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Studie Kultur Region Oberes Mittelrheintal 2019 - Davide Brocchi

Davide Brocchi Wandel durch Kultur – Kultur im Wandel Neue Entwicklungspfade für die Region Oberes Mittelrheintal Eine Studie auf Basis von zwölf Experteninterviews, im Auftrag des Zweckverbandes Welterbe Oberes Mittelrheintal

Davide Brocchi
Wandel durch Kultur – Kultur im Wandel
Neue Entwicklungspfade für die Region Oberes Mittelrheintal

Eine Studie auf Basis von zwölf Experteninterviews,
im Auftrag des Zweckverbandes Welterbe Oberes Mittelrheintal

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Wandel durch <strong>Kultur</strong> – <strong>Kultur</strong> im Wandel<br />

Neue Entwicklungspfade für die <strong>Region</strong> <strong>Oberes</strong> <strong>Mittelrheintal</strong><br />

verschuldeten (Ludwig <strong>2019</strong>). Selbst wenn die Benachteiligung nicht die Mehrheit betrifft,<br />

nimmt die allgemeine Verunsicherung zu: die Angst vor dem sozialen Abstieg, abgehängt zu werden<br />

(vgl. Nachtwey 2017).<br />

Wenn eine <strong>Kultur</strong> des Vertrauens und der Kooperation herrschte, würden sich breite, unkonventionelle<br />

Bündnisse in der Gesellschaft bilden, um auf eine Wende in der Entwicklung und<br />

eine Veränderung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu drängen. Das Private könnte<br />

wieder politisch werden. Warum nicht gemeinsam die Probleme lösen, wenn sie alle betreffen?<br />

Warum nicht das Gemeinwesen wieder ausbauen und das Steuersystem gerechter gestalten,<br />

wenn es mehr Menschen dadurch besser gehen würde?<br />

Doch die Menschen kämpfen heute nicht unbedingt gemeinsam für eine bessere Welt, zumindest<br />

nicht in dem erwartbaren Umfang. Menschen, die eine <strong>Kultur</strong> des Misstrauens und des<br />

Wettbewerbs bereits verinnerlicht haben, kämpfen lieber gegeneinander, in der Hoffnung, einen<br />

der wenigen Plätze an der Sonne für sich selbst zu ergattern. Man wertet den eigenen Status<br />

auf, indem man sich nach oben solidarisiert und nach unten abgrenzt. Wer gegen die Flüchtlinge<br />

protestiert, tut interessanterweise nicht unbedingt das Gleiche gegen die Cum-Ex-Finanzgeschäfte,<br />

obwohl sie eine Straftat sind und den deutschen Staat deutlich stärker belasten. (Ackermann/Daubenberger<br />

2018) An einer ähnlichen Logik orientieren sich auch Städte, wenn sie lieber<br />

nach oben schauen, sich mit teuren Großprojekten profilieren anstatt den Schulterschluss<br />

zu suchen, auch mit der eigenen Zivilgesellschaft.<br />

Im Standortwettbewerb versucht jede Gemeinde immer mehr Unternehmen anzulocken, um<br />

die Einnahmen durch die Gewerbesteuer zu steigern. Dafür werden die sozialen und ökologischen<br />

Standards immer wieder aufgelockert (z.B. dürfen Investoren mehr Luxuswohnungen als<br />

Sozialwohnungen bauen). Bei diesem Spiel wird verdrängt, dass für jede Gemeinde, die ein Unternehmen<br />

hinzugewinnt, es eine andere geben muss, die ein Unternehmen verliert.<br />

Je knapper die Ressourcen werden, desto stärker setzt sich in einem solchen kulturellen Kontext<br />

die Logik der Konkurrenz statt der Kooperation durch – selbst wenn die Knappheit eine künstlich<br />

erzeugte und keine absolute ist. 10<br />

Vor diesem Hintergrund stellt sich für die <strong>Region</strong> <strong>Oberes</strong> <strong>Mittelrheintal</strong> die grundsätzliche Frage,<br />

ob sie einer Entwicklungslogik (weiter) folgen will, die sie selbst teilweise zum Verlierer gemacht<br />

hat. Warum nicht kooperieren statt konkurrieren, um die Rahmenbedingungen der gesellschaftlichen<br />

Entwicklung gemeinsam zu ändern? Um die Position aller Kommunen in der Hierarchie<br />

der Institutionen zu stärken und ihre Finanzierung auf nachhaltigeren Beinen zu stellen? Ist mehr<br />

Gemeinwesen statt Privatwesen vielleicht doch der bessere Weg für den Wohlstand? Muss man<br />

unbedingt auf Kosten anderer immer weiterwachsen, obwohl auch die gerechte Umverteilung<br />

und das Miteinanderteilen eine Option wären? Es braucht ein radikales Umdenken.<br />

10<br />

Wie kann es in einem reichen Land wie Deutschland arme Kommunen geben? Warum werden Akteure<br />

im <strong>Kultur</strong>bereich oder im Umweltbereich mit einer Knappheit konfrontiert, die für andere Bereiche (z.B.<br />

Verteidigung, Großbauprojekte wie Stuttgart 21) überhaupt nicht gilt?<br />

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