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Studie Kultur Region Oberes Mittelrheintal 2019 - Davide Brocchi

Davide Brocchi Wandel durch Kultur – Kultur im Wandel Neue Entwicklungspfade für die Region Oberes Mittelrheintal Eine Studie auf Basis von zwölf Experteninterviews, im Auftrag des Zweckverbandes Welterbe Oberes Mittelrheintal

Davide Brocchi
Wandel durch Kultur – Kultur im Wandel
Neue Entwicklungspfade für die Region Oberes Mittelrheintal

Eine Studie auf Basis von zwölf Experteninterviews,
im Auftrag des Zweckverbandes Welterbe Oberes Mittelrheintal

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Wandel durch <strong>Kultur</strong> – <strong>Kultur</strong> im Wandel<br />

Neue Entwicklungspfade für die <strong>Region</strong> <strong>Oberes</strong> <strong>Mittelrheintal</strong><br />

Gegenzug wird eine „Nutzpflanze“ auf den Ackerfeldern auf Kosten anderer Spezies angebaut.<br />

Wenn die traditionelle Bauweise mit „Rückständigkeit“ gleichsetzt wird, dann wird sie nach und<br />

nach durch eine „modernere“ Architektur ersetzt. Die Menschen gestalten ihre Welt, so wie sie<br />

diese sehen. Die Reduktion von Komplexität auf der Ebene der Wahrnehmung und der Gestaltung<br />

findet nicht zufällig statt, sondern auf der Basis von „kognitiven Filtern“, die im Rahmen<br />

einer <strong>Kultur</strong> geteilt werden. Zu diesen Filtern gehören auch Werte. Geert Hofstede definiert sie<br />

als<br />

die allgemeine Neigung, bestimmte Umstände anderen vorzuziehen. Werte sind Gefühle mit<br />

einer Orientierung zum Plus- oder zum Minuspol hin. Sie betreffen: böse/gut; schmutzig/<br />

sauber; gefährlich/sicher; verboten/erlaubt; anständig/unanständig; moralisch/unmoralisch;<br />

hässlich/schön; unnatürlich/natürlich; anomal/normal; paradox/logisch; irrational/rational.<br />

(Hofstede und Hofstede 2009: 9)<br />

Wertesysteme bilden den Bauplan einer Gesellschaft. Daran orientiert sich die Bildung ihrer Mitglieder.<br />

Wenn Schulen, Massenmedien oder Künste die Menschen bilden, zu welcher gesellschaftlichen<br />

Entwicklung tragen sie bei oder wollen sie beitragen? Welche <strong>Kultur</strong> dominiert in<br />

den Institutionen oder in den Unternehmen der <strong>Region</strong>? Wer oder was wird durch das Wertesystem<br />

privilegiert, wer oder was benachteiligt? Für die „Modellstadt Sankt Goar“ wurden am<br />

Rheinufer zahlreiche Bäume gefällt, um eine Aussichtsplattform aus Beton zu bauen: Ist eine<br />

solche <strong>Kultur</strong> im Sinne des Welterbes? Entspricht sie der kulturellen Identität der <strong>Region</strong>?<br />

Bei einer kulturellen Perspektive geht es um das Hinterfragen des kulturellen Bauplanes hinter<br />

der regionalen Entwicklung.<br />

Wer macht die <strong>Region</strong> für wen?<br />

Innerhalb eines <strong>Kultur</strong>kreises oder einer homogenen Gruppe erscheinen Werte oft als universal<br />

gültig und selbstverständlich. Erst durch die Auseinandersetzung mit anderen Sichtweisen wird<br />

ihre Relativität bewusst. Während der Westen den Tropenwald als „Umwelt“ oder gar als „Rohstofflager“<br />

betrachtet, ist er für viele indigene Völker ein Zuhause. Was für Investoren lediglich<br />

eine brachliegende Fläche in der Stadt ist, kann für Subkulturen eine kreative, selbstgestaltete<br />

Heimat sein. Die Relativität dieser Standpunkte wird jedoch verdeckt, wenn Strukturen der sozialen<br />

Ungleichheit ins Spiel kommen, etwa Machtverhältnisse. So wird etwa das Recht der Indios<br />

auf eine eigene <strong>Kultur</strong> im eigenen Land nicht anerkannt und die Sichtweise der gesellschaftlichen<br />

Zentren universalisiert: Entsprechend gehen sie mit dem Tropenwald und seinen Bewohnern<br />

um. Genauso muss die „kulturelle Wildnis“ in den Städten oft dem Bau von Einkaufszentren<br />

und Luxuswohnungen weichen. (vgl. <strong>Brocchi</strong> 2006: 3)<br />

In einem Kontext der sozialen Ungleichheit muss deshalb die Frage gestellt werden: Wer macht<br />

die Entwicklung für wen? Wer macht die <strong>Region</strong> für wen? Wer macht die Wirtschaft, die Verkehrspolitik<br />

oder die Bildung für wen?<br />

Vor diesem Hintergrund braucht es eine <strong>Kultur</strong> und Kunst, die soziale Ungleichheiten weder reproduziert<br />

noch als Statussymbol verstärkt, sondern ausgleicht. Es geht darum, den Schwächeren<br />

eine Stimme zu geben; denen eine Bühne zur Verfügung zu stellen, die sonst keinen Platz<br />

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