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Siegerland-Wittgenstein – Waldmeer & QuellenReich

Waldmeer & QuellenReich. 32 Seiten voller Naturplätze & Kulturschätze in Siegen-Wittgenstein

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der in Siegen regierende Graf Johann VI.<br />

von Siegen-Nassau die erste Siegerländer<br />

Haubergsordnung. Erstmals wurde<br />

damit gesetzlich geregelt, dass fortan nur<br />

so viel Holz geschlagen werden durfte,<br />

wie nachwuchs. Gleichzeitig lieferte die<br />

Niederwaldbewirtschaftung Voraussetzungen<br />

der Nahrungsmittelproduktion,<br />

der Gewinnung von Gerbsäure, der<br />

Herstellung von Brenn- und Bauholz, der<br />

Gewinnung von Dämmmaterial und der<br />

Nutzung von Flächen für die Waldweide<br />

von Schweinen, Schafen und Rindern.<br />

180 Haubergsgenossenschaften gibt es<br />

im <strong>Siegerland</strong> heute noch. Die ideellen<br />

Anteile liegen in den Händen von mehr<br />

als 16.000 Anteilseignern. Es ist ein Wald<br />

der Vielen.<br />

Waldstaudenroggen und Buchweizen<br />

Die Anzahl der Anteile richtete sich oft<br />

nach der Anzahl der Hofstellen in einem<br />

Dorf. Heute regelt ein spezielles Gesetz,<br />

das Gemeinschaftswaldgesetz, den<br />

Umgang mit Anteilen am sogenannten<br />

Gesamthandsvermögen. Sie können wie<br />

Grundstücke verkauft und vererbt werden.<br />

Die Bewirtschaftung eines Haubergs<br />

orientierte sich an der „Umtriebszeit“ <strong>–</strong><br />

der Zeit vom Stockausschlag bis zum<br />

Ernte- oder Schlagtermin. Das waren in<br />

der Regel 20 bis 25 Jahre. Entsprechend<br />

der individuellen Anteile bekam der<br />

Haubergsgenosse dann per Losentscheid<br />

seinen Teil an dem jährlichen Schlag<br />

zugewiesen. Die Einzelanteile wurden im<br />

Gelände markiert. Nach dem Aushauen<br />

der Sträucher und Äste sammelte und<br />

bündelte man das fingerdicke Holz und<br />

band es zu Reisigbündeln (Schanzen)<br />

für die Gemeinschaftsbackhäuser. Dann<br />

wurde der Jahresschlag geräumt, wobei<br />

man zunächst die schälfähigen Eichen<br />

stehen ließ. Das Stangenholz gelangte<br />

entweder direkt in die Bergwerke oder zu<br />

den Kohlenmeilern. Im Mai wurden die<br />

Eichenstämme schließlich geschält und<br />

die getrocknete Baumrinde (Lohe) an die<br />

Gerbereien verkauft. Der Haubergsboden<br />

wurde abgeplackt, der Soden verbrannt<br />

und die Asche in die Erde eingebracht.<br />

Dann säte man Buchweizen ein, der im<br />

September geerntet werden konnte. Im<br />

Anschluss warf man Staudenroggen aus<br />

und erntete diesen im kommenden Jahr.<br />

Wenn der Stockausschlag hoch genug<br />

gewachsen war, begann man mit der<br />

Waldhute. Erst Schweine und Schafe dann,<br />

nach sechs bis sieben Jahren, auch Rinder.<br />

Historischer Hauberg Fellinghausen<br />

Der historische Hauberg in Kreuztal-Fellinghausen<br />

wird noch wie anno dazumal<br />

bewirtschaftet. Auf 24 ha Waldfläche betreiben<br />

die Haubergsgenossen traditionelle<br />

Niederwaldswirtschaft. Das Schöne daran<br />

ist, dass der interessierte Gast das Gelände<br />

besichtigen kann und zu den Führungsterminen<br />

(Tel. 0271/333-1021) eindrücklich<br />

über die einzigartige historische Landnutzung<br />

informiert wird.<br />

www.fhhf.de<br />

Mit dem Dung des Viehs wurde der Waldboden<br />

auf natürliche Weise gedüngt.<br />

Schellenbauer, Schanzenbrotbäcker<br />

und Wiesenbauer<br />

Meist ließ man noch Laubengänge aus<br />

Altholz stehen, damit die Haubergsgenossen<br />

auch Bauholz für Scheunen,<br />

Stallungen und ihre Wohnhäuser hatten.<br />

Die verstreut stehenden Eichen und<br />

Birken fungierten als Samenbäume für<br />

die natürliche Verjüngung des Haubergswaldes.<br />

Bis zum Siegeszug der Ruhrkohle<br />

Mitte des 19. Jh. dauerte die Blütezeit der<br />

<strong>Siegerland</strong> Hauberge. Es gab Schellenbauer<br />

für die Herstellung von Glocken für<br />

das Vieh, aus den zum Trocknen aufgerichteten<br />

Kornrittern wurde der Roggen<br />

gedroschen, zu Sauerteig verarbeitet und<br />

im Dorfgemeinschaftshaus zu deftigem<br />

Schanzenbrot gebacken. Noch heute<br />

gibt es zahlreiche Dorfbackes, die zu<br />

bestimmten Terminen in Betrieb genommen<br />

werden. Und noch eine kuriose<br />

Entwicklung geht auf den Siegerländer<br />

Hauberg zurück, die Entstehung der<br />

Wiesenbauerprofession. Die wachsende<br />

Bevölkerung führte zu einer Zunahme<br />

der Viehbestände, der Platz in den Haubergen<br />

wurde knapp und so erfanden<br />

die Siegerländer eine besondere Bewirtschaftungsform<br />

zur Berieselung und<br />

Düngung von Wiesen. 1843 wurde eine<br />

Sonntagsschule für den Wiesenbauernachwuchs<br />

initiiert, 1853 folgte in Siegen<br />

die Gründung einer Wiesenbauschule,<br />

aus der nach vierjährigem Studium<br />

Wiesenbaumeister hervorgingen und die<br />

Wurzeln der heutigen Universität Siegen<br />

gehen darstellen.<br />

Im <strong>Siegerland</strong> noch live zu erleben:<br />

Das Köhlerhandwerk<br />

Niederwald<br />

Rubens-Galerie im <strong>Siegerland</strong>museum im<br />

Oberen Schloss in Siegen<br />

„Siebenmeilerstiefel“, Fotos: Achim Meurer<br />

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