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Studie Kultur Region Oberes Mittelrheintal 2019 - Davide Brocchi

Davide Brocchi Wandel durch Kultur – Kultur im Wandel Neue Entwicklungspfade für die Region Oberes Mittelrheintal Eine Studie auf Basis von zwölf Experteninterviews, im Auftrag des Zweckverbandes Welterbe Oberes Mittelrheintal

Davide Brocchi
Wandel durch Kultur – Kultur im Wandel
Neue Entwicklungspfade für die Region Oberes Mittelrheintal

Eine Studie auf Basis von zwölf Experteninterviews,
im Auftrag des Zweckverbandes Welterbe Oberes Mittelrheintal

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Wandel durch <strong>Kultur</strong> – <strong>Kultur</strong> im Wandel<br />

Neue Entwicklungspfade für die <strong>Region</strong> <strong>Oberes</strong> <strong>Mittelrheintal</strong><br />

in dem Gefühle und Emotionen mit „Schwäche“ gleichgesetzt werden, bleiben sie eine „private<br />

Angelegenheit“.<br />

Die moderne Gesellschaft orientiert sich stark an der mechanistischen Rationalität und wird zunehmend<br />

selbst zur „Megamaschine“ (Mumford 1974). Darin müssen die Menschen lediglich<br />

funktionieren, mal als Arbeiter*innen und mal als Konsument*innen. Wer der inneren Natur des<br />

Menschen misstraut, ersetzt diese heute mit Computern, baut Mechanismen der sozialen Kontrolle<br />

aus und lässt kaum Raum für alles zu, was unberechenbar ist: Selbstorganisation und Bürgerbeteiligung<br />

zum Beispiel.<br />

Diese Entwicklung schafft zwar eine künstliche, berechenbare Ordnung, unterdrückt jedoch die<br />

Lebendigkeit, die jedem Menschen innewohnt. Die Selbstentfremdung, die daraus entsteht,<br />

wird teilweise durch Karriere, Massenkonsum, Unterhaltung oder Fernreisen kompensiert. Die<br />

ständige Aufforderung nach noch mehr Wirtschaftswachstum, Leistungssteigerung und<br />

Selbstoptimierung wird im Privaten heute von einem steigenden Konsum an Aufputschmitteln<br />

und Alkohol begleitet. Auch wenn die sichtbare Ordnung im Alltag weiter aufrechterhalten wird,<br />

gibt es Anzeichen, dass unter dieser Kruste ein Magma brodelt. Oft bleibt die innere Rebellion<br />

genauso eine private Angelegenheit, wie es die Gefühle und die Emotionen „zu sein haben.“<br />

Entsprechend häufen sich Diagnosen wie Depression oder Burnout (vgl. Ehrenberg 2008), dabei<br />

richten die Betroffenen eine wachsende Aggression gegen sich selbst. Immer öfter drängt jedoch<br />

die Aggression aber auch nach außen, auch in Form von Fremdfeindlichkeit und Gewalt.<br />

Die Parallelen zwischen heute und den 1930ern sind offensichtlich und besorgniserregend zugleich,<br />

in beiden Fällen folgt das Erstarken des Rechtsextremismus einer schweren, internationalen<br />

Finanzkrise, die ihrerseits durch eine zunehmende Abkopplung der Wirtschaft von der Gesellschaft<br />

entsteht (Polanyi 2001). In Folge der neoliberalen Globalisierung sind die gesellschaftlichen<br />

Widersprüche und die sozialen Probleme in den letzten Jahrzehnten immer mehr ins Private<br />

ausgelagert und verdrängt worden: Jeder sollte selbst für den eigenen Erfolg oder Misserfolg<br />

verantwortlich sein. Bei der britischen Premierministerin Margret Thatcher (in Keay 1987)<br />

hieß es sogar, dass „es so etwas wie Gesellschaft nicht gibt.“ Die Systeme der sozialen Sicherung<br />

und das Gemeinwesen sind entsprechend abgebaut worden; die Gesellschaft ist immer mehr zu<br />

einem Markt umgewandelt worden, auf dem jeder mit jedem konkurriert. Nicht nur der allgemeine<br />

Stress hat dabei zugenommen, sondern auch die soziale Ungleichheit, denn Deregulierung<br />

bedeutet nicht für alle mehr Freiheit: Es ist vor allem das Gesetz des ökonomisch Stärksten,<br />

das sich öfter durchsetzen darf. Liberalisierung meint, dass der Staat nicht mehr für eine Vermittlung<br />

und einen gerechten Ausgleich zwischen den Kräften auf dem Markt garantiert. Auch<br />

in dieser Politik der letzten Jahrzehnte sollten so die Ursachen der zunehmenden Polarisierungen<br />

und der heutigen Krise der Demokratie gesucht werden, sie wurden von einem kleinen Kreis<br />

mächtiger Staatsregierungen stark geprägt (mal G7, mal G8).<br />

Der neoliberalen Politik sind nicht nur Teile der Bevölkerung zum Opfer gefallen, sondern auch<br />

viele Kommunen. In einem reichen Land wie Deutschland ist heute knapp ein Fünftel der Bevölkerung<br />

von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht (Statistisches Bundesamt 2018), gleichzeitig<br />

sind ausgerechnet die rheinland-pfälzischen Gemeinden bundesweit die am stärksten<br />

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