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Studie Kultur Region Oberes Mittelrheintal 2019 - Davide Brocchi

Davide Brocchi Wandel durch Kultur – Kultur im Wandel Neue Entwicklungspfade für die Region Oberes Mittelrheintal Eine Studie auf Basis von zwölf Experteninterviews, im Auftrag des Zweckverbandes Welterbe Oberes Mittelrheintal

Davide Brocchi
Wandel durch Kultur – Kultur im Wandel
Neue Entwicklungspfade für die Region Oberes Mittelrheintal

Eine Studie auf Basis von zwölf Experteninterviews,
im Auftrag des Zweckverbandes Welterbe Oberes Mittelrheintal

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Wandel durch <strong>Kultur</strong> – <strong>Kultur</strong> im Wandel<br />

Neue Entwicklungspfade für die <strong>Region</strong> <strong>Oberes</strong> <strong>Mittelrheintal</strong><br />

Diese Erklärung bekräftigt, dass „Bildung und <strong>Kultur</strong> […] eine unerlässliche Voraussetzung für die<br />

wahrhafte Entwicklung des Menschen und der Gesellschaft“ sind (ebd.: 1). Das gilt auch für die<br />

<strong>Region</strong>en.<br />

3.4.2 <strong>Kultur</strong> als Agora<br />

In anderen gesellschaftlichen Bereichen wie Politik und Wirtschaft werden die „großen existenziellen<br />

Fragen“ nicht oder nicht mehr gestellt: Wie wollen wir zusammenleben und wirtschaften?<br />

Welches Verhältnis wollen wir zur Natur? Wie sollte sich die <strong>Region</strong> weiterentwickeln: einfach<br />

dem dominanten Modell der Modernisierung und Globalisierung blind weiterfolgen oder<br />

andere Wege wagen? Der <strong>Kultur</strong>bereich (Theater, Museen, Hochschulen, Kirchen…) ist heute<br />

der privilegierte Raum, um solche Fragen zu stellen. Hier kann sich die Gesellschaft selbstreflektieren.<br />

An öffentlichen Debatten sollten sich nicht nur Intellektuelle und Künstler*innen beteiligen,<br />

sondern alle Bürger*innen. Es braucht eine <strong>Kultur</strong> als Agora. Der Platz inmitten der altgriechischen<br />

Polis gilt als der Ursprung der direkten Demokratie und übte weitere wichtige Funktionen<br />

aus, wie zum Beispiel die Pflege sozialer Beziehungen. In der modernen Stadtplanung ist die<br />

Agora leider nicht mehr vorgesehen.<br />

3.4.3 <strong>Kultur</strong>elle Identität der <strong>Region</strong><br />

In der oben genannten Erklärung geht die UNESCO auf die Frage der kulturellen Identität ein:<br />

„Jede <strong>Kultur</strong> repräsentiert eine einzigartige und unersetzliche Gesamtheit von Werten, da die<br />

Traditionen und Ausdrucksformen eines jeden Volkes das wirkungsvollste Mittel sind, seine Präsenz<br />

in der Welt zu beweisen“ (ebd.: 2). Jede Gruppe definiert sich durch eine eigene (Sub-)<br />

<strong>Kultur</strong> und jede (Sub-)<strong>Kultur</strong> durch eine Gruppe. Für den Soziologen Emile Durkheim ist <strong>Kultur</strong><br />

das, was eine Gesellschaft zusammenhält, trotz Arbeitsteilung und innerer Differenzierungen.<br />

Wenn dieser „Zement“ aufgeweicht wird, driftet eine Gesellschaft auseinander und entstehen<br />

anomische Zustände, so Durkheim (ders. 1973). In diesem Sinne stellt sich für die <strong>Region</strong> <strong>Oberes</strong><br />

<strong>Mittelrheintal</strong> die Frage, worin ihre gemeinsame kulturelle Identität besteht oder bestehen<br />

könnte. Genau eine solche gemeinsame Identität ist eine wichtige Voraussetzung, um den Zusammenhalt<br />

der <strong>Region</strong> zu stärken und der Parzellierung der Interessen entgegenzuwirken. <strong>Kultur</strong>elle<br />

Identität ist nicht das, was von oben vorgegeben oder zugeschrieben wird, sondern das,<br />

was an kollektiver Gemeinsamkeit gefühlt und gelebt wird. Wie kann eine solche Identität am<br />

besten definiert werden? Wie kann ihr freier Ausdruck gefördert werden? Wie können regionale<br />

Eigenart und regionaler Eigensinn in einer Weltgesellschaft geschützt werden, die im Rahmen<br />

der ökonomischen Globalisierung immer stärker uniformiert wird?<br />

Laut Durkheim bedarf jede kulturelle Identität eines symbolischen Ausdrucks, eines materialisierten<br />

Identifikationsmoments für die Gemeinschaft: eines Totems (Durkheim 1902). Für einige<br />

Jahrhunderte bildete die Kirche mit ihrem Glockenturm eine Art „Totem“ inmitten der Gemeinde.<br />

In der Modernisierung werden Einkaufstempel zu Totems stilisiert, doch die zunehmende<br />

Spaltung der Gesellschaft zeigt, dass der Kommerz selbst zu einer Aushöhlung des Gemeinschaftlichen<br />

führt. Was können also effektive Alternativen sein? Die These des Autors<br />

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