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Studie Kultur Region Oberes Mittelrheintal 2019 - Davide Brocchi

Davide Brocchi Wandel durch Kultur – Kultur im Wandel Neue Entwicklungspfade für die Region Oberes Mittelrheintal Eine Studie auf Basis von zwölf Experteninterviews, im Auftrag des Zweckverbandes Welterbe Oberes Mittelrheintal

Davide Brocchi
Wandel durch Kultur – Kultur im Wandel
Neue Entwicklungspfade für die Region Oberes Mittelrheintal

Eine Studie auf Basis von zwölf Experteninterviews,
im Auftrag des Zweckverbandes Welterbe Oberes Mittelrheintal

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Wandel durch <strong>Kultur</strong> – <strong>Kultur</strong> im Wandel<br />

Neue Entwicklungspfade für die <strong>Region</strong> <strong>Oberes</strong> <strong>Mittelrheintal</strong><br />

und eine <strong>Kultur</strong> in den Unternehmen gibt. Die <strong>Kultur</strong> ermöglicht die soziale Kommunikation und<br />

übt einen enormen Einfluss auf unsere Entscheidungen aus, sowohl die bewussten als auch die<br />

unbewussten. Die Art und Weise, wie wir den Menschen, die Natur oder die Fremden wahrnehmen,<br />

„bestimmt“ die Art und Weise, wie wir damit umgehen. Jede <strong>Kultur</strong> materialisiert sich in<br />

einer bestimmten gesellschaftlichen Entwicklung: in einer bestimmten Art zu wirtschaften oder<br />

in einer bestimmten künstlerischen Produktion. So drückt sich die <strong>Kultur</strong> der Modernisierung in<br />

einer funktionalistischen, standardisierten und austauschbaren Bauweise aus, die in immer<br />

mehr Innenstädten weltweit vorkommt und die Vielfalt der lokalen, traditionellen Bauweisen<br />

nach und nach ersetzt.<br />

Wenn eine gesellschaftliche Entwicklung zu Krisen führt, dann liegen die Ursachen vor allem am<br />

kulturellen Bauplan dahinter. Krisen entstehen, wenn Menschen an Denkmustern festhalten,<br />

die sich von einer veränderten Realität entfernen (<strong>Brocchi</strong> 2012). Wenn die Denkweise an einem<br />

fossilen Energieregime hängen bleibt, obwohl sich die Erde weiter erwärmt, verschärft sich die<br />

Klimakrise. Es kommt irgendwann zu einer Finanzkrise, wenn wirtschaftspolitische Entscheidungen<br />

auf Basis starrer mathematischer „Modelle“ anstelle der tatsächlichen wirtschaftlichen Realität<br />

getroffen werden. Das Gegenteil solcher „Derealisierungsprozesse“, die soziale Systeme<br />

früher oder später in eine evolutionäre Sackgasse führen, sind „individuelle und kollektive Lernprozesse“<br />

(Habermas 1981). Sie erfordern eine ständige Auseinandersetzung (sprich: einen Dialog<br />

auf Augenhöhe) mit fremden Perspektiven. Wer „unter sich“ bleibt, riskiert sich innerhalb<br />

einer „Wahrnehmungsblase“ zu bewegen, in der sich die Beteiligten ständig gegenseitig bestätigen,<br />

selbst bei Fehleinschätzungen und falschen Entscheidungen.<br />

Soziale Systeme, die sich durch eine Monokultur auszeichnen, setzen alles auf eine Karte – und<br />

leben entsprechend gefährlich. Es ist eine Besonderheit vieler Ideologien, die Ursache des Problems<br />

zur vermeintlichen Lösung zu machen. Ein Symptom dafür, dass die Gesellschaft gegenwärtig<br />

von einer Monokultur dominiert wird, ist die Betrachtung von Wirtschaftswachstum als Allheilmittel<br />

für alle Probleme. Es gibt im Bundestag keine Partei, die Dogmen wie Wachstum ernsthaft<br />

hinterfragt (Rivera et al. 2016), in der Politik wird vieles dem „Wirtschaftswachstum“ unterordnet.<br />

In den Universitäten werden heute immer noch die gleichen Wirtschaftsmodelle gelehrt,<br />

die zur Finanzkrise geführt haben. Nachhaltiger sind jedoch Gesellschaften, die kulturelle Alternativen<br />

zulassen, statt sie zu zerstören oder abzuwerten. Gibt es wirklich keine bessere Alternative<br />

zu der Formel „Wohlstand gleich Wirtschaftswachstum“ oder gar „Wohlstand gleich Massenkonsum“?<br />

Und wenn es Wachstum überhaupt gibt, wer profitiert und wer zahlt dafür? Was<br />

sich unsere Gesellschaft als reines Wachstum vorstellt, ist eine Illusion, denn nichts wächst ganz<br />

ohne Kosten. Diese werden jedoch meistens ausgelagert und in der Gesamtrechnung nicht berücksichtigt.<br />

(Lessenich 2017; <strong>Brocchi</strong> <strong>2019</strong>b)<br />

Ein wesentlicher Faktor für die Widerstandsfähigkeit von sozialen Systemen gegenüber Krisen<br />

ist deshalb die kulturelle Vielfalt. Sie bietet eine größere Bandbreite an Lösungen bei jedem<br />

Problem. Durch eine ausgeprägtere Vielfalt können Systeme auf veränderte Umweltbedingungen<br />

schneller reagieren.<br />

Wenn die <strong>Kultur</strong> die DNA einer Gesellschaft bildet, was sind die Quellen jener „kulturellen Mutationen“,<br />

die eine „kulturelle Evolution“ benötigt, um mentale Systeme an ihrer Umwelt immer<br />

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