19.08.2019 Aufrufe

Taxi Times DACH - Doppelausgabe Juni / Juli 2019

Eine solch starke und flächendeckende Taxi-Protestaktion hatte Deutschland noch nie erlebt. 10.000 Taxis fuhren am 10. April 2019 in Autocorsos hupend durch über 20 Städte, hielten Mahnwachen ab und riefen in Kundgebungen zur „Scheuerwehr“ auf. Taxi Times hat die Ereignisse dieses Tages nun in einer Spezialausgabe veröffentlicht.

Eine solch starke und flächendeckende Taxi-Protestaktion hatte Deutschland noch nie erlebt. 10.000 Taxis fuhren am 10. April 2019 in Autocorsos hupend durch über 20 Städte, hielten Mahnwachen ab und riefen in Kundgebungen zur „Scheuerwehr“ auf. Taxi Times hat die Ereignisse dieses Tages nun in einer Spezialausgabe veröffentlicht.

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TAXIZENTRALEN<br />

In Workshops<br />

konnte man sich<br />

an verschiedenen<br />

Thementischen<br />

untereinander und<br />

mit den FMS-Experten<br />

austauschen.<br />

forderungen der Zukunft. Weiss baute seinen<br />

Vortrag dazu stringent auf, indem er<br />

zunächst einmal den Status quo der Mobilität<br />

schilderte, von Städten berichtete, die<br />

im Verkehr und in den damit verbundenen<br />

Umweltproblemen ersticken und Studien<br />

zitierte, die eine drastische Zunahme des<br />

Individualverkehrs durch Uber & Co belegen<br />

– mit dem Fazit, dass die Politik dringenden<br />

Handlungsbedarf erkannt hat und<br />

im Rahmen ihrer Lösungen nun zwischen<br />

„Wildem Westen und Hypereffizienz“ entscheiden<br />

muss.<br />

TAXI = PARTNER DER POLITIK<br />

Für Weiss ist klar, dass die neuen Anbieter<br />

wie Didi, Lyft, Uber, Ola etc. diese Probleme<br />

nicht lösen können. Er sieht hier, dass das<br />

<strong>Taxi</strong> als eigentlicher Partner der Politik fungieren<br />

kann, sofern man sich als Teil des<br />

ÖPNV definiert bzw. politisch anerkannt<br />

wird. „Wenn man sich diese Entwicklung<br />

und all die Studien anschaut, müsste jetzt<br />

eigentlich die beste Zeit des <strong>Taxi</strong>gewerbes<br />

kommen“, sagte Weiss. „In den über<br />

30 Jahren, in denen ich dieses Geschäft<br />

mache, habe noch nie gesehen, dass <strong>Taxi</strong>s<br />

so gebraucht werden wie aktuell.“<br />

Doch trotz dieser Steilvorlage nimmt<br />

Weiss das <strong>Taxi</strong> als eine „sich nicht ändern<br />

wollende Branche“ wahr, welche die Zeichen<br />

der Zeit nicht erkenne und primär<br />

um ihre Existenz fürchte. Als hinderlich<br />

im bevorstehenden Wandel bezeichnet der<br />

FMS-Geschäftsführer, dass man <strong>Taxi</strong> als<br />

Einheitsprodukt zum Einheitspreis präsentiere<br />

und dass Kunden ihre <strong>Taxi</strong>s ohne<br />

Preisangaben bestellen müssten. „Wo gibt<br />

es das sonst, dass man ein Produkt im<br />

Internet bestellt und den Preis erst erfährt,<br />

wenn die Rechnung im gelieferten Päckchen<br />

auftaucht?“, fragte Weiss.<br />

Als weiteren Mangel sieht Weiss, dass<br />

es zwar bei den Angeboten eine Vielzahl<br />

von Insellösungen gibt, aber keine intelligente<br />

Vernetzung untereinander stattfindet.<br />

Nicht zuletzt sei auch die fehlende<br />

Öffnung der Kanäle zu Mobilitätspartnerschaften<br />

ein großes Manko. Um also wirklich<br />

zu einem Problemlöser für ökologische<br />

Mobilität zu werden, benötigt die <strong>Taxi</strong>branche<br />

einen internen Gesinnungswandel.<br />

Dafür gebe es kein Patentrezept, aber<br />

ein Bündel an Maßnahmen, die alle unter<br />

dem Schlagwort „Digitalisierung“ getroffen<br />

werden und die oben beschrieben Mängel<br />

in Dienstleistungsangebote verwandeln –<br />

für Kunden, die googeln, bei Amazon und<br />

Ebay kaufen und deshalb ihre Mobilität<br />

auch bei Apple und Google Maps suchen.<br />

„Dort müssen sie uns finden, uns buchen<br />

und auch bezahlen können“, sagt Weiss.<br />

Solche digitalen Ketten funktionieren<br />

aber nur mit modernster Technik<br />

in den <strong>Taxi</strong>s, weshalb Weiss an dieser<br />

Stelle eindringlich an die anwesenden<br />

Zentralenchefs appellierte, jetzt auf die entsprechende<br />

Technik umzusteigen, die man<br />

als Hersteller zur Verfügung stellen könne.<br />

Dass die Dringlichkeit gegeben ist, ist<br />

allen Beteiligten klar, doch in den Gesprächen<br />

während der Kaffeepausen wird<br />

schnell klar, dass es sich für die Zentralen<br />

nicht so einfach darstellt. Jedes<br />

»Die beste Zeit des<br />

<strong>Taxi</strong>gewerbes.«<br />

Michael Weiss<br />

Vermittlungsfeature verursacht Kosten<br />

(Entwicklung, Lizenz, Wartung), die jede<br />

wirtschaftlich hart kalkulierende Zentrale<br />

an die angeschlossenen Teilnehmer weitergeben<br />

muss. Das erhöht die Kosten und verschlechtert<br />

deren Position im Wettbewerb<br />

mit anderen lokalen <strong>Taxi</strong>zentralen oder mit<br />

den digitalen Anbietern. „Ein Teufelskreislauf“,<br />

fasst ein Teilnehmer das Dilemma am<br />

Rande des Kongresses zusammen.<br />

Spätestens an dieser Stelle kam nun<br />

wieder der rote Faden ins Spiel, dass man<br />

als <strong>Taxi</strong>branche und auch als örtliche<br />

<strong>Taxi</strong>zentrale nur gemeinsam stark sein<br />

kann. In allererster Linie natürlich durch<br />

die eigene App taxi.eu, die man in Kürze<br />

unter dem Dach einer „Europa <strong>Taxi</strong> Aktiengesellschaft“<br />

auf finanziell breitere Füße<br />

stellen will (siehe Seite 7), aber auch durch<br />

Partnerschaften mit anderen Mobilitätsanbietern<br />

und Vernetzungen mit deren System.<br />

Ein Züricher Kollege der 44er Zentrale<br />

präsentierte nicht ohne Stolz ein gemeinsam<br />

mit FMS entwickeltes Feature, das<br />

dem Kunden die Wahl zwischen verschiedenen<br />

Preiskategorien ermöglicht. Neben<br />

dem Standardtaxitarif kann er auch einen<br />

Billigtarif wählen, mit dem er dann sogar<br />

günstiger als Uber fährt. Dabei hat nicht<br />

nur der Kunde die Wahl, sondern auch der<br />

<strong>Taxi</strong>fahrer.<br />

Über die Fahrer-App kann er zu Schichtbeginn<br />

auswählen, ob er Aufträge aller<br />

Preiskategorien vermittelt bekommt oder<br />

nur bestimmter Kategorien. Diese Möglichkeit<br />

stehe nun auch den anderen Zentralen<br />

zur Verfügung, sagt 44er-Mitarbeiter Daniel<br />

Bienek. Für Zentralen in Deutschland<br />

oder auch Wien, wo man auf politischer<br />

Ebene für eine Beibehaltung der Tarifpflicht<br />

kämpft, mag das nicht interessant<br />

klingen. Und doch könnte es bei den Verhandlungen<br />

ein Ass im Ärmel sein, wenn<br />

man sich doch kompromissbereit zeigen<br />

muss. <br />

jh<br />

FOTOS: <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />

10 DOPPELAUSGABE JUNI / JULI <strong>2019</strong> TAXI

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