30.07.2019 Aufrufe

ERHARDs ERBEN

Thesen zur Verteidigung der sozialen Marktwirtschaft

Thesen zur Verteidigung der sozialen Marktwirtschaft

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Markt & Selbstverantwortung<br />

Erhards<br />

Erben<br />

Thesen zur<br />

Verteidigung<br />

der sozialen<br />

Marktwirtschaft


<strong>ERHARDs</strong> <strong>ERBEN</strong><br />

PRÄAMBEL<br />

{ „The German Angst“ }<br />

„German Angst“ ist zum feststehenden Begriff für ein Land geworden, das seine<br />

wirtschaftliche und wissenschaftliche Stärke über viele Generationen hinweg vor allem<br />

aus der unbefangenen Erkundung geistigen Neulands gewonnen hatte – und manchmal<br />

noch immer gewinnt. Intellektuelle Offenheit und forschende Risikobereitschaft kompensierten<br />

im „Land der Dichter und Denker“ die Armut an Rohstoffen und schufen stattdessen<br />

eine reiche Bildungslandschaft und eine immense Kraft zur Innovation.<br />

Dieses noch vor Jahrzehnten unerschöpflich wirkende, wohlstandsfördernde immaterielle<br />

Kapital ist erkennbar aufgebraucht. Statt dessen macht sich eine Angstgesellschaft<br />

breit, deren Wegmarken im Drang zur zentralen Regulierung, in der politischen<br />

Neigung zu Verboten, in der tendenziellen Verhinderung kontroverser gesellschaftlicher<br />

Diskussionen, aber auch in der scheinbar typisch deutschen Flucht in Weltverbesserungsund<br />

Weltuntergangsphantasien sichtbar werden.<br />

Deutschland ist nach jahrzehntelangem, kollektivem Wohlsein „satt“ geworden.<br />

Kollektivistische, bisweilen unverhohlen sozialistische Denkmuster ersetzen immer öfter<br />

die wertschöpfenden marktwirtschaftlichen Bestände. Ein fatales Quintett lähmender<br />

Eigenschaften prägt den Zeitgeist und schwächt unsere Zukunftsfähigkeit: Konformismus,<br />

Leistungsfeindlichkeit, Unbildung, Anspruchsdenken und Panikmache.<br />

Diese Denkfaulheit zeigt sich an unserem Umgang mit Europa. Deutschland leistet<br />

sich einen Alleingang nach dem anderen, statt gemeinsam mit den europäischen Partnern<br />

darüber nachzudenken, wie die EU von morgen aussehen sollte. Die Klimadebatte ist<br />

dann nur der buchstäbliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt und uns, unsere<br />

Kinder und Kindeskinder – um im Bilde zu bleiben – ideologisch überschwemmt und<br />

schlimmstenfalls (wirtschaftspolitisch) untergehen lässt.<br />

Deutschland verliert gerade in Schlüsselbereichen wie der Digitalisierung, der<br />

Künstlichen Intelligenz oder in der Energiepolitik den technologischen Anschluss und<br />

droht aus dem Kreis der führenden Industrienationen der Welt auszuscheiden. Allerdings<br />

gehören wohl auch Pessimismus und Zukunftsangst zum gemeinschaftlichen Inventar<br />

der Deutschen.<br />

Wir jedenfalls hoffen, dass es noch nicht zu spät für eine Wende ist – aufbauend<br />

auf vielen wertvollen Traditionen und großartigen Leistungen – um zurückzufinden auf<br />

den Weg nach vorn.<br />

Wir als Deutscher Arbeitgeberverband wollen jedenfalls alles uns mögliche dazu<br />

beitragen, dass der eingeschlagene Irrweg hin zur konformistischen Angstgesellschaft<br />

schnellstmöglich wieder verlassen wird und jeder Einzelne und wir alle gemeinsam in eine<br />

andere Richtung aufbrechen: mit dem Mut zum Risiko und entsprechender psychischer<br />

Krisenfestigkeit hin zu einer neuen freiheitlichen Leistungs- und Innovationskultur.<br />

Die nachfolgenden Thesen zu den uns als bedeutsam erscheinenden Wegmarken<br />

sind als Minimalkonsens gedacht für diesen von uns unterstützten Aufbruch. <<br />

02 03


<strong>ERHARDs</strong> <strong>ERBEN</strong><br />

INHALT<br />

03 Präambel<br />

„The German Angst“<br />

06 Selbstverantwortung<br />

Die Kampagne zur Selbstverantwortung<br />

08 Rechtsstaat<br />

Gleiches Recht für alle<br />

10 Schulische Bildung<br />

Bildung muss differenzieren, nicht gleichschalten<br />

<br />

IMPRESSUM<br />

Herausgeber:<br />

Deutscher Arbeitgeber Verband e.V.<br />

Ludwig-Wolker-Straße 2 a<br />

55252 Mainz-Kastel<br />

Telefon: +49 61 34-258 99 41<br />

E-Mail: info@arbeitgeberverband.de<br />

Internet: www.arbeitgeberverband.de<br />

Vorstand:<br />

Sven Staehlin (Vors.),<br />

Khaled Ezzedine<br />

Fotos:<br />

Titel, Rücktitel und Seite 5–Bildrechte liegen<br />

beim Deutscher Arbeitgeber Verband e.V.<br />

Seite 9, 10, 13, 14, 17, 18 und 21–<br />

fotolia<br />

14 Forschung und Wissenschaft<br />

Forschung muss ergebnisoffen sein<br />

16 Energiepolitik<br />

Gemeinsame Ziele, neue Wege<br />

18 Mobilität<br />

Die persönliche Mobilität ist Teil unserer Freiheit<br />

20 Freiheit braucht Schutz<br />

Wie steht es um unsere Widerstandskraft?<br />

22 WER WIR SIND<br />

Unser Leitbild<br />

Satz und Layout:<br />

pela.<br />

mediengestaltung mainz<br />

www.pela-mediengestaltung.de


<strong>ERHARDs</strong> <strong>ERBEN</strong><br />

SELBSTVERANT<br />

WORTUNG<br />

{ Die Kampagne zur Selbstverantwortung }<br />

Subsidiarität – das Prinzip der katholischen Sozial lehre,<br />

ist die Maxime von Selbstbestimmung, Eigenverantwortung<br />

und der Entfaltung der Fähigkeiten des Individuums, der Familie<br />

oder der Gemeinde. Diesem Prinzip steht immer dann,<br />

wenn der Mensch nicht mehr zur eigenverantwortlichen<br />

Tätigkeit fähig ist, die Solidarität zur Seite. Die Hilfe zur<br />

Selbsthilfe.<br />

Der Mensch tritt aber in die Welt mit der Aussicht, sein<br />

Leben in eigener Verantwortung, aus eigener Kraft führen zu<br />

können. Dies ist der Kern seiner Menschenwürde und ermöglicht<br />

ihm, Stolz auf sich selbst zu ent wickeln. Wer dem Menschen<br />

das, was er aus eigener Kraft meistern kann, abnimmt,<br />

nimmt ihm gleichzeitig den Stolz und die Würde.<br />

Damit sind wir<br />

beim Gegenteil von<br />

Selbstverantwortung:<br />

der „Betreuung“.<br />

Dolf Sternberger, dessen „Wörterbuch des Unmenschen“<br />

1957 noch unter dem frischen Eindruck einer totalitären Herrschaft<br />

erschien, und in dessen Auflistung der Unmensch-Wörter<br />

„Betreuung“ eine prominente Stelle einnahm, definiert das<br />

Wort „Betreuung“ als „diejenige Art von Terror, für die der<br />

Jemand – der Betreute – auch noch Dank schuldet“.<br />

„Betreuung“ macht aus dem selbstverantwortlichen<br />

Menschen einen passiven Hilfsbedürftigen. Diese schleichende<br />

Passivierung der Menschen durch eine Betreuer-Elite, die<br />

auf der Basis eines selbstdefinierten Wertekanons das Individuum<br />

und eine ganze Gesellschaft „auszurichten“ beginnt, ist<br />

sicheres Zeichen des Übergangs zu einer totalitär geführten<br />

Gesellschaftsstruktur. „Ausrichten“ war im Übrigen ein zweites,<br />

sehr wesentliches Wort im Unmenschen-Wörterbuch.<br />

Denn im Würgegriff des „Unmenschen“ entwickelt es sich zur<br />

„weltanschaulichen“ und „inneren Ausrichtung“. Der Gleichschaltung<br />

von Meinung und Tat, die wir gerade wieder zu<br />

zahlreichen Themen erleben. Dem Standard nicht-demokratischer<br />

Gesellschaften.<br />

Dass der Betreute die Bequemlichkeit der Betreuung zu<br />

genießen beginnt – die Möglichkeit, sich durch Annahme unzähliger<br />

angebotener „Opferrollen“ lebenslang alimentieren<br />

zu lassen – und sich in diesem Kokon einrichtet, ist eine fatale<br />

Begleiterscheinung. Nichts anderes entsteht daraus als ein<br />

„Stockholm-Syndrom“ des Betreuten gegenüber dem Betreuer<br />

auf gesamtgesellschaftlicher Ebene.<br />

In der frischen Erinnerung an den Terror und die Qualen,<br />

die eine totalitäre Betreuer-Elite erzeugen kann, war der<br />

Zeitgeist in unserem Lande einige Generationen lang ganz<br />

dem selbstverantwortlichen Individuum zugetan. Diese Erinnerung<br />

verblasst zunehmend und der Zeitgeist dreht sich wieder<br />

hin zu Alimentierung, Passivierung, „Ausrichtung“ und<br />

Totalbetreuung.<br />

Auflösen kann diesen Zeitgeist nur die Erkenntnis jedes<br />

Einzelnen, dass er in den vergangenen Dekaden Zug um Zug<br />

Stolz und Würde abgegeben hat an der Kontrollstation diverser<br />

Betreuungsmodelle.<br />

Und diesen Stolz,<br />

diese Würde, nun<br />

zurückfordern muss. <br />

Ludwig Erhard, der selbst zutiefst durch die katholische<br />

Soziallehre geprägt wurde, sei dazu abschließend zitiert. Er<br />

schrieb 1957, zufällig oder nicht im Jahr des Erscheinens von<br />

Sternbergers „Wörterbuch“: „Das mir vorschwebende Ideal<br />

beruht auf der Stärke, dass der Einzelne sagen kann: Ich<br />

will mich aus eigener Kraft bewähren, ich will das Risiko des<br />

Lebens selbst tragen, will für mein Schicksal selbst verantwortlich<br />

sein.“<br />

Dies zu sagen und zu fordern, kann niemandem abgenommen<br />

werden. Es ist die erste große Tat eines jeden<br />

Menschen. <<br />

06 07


<strong>ERHARDs</strong> <strong>ERBEN</strong><br />

Rechtsstaat<br />

{ Gleiches Recht für alle }<br />

Rechtssicherheit ist der wichtigste Garant einer freiheitlichen<br />

Grundordnung, einer funktionierenden Marktwirtschaft<br />

und des Zusammenhalts der Gesellschaft. Die Gründerväter<br />

und -mütter der Bundesrepublik waren sich dessen<br />

bewusst, und schufen ein ausbalanciertes Grundgesetz auf<br />

Basis der römischen Rechtstradition,<br />

demokratischen Werten der<br />

Aufklärung und der Erfahrungen<br />

aus den dunklen Zeiten deutscher<br />

Vergangenheit.<br />

Schleichend wurde in den<br />

letzten Jahrzehnten jedoch – erfolgreich<br />

– daran gearbeitet, das<br />

allgemeine Rechtsempfinden von<br />

den Füßen auf den Kopf zu stellen.<br />

Dies gelang mit eingängigen Slogans<br />

wie „Aufstand der Anständigen“<br />

und ganz besonders dem Satz<br />

„Wo Recht zu Unrecht wird, wird<br />

Widerstand zur Pflicht“. So warmherzig-menschlich-anteilnehmend<br />

diese Sätze daherkommen, ist ihr<br />

Auftrag dennoch eindeutig: den<br />

Rechtsstaat aufzulösen. Dem subjektiv<br />

Gefühlten wird die Ermächtigung gegeben, sich gegen<br />

das demokratisch vereinbarte Recht zu stellen, es zu missachten<br />

und zu brechen und wie selbstverständlich zu erwarten,<br />

dass diese Rechtsverletzungen ohne Sanktion bleiben.<br />

„<br />

Das Vertrauen in unseren<br />

Rechtsstaat ist nur solange<br />

gesichert, wie die politisch<br />

Verantwortlichen durch ihr<br />

eigenes Verhalten das gute<br />

Beispiel vorleben.<br />

“<br />

Ludwig Erhard<br />

Regierungsseitig dürfte das Ende rechtsstaatlicher Verfahren<br />

gelegen kommen. In der Eurorettung wurde die Haftung<br />

privaten Kapitals zugunsten einer Staatshaftung für<br />

schlechte unternehmerische Entscheidungen aufgegeben und<br />

in der Grenzöffnung des Jahres 2015 zudem das Grundprinzip<br />

jeden sozialen Rechtsstaates<br />

mit einem Federstrich außer Kraft<br />

gesetzt: Sozialsysteme und internationale<br />

Solidarität beruhen jedoch<br />

zwingend auf kontrollierten Grenzen<br />

und einem definierten Staatsvolk.<br />

Für den Bürger selbst ist es<br />

unerheblich, ob von staatlichen<br />

Stellen Recht gebrochen, ignoriert,<br />

gebeugt oder nur übermäßig gedehnt<br />

wurde: Der Vertrauensverlust<br />

in den Rechtsstaat ist unverkennbar.<br />

Ohne Rechtsstaat und den<br />

Grundsatz gleichen Rechts für alle<br />

ist die soziale Marktwirtschaft aber<br />

nicht zu halten.<br />

Aus unserer Sicht ist es deshalb<br />

im aktuellen Stadium unerheblich, einzelne Phänomene<br />

des verfallenden Rechtssystems aufzuzählen – ob Bandenkriminalität,<br />

Sozialbetrug, Steuerbetrug und -hinterziehung oder<br />

Überlastung von Polizei und Justiz.<br />

Dieses Vorgehen ist inzwischen zum legitimierten Alltag<br />

geworden. Unzählige – moralisch, religiös oder rechtsstaatsfeindlich<br />

fundamentierte – Sonderinteressen werden mit<br />

schamloser Selbstverständlichkeit durchgesetzt. Von Schuleschwänzen<br />

über Verletzung von Eigentumsrechten bis hin<br />

zur Einebnung von Staatsgrenzen ist das früher undenkbare<br />

Wirklichkeit geworden.<br />

Der anbiedernde Opportunismus der politisch und medial<br />

Verantwortlichen hat seinen Teil dazu beigetragen. Die<br />

Auflösung des ungeliebten „Systems“ hat den Marsch durch<br />

die Institutionen erfolgreich bewältigt. Und dies nur wenige<br />

Jahre nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks,<br />

der eigentlich die Überlegenheit von rechtsstaatlich<br />

organisierten Demokratien für alle sichtbar dokumentiert hat.<br />

Der erste Schritt zur Wiederherstellung des Rechtsstaates<br />

kann nur die Wiederherstellung des Rechtsempfindens<br />

sein und die kompromisslose Durchsetzung der<br />

vereinbarten Rechtsgrundlagen. Deutschland und seine<br />

Vertreter müssen sich wieder zu den Grundprinzipien des demokratisch<br />

legitimierten Rechts bekennen und gegen jeden<br />

Versuch individueller Aushebelung einschreiten.<br />

Es geht um nichts weniger als die Wiederherstellung der<br />

freiheitlichen Grundordnung. <<br />

08 09


<strong>ERHARDs</strong> <strong>ERBEN</strong><br />

Schulische<br />

Bildung<br />

{ Bildung muss differenzieren, nicht gleichschalten }<br />

Bildung ist keine<br />

Maßnahme zur Herstellung<br />

von Gleichheit, sondern<br />

zur Förderung von<br />

Verschiedenheit und<br />

Individualität.<br />

Die „conditio humana“ kennt keine Gleichheit. Gleiches<br />

muss gleich, Unterschiedliches unterschiedlich behandelt<br />

werden. Verschiedenheit ist keine Ungerechtigkeit. Vielmehr<br />

ist nichts so ungerecht wie die gleiche Behandlung Ungleicher.<br />

Differenzierung im Bildungswesen ist zudem eine notwendige<br />

Voraussetzung für individuelle Förderung von Kindern. Die<br />

anti-thetische Formel „Fördern statt Auslese“ ist grundfalsch.<br />

Es muss heißen: Fördern durch Differenzierung. Egalitäre Bildungspolitik<br />

indes erzielt vermeintliche Gleichheit allenfalls<br />

durch Absenkung des Anspruchsniveaus.<br />

Bildung geht nicht ohne Anstrengung. Eine Wohlfühl-,<br />

Gute-Laune-, Spaß- und Gefälligkeitspädagogik schadet unseren<br />

Kindern.<br />

Wir müssen unseren jungen Leuten<br />

wieder mehr zutrauen und mehr<br />

zumuten.<br />

Deshalb brauchen wir im Bildungsbereich eine Renaissance<br />

des Leistungsprinzips. Leistung ist die große Chance zur<br />

Emanzipation für jeden einzelnen. Ganz zu schweigen davon,<br />

dass der Sozialstaat nur dann funktioniert, wenn er von der<br />

Leistung von Millionen von Menschen getragen wird.<br />

Wir brauchen eine gebildete Leistungs- und Funktionselite,<br />

die zugleich Verantwortungs-, Reflexions- und Werte-<br />

Elite ist. Vor einem solchen Hintergrund ist selbst Ungleichheit<br />

gerecht – nämlich dann, wenn Elite allen nützt, wenn das<br />

Handeln von Eliten quasi zu einem “inequality surplus”, zu<br />

einem Mehrwert führt.<br />

Zu einem Bildungswesen gehören ehrliche Noten und<br />

Zeugnisse. Zur Farce werden Noten und Zeugnisse, wenn sie<br />

nur noch „sehr gut“ oder schlimmstenfalls „gut“ ausfallen, das<br />

heißt, wenn Spitzennoten beim Abitur, bei den Hochschulprüfungen<br />

einschließlich von Promotionen inflationär vergeben<br />

werden.<br />

Der Mensch beginnt nicht erst mit dem Abitur. Wir<br />

sollten uns vor lauter Schielen auf die Abiturientenquote<br />

hüten, die Vorzüge unseres beruflichen Bildungswesens zu<br />

verspielen.<br />

Unser berufliches Bildungswesen<br />

ist für Millionen junger<br />

Menschen Basis für Aufstieg<br />

und Beschäftigung.<br />

Viele Menschen – nicht nur in den Schwellenländern –<br />

wären froh, über Vergleichbares zu verfügen. Dass die Quote<br />

arbeitsloser junger Menschen weltweit nirgends so niedrig ist<br />

wie in Deutschland, hat mit den Strukturen beruflicher Bildung<br />

hier zu tun. Mit einer Pseudo-Akademisierung verspielen<br />

wir diese Vorzüge.<br />

Es gibt keine Bildung ohne Inhalte. Wir brauchen einen<br />

Primat der Inhalte vor vagen Kompetenzkatalogen, mit denen<br />

Lehrpläne zu Leerplänen zu werden drohen. Die blanke Forderung<br />

nach einer bloßen Vermittlung von Kompetenzen wäre<br />

wie der Vorschlag, ohne Wolle stricken zu lernen. Es ist eine<br />

Renaissance des konkreten Wissens angesagt. Dies ist auch<br />

deshalb wichtig, weil kanonisches Vorratswissen Verlässlichkeit<br />

bietet und weil es eine wichtige Kommunikationsgrundlage<br />

ist.<br />

Wer aber nichts weiß, muss alles<br />

glauben.<br />

10 11


<strong>ERHARDs</strong> <strong>ERBEN</strong><br />

Er ist damit kein mündiger Staatsbürger, denn er ist<br />

dann verführbar für jeden Demagogen, für jede politische<br />

Emotionalisierung. Bei ihm würde Gesinnung über Urteilskraft<br />

triumphieren.<br />

Wir brauchen Bildung statt Pisa-Testeritis. Denn Pisa<br />

misst nur einen kleinen Sektor aus dem Lerngeschehen.<br />

Ausgeblendet bleiben bei Pisa weite Bereiche von Bildung:<br />

Fremdsprachen, Literatur, Religion/Ethik, Geschichte, Kunst,<br />

Musik, Sport. Wir brauchen eine Schule jenseits von Pisa. Wir<br />

müssen uns wieder auf den Eigenwert des Nicht-Messbaren<br />

besinnen. Wir sind mit dem Grundsatz, dass unsere Schulen<br />

Allgemeinbildung und nicht nur Messbares leisten sollen, gut<br />

gefahren.<br />

Bildung hat einen zweifachen Auftrag: Sie hat durchaus<br />

Nützliches und Verwendbares zu vermitteln, sie hat aber auch<br />

persönliche und kulturelle Identität zu fördern. Das Gleichgewicht<br />

zwischen Bilanzierung und Freiraum, zwischen Verwertungsdenken<br />

und Bildungsauftrag, zwischen Ökonomie<br />

und Kultur ist allerdings weg.<br />

Das Volk der großen Dichter,<br />

Denker und Pädagogen droht<br />

bildungspolitisch in die<br />

Falle eines bloßen<br />

Nützlichkeitsdenkens zu<br />

tappen.<br />

Mit solchen Denkansätzen aber droht eine planwirtschaftliche<br />

Verarmung von „Bildung“. Junge Leute brauchen<br />

eine bürgerliche Grundbildung.<br />

Junge Leute müssen einen konstruktiv-kritischen Umgang<br />

mit neuen Medien vermittelt bekommen. Eine totale<br />

Computerisierung schulischen Lernens bringt allerdings nicht<br />

den erwarteten Erfolg. Der Computer kann nicht zum Selbstzweck<br />

werden. Erziehung zur Medienmündigkeit ist angesagt.<br />

Hier geht es zunächst um die Fähigkeiten, sinnentnehmend<br />

zu lesen, verständlich zu schreiben, Wichtiges von Unwichtigem<br />

zu unterscheiden sowie Informationen zu sortieren und<br />

zu bewerten.<br />

Es gibt keine Bildungsoffensive ohne Erziehungsoffensive.<br />

Wenn es zu Hause nicht klappt, dann klappt es in der<br />

Schule nicht. Das heißt: Es ist die Eigenverantwortung der<br />

Familien wieder stärker gefordert. Eigentlich ist dies eine<br />

Selbstverständlichkeit, die als Pflicht sogar im Grundgesetz<br />

(GG) und im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) festgehalten ist.<br />

Grundgesetz Artikel 6, Absatz 2 lautet nämlich: „Pflege und<br />

Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern<br />

und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.“ Leider wird der<br />

zweite Teil dieses Satzes gerne vergessen.<br />

Ein Bildungsföderalismus<br />

garantiert den Wettbewerb um<br />

die leistungsfähigsten<br />

Bildungssysteme.<br />

Ein Bildungszentralismus aber vereinheitlicht Ansprüche<br />

auf niedrigem Niveau. Mit einem kompetitiven Bildungsföderalismus<br />

als konstruktivem Stachel ist wenigstens ein<br />

Minimum an Wettbewerb garantiert. <<br />

Aus dem jungen Menschen soll ein<br />

mündiger Bürger werden.<br />

Mindestens 200 Stunden ökonomische Grundbildung<br />

sollte jeder Schulabsolvent durchlaufen haben. Er sollte wissen,<br />

was die Architekturprinzipien und die Leitideen der Sozialen<br />

Marktwirtschaft sind.<br />

12 13


<strong>ERHARDs</strong> <strong>ERBEN</strong><br />

Forschung und<br />

Wissenschaft<br />

{ Forschung muss ergebnisoffen sein }<br />

Ein moderner Industriestaat ist auf Erfolge von Wissenschaft<br />

und Forschung existentiell angewiesen. Die „Freiheit<br />

der Wissenschaft“ ist Grundlage der Erfolge und ihr muss als<br />

uneingeschränkter Maßstab an deutschen Universitäten wieder<br />

Geltung verschafft werden.<br />

Die Beispiele für durch ideologisch motivierte Vorgaben<br />

entstandene Fehlentwicklungen sind bedrückend. Die Rückkehr<br />

zur wissenschaftlichen Vernunft beginnt mit eben dieser<br />

„Unabhängigkeit von Wissenschaft und Forschung“ ohne<br />

ideologische Beschränkungen und staatliche Vorgaben.<br />

„ Wissenschaft und<br />

Forschung<br />

leben von<br />

widerstreitenden<br />

Meinungen.<br />

“<br />

Das Bekenntnis zu ergebnisoffener Forschungstätigkeit<br />

muss wieder den Alltag unserer Universitäten bestimmen.<br />

Dogmen und Ideologien haben in der Wissenschaft keinen<br />

Platz.<br />

Unternehmen und Stifter sind aufgerufen, ihre gesellschaftliche<br />

Verantwortung wahrzunehmen und für privat initiierte<br />

Förderungstöpfe zu sorgen. Sie könnten mit neuen Formen<br />

der Forschungsförderung experimentieren, dabei heutige<br />

Denkverbote überwinden und sich den drängenden Fragen<br />

der Zeit zuwenden. Ernährung der wachsenden Menschheit<br />

unter Beibehaltung der Artenvielfalt und einer intakten Natur<br />

auch mittels „grüner“ Gentechnik. Energieversorgung mittels<br />

„grüner“ Kerntechnik, denn der Zugang zu preisgünstiger und<br />

jederzeit verfügbarerer Energie ist die wesentliche Voraussetzung<br />

für die Befreiung des Menschen aus Armut und Abhängigkeit.<br />

Erhalt von Gesundheit und Leistungsfähigkeit in<br />

einer alternden Gesellschaft bis ins hohe Alter. Kurz: Ein humanistischer<br />

Ansatz sollte wieder die wesentliche Triebkraft<br />

der Forschungsförderung werden.<br />

Die Gesundheitsindustrie zählt in den meisten Ländern<br />

zu den Kernbranchen von nationaler, strategischer Bedeutung.<br />

Die deutsche Politik der vergangenen 25 Jahre hat dazu<br />

beigetragen, dass eine erfolgreiche, vermarktbare Forschung<br />

und Entwicklung im Bereich Pharma und Chemie kaum noch<br />

betrieben wird. Die zukünftige politische Fokussierung im Bereich<br />

Wissenschaft und Forschung muss die strategische Bedeutung<br />

dieser Branchen im Auge haben.<br />

Das Ziel muss sein, Wissenschaft und Forschung nicht<br />

den Anschluss verlieren zu lassen, und Deutschland wieder in<br />

der Spitzengruppe zu etablieren. <<br />

»Vom Ende her denken«, wie es der Zeitgeist fordert<br />

(„Wie gelingt die Energiewende?“, „Wie muss nachhaltige<br />

Wirtschaft organisiert sein?“) ist unwissenschaftlich. Was<br />

bei Forschung herauskommt, lässt sich nicht vorhersagen,<br />

das Ergebnis ist offen und meist unvorhersehbar. Dies ist das<br />

Wesen von Forschung, denn sie hat den Anspruch, die<br />

Grenzen des Wissens immer weiter hinauszuschieben – die<br />

Grenzen zwischen Bekanntem und Unbekanntem. „Forschung“<br />

an Bekanntem ist daher per definitionem keine.<br />

14 15


<strong>ERHARDs</strong> <strong>ERBEN</strong><br />

Energiepolitik<br />

{ Gemeinsame Ziele, neue Wege }<br />

Schon seit Beginn der 1990er-Jahre wird versucht, die<br />

Energieversorgung Deutschlands auf andere Energieträger<br />

umzustellen. Ziel war, dass die Energieversorgung CO2-<br />

ärmer, umweltfreundlicher, langfristig kostengünstiger und<br />

weniger importabhängig wird. Mit mehreren hundert Milliarden<br />

wurde seither versucht, die Stromerzeugung umzubauen.<br />

<br />

Betrachtet man<br />

die „Energiewende“<br />

als ein gesellschaftliches<br />

Experiment, muss<br />

man sie in allen<br />

Dimensionen<br />

als gescheitert<br />

betrachten.<br />

Ein Neustart in der Energiepolitik ist dringend<br />

geboten, scheitert aber noch an milliardenschweren Partikularinteressen<br />

derer, die von der Energiewende wirtschaftlich<br />

profitieren, und die die Mittel für flächendeckende PR-Arbeit,<br />

Sponsoring und Lobbyismus haben.<br />

Hier setzen wir an. Im Sinne Ludwig Erhards wollen wir<br />

dabei neue energiepolitische Konzepte entwickeln, die besser<br />

mit den ökologischen, volkswirtschaftlichen, technischen, naturwissenschaftlichen<br />

und nicht zuletzt sozialen Notwendigkeiten<br />

einer demokratischen Gesellschaft in Einklang stehen<br />

als die gescheiterte Energiewende-Strategie. <<br />

Die CO2-Emissionen Deutschlands stagnieren seit einem<br />

Jahrzehnt auf hohem Niveau, der Ausbau gerade von<br />

vermeintlicher „Bio“-Energie und der Windenergie gehen mit<br />

großflächiger Naturzerstörung und Gesundheitsgefährdung<br />

einher, die deutschen Strompreise sind die höchsten Europas,<br />

und die Importabhängigkeit bei Kohle, Öl und Gas hat<br />

sich nur leicht in Richtung Seltener Erden und Lithium verschoben.<br />

Gleichzeitig wirkte die Politik fast nur auf den Stromsektor<br />

ein, der aber nur etwa ein Viertel des Endenergieverbrauchs<br />

darstellt. Auch die technischen Rezepte zur Durchsetzung<br />

der Energiewende nach deutschem Modell – einseitiger<br />

Fokus auf wetterabhängige Stromerzeugung aus Sonne und<br />

Wind bei gleichzeitiger Abschaltung CO2-freier Kernkraft –<br />

werden an technisch-naturwissenschaftlichen oder volkswirtschaftlichen<br />

Gründen scheitern müssen. Sektorenkopplung,<br />

Speicher und Netzausbau werden der Energiewende nicht<br />

zum Erfolg verhelfen können.<br />

16 17


<strong>ERHARDs</strong> <strong>ERBEN</strong><br />

MOBILITÄT<br />

{ Die persönliche Mobilität ist Teil unserer Freiheit }<br />

Seit der deutschen Wiedervereinigung hat sich die Verkehrsleistung<br />

über fast alle Verkehrsträger vervielfacht. Der<br />

Rohölverbrauch blieb dagegen weitgehend konstant, der Verkehr<br />

ist also immer effizienter geworden. Gleichzeitig sorgten<br />

technische Verbesserungen für immer sauberere Luft.<br />

Dennoch gerät der Verkehrssektor politisch immer stärker<br />

unter Druck. Mit technisch kaum einzuhaltenden Vorgaben<br />

an die Kraftstoffeffizienz sollen Fracht- und Individualverkehr<br />

auf der Straße immer stärker eingeschränkt werden.<br />

Weil die Vorgaben kurzfristig nur mit batteriebetriebenen<br />

Antriebssystemen eingehalten werden können, zwingen sie<br />

die Hersteller von PKW und LKW in eine Technik, die nur auf<br />

dem Papier umweltfreundlich und ressourcenschonend aussieht.<br />

Viel schlimmer: Mit dem Angriff auf individuelle<br />

Mobilität werden auch demokratische Freiheitsrechte<br />

schleichend untergraben.<br />

Gleichzeitig ist der Schienenverkehr seit Jahrzehnten<br />

eklatant unterfinanziert. Tausende Eisenbahnbrücken sind<br />

marode und müssen dringend saniert werden. Das Schienennetz<br />

sollte überall elektrifiziert werden – dort ist Elektrifizierung<br />

sinnvoll.<br />

Es ist also auch im Bereich der Mobilität höchste Zeit für<br />

eine Umkehr. Wir müssen damit aufhören, präzise politische<br />

Vorgaben zu machen, um einzelne Technologien zu fördern<br />

oder zu behindern.<br />

Wie die Menschen<br />

die Verkehrsinfrastruktur<br />

nutzen, muss ihnen<br />

selbst überlassen<br />

bleiben.<br />

Jeden Tag kommen neue Ideen auf, die dazu beitragen,<br />

Menschen und Güter effizienter von A nach B zu bringen. In<br />

einer innovativen Gesellschaft unterstützt der Staat die Experimentierfreude<br />

seiner Bürger in Bezug auf neue Mobilitätskonzepte.<br />

Alle Antriebstechnologien müssen erforscht werden. Wir<br />

benötigen dazu eine technologieoffene Forschung und gesetzliche<br />

Rahmenbedingungen, die neben Batterien auch Verbesserungen<br />

am Verbrennungsmotor, Brennstoffzellen und alternative<br />

und synthetische Kraftstoffe ermöglicht. Und alle Arten<br />

von Verkehr – auf der Straße oder Schiene, im Wasser und in<br />

der Luft – sollten gleichrangig behandelt werden. <<br />

Der Staat sollte die Verkehrsinfrastruktur auskömmlich<br />

finanzieren. Ein gutes Verkehrsnetz auf Straße, Schiene, auf<br />

See und in der Luft ist die Voraussetzung für eine prosperierende<br />

Wirtschaft.<br />

18 19


<strong>ERHARDs</strong> <strong>ERBEN</strong><br />

Freiheit<br />

braucht Schutz<br />

{ Wie steht es um unsere Widerstandskraft? }<br />

Das Grundgesetz will eine „Wehrhafte Demokratie“ in<br />

einem vereinten Europa.<br />

Der Schutz von Staat<br />

und Verfassung gegen<br />

Gefährdungen von innen<br />

und außen ist ein<br />

zentrales Anliegen.<br />

Das Grundgesetz verankert Elemente der deutschen<br />

Wirtschaftsordnung in einzelnen Artikeln – Grundrechte, die<br />

in ihrer Summe wesentliche Elemente eines marktwirtschaftlichen<br />

Systems darstellen. Dessen drei Stützpfeiler sind Privateigentum,<br />

das Haftungsprinzip, und freier Wettbewerb.<br />

Arbeitgeber stehen damit doppelt in der Pflicht – als<br />

politisch selbstbewusste Bürgerinnen und Bürger, wie auch<br />

als verantwortlich handelnde wirtschaftliche Akteure: Wir<br />

tragen zur Wehrhaftigkeit unserer demokratischen Ordnung<br />

bei. Wir stärken die Resilienz der deutschen Wirtschaft und<br />

Gesellschaft. Wir fördern die soziale Marktwirtschaft als Markenkern<br />

unserer Wirtschaftsordnung. <<br />

Wir Deutsche sollen uns gegenüber den Feinden der freiheitlichen<br />

Grundordnung zur Wehr setzen.<br />

Heute besteht Grund zur Sorge und zur Vorsorge. In<br />

vielen Staaten Europas und darüber hinaus stehen liberale<br />

Demokratien von innen und außen unter Druck. Illiberale<br />

Nationalisten, autoritäre Populisten und staatliche, wirtschaftliche,<br />

kriminelle und terroristische Akteure schwächen<br />

systematisch demokratische und freiheitliche<br />

Verfassungsordnungen, formen diese um oder höhlen sie<br />

aus. Geistiges Eigentum wird gestohlen. Hochinnovative mittelständische<br />

Unternehmen sind Ziel einer systematischen,<br />

fremdstaatlichen Akquise.<br />

Von außen rücken durch Informations- und Kommunikationstechnologie<br />

beflügelte „hybride Bedrohungen“ in den<br />

Fokus des Ringens um Macht und Einfluss in einer sich dynamisch<br />

verändernden neuen Weltordnung. Cyberangriffe auf<br />

Parlament, kritische Infrastrukturen und Wirtschaft, (Fehl-)<br />

Informationen in Wort und Bild, Wahlbeeinflussung und<br />

Kampagnenfinanzierung dienen als Waffen der Subver sion<br />

und Destabilisierung mit dem Zweck, Verwirrung zu stiften<br />

und Staaten in ihren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen<br />

Grundfesten zu erschüttern. Vor diesem Hintergrund wird<br />

die eigene Resilienz zum Immunsystem. Sie ist ein kritischer<br />

Faktor, um angesichts hybrider Bedrohungen Stress zu widerstehen<br />

und nach Schockereignissen wieder in den Alltag zurückzufinden.<br />

20 21


UN<br />

SER<br />

LEIT<br />

BILD


<strong>ERHARDs</strong> <strong>ERBEN</strong><br />

WER WIR SIND<br />

{ Unser Leitbild }<br />

Der Deutsche Arbeitgeber Verband e.V. wurde 1948 als<br />

erster freier Wirtschaftsverband gegründet, als nach dem<br />

Zweiten Weltkrieg sämtliche Wirtschaftsverbände durch die<br />

Siegermächte zwangsgeschlossen worden waren. Maßgeblich<br />

daran beteiligt war Ludwig Erhard, der die West-Alliierten<br />

von seinem Konzept des Ordoliberalismus überzeugen konnte,<br />

der Sozialen Marktwirtschaft. Erhard wollte mit seinen<br />

Mitstreitern, Ökonomen und engagierten mittelständischen<br />

Unternehmern, die Wirtschaft aus den Fängen der Politik<br />

befreien und die Rolle des Staates nach der national-sozialistischen<br />

Katastrophe klar definieren und eingrenzen. Sein<br />

Verband wurde damit zu einer zentralen Interessenvertretung<br />

der Sozialen Marktwirtschaft jenseits von tages- und tarifpolitischen<br />

Einzelfragen.<br />

Während Ludwig Erhard schon unmittelbar nach<br />

der ersten Bundestagswahl 1949 in höchste politische<br />

Verantwortung aufstieg und mit der Einführung der<br />

Sozialen Marktwirtschaft das deutsche Wirtschaftswunder<br />

schaffte, gerieten seine Ideen der sozialen Verantwortung in<br />

einer freien Wirtschaft bald nach seinem Amtsverzicht als<br />

Bundeskanzler Ende 1966 in Misskredit. Wo Erhard das Soziale<br />

als fürsorgendes Individualrecht ansah, machte die Politik<br />

daraus einen Anspruch des Individuums an den Staat.<br />

Und wo bei Erhard der Staat in der Wirtschaft<br />

ledig lich die Rolle des Wächters über den fairen Wettbewerb<br />

innehatte, mischt er sich heute in detaillierte<br />

betriebswirtschaftliche und technische Abläufe ein. Politik<br />

und Verwaltung – in einer „Anmaßung von Wissen“ (Hayek) –<br />

nehmen heute wieder Einfluss auf strategische und technologische<br />

Entscheidungen der Verantwortlichen in der Wirtschaft,<br />

denen allzu oft der Mut fehlt, selbstbewusst für die<br />

eigenen Interessen einzutreten.<br />

In diesem Lichte ist die Stimme Ludwig Erhards heute<br />

wichtiger denn je. Dem Erbe unseres Gründers fühlen wir uns<br />

verpflichtet, und begreifen uns als wirtschafts liberale, der<br />

Sozialen Marktwirtschaft verpflichtete Denkfabrik. Gemeinsam<br />

mit unseren Partnern in Politik und Wirtschaft wollen wir<br />

ein fortschritts-, wissenschafts- und technologiefreundliches,<br />

rationales Leitbild für Staat und Wirtschaft schaffen, das wieder<br />

‚Wohlstand für alle‘ (Buchtitel Erhards von 1957) schafft,<br />

den Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie herstellt und<br />

dem Staatsbürger die Mündigkeit zurückgibt. <<br />

Heute ist der Sozialstaat aus den Fugen geraten. Mit einem<br />

Transfervolumen in der Nähe einer Billion Euro jährlich<br />

fördert der Sozialstaat zu viel und zu wenig passgenau. Auf<br />

der anderen Seite ist es durch die hohen staatlichen Abgaben<br />

schwerer und schwerer geworden, von einem durchschnittlichen<br />

Gehalt eine Familie zu gründen. Der Sozialstaat hat zu<br />

viele Profiteure geschaffen, die Reformen wirksam abblocken<br />

können. Wo bei Erhard die Selbstverantwortung des Einzelnen<br />

im Vordergrund steht, ist in Deutschland die betreuende<br />

Bevormundung durch staatliche Stellen mehr und mehr zum<br />

Leitbild geworden.<br />

22 23

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!