13.08.2019 Aufrufe

Studie Kultur Region Oberes Mittelrheintal 2019 - Davide Brocchi

Davide Brocchi Wandel durch Kultur – Kultur im Wandel Neue Entwicklungspfade für die Region Oberes Mittelrheintal Eine Studie auf Basis von zwölf Experteninterviews, im Auftrag des Zweckverbandes Welterbe Oberes Mittelrheintal

Davide Brocchi
Wandel durch Kultur – Kultur im Wandel
Neue Entwicklungspfade für die Region Oberes Mittelrheintal

Eine Studie auf Basis von zwölf Experteninterviews,
im Auftrag des Zweckverbandes Welterbe Oberes Mittelrheintal

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Wandel durch <strong>Kultur</strong> – <strong>Kultur</strong> im Wandel<br />

Neue Entwicklungspfade für die <strong>Region</strong> <strong>Oberes</strong> <strong>Mittelrheintal</strong><br />

Die Krise der Demokratie drückt sich nicht nur in dem Erstarken von Parteien aus, die ein tiefes<br />

Grundmisstrauen zum politischen Programm machen. Zerrüttet ist heute das allgemeine Verhältnis<br />

zwischen Bürger*innen und Institutionen. Während sich die Institutionen so verhalten,<br />

als ob einzig sie legitimiert und berechtigt wären, wichtige Entscheidungen über die Bürger*innen<br />

zu treffen, ist die Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen in Deutschland zwischen 1990 und<br />

2005 von 71 Prozent auf 48,8 Prozent gesunken (vgl. Bogumil/Holtkamp 2013: 74). Wenn nur<br />

die Hälfte zur Wahl geht, und die Hälfte davon den Wahlausgang bestimmt, dann vertritt der<br />

Wille von Bürgermeister*innen und Regierungen lediglich nur ein Viertel der Wahlberechtigten.<br />

Wie möchte die <strong>Region</strong> <strong>Oberes</strong> <strong>Mittelrheintal</strong> auf eine solche tiefe Legitimationskrise der Institutionen<br />

reagieren? So tun, als ob es sie nicht gäbe und durchregieren? Oder sich den Bürger*innen<br />

stärker öffnen, mit ihnen die Demokratie weiterentwickeln und stärken? Dienen „Public Citizen<br />

Partnerships“ dem Gemeinwohl vielleicht mehr als Public Private Partnerships?<br />

Zum menschlichen Maß<br />

Nachhaltig ist eine Entwicklung nach menschlichem Maß – und das <strong>Region</strong>ale entspricht dem<br />

mehr als das Globale. Die regionale Entwicklung sollte sich stärker an der inneren und äußeren<br />

Natur des Menschen orientieren. Die Institutionen sollten den Menschen mehr dienen, als die<br />

Menschen den Institutionen.<br />

Eine Entwicklung kann am besten nach menschlichem Maß gestaltet werden, wenn sich die Akteure,<br />

die diese gestalten, zuerst als Menschen verstehen und bereit sind, eine entsprechende<br />

Kommunikation von Mensch zu Mensch einzugehen, ohne Diskriminierung, in der sich auch so<br />

etwas wie Empathie entwickeln kann. Mensch zu sein und sein zu dürfen, will paradoxerweise<br />

an vielen Stellen wieder gelernt werden. 11 Dabei können die Künste eine wichtige Rolle spielen.<br />

Vor allem sie zeichnen sich durch die besondere Kompetenz aus, die Menschlichkeit aus ihrem<br />

Versteck herauszuholen und in ihrer Begrenztheit, Ambivalenz oder Lebendigkeit zu zeigen und<br />

wertzuschätzen. In der Geschichte waren es vor allem die Künstler*innen, die die Emanzipation<br />

des Menschlichen vorlebten, und entsprechend von autoritären Systemen verfolgt wurden. Indem<br />

die Künste Gefühlzustände öffentlich thematisieren, liefern sie eine Grundlage für eine Re-<br />

Politisierung des Privaten: Die Menschen sollen nicht unter vorgegebenen starren Rahmenbedingungen<br />

leiden, sondern diese menschlicher mitgestalten dürfen. Eine Entwicklung nach<br />

menschlichen Maß meint eine Stärkung statt Schwächung der Demokratie.<br />

Der Link zwischen <strong>Kultur</strong> und Entwicklung<br />

Weil der Mensch ein kognitiv und physisch begrenztes Wesen ist, kann er mit Komplexität nicht<br />

umgehen und muss diese ständig reduzieren: Einerseits kognitiv (durch eine selektive Wahrnehmung),<br />

andererseits physisch (durch Gestaltung). Wenn eine Pflanze in der Wahrnehmung als<br />

„Unkraut“ kategorisiert wird, dann wird sie durch Gestaltung aus der Umwelt verdrängt. Im<br />

11<br />

Nicht jeder ist bereit, den eigenen Status für einen Moment zur Seite zu legen. Vorgegebene Hierarchien<br />

und Strukturen fühlen sich auch bequem an, denn sie entlasten die Akteure von der Übernahme<br />

von Verantwortung.<br />

70

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