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Studie Kultur Region Oberes Mittelrheintal 2019 - Davide Brocchi

Davide Brocchi Wandel durch Kultur – Kultur im Wandel Neue Entwicklungspfade für die Region Oberes Mittelrheintal Eine Studie auf Basis von zwölf Experteninterviews, im Auftrag des Zweckverbandes Welterbe Oberes Mittelrheintal

Davide Brocchi
Wandel durch Kultur – Kultur im Wandel
Neue Entwicklungspfade für die Region Oberes Mittelrheintal

Eine Studie auf Basis von zwölf Experteninterviews,
im Auftrag des Zweckverbandes Welterbe Oberes Mittelrheintal

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Wandel durch <strong>Kultur</strong> – <strong>Kultur</strong> im Wandel<br />

Neue Entwicklungspfade für die <strong>Region</strong> <strong>Oberes</strong> <strong>Mittelrheintal</strong><br />

6.3.6 Raum für Sehnsüchte<br />

„Es geht um die Romantik nicht um das Alte oder die schwere Kost, sondern um etwas, was<br />

gelebt werden will, was den Menschen wieder lebendig macht. Es geht um einen Raum für Sehnsüchte.“<br />

(SF)<br />

6.4 Handlungsempfehlungen<br />

Die Anerkennung als Welterbe durch die UNESCO und die Tatsache, dass damit auch Finanzmittel<br />

und Strukturen verbunden sind, schafft eine Effizienz in den Entscheidungsverfahren, die andere<br />

<strong>Region</strong>en nicht haben. Gerade für eine <strong>Region</strong>, die bereits über wenige Ressourcen verfügt,<br />

in der es nicht einmal ein <strong>Kultur</strong>amt gibt, ist die Entscheidung über das gemeinsame Identifikationsmoment<br />

am leichtesten, wenn sie auf die Rheinromantik fällt. Falls die Bevölkerung noch<br />

nicht völlig dahinter steht, kann man sie so lange bilden und mit Projekten über die Rheinromantik<br />

sensibilisieren, bis der demokratische Wille der Liebe zur Rheinromantik entspricht. Für<br />

dieses Ergebnis gibt es jedoch keine Garantie. Viele Interviewpartner*innen teilen zur Zeit den<br />

Eindruck, dass viele Tourist*innen die <strong>Region</strong> bewusst wegen der Rheinromantik besuchen, dieser<br />

Aspekt wird in der Bevölkerung jedoch weniger gelebt bzw. bewusst wahrgenommen. Die<br />

Rheinromantik feiert die Schönheit der Natur im Tal, aber diese gäbe es auch ohne Caspar David<br />

Friedrich.<br />

Das Problem der Rheinromantik ist nicht nur ein generationales, sondern liegt auch in dem allgemeinen<br />

Gefühl, dass <strong>Kultur</strong> etwas Elitäres und Abgehobenes sei; in der gesellschaftliche Ungleichheiten<br />

reproduziert werden. Wahrscheinlich gehören die Tourist*innen aus Japan, die die<br />

Rheinromantik so gut kennen, zu einer anderen Schicht (Bildungsniveau, Einkommen) als die<br />

meisten Menschen im Tal. Genauso waren die Burgen am Rhein Sitz der Aristokratie; das Volk,<br />

das sie bediente, durfte woanders leben. Auch Goethe gehörte einer höheren Schicht an. Das<br />

Elitäre steckt immer noch tief in der kulturellen Produktion – und drückt sich auch in Form einer<br />

sprachlichen Selbstbezogenheit aus. Die Geschichte von Gesellschaft und Kunst, die man in jedem<br />

Buch lesen kann und in den Schulen gelehrt wird, ist meistens jene von Eliten. Die Geschichten<br />

und die alltäglichen Errungenschaften der Menschen an der Basis der Gesellschaft werden<br />

selten literarisch festgehalten und weitererzählt.<br />

Diese Ungleichheiten und Separationen sind im Laufe der Jahrhunderte tief verinnerlicht worden,<br />

auch in den Massen. Deshalb: Dass die Türen der Galerien heute ganz offen sind, bedeutet<br />

nicht automatisch, dass diese auch betreten werden. Dass man sich Teilhabe wünscht und Geld<br />

dafür ausgibt, bedeutet nicht, dass die Menschen zeitnah das Angebot annehmen. Die Ungleichheit<br />

wird, oft unbewusst, weiter gelebt und vermittelt.<br />

Die Menschen identifizieren sich meistens mehr mit Dingen, die selbstgestaltet werden (die eigene<br />

Wohnung, die eigene Kunst…), als mit Dingen, die für sie gestaltet bzw. von oben herab<br />

vorgegeben werden. Ein Identifikationsmoment der <strong>Region</strong> müsste deshalb von unten definiert<br />

werden, um dann auch wirklich gefühlt und gelebt zu werden. Vielleicht wird die <strong>Region</strong> unten<br />

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