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Studie Kultur Region Oberes Mittelrheintal 2019 - Davide Brocchi

Davide Brocchi Wandel durch Kultur – Kultur im Wandel Neue Entwicklungspfade für die Region Oberes Mittelrheintal Eine Studie auf Basis von zwölf Experteninterviews, im Auftrag des Zweckverbandes Welterbe Oberes Mittelrheintal

Davide Brocchi
Wandel durch Kultur – Kultur im Wandel
Neue Entwicklungspfade für die Region Oberes Mittelrheintal

Eine Studie auf Basis von zwölf Experteninterviews,
im Auftrag des Zweckverbandes Welterbe Oberes Mittelrheintal

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Wandel durch <strong>Kultur</strong> – <strong>Kultur</strong> im Wandel<br />

Neue Entwicklungspfade für die <strong>Region</strong> <strong>Oberes</strong> <strong>Mittelrheintal</strong><br />

stärker und die sozialen Ungleichheiten schwächer. 6 Wenn die Landwirt*innen die Verbraucher*innen<br />

persönlich kennen, dann verwenden sie schon deswegen weniger Chemie. Persönliche<br />

Beziehungen sind deshalb die Basis einer fairen Ökonomie. Vertrauen stärkt aber auch das<br />

Gefühl der inneren Sicherheit, denn Nachbar*innen, die sich persönlich kennen, achten mehr<br />

aufeinander. Menschen, die sich vertrauen (in der Familie, im Freundeskreis), erfahren Solidarität<br />

kostenlos. Weshalb Vertrauen die Voraussetzung von Sozialkapital und von einer Form von<br />

Ökonomie ist, die im Alltag unentgeltlich funktioniert – auch in Zeiten von Finanzkrisen.<br />

Menschen vertrauen sich meistens, je mehr sie im Alltag miteinander interagieren. Die Fremdenfeindlichkeit<br />

ist in Deutschland oft dort am ausgeprägtesten, wo es am wenigsten Migranten<br />

gibt, mit denen man im Alltag interagieren kann. Entsprechend gilt: die Förderung von sozialer<br />

Interaktion ist der Königsweg zur Vertrauensbildung und -pflege. Für die Entwicklung der <strong>Region</strong><br />

bedeutet dies unter anderem, dass deutlich mehr Verkehrsraum (Straßen und Plätze) als Aufenthaltsraum<br />

dienen soll. Diese Umwandlung kann durch die Reduktion des motorisierten Straßenverkehrs<br />

und einen Ausbau der Verkehrsalternativen ermöglicht werden. Zusätzlich sollte<br />

der Städtebau das „menschliche Maß“ stärker berücksichtigen, so dass Plätze nicht nur geordnet<br />

aussehen, sondern auch belebt sind. (Gehl 2015)<br />

Soziale Interaktion braucht gemeinsame „nachbarschaftliche Wohnzimmer“ (u. a. für inklusive<br />

Rituale) sowie Brückenbauer, Grenzgänger, Moderator*innen und Vermittler*innen, denn Nähe<br />

ist selten ein Synonym von Harmonie, darin entstehen immer wieder auch Konflikte. In den<br />

Großstädten übernehmen „Stadtteilkoordinatoren“ diese Rolle und bilden gleichzeitig eine<br />

Schnittstelle zur Verwaltung. Soziale Interaktion kann auch durch die Künste enorm gefördert<br />

werden. Sie können die sichtbaren und unsichtbaren Mauern, die sich im Alltag vor allem durch<br />

soziale Ungleichheit ergeben, durchbrechen und neue Kommunikationskanäle eröffnen. Wie<br />

wäre es, wenn reichere und ärmere Menschen öfter an einem Tisch zusammensitzen würden?<br />

Die starke Bedeutung von Vertrauen und sozialer Interaktion lässt sich durch das Subsidiaritätsprinzip<br />

in die Gestaltung des politischen Systems übertragen. Ein demokratisches System funktioniert<br />

am besten, wenn gerade jene Institutionen, die den Bürger*innen näher stehen (Ortsteile,<br />

Kommunen, <strong>Region</strong>en) stärker statt schwächer sind.<br />

3.4.8 <strong>Kultur</strong> und Natur<br />

Eine weitere wichtige Besonderheit des <strong>Kultur</strong>verständnisses der UNESCO ist die Tatsache, dass<br />

<strong>Kultur</strong> nicht in Abgrenzung zur Natur definiert wird. Auf der Bühne der internationalen Politik<br />

war die UNESCO nach 1945 der wichtigste Anstifter von Naturschutz. (Radkau 2011: 101) In der<br />

Anerkennung als Welterbe gehören <strong>Kultur</strong>- und Naturerbe zusammen. Die UNESCO hat den engen<br />

Link zwischen Biodiversität und kultureller Vielfalt anerkannt: „Als Quelle des Austauschs,<br />

der Erneuerung und der Kreativität ist kulturelle Vielfalt für die Menschheit ebenso wichtig wie<br />

die biologische Vielfalt für die Natur“ (UNESCO 2001). Viele lokale <strong>Kultur</strong>en haben im Laufe der<br />

6<br />

Die skandinavischen Länder galten lange Zeit als Musterbeispiel dafür.<br />

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