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ERHARDs ERBEN

Thesen zur Verteidigung der sozialen Marktwirtschaft

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<strong>ERHARDs</strong> <strong>ERBEN</strong><br />

SELBSTVERANT<br />

WORTUNG<br />

{ Die Kampagne zur Selbstverantwortung }<br />

Subsidiarität – das Prinzip der katholischen Sozial lehre,<br />

ist die Maxime von Selbstbestimmung, Eigenverantwortung<br />

und der Entfaltung der Fähigkeiten des Individuums, der Familie<br />

oder der Gemeinde. Diesem Prinzip steht immer dann,<br />

wenn der Mensch nicht mehr zur eigenverantwortlichen<br />

Tätigkeit fähig ist, die Solidarität zur Seite. Die Hilfe zur<br />

Selbsthilfe.<br />

Der Mensch tritt aber in die Welt mit der Aussicht, sein<br />

Leben in eigener Verantwortung, aus eigener Kraft führen zu<br />

können. Dies ist der Kern seiner Menschenwürde und ermöglicht<br />

ihm, Stolz auf sich selbst zu ent wickeln. Wer dem Menschen<br />

das, was er aus eigener Kraft meistern kann, abnimmt,<br />

nimmt ihm gleichzeitig den Stolz und die Würde.<br />

Damit sind wir<br />

beim Gegenteil von<br />

Selbstverantwortung:<br />

der „Betreuung“.<br />

Dolf Sternberger, dessen „Wörterbuch des Unmenschen“<br />

1957 noch unter dem frischen Eindruck einer totalitären Herrschaft<br />

erschien, und in dessen Auflistung der Unmensch-Wörter<br />

„Betreuung“ eine prominente Stelle einnahm, definiert das<br />

Wort „Betreuung“ als „diejenige Art von Terror, für die der<br />

Jemand – der Betreute – auch noch Dank schuldet“.<br />

„Betreuung“ macht aus dem selbstverantwortlichen<br />

Menschen einen passiven Hilfsbedürftigen. Diese schleichende<br />

Passivierung der Menschen durch eine Betreuer-Elite, die<br />

auf der Basis eines selbstdefinierten Wertekanons das Individuum<br />

und eine ganze Gesellschaft „auszurichten“ beginnt, ist<br />

sicheres Zeichen des Übergangs zu einer totalitär geführten<br />

Gesellschaftsstruktur. „Ausrichten“ war im Übrigen ein zweites,<br />

sehr wesentliches Wort im Unmenschen-Wörterbuch.<br />

Denn im Würgegriff des „Unmenschen“ entwickelt es sich zur<br />

„weltanschaulichen“ und „inneren Ausrichtung“. Der Gleichschaltung<br />

von Meinung und Tat, die wir gerade wieder zu<br />

zahlreichen Themen erleben. Dem Standard nicht-demokratischer<br />

Gesellschaften.<br />

Dass der Betreute die Bequemlichkeit der Betreuung zu<br />

genießen beginnt – die Möglichkeit, sich durch Annahme unzähliger<br />

angebotener „Opferrollen“ lebenslang alimentieren<br />

zu lassen – und sich in diesem Kokon einrichtet, ist eine fatale<br />

Begleiterscheinung. Nichts anderes entsteht daraus als ein<br />

„Stockholm-Syndrom“ des Betreuten gegenüber dem Betreuer<br />

auf gesamtgesellschaftlicher Ebene.<br />

In der frischen Erinnerung an den Terror und die Qualen,<br />

die eine totalitäre Betreuer-Elite erzeugen kann, war der<br />

Zeitgeist in unserem Lande einige Generationen lang ganz<br />

dem selbstverantwortlichen Individuum zugetan. Diese Erinnerung<br />

verblasst zunehmend und der Zeitgeist dreht sich wieder<br />

hin zu Alimentierung, Passivierung, „Ausrichtung“ und<br />

Totalbetreuung.<br />

Auflösen kann diesen Zeitgeist nur die Erkenntnis jedes<br />

Einzelnen, dass er in den vergangenen Dekaden Zug um Zug<br />

Stolz und Würde abgegeben hat an der Kontrollstation diverser<br />

Betreuungsmodelle.<br />

Und diesen Stolz,<br />

diese Würde, nun<br />

zurückfordern muss. <br />

Ludwig Erhard, der selbst zutiefst durch die katholische<br />

Soziallehre geprägt wurde, sei dazu abschließend zitiert. Er<br />

schrieb 1957, zufällig oder nicht im Jahr des Erscheinens von<br />

Sternbergers „Wörterbuch“: „Das mir vorschwebende Ideal<br />

beruht auf der Stärke, dass der Einzelne sagen kann: Ich<br />

will mich aus eigener Kraft bewähren, ich will das Risiko des<br />

Lebens selbst tragen, will für mein Schicksal selbst verantwortlich<br />

sein.“<br />

Dies zu sagen und zu fordern, kann niemandem abgenommen<br />

werden. Es ist die erste große Tat eines jeden<br />

Menschen. <<br />

06 07

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