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LookNorway2018

Das Heft von Bernd + Urs zum Norwegen-Kletter-Naturfotografie-Trip im Sommer 2018

Das Heft von Bernd + Urs zum Norwegen-Kletter-Naturfotografie-Trip im Sommer 2018

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Vorwort<br />

Inhalt<br />

Sieben Wochen haben wir uns gegeben, im Sommer<br />

2018, für eine Reise ins Land des Lichts, des<br />

Wassers und der Berge. Es war eine richtig tolle<br />

Zeit, wie dieses Bilderbuch - hoffentlich - zeigt.<br />

Wir sind Norwegen-Anfänger. Unsere Auswahl<br />

an Kletter- und Fotospots ist natürlich willkürlich.<br />

Nichtsdestotrotz schon sorgfältig geplant, gründlich<br />

vorrecherchiert und auf unsere individuellen<br />

Reiseerwartungen abgestimmt. Wir wissen, dass<br />

es unendlich viel mehr zu entdecken und erleben<br />

gibt ...<br />

Mit diesem Heft möchten wir unsere Eindrücke,<br />

Blicke und Bilder weitergeben und unserer Begeisterung<br />

für dieses tolle Land Ausdruck verleihen.<br />

Und vielleicht dem ein oder anderen bei der<br />

eigenen Reiseplanung helfen.<br />

Bernd + Urs<br />

PS:<br />

Wir wissen natürlich, dass der Versuch, die besuchten<br />

Klettergebiete irgendwie zu kategorisieren,<br />

nur ein grober Ansatz sein kann. Wir haben<br />

es trotzdem probiert, auch weil uns genau dieser<br />

Punkt im vorliegenden Auswahlführer doch sehr<br />

fehlte. Wir wollen natürlich keinem Gebiet 'Unrecht<br />

tun' und betonen, dass unsere Bewertung<br />

subjektiv und unvollständig ist.<br />

04 Urdviki<br />

06 Runde - Das Vogelparadies<br />

08 facts Papageientaucher / Puffins<br />

10 info Vogelinsel Runde<br />

12 Beachen<br />

14 norwegisch Reisen<br />

14 facts Vøringsfossen<br />

16 Kvitness und Ekne<br />

18 Im Paradies des 'Eagle-man'<br />

21 facts Möwen<br />

23 facts Seeadler<br />

26 Klettern in Flatanger<br />

27 info Hanshallaren<br />

28 info Flatanger und die Elche<br />

30 facts Elche<br />

32 Børgefjell-Nationalpark<br />

33 Lofoten<br />

36 Lofoten Klettern<br />

37 report Vestpillaren direct<br />

42 Orcas<br />

44 Andenes Whale watching<br />

46 Dovrefjell<br />

48 facts Moschusochsen<br />

49 Klettern um Oslo<br />

50 Reiseroute<br />

auf dem Reinebringen<br />

Lofoten-Sandstrand vom Feinsten<br />

im Hintergrund die Flatanger-Höhle


Bernd mit Aussichtsbonus in Ein, zwei, drei, vier (7c) im Sektor Wasserfall<br />

Urdviki<br />

Die erste Kletterstation Routenqualität<br />

unserer Reise, Urdviki, Gebietsgröße<br />

am Byglandsfjord im<br />

Felsqualität<br />

südlichen Setesdal, punktet<br />

beim Setting mit 7 <br />

Spektrum<br />

Sternen von 5. Der etwas<br />

zähe, aber superschöne<br />

Setting<br />

Zustieg durch einen Zauberwald wird mit einem absoluten<br />

Traumpanorama belohnt. Die Qualität der Routen steht dem<br />

nicht nach, bei den leichteren unter 7a muss man vielleicht ein<br />

paar Abstriche machen, im französischen 7er Bereich war alles<br />

Angefasste richtig super.<br />

Wie ein paar Tage später in Beachen war, angesichts des hochsommerlichen<br />

Wetters, an der Westwand Vormittagseinsatz<br />

angesagt. Mit zwei sehr relaxten Bade-Nachmittagen am Strand<br />

von Bygland als angenehmer Begleiterscheinung. Sehr gewundert<br />

hat uns schon, dass wir in diesem tollen Gebiet drei Klettertage<br />

ganz allein blieben. Für die Kletterfotos mussten Stativ und<br />

Fernauslöser zum Einsatz kommen.<br />

4


Sommertage am Byglandsfjord<br />

Nebelkrähe<br />

Flussuferläufer<br />

Turmfalke<br />

5


Runde - Das Vogelparadies<br />

Tag fünf unserer Reise. Gegen Mitternacht sitzen wir im durchaus<br />

gemütlichen Aufenthaltsraum des Camping Goksøyr auf Runde<br />

und trinken mit einem schwedischen Vogelfotografen eine Flasche<br />

unseres - hier dann doch kostbaren - Roten. Wir bekommen<br />

gute Tipps für den Folgetag, der Wetterbericht sieht allerdings<br />

eher mies aus, glücklicherweise irrte er.<br />

Was macht einen perfekten Tag aus? Es können so viele Dinge<br />

sein, auch solche, die gar nichts mit Klettern zu tun haben, und oft<br />

ist es das Überraschende, das aus einem schönen den perfekten<br />

Tag macht.<br />

Der nächste wird auf jeden Fall ein solcher, geprägt von eindrucksvollen<br />

Naturschauspielen, einer atemberaubend schönen<br />

Umgebung und absolutem Traumwetter. Wir verbringen den Tag<br />

über die Insel wandernd, staunend und natürlich fotografierend.<br />

Wir können uns nicht satt sehen. Seeadler, die sich 50 m über uns<br />

im Luftkampf den, wohl um ihre Brut besorgten, Möwen erwehren<br />

müssen. Basstölpel, die zu tausenden auf einer unwirtlichen<br />

Klippe brüten und am alten Leuchturm formatfüllend über uns<br />

zur Fischjagd ziehen. Wieso heißen die eigentlich Tölpel, frage ich<br />

mich, angesichts der fliegerischen Eleganz mit der sie ihre 1,80 m<br />

Spannweite durch die Luft bewegen.<br />

Am Ende sind wir sieben Stunden unterwegs und bringen zum<br />

Abendessen am Camp den fetten Sonnenbrand mit. Das das Wetter<br />

ja gar nicht wirklich sonnig hätte werden sollen, ist die einzige<br />

Entschuldigung für dieses Missgeschick.<br />

Und der Höhepunkt des Tages kommt ja erst noch. Gegen acht<br />

versammelt sich die Fotografenschar überm Felsen der Papageientaucher<br />

zur Jagd aufs beste Bild. Die fast surreal schönen, etwa<br />

20 cm großen Vögel mit dem rot-blau-gelben Charakterschnabel<br />

sind das Objekt der Begierde für wohl jeden Vogelfotografen. Wir<br />

reihen uns da nahtlos ein und kämpfen drei lange Abende um<br />

den optimalen Moment, der minimal einen perfekten Landeanflug<br />

mit Fischen im Schnabel zeigen sollte. Ein irres Erlebnis, wie<br />

diese Vögel, die den Rest des Jahres auf offenem Meer verbringen,<br />

direkt vor einem in ihre Nester fliegen und sich dann zum<br />

Abendplausch auf den Felsen tummeln. Die Tage auf Runde waren<br />

ganz sicher eines der Highlights unserer Reise.<br />

6


Die Skuas (große Raubmöwe) brüten erst<br />

seit ein paar Jahren auf der Insel<br />

Trottellumme mit Beute<br />

Basstölpel<br />

Tordalk im Anflug auf den Vogelfelsen<br />

Austernfischer<br />

Dreizehenmöwe<br />

Krähenscharben beim Sonnenbad<br />

7


8


facts<br />

Papageientaucher / Puffins<br />

Die unbestrittenen Stars am Fuglefjellet, dem Vogelfelsen,<br />

sind die knuffigen Papageientaucher. In der Brutzeit schwirren<br />

abends Tausende um die Brutkolonie und bringen frischen<br />

Fisch für den Nachwuchs. Ihnen dabei zuzuschauen ist ein wirkliches<br />

Naturschauspiel, denn die Papageientaucher sind keineswegs<br />

ungeschickt, sondern echte Flugkünstler. Ihr ganzes Leben<br />

außerhalb der Brutzeit verbringen sie in der Luft und auf dem<br />

offenen Meer.<br />

Mit einer Körperlänge von 28 bis 34 cm und einer Flügelspannweite<br />

von 50 bis 60 cm sind Papageientaucher etwa so groß<br />

wie eine Haustaube. Sie ernähren sich fast ausschließlich von<br />

Fischen, die sie tauchend in oft großer Tiefe fangen. In der Brutzeit<br />

werden viele kleinere Fische, quer im Schnabel hängend,<br />

zur Bruthöhle gebracht. Zur Nistzeit besiedeln sie steile Klippen<br />

oder Geröllhänge, die eine grabfähige Substratschicht aufweisen,<br />

in der sich Höhlen befinden oder in der selbst Höhlen gegraben<br />

werden.<br />

Schon im Februar/März kommen die Papageitaucher ins Nistgebiet.<br />

In der Regel finden sie die Höhle und auch den Partner des<br />

vergangen Jahres wieder. Anfang Mai legt das Weibchen in der<br />

Bruthöhle ein Ei auf den Boden oder einer spärlichen Unterlage<br />

aus Gras oder Seetang. Das Ei wird vom Weibchen in 40 - 43<br />

Tagen ausgebrütet. Das nesthockende Junge wird von beiden<br />

Altvögeln bis zum Ausfliegen 47 - 51 Tage lang gefüttert.<br />

9


Die große Basstölpelkolonie<br />

auf der Westseite der Insel.<br />

Am alten Leuchtturm sitzt man<br />

direkt in der Einflugschneise.<br />

info<br />

Vogelinsel Runde<br />

Noch südwestlich von Ålesund gelegen, ist die 6,4 km²<br />

große Insel das südlichste Brutgebiet für Seevögel in<br />

Skandinavien. Die 100 Einwohner sind hier die Minderheit.<br />

In den steilen Felsen brüten jedes Jahr ca. 170.000<br />

Paare. In der Hochsaison bevölkern 6- bis 700.000 Vögel<br />

dieses Paradies.<br />

Die Insel ist, ohne Fähre, über eine einspurige Brücke zugänglich.<br />

Die kurze und schmale Küstenstraße erschließt<br />

die beiden Ortschaften, der Rest der Insel ist nur zu Fuß<br />

erreichbar. Der erfreulich günstige und sehr nette Campingplatz<br />

Goksøyr ist der ideale Startpunkt für alle Wanderungen.<br />

Nicht verpassen sollte man die Bootsrundfahrt, die beeindruckende<br />

Aus- und Einblicke in die Inselwelt bietet.<br />

10


11


Routenqualität<br />

Gebietsgröße<br />

Felsqualität<br />

Spektrum<br />

Setting<br />

Urs in<br />

Inshalah, 7c<br />

(unten)<br />

Osambabosa, 8a<br />

(links)<br />

Beachen<br />

Natürlich haben wir dem Klettern, bei aller Begeisterung für die<br />

Vogelfotografie, nicht völlig entsagt, im Gegenteil. Urs hatte die<br />

Kombination Vogelinsel mit Klettern akribisch geplant. Zweimal<br />

sind wir also zwischen Runde und Beachen, dem nächst gelegenen<br />

Klettergebiet, hin und her gependelt. 120 km und zwei<br />

gute Stunden sind ja für norwegische Verhältnisse gar keine<br />

richtige Fahrt.<br />

Dafür gab‘s tollen, teils etwas sandigen, Granit in geradezu unglaublicher<br />

Steilheit. Im Setting ein Punkt Abzug für die nahe<br />

Straße, aber schon auch ein Traum, der Blick auf den Fjord und<br />

die schneebedeckten Gipfel des Jostedalsbreen-Gletschers.<br />

Nicht überraschend lag das ganz Steile eher Urs. Ihm gelingt<br />

eine super-spektakuläre 8a in wenigen Versuchen.<br />

Trotz der Steilheit bietet Beachen ein sehr gutes Spektrum und<br />

auch viele schöne leichtere Routen. Das Gebiet ist denn auch<br />

gut besucht, aber - zumindest an den Tagen, als wir hier waren -<br />

weit entfernt von überlaufen.<br />

12


Auf der Reise von Urdviki nach Beachen, oben auf der Hochebene von Hardangervidda, unten der Blick<br />

auf den Innvigfjord, an dem das Klettergebiet liegt.<br />

Am Lovatnet-See, wenige Kilometer vom Klettergebiet entfernt.<br />

Urs in Inshalah (7c) -<br />

ganz ohne Gottes Hilfe<br />

gelingt ihm ein lockerer<br />

Punkt.<br />

13


norwegisch<br />

Reisen<br />

Schon auf der Fahrt von Urdviki nach Beachen zeigte<br />

sich uns die ganze Vielfalt der norwegischen Landschaften.<br />

Im Setesdal stellte sich, beim Anblick von<br />

atemberaubenden Granitwänden in allen Schattierungen,<br />

vor allem die Frage, wieso es da nicht mindestens<br />

10 Gebiete in der Qualität von Urdviki gibt und wieso<br />

alles, was im Setesdal-Führer außer Urdviki zu finden<br />

ist, doch sehr stark nach Slabs (für den Nichtkletterer:<br />

einliegende Platten) aussieht. Die Frage blieb unbeantwortet.<br />

Nach dem Setesdal kamen sehr alpine Gegenden, unter<br />

anderem die Pässe über den Haukelifjell, immer<br />

im Wechsel mit sensationellen Fjordlandschaften, z.B.<br />

am Hardanger- und dem Sognefjord. Und auch wenn<br />

wir tempogewohnten Deutschen uns erst an eine<br />

ganz neue Reisegeschwindigkeit gewöhnen müssen,<br />

bleibt jede Fahrt, angesichts der Vielfalt der Eindrücke,<br />

ein echtes Erlebnis. Mit mehr als 50 km Reisetempo<br />

im Stundenschnitt kann man nicht kalkulieren, bei<br />

80 km/h Höchstgeschwindigkeit, die häufig noch reduziert<br />

sind. Und ab und<br />

zu muss man ja<br />

schließlich mal<br />

anhalten, nicht nur zum Kaffetrinken, sondern natürlich<br />

auch immer wieder zum Fotografieren.<br />

Für die knapp 600 km von Urdviki nach Beachen hatte<br />

Urs‘ Reiseplanung deshalb einen sehr passend gelegenen<br />

Zwischenstop am Voringsfossen, einem spektakulären<br />

Wasserfall, vorgesehen. Das Setting war,<br />

wie erhofft, überragend, was unsere Bilder hoffentlich<br />

wiedergeben. Auf jeden Fall gönnten wir diesem spektakulären<br />

Platz ein ausgiebiges Abend- und ein Morgenshooting.<br />

facts<br />

Vøringsfossen<br />

Der wohl bekannteste Wasserfall Norwegens mit 183<br />

Meter Fallhöhe, 143 davon Freifallstrecke, ist ein<br />

Naturschauspiel ersten Ranges. Die von der Hardangervidda<br />

kommenden Wassermassen stürzen in eine<br />

beeindruckende Schlucht und münden schließlich in<br />

den Eidfjord.<br />

Den besten Blick hat man auf der Aussichtsplattform<br />

am Fossli Hotel, von wo sich Schlucht und Wasserfall<br />

in voller Pracht auftun. Für beste Foto sollte man früh<br />

aufstehen, damit man den Selfies der zahlreichen Reisebustouristen<br />

nicht im Bild steht.<br />

14


15


Kvitness<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Nicht alle Klettergebiete in Norwegen sind weltklasse,<br />

wie wir feststellen mussten. Auch die nicht, die uns <br />

der durchaus fragwürdige Auswahlführer Climb Norway<br />

anbietet. Von Kvitness, unserer dritten Anlaufstation waren<br />

wir doch etwas enttäuscht. Trotz erneut tollem Ambiente direkt<br />

überm Wasser war das Angebot eher spärlich. Dazu einige - wie<br />

wir fanden - sehr seltsam gebohrte (und bewertete) Routen im<br />

optisch besten Sektor. Urs und ich wären gar kein zweites Mal<br />

aufgelaufen, aber Yvonne, die wir am Abend in Kristiansund<br />

abgeholt hatten, wollte auf jeden Fall erstmal klettern und nicht<br />

fahren. Also hatten wir einen weiteren Klettertag, der einigermaßen<br />

versöhnt hat. Es gab dann doch einige Super-Touren, u.a. ein<br />

7b+, der uns ganz schön forderte.<br />

Routenqualität<br />

Gebietsgröße<br />

Felsqualität<br />

Spektrum<br />

Setting<br />

Urs in Jäg är inte Jesus (7b+). Was immer es heißen mag, für uns war es die Top-Tour hier.<br />

Von Kvitness sind wir dann nach Ekne gewechselt, einem Gebiet,<br />

das, wie wir feststellen mussten zu Recht, nicht im Auswahlführer<br />

enthalten ist. Außer dem Klettern war allerdings, wie gewohnt,<br />

alles sehr sehr schön. Der abgelegene Campground am Ende einer<br />

10 km langen Dirtroad, über einem malerischen Fjord, hätte<br />

auf jeden Fall zum Bleiben eingeladen, obwohl von teils etwas<br />

skurril anmutenden Dauercampern dominiert. Der supernette<br />

Campingplatzbesitzer wollte am Ende nur eine extrem geringe<br />

Gebühr für unsere zwei Nächte. Wo doch sonst nichts, aber auch<br />

gar nichts irgendwie günstig ist, in Norwegen.<br />

Yvonne in der wirklich genialen Kante Til min wenn Thomas (6c)<br />

Es waren auch eine ganze Reihe anderer Kletterer da und das<br />

Gebiet bietet mehrere Sektoren, die im Topo durchaus vielversprechend<br />

aussehen. Die Routenqualität und auch die Wände<br />

selbst waren dann aber eine Enttäuschung. Viele eher kleine<br />

und verteilte Wandfluchten, die schweren Touren maximal senkrecht<br />

und offensichtlich Extremkratzer. Eine 7a+ in diesem Gelände<br />

hab ich mir, trotz eingefangener Erkältung und gewisser<br />

Schlappheit, angetan. Die war dann auch schon ganz nett. Urs<br />

war da schon zurück zum Auto gegangen, da ihm irgendwas im<br />

Magen lag und die Routen ihn so gar nicht motivieren konnten.<br />

16


17<br />

Sonnenuntergang am Strand von Ekne


Im Paradies des 'Eagle Man'<br />

Nachdem wir am nächsten Morgen vier(!) nette Franzosen<br />

zum nächsten Bahnhof gebracht hatten, ging‘s<br />

weiter Richtung Flatanger. Wie fast immer, dauerte es<br />

etwas länger als man plant, aber am frühen Nachmittag<br />

erreichten wir Lauvsnes, den Haupt- und Einkaufsort<br />

in Flatanger.<br />

Für den nächsten Abend stand gleich ein weiteres<br />

Foto-Highlight auf dem Programm, das Urs schon im<br />

Februar gebucht hatte. Und als Erstes trafen wir<br />

am Bootssteg in Lauvsnes auch gleich auf<br />

den Protagonisten dieses Events: Ole Martin<br />

Dahle. Herr der Möwen und Intimkenner<br />

der Seeadler, von denen es in<br />

der faszinierenden Schärenlandschaft<br />

ringsum ca. 25 Brutpaare gibt. Ole<br />

kennt sie scheinbar alle mit Namen<br />

und seine Seeadlerausfahrten sind in<br />

der Naturfotografenszene weltbekannt.<br />

Die beiden Touren, die wir uns geleistet<br />

haben, waren sensationelle Erlebnisse.<br />

Alles super: Landschaft, Atmosphäre und natürlich<br />

diese beeindruckenden Vögel aus nächster<br />

Nähe. Das war jede Krone wert.<br />

Unserer ersten Ausfahrt, am zweiten Flatangerabend<br />

von Sieben bis Elf, folgte unmittelbar am nächsten<br />

Morgen um Sechs die zweite. Beide Male Hammerwetter<br />

und tolle Bedingungen. Die Fotoausbeute<br />

- insbesondere von Urs - ist gigantisch. Ole, selbst Fotograf,<br />

bietet perfekte Bedingungen. Er weiß, wo seine<br />

Adler wohnen, und sie sehen offensichtlich, dass<br />

er kommt - er macht das wohl auch schon 20 Jahre.<br />

Fliegt ein Adler in Sichtweite, dreht er bei und wirft<br />

einen Fisch ins Wasser. Immer mit dem Blick für die<br />

optimale Lichtsituation. Die omnipräsenten Möwen<br />

am Boot werden derweil mit einer Handvoll Hundefutter<br />

auf die andere Bootsseite gelockt, damit sie<br />

nicht durchs Bild fliegen. So hat man in einer Fahrt ca.<br />

20 bis 30 Mal die Chance auf den perfekten Schuss.<br />

Ganz einfach ist es trotzdem nicht, da schon alles sehr<br />

schnell geht.<br />

18


19


20


facts<br />

Möwen<br />

Möwen sind ziemlich lautstarke Vögel,<br />

was häufig noch durch ihr geselliges<br />

Auftreten verstärkt wird. Ihre<br />

Schreie werden oft gereiht ausgestoßen.<br />

Sie sind fast weltweit verbreitet,<br />

am artenreichsten in den gemäßigten<br />

und kalten Klimazonen beider<br />

Erdhalbkugeln.<br />

Möwen sind ausgezeichnete Segelflieger,<br />

insbesondere auch bei<br />

starkem Wind. Sie suchen vor allem<br />

den Strand nach Nahrung ab und jagen<br />

manchmal anderen Vögeln die<br />

Beute ab. Wenn sie nach Nahrung<br />

tauchen, dann sind nur der Kopf<br />

und ein Teil des Körpers unter Wasser.<br />

Die meisten Möwenarten sind<br />

Allesfresser, die je nach Gelegenheit<br />

lebende Nahrung oder Abfälle und<br />

Aas zu sich nehmen. Es überwiegt<br />

aber tierische Nahrung wie Fische,<br />

Krebse oder Stachelhäuter, gelegentlich<br />

auch kleine Nagetiere.<br />

Die Möwen sind Bodenbrüter und<br />

brüten meist in Kolonien. Sie legen<br />

in der Regel 2–4 Eier in Nester, die<br />

sie aggressiv verteidigen, auch gegen<br />

Menschen. Die Küken können<br />

von Anfang an laufen und schwimmen,<br />

bleiben aber als Nesthocker<br />

meist im Nest sitzen und werden<br />

von beiden Eltern gefüttert. Möwen<br />

können etwa 30 Jahre alt werden.<br />

21


22


facts<br />

Seeadler<br />

Mit bis zu 2,5 Metern Spannweite und 90 cm Körperhöhe<br />

sind Seeadler, neben den Geiern, die größten Greifvögel<br />

Europas. Sie bewohnen gewässerreiche Landschaften Eurasiens<br />

von Grönland bis zum Pazifik und ernähren sich<br />

während der Brutzeit vor allem von Fischen und Wasservögeln.<br />

Auch Aas wird gern genommen, lebende Säuger<br />

spielen meist nur eine untergeordnete Rolle. Fische werden<br />

häufig selbst erbeutet, Seeadler fressen jedoch auch<br />

tote und halb verweste Fische.<br />

Die Art wurde in Mittel- und Westeuropa durch menschliche<br />

Verfolgung und die Vergiftung durch das Insektizid<br />

DDT fast ausgerottet. Seit Mitte der 1980er Jahre nimmt<br />

der Bestand in weiten Teilen Europas jedoch wieder zu.<br />

Seeadlerpaare leben in Dauerehe zusammen und errichten<br />

gewaltige Horste aus Ästen. Das Gelege besteht aus<br />

ein bis drei weißen Eiern, die Brutzeit beläuft sich auf ca.<br />

38 Tage. Die Jungvögel erreichen nach rund 75 Tagen<br />

das Ästlingsstadium und nach 80 bis 90 Tagen können<br />

sie schon kurze Strecken fliegen. Die Sterblichkeit in den<br />

ersten Lebensjahren ist verglichen mit kleineren Greifvogelarten<br />

sehr gering. Bei einer Studie in Norwegen wurden<br />

nestjunge Seeadler mit Satellitensendern versehen:<br />

Mindestens 86 % aller Jungvögel überlebten die ersten<br />

zwei Lebensjahre.<br />

Junge Seeadler sind dunkelbraun und haben noch keinen<br />

weißen Schwanz. Mit jeder Mauser ändert sich das<br />

Gefieder und mit fünf Jahren zeigen sie das vollständige<br />

Erwachsenenkleid.<br />

Seeadler können bis zu 40 Jahre alt werden, die durchschnittliche<br />

Lebenserwartung ist aber deutlich geringer.<br />

Bei Untersuchungen von Brutvögeln in Schleswig-Holstein<br />

war der überwiegende Teil der Tiere (80 %) zwischen<br />

6 und 14 Jahre alt.<br />

Erwachsene Seeadler sind in fast ganz Europa Standvögel<br />

und bleiben ganzjährig in ihrem Revier. Die Seeadler im<br />

Norden Russlands und Sibiriens sind Zugvögel.<br />

23


24


25


Routenqualität<br />

Gebietsgröße<br />

Felsqualität<br />

Spektrum<br />

Setting<br />

Klettern in Flatanger<br />

Dem beindruckenden Landschafts-Seeadler-Erlebnis<br />

folgt eine ganze Reihe toller Klettertage. Das Gebiet<br />

rund um die legendäre Riesenhöhle bietet Granit<br />

vom Feinsten und eine Superlinie neben der anderen.<br />

Gleich die erste Route, die wir klettern, eine sensationelle,<br />

35m lange 6b+, beweist: Nicht nur die schweren<br />

Routen hier sind gut. Es gibt eine Reihe wirklich schöner<br />

6a's und 6b's.<br />

ersten Abend das WM-Endspiel gucken durften, waren<br />

hier engagiert am Werk. Das Zuschauen hat Spaß gemacht.<br />

Das Setting und die ganze Umgebung sind keinen<br />

Deut schlechter als die Fels- und Routenqualität. Unberührte<br />

Natur, kaum Straßen, grandioser Blick aufs Meer<br />

und die faszinierende Schärenlandschaft.<br />

Nichtsdestotrotz erschließt sich die ganze Qualität erst<br />

so richtig ab dem 7. Franzosengrad. Einige der 7b's und<br />

7c's zählen wirklich zum Besten was wir geklettert sind.<br />

Die Routen sind größtenteils lang und natürlich steil,<br />

interessanterweise gab es aber oft, neben kräftiger<br />

Pumpung, harte Einzelstellen mit Bouldercharakter.<br />

Den ganz steilen Aufgaben in der legendären Höhle<br />

stehen die eigenen Fähigkeiten im Weg, aber ganz<br />

sicher sind auch die grandios. Es wurde auf jeden Fall<br />

rege und hart dran gearbeitet, insbesondere eine Gruppe<br />

jüngerer Franzosen, in deren Ferienhaus wir am<br />

Auf dem Kletter-Camp ist die Atmosphäre entspannt<br />

und das Publikum sehr international. Man wird vom<br />

Inhaber persönlich supernett und sehr individuell<br />

empfangen, das macht die Stellplatzqualität auf der etwas<br />

lieblos daliegenden Wiese gleich wieder wett. Der<br />

Preis ist für norwegische Verhältnisse ok und bei der<br />

Ausstattung der Sanitäranlagen fühlt man sich direkt<br />

nach Spanien versetzt.<br />

Yvonne in Gulrot tyven (6b+), eindeutig der 6b+ des Jahres<br />

Das Kletter-Camp<br />

Hanshallaren<br />

26


info<br />

Hanshalleren<br />

300 Meter breit, 150 Meter hoch, deutlich über 120<br />

Routen von 5c bis 9c - die Felsen rund um die gigantische<br />

Höhle sind einfach atemberaubend. Jeder, der<br />

zum ersten Mal die knappe halbe Stunde Zustieg hinter<br />

sich gebracht hat, wird das bestätigen.<br />

Das Gebiet ist in der Kletterszene weltberühmt, es steht<br />

für Meilensteine in der Entwicklung des Sportkletterns:<br />

Thor‘s hammer (9a+), Change (9b+) und 2017<br />

natürlich Silence (9c), die aktuell schwerste und noch<br />

nicht wiederholte Route der Welt. Immer wieder war<br />

es Adam Ondra, der hier in Flatanger die Grenzen des<br />

Machbaren nach oben verschoben hat.<br />

Ein englischer Kollege in Wlden Inuti (8a+)<br />

Tolles Abendlicht für Urs in Steini (8a)<br />

27


info<br />

Flatanger und die Elche<br />

Natürlich sind die Seeadler und das<br />

Klettern nicht die einzigen Attraktionen<br />

der Kommune Flatanger. Die dünn<br />

besiedelte Gegend ist etwas ganz Besonderes.<br />

Viele sanfte, niedrige Hügel<br />

und natürlich die Schären prägen das<br />

Landschaftsbild in Kombination mit<br />

unberührter Wildnis und gewaltigen<br />

Granitmassen.<br />

Die Örtchen Lauvsnes und Vik haben<br />

einen eigenen Charakter und beide<br />

einen ausgedehnten Hafen. Der Fischfang<br />

ist die einzige offensichtliche Einnahmequelle.<br />

Das Charaktertier Skandinaviens gibt es<br />

hier besonders oft: Den Elch. Auf einer<br />

abendlichen Suchfahrt um Lauvsnes<br />

und Vik stehen die Chancen gut, einen<br />

der mächtigen Hirsche zu Gesicht zu bekommen.<br />

Potenzial für neue Klettergebiete<br />

scheint es hier nahezu endlos zu geben.<br />

Und nicht nur viele steile Wände,<br />

auch mehrere hundert Meter hohe<br />

Granitmauern, die senkrecht ins Meer<br />

abfallen, schreien förmlich danach, erschlossen<br />

zu werden.


29


facts<br />

Elche<br />

Elche erreichen eine Schulterhöhe von bis zu 2,4 Metern und<br />

können bei fast 3 Meter Körperlänge bis zu 850 kg wiegen.<br />

Elchkühe sind deutlich kleiner. Charakteristisch sind die sehr<br />

langen Beine und ein relativ kurzer Hals.<br />

Die männlichen Tiere zeichnen sich durch ein großes Schaufelgeweih<br />

aus, das bei den europäischen Elchen eine Spannweite<br />

von bis zu 1,35 Meter erreicht und bis zu 20 Kilogramm wiegt.<br />

Das Geweih wird jedes Jahr im Zeitraum Januar bis Februar<br />

abgeworfen und ist im Herbst, zum Beginn der Brunft, ausgewachsen.<br />

Der Elch ist in seinen Lebensraumansprüchen anpassungsfähig,<br />

bevorzugt aber unebenes, schwergängiges Gelände. Er ist<br />

relativ ortstreu und hält sich in der Regel in einem Gebiet auf,<br />

das ihm vertraut ist. Mit seinen breiten, spreizbaren Hufen kann<br />

er sicher durch Moore wandern. Er ist auch ein ausgezeichneter<br />

ausdauernder Schwimmer und kann sogar kleine Meerengen<br />

auf der Suche nach Nahrung durchschwimmen. Zum Tauchen<br />

kann der Elch seine Nasenlöcher schließen und sich einige<br />

Meter unter Wasser begeben, um dort nach Wasserpflanzen zu<br />

suchen.<br />

Nach ca. acht Monaten Tragzeit wird meist ein einziges Tier geboren,<br />

aber auch Zwillinge sind keine Seltenheit. Wenige Tage<br />

vor der Geburt vertreibt die Elchkuh das letztjährige Kalb. Nach<br />

der Geburt gelten Elchkühe als sehr gefährlich. Menschen, die<br />

ihnen zu nahe kommen, attackieren sie mit ihren Hufen. Dabei<br />

kam es schon zu tödlichen Unfällen.<br />

Bereits wenige Minuten nach der Geburt versucht das Kalb aufzustehen,<br />

nach etwa 20 Minuten folgt es der Mutter. Das Kalb<br />

ist kurz nach der Geburt etwa 80 Zentimeter groß und wiegt 10<br />

bis 15 Kilogramm.<br />

Elche sind tagaktive Einzelgänger. Im Winter finden sie sich<br />

manchmal zu losen Gemeinschaften zusammen. Temperaturen<br />

von minus 50 °C sind für sie kein Problem. Bei Temperaturen<br />

von plus 10 °C bis minus 20 °C fühlen sie sich am wohlsten.<br />

Wird es zu warm, leiden sie an Hitzestress.<br />

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Junger Bergfink<br />

Wandern im Børgefjell-Nationalpark<br />

Urs' Adlerauge hat sie entdeckt: Wacholderdrossel bei der Fütterung.<br />

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Abendstimmung über Henningsvær<br />

Lofoten<br />

Nach den tollen Klettertagen in Flatanger zog es uns weiter gen<br />

Norden. Yvonne hatte sich leider an der Schulter gezerrt und mit<br />

starken Schmerzen zu kämpfen. Da war dann noch was, das in<br />

Norwegen günstig war: Die fundierte und kompetente ärztliche<br />

Beratung in Lauvsness hat 15 Euro gekostet. Der Rat war so einfach<br />

wie wirkungsvoll: Erst mal abwarten und ruhen lassen. Nach<br />

einer guten Woche konnte sie vorsichtig wieder angreifen. Zur<br />

Überbrückung der kletterfreien Zeit legten wir auf der Fahrt Richtung<br />

Lofoten einen ausgiebigen und super-schönen Wandertag<br />

im Børgefjell-Nationalpark ein.<br />

Die Lofoten sind landschaftlich ein wahrlich beeindruckendes<br />

Erlebnis. Obwohl die absoluten Größen und Werte das gar nicht<br />

aussagen, ist alles ein bisschen extremer als man es so kennt. Die<br />

Bergketten etwas dichter, die Schluchten etwas tiefer, die Gipfel<br />

etwas bizarrer und dazu Traumstrände und -küsten, wohin das<br />

Auge blickt. Setting: 10 Sterne von 5.<br />

wegen. Der spät-abendliche, steile Aufstieg auf den angesagten<br />

Aussichtspunkt an der Südspitze, den Reinebringen, wurde mit<br />

sensationeller Lichtstimmung und den besten Landschaftsfotos<br />

des Urlaubs belohnt.<br />

Top-Ambiente boten auch die Camping-Abende überm genialen<br />

Strand von Eggum. Highlight dabei eine Fotostunde nachts um<br />

drei, mit feinster Mitternachtssonne und einem fast schon surrealen<br />

Regenbogen, ganz ohne Regen.<br />

Und dann die Küste bei Henningsvaer, an der sich die meisten<br />

Klettergebiete aufreihen: Wie aus dem Spielzeugkatalog. Der<br />

über zwei einspurige Brücken erreichbare Ort verteilt sich auf<br />

zahlreiche Inselchen mit einer ganz eigenen für den Fußballplatz.<br />

Häuser, Hafen, Leuchtturm, alles wirkt irgendwie pittoresk. Es war<br />

allerdings auf unserer gesamten Reise auch der einzige Ort, an<br />

dem man im Touristenstrom schwamm.<br />

Da macht das Reisen Spaß und wenn dann noch solche Highlights<br />

eingestreut sind, wie eine Gruppe Orcas, die unter einer<br />

normalen Autobrücke hindurch, gemütlich ins Innere eines Fjords<br />

schwimmen, passt wirklich alles. Der Ausflug an die Südspitze<br />

der Inselgruppe war also absolut lohnend, nicht nur der Orcas<br />

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Fast schon der Standard: Sonnenuntergang bei Lyngvær.<br />

Am Kap von Eggum, einem der coolsten Camping-Spots, die wir gefunden haben.<br />

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35<br />

Eines der ganz klassischen<br />

Lofoten-Motive: Das<br />

Fischerdorf Hamnøy bei<br />

Moskenes im Süden der<br />

Inselgruppe.


facts<br />

Eggum<br />

Eggum, die Ausnahme von der Regel: Das einzige<br />

'echte' Sportklettergebiet auf den Lofoten mit 'richtigen'<br />

Bohrhaken, ganz wie man es gewohnt ist.<br />

Wir haben drei Klettertage hier zugebracht und<br />

festgestellt, dass - wie so oft - die Routenqualität mit<br />

ansteigender Schwierigkeit eher besser wird.<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Routenqualität<br />

Gebietsgröße<br />

Felsqualität<br />

Spektrum<br />

Setting<br />

Yvonne und Bernd (unten) in der super<br />

Riss-Line von Skiloperen am Festvåg<br />

Lofoten-Klettern<br />

Der Schritt von Flatanger auf die Lofoten ist nicht<br />

nur 800 km weit, er verlangt darüber hinaus vom<br />

Kletterer einen echten Disziplinwechsel. Es gibt,<br />

mit wenigen Ausnahmen, praktisch keine gebohrten<br />

Sportkletterrouten. Es wird gebouldert, dazu<br />

gibt wohl auch einen umfangreichen Führer, wir<br />

haben es allerdings nicht probiert. Oder es wird<br />

mit mobilen Sicherungen geklettert und zwar<br />

konsequent. Selbst in den Gebieten mit Einseillängenrouten<br />

sind nicht mal Umlenker installiert, d.h.<br />

man muss aussteigen und nachsichern.<br />

Für einige Tage war diese Art zu Klettern auf jeden<br />

Fall richtig cool. Es ist eine weitere Disziplin unseres<br />

vielschichtigen Sports, die auszuprobieren kein<br />

Heroentum erfordert und auf jeden Fall zu empfehlen<br />

ist.<br />

Wir haben eine ganze Reihe eher kurzer Mehrseillängenrouten<br />

im moderaten Schwierigkeitsbereich<br />

gemacht. Die Massive und Routen an der<br />

Westküste bei Henningsvær (Gandalf, Festvåg, Pianokrakken,<br />

…) waren alle super schön und auch<br />

recht moderat, was die Absicherbarkeit angeht. Es<br />

geht in aller Regel an Rissen und Verschneidungen<br />

lang, die gute Platzierungsmöglichkeiten für<br />

die Sicherungen bieten.<br />

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Oben: Bernd mit vollem Rack am Start von<br />

Länge 3. Es ist schon bemerkenswert, was<br />

man da alles mitschleppt.<br />

Unten: Urs in Länge 8, wie fast alle anderen<br />

anspruchsvoll und satte 40m lang.<br />

report<br />

Vestpillaren direct<br />

Oft bergen die Touren mit den ganz<br />

großen Namen die Gefahr zu enttäuschen,<br />

wie ich schon mehrfach<br />

feststellen musste. Beim Top-Mehrseillängen-Ziel<br />

der Lofoten, dem<br />

Vestpillaren direct (banale Namensgebung:<br />

direkter Westpfeiler) am<br />

Presten (Priester - schon origineller,<br />

da aus der Form dieses tollen Pfeilers<br />

nachvollziehbar), war das nicht so.<br />

Hochgelobt, sogar im Auswahlführer<br />

für die schönsten Mehrrseillängenrouten<br />

Europas gelistet und alle Erwartungen<br />

erfüllt: Tolle Linie mit 12<br />

Seillängen, alle lang, fast alle gut und<br />

einige wirklich vom Feinsten. Wie alles<br />

hier, komplett clean, mit Ausnahme<br />

der ersten fünf Stände. Die kann<br />

man auf Abseilstellen legen, die wohl<br />

aus Sicherheitsgründen geschaffen<br />

wurden, um vom großen Band in<br />

Wandmitte eine Rückzugsmöglichkeit<br />

zu bieten. Schließlich ist das Wetter<br />

auf den Lofoten ja nicht immer so<br />

schön und stabil, wie wir es erleben<br />

durften.<br />

Wir fanden die Tour anspruchsvoll<br />

und für den ausgewiesenen Grad<br />

norwegisch 6 (UIAA 7-) auch teilweise<br />

ganz schön schwer. Urs‘ Nerven<br />

waren am Ende von Länge 6, die mit<br />

zwei delikaten, mit kleinen Keilen<br />

abzusichernden Stellen und einem<br />

langen, etwas wackeligen Quergang<br />

aufwartete, verbraucht. Hier musste<br />

er zum ersten Mal einen Stand an<br />

mobilen Sicherungen bauen, was ihn<br />

in diesem Moment doch sehr stark<br />

forderte. In der genialen 8. Länge, bewertet<br />

mit sportlichen N5+, hatte er<br />

auf jeden Fall sichtbar mehr Angst als<br />

Spaß. Bei mir lief‘s relativ problemlos,<br />

aber das Absichern und Standbauen<br />

kostet schon richtig Zeit. Das Highlight<br />

ist dann Länge 9: The slanting<br />

corner, die schiefe Verschneidung.<br />

Bilderbuchklettern, tolle Bewegungen<br />

und gut abzusichern. Am Ende<br />

auch noch ein komfortabler Stand<br />

mit guter Fotoperspektive, da war die<br />

Stimmung wieder top. Delikat dann<br />

nochmal der schlecht zu sichernde,<br />

finale Reibungsquergang am Ende<br />

von Länge 11, aber meine Nerven<br />

waren noch intakt.<br />

Noch 40m hässliche Grasrinne raus<br />

und wir standen am Gipfel, nach ca.<br />

7 Stunden. Ich bin sehr froh, dass Urs<br />

mitgezogen hat, wir das Top-Wetter<br />

genutzt haben und die Tour, die für<br />

mich persönlich schon ein zentrales<br />

Ziel war, gleich am 2. Lofotentag angegangen<br />

sind. Für Urs wären sicher<br />

ein paar mehr Vorbereitungstouren<br />

sinnvoll gewesen, aber die Bedingungen<br />

wären so nicht wieder gekommen.<br />

So hatten wir zum Trad-Üben<br />

am Vortag lediglich die 3-SL-Route<br />

Gandalf am gleichnamigen Massiv,<br />

die vom Anspruch her deutlich leichter<br />

war. Urs hat erst wenige Wochen<br />

vorher, als wir einige Klettertage in<br />

Cadarese zum Trad-Klettern waren,<br />

überhaupt seine erste mobile Sicherung<br />

gelegt.<br />

Urs in der genialen Länge 9, einer echten Bilderbuchverschneidung<br />

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Yvonne und Bernd beim letzten<br />

Schritt der 5 brillanten Genuss-Seillängen<br />

von Forsida,<br />

einer der Routen auf die Svolværgeita<br />

(die Ziege von Svolvær),<br />

eines der Wahrzeichen<br />

der größten Lofoten-Stadt.<br />

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39


40


Möwenkolonie bei Moskenes<br />

Aus Freude am Fliegen ... Flussseeschwalben am Lyngvær Bobilcamp<br />

41


Unverhofft: Eine Gruppe Orcas schwimmt unter einer Autobrücke bei Moskenes in einen Fjord.<br />

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43


Andenes, der Ort der Walsafaris an der Nordspitze<br />

der Vesterålen. Nur wenige Kilometer<br />

vor der Küste fällt der Meeresboden hier bis zu<br />

einer Tiefe von 1000 m ab.<br />

In diesen Tiefen jagen die Pottwale Kraken und<br />

tauchen dabei regelmäßig zum Atmen auf.<br />

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Whale watching<br />

Nach 8 Tagen Traumwetter auf den Lofoten kam dann doch mal so was<br />

wie das hier wohl eher übliche Wetter. Nach einem feucht-kalten Klettertag<br />

in Eggum starteten wir früher als geplant weiter nach Norden.<br />

Whale watching in Andenes, das wollten wir uns noch gönnen, vor<br />

allem motiviert von der unerwarteten Orca-Begegnung in Moskenes.<br />

Am Ende war es nicht klar, ob sich die zwei eingesetzten Tage und die<br />

450 zusätzlichen Kilometer wirklich gelohnt hatten. Wir hatten schon<br />

eine gute Zeit und natürlich waren auch die Vesterålen landschaftlich<br />

faszinierend, aber die Walausfahrt lief nicht ganz wunschgemäß.<br />

Die für den ersten Abend in Andenes gebuchte Fahrt mit einem 16-Personen-Schlauchboot<br />

musste wegen zuviel Wind ausfallen. Dass das nicht<br />

grundlos war, zeigte sich bei der Tour mit einem deutlich größeren Boot<br />

am nächsten Morgen. Der Seegang war doch beachtlich und Urs war<br />

nach der Hälfte der Zeit so seekrank, dass er nicht mehr fotografieren<br />

konnte.<br />

Was wir zu sehen bekamen waren drei Pottwale, die einige Minuten vor<br />

dem Boot herschwammen und dann wieder abtauchten. Es ist schon<br />

cool, diese faszinierenden Tiere so nahe zu sehen, aber nach dem Seeadler-Erlebnis<br />

bei Ole Martin Dahle waren wir wohl doch etwas verwöhnt<br />

und hatten insgeheim doch mehr erwartet.<br />

45


Ein Verwandter der Ziege<br />

Dovrefjell<br />

Am Ende war das Objekt unserer Fotobegierde keine 500 m<br />

vom Auto entfernt und wir konnten ganz entspannt selbst<br />

nochmal Kaffee trinken gehen, solange die Gruppe von<br />

fünf Moschusochsen in der Nachmittagssonne Siesta hielt.<br />

Zuvor waren wir eineinhalb Tage hart durch die recht eintönige<br />

Karstebenen des Dovrefjell gewandert, mit dem<br />

einzigen Ziel, diese Tiere vor die Kamera zu kriegen. Am<br />

ersten Tag sahen wir nach guten drei Stunden welche auf<br />

der anderen Flussseite stehen. Allerdings im unpassenden<br />

Gegenlicht und ohne die Chance den beeindruckenden<br />

Fluss zu überqueren.<br />

Schneehühner ganz nah und erstaunlich wenig scheu. Das<br />

war auch richtig cool. Nach der Rückfahrt mit dem Shuttlebus<br />

nach Hjerkinn dann besagte Szene. Geduldig grasend<br />

standen sie da, direkt neben der Straße und wir konnten<br />

uns bis auf einige Dutzend Meter nähern. Dazu gutes<br />

Licht und perfekte Kulisse mit dem zentralen Berg des<br />

Dovrefjells, der Snøhetta, im Hintergrund. Entsprechend<br />

zufrieden waren wir mit unseren Ergebnissen.<br />

Am zweiten Wandertag dann gar keine Ochsen, dafür aber<br />

46


47


facts<br />

Moschusochsen<br />

Sie sind Überlebende der letzten Eiszeit - gewaltige<br />

Tiere mit mächtigen Hörnern und langem<br />

zotteligem Fell. Sie waren auf dem europäischen<br />

Festland bereits ausgerottet. Bis die Moschusochsen<br />

im norwegischen Nationalpark Dovrefjell<br />

wieder heimisch wurden, waren mehrere Ansiedlungs-Anläufe<br />

nötig.<br />

Heute sind sie eine der Hauptattraktionen des<br />

Parks. Über 200 Tiere durchstreifen die karge,<br />

kalte Fjellregion auf der Suche nach ihren Nahrungspflanzen.<br />

Dazu gehören Blätter, Gräser,<br />

Kräuter, Flechten, Moose und mehr. Moschusochsen<br />

kommen mit großer Kälte zurecht, allerdings<br />

sind sie empfindlich gegen zu viel Feuchtigkeit.<br />

Starker Schneefall oder gar Vereisungen können<br />

die Nahrungssuche erschweren. Im Winter weichen<br />

die Tiere daher oft in niedriger gelegene<br />

Gebiete aus.<br />

Ein männlicher Moschusochse kann fast 2,5 m<br />

lang und über 400 kg schwer werden. Die Weibchen<br />

sind bedeutend kleiner. Das dichte Fell, das<br />

aus mehreren Schichten besteht, lässt die imposanten<br />

Tiere noch massiger wirken. Das braune<br />

Deckhaar kann gut 60 Zentimeter lang werden<br />

und verleiht den Tieren ihr zotteliges Aussehen.<br />

Wer sich in die Nähe der Tiere begibt, sollte mindestens<br />

200 m Abstand halten, denn ganz ungefährlich<br />

ist der Kontakt nicht. Trotz ihres etwas<br />

behäbigen Aussehens sind die Tiere sehr schnell:<br />

Sie können Geschwindigkeiten bis zu 60 km/h<br />

erreichen.<br />

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Klettern von Lillehammer bis Oslo<br />

Das Klettergebiet Hell bei Trondheim war für uns Zwischenstation auf<br />

dem Weg zum Dovrefjell. Der Konglomeratriegel mit sehr kurzen, sehr<br />

steilen Routen war eigentlich gar nicht auf unserer Wunschliste. Aber in<br />

Flatanger wurden wir rausgeregnet und da hat Hell perfekt in unsere<br />

Reiseplanung gepasst. Leider war das Wetter auch hier nicht gut, es hat<br />

zwar ein paar Stunden nicht geregnet, aber entsprechend der feuchten<br />

Atmosphäre waren die Bedingungen schon sehr siffig. Gefallen hat uns<br />

das Gebiet nicht wirklich, wobei man schon konstatieren muss, dass es<br />

da - zumindest in den oberen Graden - coole Touren gibt. Der 7c, den<br />

wir probiert haben, war auf jeden Fall gut und die zwölf Züge hatten es<br />

richtig in sich.<br />

Nach den Dovrefjell-Wandertagen wieder voll klettermotiviert, hieß das<br />

nächste Felsziel Jarberget. Der erste Eindruck war sehr positiv und versprach<br />

lange und durchaus steile Aufgaben in siebten Franzosengrad.<br />

Leider erwies sich die tatsächliche Qualität dann als deutlich schlechter<br />

als der erste Eindruck. Es gab schon ein paar gute Routen, aber im oberen<br />

Wandteil war das Ganze doch etwas flechtig und die 7b+, die wir<br />

gemacht haben, bot schon einige Routenqualität<br />

sehr spezielle Passagen. Immerhin<br />

<br />

Gebietsgröße<br />

war sie satte 40 m lang. Die leichten<br />

Touren waren maximal unteres Mittelmaß.<br />

Möglicherweise hätte man <br />

Spektrum<br />

<br />

Felsqualität<br />

doch die eine, sehr gut aussehende <br />

Setting<br />

8a probieren müssen. Nach zwei Klettertagen hatten wir, vor allem Urs,<br />

genug und wir zogen weiter Richtung Oslo.<br />

Mit den Städten haben wir es ja nicht so, Oslo gönnten wir knapp zwei<br />

Stunden und konsumiert haben wir exakt 12 Kronen, das war die Gebühr<br />

für 1:50 Stunden parken. Am gleichen Tag haben wir noch zwei Klettergebiete<br />

angeguckt, die vor allem die Frage aufwarfen, wie sie es denn in<br />

einen - sogenannten - Auswahlführer schaffen konnten.<br />

Aber dann tat sich doch noch ein ganz guter Spot auf, in direkter Stadtnähe:<br />

Hauktjerrn. Super schön gelegen in einem zauberhaften Wald<br />

bei zwei malerischen Seen. Es war auch ein ganz guter Klettertag, leider<br />

endete er in einem lang anhaltenden Gewitterregen, kurz bevor wir Fotos<br />

von einer wirklich tollen 7b+ machen wollten. Auf jeden Fall kann<br />

man das Gebiet empfehlen, wenn man mal in Oslo ist. Die Felsqualität ist<br />

nicht Flatanger, aber schon ok und wir haben zwei wirklich gute Touren<br />

erwischt. Als echtes Urlaubsziel würden wir es allerdings nicht ausgeben.<br />

Motiviert von zwei supernetten<br />

Müncherinnen, mit denen wir in<br />

Hauktjerrn im Gewitter saßen, haben<br />

wir am letzten Tag dann noch einen<br />

weiteren Felsen probiert. Auch<br />

Dammtjern, zwischen Oslo und<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Routenqualität<br />

Gebietsgröße<br />

Felsqualität<br />

Spektrum<br />

Setting<br />

Larvik gelegen, war eher eine positive Überraschung. Da waren schon einige<br />

coole Touren dabei und auch wenn nicht alles wirklich überzeugend<br />

aussah, könnte man hier wohl den ein oder anderen Tag gut klettern. Im<br />

Führer ist das Gebiet nicht und wenn die beiden Mädels nicht Infos dabei<br />

gehabt hätten, wären wir gar nicht hergekommen.<br />

Leider endete auch dieser Klettertag etwas zu früh im Regen. Uns wurde<br />

so langsam klar, welchen Wetterdusel wir in den ersten 5 Wochen, in<br />

denen Regen praktisch nicht vorgekommen war, gehabt hatten. Für den<br />

Moment blieb nur noch der Weg zur Fähre nach Larvik.<br />

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Abendstimmung auf Runde<br />

Immer mal wieder Fähre, wie hier<br />

über den Sognefjord, gehört zum<br />

Norwegen-Reisen dazu.<br />

Fotoausrüstung:<br />

Canon EOS 5d Mark III<br />

Canon EOS 760d<br />

Tamron SP 150-600mm F/5-6.3<br />

Canon EF 70-200mm f/2.8L IS II<br />

Canon EF 24-105mm f/4L IS<br />

Canon EF 100mm f/2.8 Macro<br />

Canon EF 50mm f/1.8<br />

Canon EF-S 10-18mm f/4.5-5.6<br />

Sony RX100<br />

Impressum:<br />

Selbstverlag Leuthäusser<br />

Coburg, Oktober 2019, Auflage: 100<br />

Text + Gestaltung:<br />

Bernd + Urs Leuthäusser<br />

Fotos: Urs + Bernd Leuthäusser<br />

bernd.leuthaeusser@gmx.de<br />

urs.leuthaeusser@gmx.de<br />

urs-naturfoto.de<br />

felsimkopf.de<br />

Für alle Angaben unter der Rubrik facts<br />

wurden Informationen aus Wikipedia<br />

und planet-wissen.de verwendet<br />

Der Stetind, Superberg amTysfjord<br />

in Nord-Norwegen (etwa auf Höhe<br />

der Lofoten), Ziel für alpine Abendteuer<br />

beim nächsten Mal.<br />

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