Vorhandene Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung nutzen ES LIEGT NOCH VIELES BRACH Der Schaltschrank bildet das Rückgrat vieler Automatisierungskonzepte, entsteht aber vielerorts wie eh <strong>und</strong> je. Eine Umfrage unter Herstellern <strong>und</strong> Dienstleistern nennt die Gründe hierfür <strong>und</strong> zeigt mögliche Schritte zu einer effizienteren Fertigung auf. 22 #<strong>002</strong>
SCHALTSCHRANKBAU 4.0 Von Markus Back Was interessiert mich, was der andere tut! Diese Denkweise ist nicht nur im privaten, sondern auch im beruflichen Umfeld weit verbreitet. Zu was Letztere führt, zeigt sich im Schaltschrankbau. Weil hier Konstruktion <strong>und</strong> Fertigung oftmals in einer Parallelwelt agieren, bleibt das Automationspotenzial ungenutzt <strong>und</strong> es wird gefertigt wie zu Zeiten von Industrie 3.0. Dabei sind in vielen Unternehmen bereits die Werkzeuge vorhanden, um die Fertigung auf 4.0 umzustellen. Die Zauberformel hierfür: die Generierung von Produktionsdaten. Mit diesen lassen sich zum Beispiel Vollautomaten zur Bearbeitung von Schaltschrankelementen oder zur Konfektionierung von Kabeln ansteuern <strong>und</strong> so Teilprozesse ohne grossen Mehraufwand automatisieren. Woran liegt es aber, dass dieses Potenzial ungenutzt bleibt? Und wie beurteilen Hersteller <strong>und</strong> Anbieter in diesem Umfeld generell die Branche? Dies zeigen die folgenden Abschnitte. Herausforderungen im Schaltschrankbau Welches sind die typischen Herausforderungen, mit denen der Schaltschrankbauer heutzutage konfrontiert wird? Boris Savic, Geschäftsführer der Weidmüller Schweiz AG, muss bei dieser Frage nicht lange überlegen! «Keine durchgängigen Prozesse beim Planen, Installieren <strong>und</strong> Betreiben», sagt er <strong>und</strong> zählt als weitere Hürde den geringen Automatisierungsgrad auf, der weiterhin einen sehr hohen Personaleinsatz für die händischen Arbeiten erfordere. Als weitere Punkte nennt Der Schaltschrankbau ist von sehr viel manueller Arbeit geprägt. Dabei wären in vielen Unternehmen bereits die Werkzeuge vorhanden, um effizienter zu arbeiten. Allerdings werden diese nicht oder aber falsch genutzt. Bild: Eplan Andreas Schreiber, Vice President Industrial Cabinet Solutions (ICS) bei Phoenix Contact, länder- <strong>und</strong> branchenspezifische Zertifizierungen <strong>und</strong> Normungen, die zu berücksichtigen <strong>und</strong> einzuhalten sind. Hinzu kämen immer kürzere Lieferzeiten bei zugleich spät in den Projekten auftretenden Änderungswünschen. Die Last-minute-Änderungen sind auch Thomas Weichsel nicht unbekannt. Weitere typische Herausforderungen sind aus Sicht des Leiters Produktmanagement von Eplan Software & Service ein sich verschärfender Fachkräftemangel, eine zunehmende Komplexität der Steuerungstechnik <strong>und</strong> ihrer Komponenten sowie immer engere Liefertermine. Die steigende Komplexität der Anlagen <strong>und</strong> Produkte führt ebenfalls Markus Wittke von WSCAD an. Als weitere Knackpunkte nennt der Produktmanager die Optimierung <strong>und</strong> Digitalisierung der Fertigung. Mit «steigende Personalkosten in der Produktion sowie die Preisentwicklung <strong>und</strong> Verlagerung von Produktionsstandorten» schliesst Manuel Lüscher, Sales Director bei der Rittal AG, diesen Fragekomplex. Typische Zeitfresser In einer Branche mit geringem Automatisierungsgrad verw<strong>und</strong>ert es nicht, wenn die Verdrahtung als einer der grössten Zeitfresser gesehen wird. «Sie macht r<strong>und</strong> 50 Prozent gemessen am Gesamtaufwand zur Produktion eines Schaltschranks aus», so Thomas Weichsel. Bei herkömmlicher Herangehensweise, hat Eplan ermittelt, bedarf es fürs Ablängen, Crimpen, <strong>und</strong> Beschriften des Kabels durchschnittlich 157 Sek<strong>und</strong>en Arbeitszeit. Als weitere Zeitfresser im Schaltschrankbau fallen Markus Wittke von WSCAD die Planung <strong>und</strong> das Schaltschrankdesign, das Zuschneiden von Hutschienen <strong>und</strong> Kabelkanälen sowie die Bearbeitung der Schranktüren <strong>und</strong> Montageplatten ein. Die abschliessen- de Prüfung <strong>und</strong> Qualitätssicherung ist aus Sicht von Andreas Schreiber von Phoenix Contact ebenfalls eine der zeitintensiven Arbeiten im Schaltschrankbau. Automatisierungspotenzial nur selten voll ausgenutzt Die befragten Hersteller <strong>und</strong> Anbieter bieten verschiedene Lösungen an, um Prozesse effizienter zu gestalten. Wie intensiv werden diese aber bisher eingesetzt? «Das ist von Schaltschrankbauer zu Schaltschrankbauer unterschiedlich», ist die Erfahrung von Manuel Lüscher von Rittal. Dies bestätigt Andreas Schreiber von Phoenix Contact: «Die Nutzung der Angebote von Komponenten- <strong>und</strong> Systemlieferanten ist abhängig von Grösse, technischem Stand <strong>und</strong> Charakter der Schaltschrankbau-Unternehmen.» Dies zeige sich vor allem in den Themenfeldern Lean Management, Digitalisierung <strong>und</strong> Automatisierung, so der Vice President ICS, in denen die Umsetzbarkeit von Verbesserungsmassnahmen vor allem davon abhänge, welche Erfahrungen <strong>und</strong> Fähigkeiten bereits vorlägen. Generell sei jedoch ein steigendes Interesse an Strategien <strong>und</strong> Massnahmen zur Verbesserung der Effizienz der gesamten Prozesskette des Schaltschrankbaus zu verspüren. «Nur in wenigen Fällen nutzen Anwender das Potenzial unserer Software voll aus», lautet die Beobachtung von Markus Wittke. Dies begründet der Produktmanager unter anderem mit Zeitmangel oder fehlendem Know-how, um zusätzliche Funktionalitäten zu implementieren, fehlendem Kapital oder Platz für Maschinen, insbesondere NC-Maschinen, sowie einer falschen Einschätzung von Nutzen <strong>und</strong> Potenzial. Dabei scheint es durchaus lohnenswert, sich mit den verschiedenen Lösungen zu befassen. Wieso, erklärt Geschäftsführer Boris Savic von Weidmüller Schweiz: «Wenn man den Schaltschrankbau als ganzheitlichen #<strong>002</strong> 23