg zu den internationalen Zielen kommt diese<br />
Komponente seltener zur Geltung. Da ist sie mit dem<br />
Skiff (Einer) oder dem Zweier unterwegs – und die<br />
Partner innen werden ihr nach Leistungskriterien zugeteilt.<br />
Umso mehr schätzt sie die gemeinsame Zeit mit ihren<br />
Zürcher Mitruderinnen. Und bewiesen sieht Walker, dass<br />
ihr Sporttreiben trotz unterschiedlicher Ambitionen funktioniert.<br />
So sagt sie im Zusammenhang mit dem RCZ-Vierer:<br />
«Ein Schweizer Meistertitel stellt für mich nicht das<br />
Höchste der Gefühle dar, aber wenn ich meinen Klub vertrete,<br />
will ich das würdig tun.» Und noch etwas sagt sie: d<br />
wäre das grammatisch falsch, hier würde man sagen «Ich<br />
würde mich dazu in jedes Boot setzen.» Leider müssen sich<br />
Nationalkadermitglieder auf ein einziges beschränken.<br />
Stephan Gantenbein, Sie sind Präsident<br />
des RC Zürich. Was bedeuten<br />
die Grosserfolge des Frauen-Doppelvierers<br />
für den Verein?<br />
Die Erfolge unseres Frauen-Doppelvierers<br />
haben dazu beigetragen, dass<br />
vermehrt junge Frauen beim RCZ rudern<br />
wollen. Da unsere Leistungsabteilung vor<br />
etwas mehr als zehn Jahren neu ins<br />
Leben gerufen wurde, sind die Erfolge<br />
extrem wichtig. So stärken wir unseren<br />
Ruf, eine gute Adresse für Leistungssportler<br />
zu sein.<br />
Das Boot ist heterogen, und die<br />
vier Sportlerinnen trainieren kaum<br />
zusammen. Wie lässt sich ein solcher<br />
Erfolg als Verein realisieren?<br />
Dass die Sportlerinnen wenig miteinander<br />
trainieren konnten, hängt mit der<br />
Struktur von Swiss Rowing zusammen:<br />
Die Ruderinnen im Nationalkader<br />
trainieren in Sarnen, alle anderen in ihren<br />
jeweiligen Klubs. Die Schweizer Meisterschaft<br />
bietet einen Vergleich auf<br />
nationaler Ebene. An internationalen<br />
Wettkämpfen aber haben nur Teams<br />
eine Chance, die über eine lange Zeitspanne<br />
vom gleichen Trainer betreut<br />
werden.<br />
Wieso?<br />
Das Geheimnis eines schnellen Boots<br />
liegt im Zusammenfinden, im Optimieren<br />
der gemeinsamen Ruderschläge, in der<br />
Teambildung. Es kann dabei gut sein,<br />
dass es nicht die vier kräftigsten Frauen<br />
sind, die am schnellsten unterwegs sind.<br />
Sie müssen sich gegenseitig finden, sich<br />
vertrauen und voneinander wissen, dass<br />
jede alles gibt.<br />
Worauf führen Sie den Erfolg<br />
dieses Boots zurück?<br />
Pascale, Lara, Andrea und Clio sind vier<br />
begabte Ruderinnen, super trainiert, und<br />
sie tragen den Klub-Spirit voll mit.<br />
Wie stellt man eine solche<br />
Erfolgs- Crew zusammen?<br />
Grundsätzlich liegt der Entscheid beim<br />
Headcoach Eberhard Rehwinkel und der<br />
Leistungssportchefin Maries van den<br />
Broek. Sie kennen die Athletinnen am<br />
besten und bestimmen, wer in welcher<br />
Bootsklasse mit wem an den Start geht.<br />
Sind in nächster Zukunft ähnliche<br />
Erfolgsgeschichten zu erwarten?<br />
Wir werden den Doppelvierer wie auch<br />
den Frauen-Achter weiterhin ganz oben<br />
auf der Prioritätenliste haben. Nächstes<br />
Jahr wollen wir beide Titel zurückerobern.<br />
Ausgehend von einem starken<br />
Juniorenteam, das dieses Jahr im<br />
Riemenvierer bei den U19 die Silbermedaille<br />
gewonnen hat, sind wir auch<br />
bei den Männern auf Erfolgskurs. Es ist<br />
unser Ziel, langfristig bei den Frauen<br />
und bei den Männern einen starken<br />
Achter an den Start zu bringen.<br />
Was bietet Zürich<br />
Ruder-Interessierten?<br />
Am Mythenquai sind vier Klubs, die eine<br />
Leistungsabteilung mit Profitrainern<br />
unterhalten. Jeder junge Sportler, der<br />
Rudern lernen will, findet Aufnahme.<br />
Anlässlich von Probetrainings können<br />
sich Interessierte einen Eindruck<br />
verschaffen. Rudern ist ein faszinierender<br />
Sport und voll im Trend.<br />
Text: Jörg Greb<br />
Fotos: Detlev Seyb<br />
Kennt das Geheimnis eines schnellen<br />
Boots: Stephan Gantenbein,<br />
Präsident Ruderclub Zürich.