31.07.2019 Aufrufe

GASTRO das Fachmagazin 8/19

Die Tourismusbranche jubelt, denn ihre Zahlen sind rekordverdächtig: Österreichweit gab es im ersten Halbjahr 2019 76,23 Mio. Nächtigungen, das ist ein Plus von 0,7 Prozent, bei den Ankünften wurde eine Zunahme von 2,7 Prozent auf 22,01 Mio. verzeichnet. Allein Wien zählte im ersten Halbjahr 7.940.000 Nächtigungen und somit ein Plus von 9,9% zum Vergleichszeitraum des Vorjahres. Doppelt so stark wie die Nächtigungen dürften sich im ersten Halbjahr 2019 die Netto-Umsätze der Wiener Beherbergungsbetriebe entwickelt haben, und das ist der eigentliche Indikator. Das ist bemerkenswert, denn viele Regionen kämpfen mit dem Problem der Wertschöpfung. Qualitätstourismus mit ausgabenintensiven Gästen ist daher das Gebot der Stunde.

Die Tourismusbranche jubelt, denn ihre Zahlen sind rekordverdächtig: Österreichweit
gab es im ersten Halbjahr 2019 76,23 Mio. Nächtigungen, das ist
ein Plus von 0,7 Prozent, bei den Ankünften wurde eine Zunahme von 2,7 Prozent
auf 22,01 Mio. verzeichnet. Allein Wien zählte im ersten Halbjahr
7.940.000 Nächtigungen und somit ein Plus von 9,9% zum Vergleichszeitraum
des Vorjahres. Doppelt so stark wie die Nächtigungen dürften sich im
ersten Halbjahr 2019 die Netto-Umsätze der Wiener Beherbergungsbetriebe entwickelt
haben, und das ist der eigentliche Indikator. Das ist bemerkenswert,
denn viele Regionen kämpfen mit dem Problem der Wertschöpfung. Qualitätstourismus
mit ausgabenintensiven Gästen ist daher das Gebot der Stunde.

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Bild: Viorel-Munteanu<br />

DIE IDYLLE IN HALLSTATT<br />

DROHT DURCH TOURISTEN-<br />

ANSTÜRME IHREN REIZ ZU<br />

VERLIEREN<br />

aus, die oft nicht einmal zwei Stunden in einer<br />

Stadt bleiben, nichts konsumieren und<br />

schlimmsten Fall nur ihren Müll da lassen.<br />

Das Prinzip muss lauten: Lenken, statt verbannen<br />

und <strong>das</strong> geschieht am besten durch<br />

Verkehrskonzepte, Einfahrtsbeschränkungen<br />

und Gebühren und die Koppelung der Busslots<br />

an die Buchung eines Eintrittes. Außerdem<br />

wird für Bustouristen ein Mindestaufenthalt<br />

von zweieinhalb Stunden festgelegt,<br />

der mittels dieser Slots geregelt wird. Diese<br />

Strategien sind der erste Schritt zum Qualitätstourismus,<br />

der sowohl die Masse verringern,<br />

als auch die Qualität heben und damit<br />

verbunden <strong>das</strong> Nutzen-Kosten-Prinzip sicherstellen<br />

soll.<br />

Hallstatt kämpft seit Jahren mit Massenanstürmen<br />

– nicht nur von asiatischen (Bus)Gästen<br />

– aber von diesen ganz besonders. 2018<br />

verzeichnete die gesamte Welterberegion<br />

Hallstatt-Dachstein erstmals eine Million Gäste<br />

bei rund 10.000 Einwohnern. Die Zahl<br />

der ankommenden Reise busse verdoppelte<br />

sich binnen vier Jahren im Jahr 2018 auf<br />

über <strong>19</strong>.000. Der Handlungsbedarf war groß<br />

und so sind erste Schritte Zeitslots für Busse,<br />

die außerdem an die Buchung einer Sehenswürdigkeit<br />

gebunden sind und diese Slots<br />

werden zuerst an Reiseveranstalter vergeben.<br />

Für die Einheimischen gibt es Ruhezonen,<br />

die in keinem Reiseführer aufscheinen und<br />

bereits jetzt wird im fernen Osten nicht mehr<br />

mit Sommerbildern geworben, sondern Imagekampagnen<br />

fokussieren auf die Winteridylle.<br />

Ein zweites Tourismusbüro wurde eröffnet<br />

und <strong>das</strong> Angebot auch auf den Ticketverkauf<br />

von ÖBB und Postbus erweitert. Gästen<br />

soll also <strong>das</strong> Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln<br />

schmackhaft gemacht werden.<br />

Mit Jahresende wird auch die Weltere-App<br />

präsentiert, die Virtual und Augmented<br />

Reality mit anderen Services in einer<br />

Oberfläche verbindet und auf dem Smartphone<br />

abrufbar ist.<br />

Wann ist viel „zu viel“?<br />

Üblicherweise werden für diese Berechnung<br />

die Nächtigungen je Einwohner und der Umsatz<br />

pro verfügbares Zimmer herangezogen.<br />

Unter dem Blickwinkel haben bereits viele<br />

Citys zu viele Gäste ohne die dazugehörige<br />

Wertschöpfung, wie eine neue Studie der<br />

Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV)<br />

zeigt. Salzburg etwa zählt demnach neben<br />

Prag zu den Städten in der roten Zone, ebenso<br />

Dubrovnik.<br />

Wien liegt da mit einem Wert von 8,3 Prozent<br />

die Tourismusdichte betreffend sehr gut.<br />

Tourismusdirektor Norbert Kettner schreibt<br />

<strong>das</strong> auch dem Zusammenspiel der Kräfte zu.<br />

Tourismusbeauftragte, Stadtplanung und<br />

Wirtschaftskammer würden hier an einem<br />

Strang ziehen, so Kettner.<br />

Für 2018 gab es in Wien mit 16,5 Millionen<br />

Nächtigungen eine Steigerung um 6,3 Prozent.<br />

Bemerkenswert ist aber die wirklich<br />

wichtige Kennzahl der Nettoumsätze in der<br />

Hotellerie: diese stieg nämlich um 12,8 Prozent<br />

auf 893 Millionen und gibt damit Auskunft<br />

über eine beachtliche Steigerung der<br />

Wertschöpfung. Und noch etwas ist wesentlich<br />

für Wien: Wien Tourismus führt jährlich<br />

eine Studie durch, in der die Bevölkerung<br />

zum Tourismus in der Stadt befragt wird und<br />

da gab es 2018 eine Zustimmung von 94 Prozent.<br />

Wien dürfte also so ziemlich alles richtig<br />

machen.<br />

Die Trampelpfade verlassen<br />

Salzburg hat als stark nachgefragte Stadt<br />

bereits erste Maßnahmen ergriffen, wie Herbert<br />

Brugger, Geschäftsführer von Tourismus<br />

Salzburg (Stadt), in unserem Interview<br />

erzählt.<br />

Dort kommen nämlich täglich zwischen<br />

100 und 130 Busse an, die es zu lenken gilt.<br />

Dafür gibt es bereits Online-Anmeldungen<br />

für Reise busse, wo mit Zeitslots für eine Verteilung<br />

auf die Terminals Nord/Süd gesorgt<br />

wird. Die Busgäste bleiben im Schnitt 3 ½<br />

Stunden in der Stadt und da wird natürlich<br />

vor wiegend die Innenstadt frequentiert.<br />

Immerhin nächtigen aber auch zwischen<br />

30 bis 40 Prozent der Gäste auch in der Stadt<br />

und bei den Bustouristen sind viele Asiaten<br />

dabei, die überproportional in der 4* und<br />

5* Sterne-Kategorie absteigen. Von den sechs<br />

Millionen Tagestouristen sind drei Millionen<br />

Einheimische, die mit dem Auto kommen.<br />

Das zu managen ist eigentlich die wahre<br />

Herausforderung. Ein weiteres Ziel ist es, die<br />

Altstadt zu entzerren, denn die Hotspots<br />

Dom, Festung und Mozarts Geburtshaus<br />

sind nicht nur zu den Hauptreisezeiten Mai<br />

und Juni überfüllt. Dafür gibt es beispielsweise<br />

geführte Themenführungen als Stadtwanderwege<br />

(Creative Walk, Kirchenrundgang,<br />

Bierroute) und ganz grundsätzlich<br />

werden die 200 Guides der Stadt dazu angehalten,<br />

die Trampelpfade zu verlassen<br />

und andere Wege durch die Stadt zu gehen.<br />

Angedacht ist auch ein Online Anmeldesystem<br />

für Museen, der Eintritt für den Dom<br />

ab 2020 ist fix.<br />

Die Strategien sind also klar: Besucherströme<br />

müssen gelenkt werden, sei es über Zeitslots,<br />

<strong>das</strong> Anbieten von Ausflugszielen außerhalb<br />

der Hotspots oder preisliche Staffelungen,<br />

die die Randzeiten beleben sollen. Denn eines<br />

ist auch unbestritten: ohne Touristen<br />

würden manche Regionen ihre größte Einnahmequelle<br />

verlieren. Es geht um <strong>das</strong> gedeihliche<br />

Miteinander von einheimischer<br />

Bevölkerung und Gästen, die <strong>das</strong> Regionale<br />

schätzen und entsprechend damit umgehen.<br />

Um Qualitätstourismus also!<br />

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