13.08.2019 Aufrufe

Studie Kultur Region Oberes Mittelrheintal 2019 - Davide Brocchi

Davide Brocchi Wandel durch Kultur – Kultur im Wandel Neue Entwicklungspfade für die Region Oberes Mittelrheintal Eine Studie auf Basis von zwölf Experteninterviews, im Auftrag des Zweckverbandes Welterbe Oberes Mittelrheintal

Davide Brocchi
Wandel durch Kultur – Kultur im Wandel
Neue Entwicklungspfade für die Region Oberes Mittelrheintal

Eine Studie auf Basis von zwölf Experteninterviews,
im Auftrag des Zweckverbandes Welterbe Oberes Mittelrheintal

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Wandel durch <strong>Kultur</strong> – <strong>Kultur</strong> im Wandel<br />

Neue Entwicklungspfade für die <strong>Region</strong> <strong>Oberes</strong> <strong>Mittelrheintal</strong><br />

wieder anzupassen? Neben einem inter- und intrakulturellen Austausch auf Augenhöhe bilden<br />

auch die Künste eine privilegierte Quelle „kultureller Mutationen“. Sie können ein wichtiger Treiber<br />

gesellschaftlichen (und regionalen) Wandels sein, unter der Bedingung, dass sie frei bleiben<br />

und nicht funktionalisiert werden (<strong>Brocchi</strong> 2007). Joseph Beuys hat einen erweiterten Kunstbegriff<br />

formuliert und die Kreativität als wesentlichen Bestandteil des menschlichen Daseins anerkannt:<br />

„Jeder Mensch ist ein Künstler“. Die Förderung der Kreativität meint gleichzeitig die Förderung<br />

der menschlichen Selbstentfaltung. Kreativität, die freie Entfaltung der inneren Natur<br />

des Menschen, ist ein wesentlicher Bestandteil des guten Lebens.<br />

<strong>Kultur</strong> ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe<br />

Die kulturpolitische Debatte bezieht sich in Deutschland vor allem auf den engen <strong>Kultur</strong>begriff,<br />

auf die <strong>Kultur</strong> als gesellschaftlichen Bereich neben den anderen. Diese Fokussierung verursacht<br />

eine doppelte Einschränkung und Fehlentwicklung:<br />

a) Eine <strong>Kultur</strong>, die eng verstanden wird, muss ständig um die eigene Existenz und Berechtigung<br />

kämpfen, ist nicht wirklich autonom und frei, lässt sich hingegen leicht funktionalisieren:<br />

für den Kommerz, die Unterhaltungsindustrie, als Marketingmaßnahme für<br />

den Wirtschaftsstandort, als Geldanlage, als Statussymbol oder als Rahmenprogramm<br />

für Veranstaltungen. Der enge <strong>Kultur</strong>begriff entspricht auch einem Aufgabenbereich im<br />

Rahmen einer öffentlichen, stark versäulten Verwaltung. Durch die öffentliche Förderung<br />

wird vorgeschrieben, was <strong>Kultur</strong> sein darf und was nicht. Ein ganzheitliches, vernetztes<br />

Denken hat es in einem solchen Kontext sehr schwer. In ökonomisch benachteiligten<br />

<strong>Region</strong>en müssen finanzielle Ausgaben für <strong>Kultur</strong> extra begründet bzw. gerechtfertigt<br />

werden: „Wofür braucht es denn <strong>Kultur</strong> und Kunst, wenn viele andere Probleme<br />

viel wichtiger sind? Wer sich den Luxus der <strong>Kultur</strong> leisten kann, hat eine öffentliche Förderung<br />

nicht so nötig, wie andere Akteure, die hart arbeiten.“ <strong>Kultur</strong> wird oft vor allem<br />

dann gefördert, wenn sie einen erkennbaren Beitrag zum Wirtschaftswachstum leistet.<br />

In der <strong>Region</strong> <strong>Oberes</strong> <strong>Mittelrheintal</strong> wird <strong>Kultur</strong> entsprechend oft mit Tourismus verknüpft.<br />

Doch wie frei ist eine solche <strong>Kultur</strong>? In der Modernisierung wird Entwicklung mit<br />

Wirtschaftswachstum gleichgesetzt; viele Belange werden dem obersten Ziel „Wirtschaftswachstum“<br />

untergeordnet. Selbst der <strong>Kultur</strong>betrieb wird zunehmend ökonomisiert.<br />

Die Existenzberechtigung, der Nutzen oder der Erfolg eines Theaters oder eines<br />

Museums werden anhand der Frage bewertet, ob sie schwarze oder rote Zahlen schreiben.<br />

Was vielen als selbstverständlich erscheint, ist in Wahrheit selbst Ausdruck einer<br />

<strong>Kultur</strong> im erweiterten Sinne, in diesem Fall einer nicht-nachhaltigen <strong>Kultur</strong>.<br />

b) Eine engverstandene <strong>Kultur</strong> hemmt jene Lernprozesse, die für eine Vorbeugung von Krisen<br />

und eine zukunftsfähige Entwicklung so wichtig sind. Denn eine „Hochkultur“ oder<br />

eine „Leitkultur“ legt immer eine Asymmetrie bzw. Hierarchie fest, bewusst wie unbewusst.<br />

Der Lernprozess verläuft immer nur in eine Richtung: von oben nach unten. Die<br />

Glaubenssätze, die oben herrschen, werden universalisiert, selbst wenn sie sich von der<br />

34

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!