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Studie Kultur Region Oberes Mittelrheintal 2019 - Davide Brocchi

Davide Brocchi Wandel durch Kultur – Kultur im Wandel Neue Entwicklungspfade für die Region Oberes Mittelrheintal Eine Studie auf Basis von zwölf Experteninterviews, im Auftrag des Zweckverbandes Welterbe Oberes Mittelrheintal

Davide Brocchi
Wandel durch Kultur – Kultur im Wandel
Neue Entwicklungspfade für die Region Oberes Mittelrheintal

Eine Studie auf Basis von zwölf Experteninterviews,
im Auftrag des Zweckverbandes Welterbe Oberes Mittelrheintal

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Wandel durch <strong>Kultur</strong> – <strong>Kultur</strong> im Wandel<br />

Neue Entwicklungspfade für die <strong>Region</strong> <strong>Oberes</strong> <strong>Mittelrheintal</strong><br />

„Ich kümmere mich seit 1979 um die Wernerkapelle. Wir haben damals erkannt, dass sie zusammenzubrechen<br />

drohte. Eigentümer ist die Katholische Kirche, sie wollte die Kapelle fallen lassen.<br />

Die Ausrede: ‚Wir haben kein Geld ‘. So gründeten wir eine Bürgerinitiative für den Erhalt und<br />

haben 4.000 Menschen weltweit angeschrieben, die diese Kapelle kennen. Diese Kapelle hat eine<br />

besondere Geschichte, denn im Mittelalter wurde in dieser Gegend der kleine Knabe Werner<br />

ermordet, dafür wurde die Judengemeinde schnell schuldig gesprochen, es fanden Pogrome gegen<br />

die Juden statt, viele wurden ermordet, bis nach Köln. Doch heute wissen wir, dass die Juden<br />

keine Schuld am Mord trugen, die Geschichte wurde frei erfunden, um Intoleranz und Judenhass<br />

zu verbreiten. Wer die Wernerkapelle fallen lassen wollte, wollte auch diese Geschichte vergessen<br />

machen. Wir wollten genau das Gegenteil, nach dem Motto: Wir müssen nicht nur die Steine<br />

da oben restaurieren, wir müssen auch die Köpfe der Leute restaurieren. Wir müssen mit dieser<br />

Judengeschichte aufräumen.<br />

Papst Johannes XXIII war ein großer Vermittler zwischen Christen und Juden, von dem habe ich<br />

mir 1980-1981 ein entsprechendes Gebet genommen. Wir wollten, dass dieser Text in Stein gemeißelt<br />

an der Wernerkapelle steht. Das hat die Kirche damals jedoch abgelehnt. ‚Wenn ihr darauf<br />

besteht, wird da oben kein Stein angerührt!‘, hieß es. Die Arbeiten für die Restaurierung der<br />

Kapelle haben 20 Jahre lang gedauert. Jeder, der heute die Kapelle besucht, findet dort auch das<br />

Gebet von Johannes XXIII, in Stein gemeißelt – inzwischen aber mit Einverständnis der Kirche. Im<br />

Laufe der Jahre hat die Kirche bemerkt, dass der Bauverein ernsthafte und zuverlässige Arbeit<br />

leistet […]. Die Geschichte ist der Ausgangspunkt für unsere kulturelle Arbeit hier: Wir wollen sie<br />

verarbeiten und die Menschen gegen Intoleranz und für Toleranz sensibilisieren. Es dürfen keine<br />

falschen Legenden mehr erzählt werden, um Hass zu schüren. Wir haben es alle zusammen geschafft.“<br />

Peter Keber lebt in Bacharach, seitdem er 20 ist. Aus seinem Haus hatte er immer die Kapelle<br />

vor den Augen. Sein Beruf als Anwalt war auch bei Konflikten mit mächtigen Institutionen hilfreich.<br />

2007 initiierte er die Vortragsreihe „Toleranz vor Augen – Das Forum”, dabei wurde eine<br />

künstlerische Installation an die Wernerkapelle angebracht: „Das rote Fenster“ von Karl-Martin<br />

Hartmann, Wiesbaden (Hartmann 2008). Von Keber stammte auch die Idee, das Theater Willy<br />

Praml und seinen „Rabbi von Bacharach“ von Frankfurt nach Bacharach zu bringen. Als Rechtsanwalt<br />

hat Keber wichtige Prozesse für die <strong>Region</strong> begleitet, zum Beispiel jenen der zur Anerkennung<br />

als Welterbe geführt hat. Das Forum <strong>Mittelrheintal</strong> wurde 2002 von ihm abgewickelt<br />

und als ehrenamtliches Element in den zwischenzeitlich durch die Kommunen gegründeten<br />

Zweckverband eingegliedert. Diese persönlichen Verbindungen waren immer wieder sehr hilfreich,<br />

um die nötige Unterstützung für seine Projektideen in Bacharach zu bekommen.<br />

2.2.8 Karl-Heinz Lachmann (LK), Kaub<br />

Er ist seit 2009 ehrenamtlicher Stadtbürgermeister des rechtsrheinischen Kaub, eines kleinen<br />

Orts mit 800-900 Einwohnern. Weltweit ist Kaub wegen der Zollburg Pfalzgrafenstein und der<br />

Burg Gutenfels bekannt. Historisch ist der Ort mit dem Namen des preußischen Generalfeldmarschalls<br />

Blücher verbunden, der hier wohnte und mit seiner Armee den Rhein 1813/14 überquerte,<br />

um die Truppen von Napoleon ein letztes Mal zu schlagen. Warum wurde Lachmann<br />

(SPD) vom Zweckverband als Interviewpartner vorgeschlagen?<br />

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