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RA 07/2019 - Entscheidung des Monats

Die Nutzung öffentlicher Einrichtungen durch Parteien führt immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten, die besonders häufig in Wahlkampfzeiten eskalieren. Da hierbei auch verfassungsrechtliche Vorgaben zu beachten sind, bieten sich die einschlägigen Gerichtsentscheidungen besonders gut als Vorlagen für Klausuren im 1. und 2. Examen an.

Die Nutzung öffentlicher Einrichtungen durch Parteien führt immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten, die besonders häufig in Wahlkampfzeiten eskalieren. Da hierbei auch verfassungsrechtliche Vorgaben zu beachten sind, bieten sich die einschlägigen Gerichtsentscheidungen besonders gut als Vorlagen für Klausuren im 1. und 2. Examen an.

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<strong>07</strong>/<strong>2019</strong><br />

ENTSCHEIDUNGDESMONATS<br />

ÖFFENTLICHESRECHT<br />

WahlwerbespotderNPD


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<strong>RA</strong> <strong>07</strong>/<strong>2019</strong><br />

Öffentliches Recht<br />

369<br />

Problem: Wahlwerbespot der NPD<br />

Einordnung: Staatsorganisationsrecht<br />

OVG Münster, Beschluss vom 26.04.<strong>2019</strong><br />

5 B 543/19<br />

EINLEITUNG<br />

Die Nutzung öffentlicher Einrichtungen durch Parteien führt immer wieder<br />

zu Rechtsstreitigkeiten, die besonders häufig in Wahlkampfzeiten eskalieren.<br />

Da hierbei auch verfassungsrechtliche Vorgaben zu beachten sind, bieten<br />

sich die einschlägigen Gerichtsentscheidungen besonders gut als Vorlagen<br />

für Klausuren im 1. und 2. Examen an.<br />

SACHVERHALT<br />

Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) begehrt vom Westdeutschen<br />

Rundfunk (WDR), einer Anstalt <strong>des</strong> öffentlichen Rechts, anlässlich<br />

der am 26.5.<strong>2019</strong> stattfindenden Europawahl die Ausstrahlung eines<br />

Hörfunk-Wahlwerbespots mit folgendem Wortlaut:<br />

LEITSATZ (DER REDAKTION)<br />

Zur Zurückweisung eines Wahlwerbespots<br />

wegen Verstoßes gegen<br />

die allgemeinen Strafgesetze ist eine<br />

Rundfunkanstalt nur befugt, wenn<br />

der Verstoß evident und schwerwiegend<br />

ist.<br />

„Seit der willkürlichen Grenzöffnung 2015 und der seither unkontrollierten<br />

Massenzuwanderung werden Deutsche fast täglich zu Opfern ausländischer<br />

Messermänner. Migration tötet. Jetzt gilt es zu handeln und Schutzzonen<br />

für unsere Sicherheit zu schaffen. Denn diese Sicherheit ist in Gefahr. Viele<br />

Städte und Stadtteile sind zu No-Go-Areas für uns Deutsche geworden. Das<br />

wollen wir nicht hinnehmen. Sagt G, NPD-Parteivorsitzender. Weil der Staat<br />

wegsieht oder nicht mehr in der Lage ist zu handeln, hat die NPD mit ihrer<br />

„Schutzzonen-Kampagne“ selbst die Initiative ergriffen. Wir reden nicht nur,<br />

wir sind da, wo der Bürger uns braucht. Schutzzonen sind Orte, an denen<br />

sich Deutsche sicher fühlen sollen. Doch nicht nur bei uns auf den Straßen,<br />

auch in der Politik muss etwas geschehen. Der NPD-Europaabgeordnete W<br />

setzt sich seit Jahren für die Sicherung der europäischen Außengrenzen ein.<br />

Die Einwanderungspolitik der EU stürzt Deutschland und Europa ins Chaos.<br />

Ich vertrete seit fünf Jahren deutsche Interessen in Europa und gedenke dies<br />

auch künftig zu tun, damit Europa und Deutschland wieder sichere Schutzzonen<br />

werden. Zur Europawahl gibt es keine Prozenthürde. Jede Stimme für<br />

W zählt. Migration tötet – wir retten Leben. NPD wählen.“<br />

Der WDR lehnte die Ausstrahlung <strong>des</strong> Wahlwerbespots ab, weil dieser den<br />

Straftatbestand der Volksverhetzung erfülle. Dem hält die NPD entgegen, der<br />

Wahlwerbespot beziehe sich nicht auf alle seit 2015 ins Bun<strong>des</strong>gebiet eingereisten<br />

Migranten, sondern nur auf die kriminellen. Selbst wenn alle seit 2015<br />

eingereisten Migranten gemeint wären, läge mangels Bevölkerungsgruppe<br />

i.S.v. § 130 StGB keine Volksverhetzung vor. Außerdem heiße es in dem Wahlwerbespot<br />

nicht „Migranten töten“, sondern „Migration tötet“ Daher sieht<br />

sich die NPD im Verhältnis zu anderen Parteien, deren Werbespots gesendet<br />

werden, in unzulässiger Weise diskriminiert.<br />

Hat die NPD einen Anspruch gegen den WDR auf Ausstrahlung <strong>des</strong><br />

Wahlwerbespots?<br />

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370 Öffentliches Recht<br />

<strong>RA</strong> <strong>07</strong>/<strong>2019</strong><br />

LÖSUNG<br />

Die NPD hat gegen den WDR einen Anspruch auf Ausstrahlung <strong>des</strong> Wahlwerbespots,<br />

wenn dafür eine Anspruchsgrundlage existiert und deren<br />

Voraussetzungen erfüllt sind.<br />

§ 5 I 1 ParteiG i.V.m. Art. 3 I, 21 I GG<br />

Inhalt <strong>des</strong> § 5 I 1 ParteiG<br />

Kurz abhandeln, da unproblematisch<br />

Rechtfertigung = sachlicher Grund<br />

Sachlicher Grund: Gesetzesverstoß<br />

der NPD<br />

Hier: Verstoß gegen § 130 I Nr. 2 StGB<br />

Verfassungsrechtliche Vorgaben für<br />

Annahme eines Verstoßes gegen<br />

§ 130 I Nr. 2 StGB<br />

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.4.1985,<br />

2 BvR 617/84, juris Rn 33; Beschluss<br />

vom 14.2.1978, 2 BvR 523/75, juris<br />

Rn 102ff.<br />

Gesetzesverstoß muss evident und<br />

schwerwiegend sein<br />

Ausstrahlungswirkung <strong>des</strong> Art. 5 I 1<br />

GG<br />

I. Anspruchsgrundlage<br />

Als Anspruchsgrundlage kommt § 5 I 1 ParteiG i.V.m. Art. 3 I, 21 I GG in Betracht.<br />

II. Anspruchsvoraussetzungen<br />

Weiterhin müssen die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage erfüllt sein.<br />

In formeller Hinsicht bestehen keine Bedenken, insbesondere hat die NPD<br />

einen Antrag auf Gewährung der Leistung an die zuständige Stelle adressiert.<br />

Materiell-rechtlich verlangt § 5 I 1 ParteiG, dass Träger öffentlicher Gewalt<br />

alle Parteien gleichbehandeln müssen, wenn sie Parteien Einrichtungen zur<br />

Verfügung stellen oder andere öffentliche Leistungen gewähren. Damit stellt<br />

sich § 5 I 1 ParteiG als Ausprägung <strong>des</strong> allgemeinen Gleichheitssatzes<br />

<strong>des</strong> Art. 3 I GG dar und schützt darüber hinaus die Chancengleichheit der<br />

Parteien, die verfassungsrechtlich in Art. 21 I GG verankert ist. Folglich<br />

vermittelt § 5 I 1 ParteiG der NPD einen Anspruch auf Ausstrahlung <strong>des</strong><br />

Werbespots, wenn eine Ungleichbehandlung vorliegt, die nicht gerechtfertigt<br />

ist.<br />

1. Ungleichbehandlung<br />

Da der WDR die Werbespots anderer Parteien ausgestrahlt hat, liegt eine<br />

Ungleichbehandlung der NPD vor.<br />

2. Rechtfertigung der Ungleichbehandlung<br />

Die Ungleichbehandlung könnte gerechtfertigt sein, was voraussetzt, dass<br />

für sie ein sachlicher Grund besteht. Da Träger öffentlicher Gewalt wie der<br />

WDR gem. Art. 20 III GG an Recht und Gesetz gebunden sind, müssen sie<br />

ihre Einrichtungen nicht zur Verfügung stellen, um Gesetzesverstöße zu<br />

ermöglichen. Folglich liegt ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung<br />

der NPD vor, wenn ihr Wahlwerbespot – wie vom WDR behauptet – den<br />

Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt.<br />

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass wegen der mit Art. 21 II, IV GG<br />

verbundenen Wertung ein Wahlwerbespot nicht allein <strong>des</strong>halb abgelehnt<br />

werden darf, weil er einen verfassungsfeindlichen Inhalt hat. Weiterhin<br />

ist es gerade der Zweck von Wahlpropaganda, den Bürger mit den politischen<br />

Überzeugungen einer Partei vertraut zu machen. Würden einzelne<br />

programmatische Äußerungen aus Wahlsendungen herausgenommen oder<br />

abgeändert werden oder würde ein Wahlwerbespot insgesamt nicht ausgestrahlt,<br />

bestünde die Gefahr, dass die Wähler über die Ziele einer Partei gar<br />

nicht oder falsch informiert werden. Daher darf ein Wahlwerbespot nur<br />

zurückgewiesen werden, wenn ein Verstoß gegen allgemeine Strafgesetze<br />

evident ist und nicht leicht wiegt; in Zweifelsfällen ist der<br />

Wahlwerbespot auszustrahlen.<br />

Weiterhin sind die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Auslegung<br />

von Meinungsäußerungen zu berücksichtigen.<br />

„Nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist […] für die Deutung<br />

<strong>des</strong> objektiven Sinngehalts einer Äußerung unter Berücksichtigung<br />

der Umstände <strong>des</strong> Einzelfalls vom Standpunkt eines unvoreingenommenen<br />

und verständigen Durchschnittspublikums auszugehen.<br />

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<strong>RA</strong> <strong>07</strong>/<strong>2019</strong><br />

Öffentliches Recht<br />

371<br />

Hierbei darf der Meinungsäußerung keine Bedeutung beigelegt werden,<br />

die sie objektiv nicht hat. Im Fall der Mehrdeutigkeit darf nicht von<br />

der zur Verurteilung führenden Deutung ausgegangen werden, bis<br />

andere Deutungsmöglichkeiten mit tragfähigen Gründen ausgeschlossen<br />

werden können. Hierbei ist der wertsetzenden Bedeutung<br />

der Meinungsfreiheit auch auf der Ebene der Auslegung Rechnung zu<br />

tragen. Die Wahrung dieser wertsetzenden Bedeutung erfordert es grundsätzlich,<br />

dass eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem<br />

durch die Meinungsfreiheit beeinträchtigten Rechtsgut stattfindet. Die<br />

Meinungsfreiheit muss jedoch stets zurücktreten, wenn die Äußerung<br />

einer Meinung die Menschenwürde eines anderen antastet. Da aber<br />

nicht nur einzelne, sondern sämtliche Grundrechte Konkretisierungen<br />

der Menschenwürde sind, bedarf es stets einer sorgfältigen Begründung,<br />

wenn angenommen werden soll, dass der Gebrauch eines Grundrechts<br />

auf die unantastbare Menschenwürde durchschlägt. Die Gerichte haben<br />

diesen die Belange der Meinungsfreiheit verdrängenden Effekt bei der<br />

Normauslegung insbesondere von Straftatbeständen zu beachten.“<br />

Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob der Wahlwerbespot der NPD evident<br />

und schwerwiegend gegen § 130 I Nr. 2 StGB verstößt.<br />

„Dies zugrunde gelegt macht der Hörfunk-Wahlwerbespot der<br />

Antragstellerin den Bevölkerungsteil der seit 2015 eingereisten<br />

Migranten böswillig verächtlich, indem er davon spricht, dass seit<br />

„der willkürlichen Grenzöffnung 2015 und der seither unkontrollierten<br />

Massenzuwanderung Deutsche fast täglich zu Opfern ausländischer<br />

Messermänner“ würden. Dass hieraus folgend nicht lediglich Straftaten<br />

– insbesondere Körperverletzungsdelikte mit Messern – begehende<br />

Migranten als potentielle Gefahr für die von der Antragstellerin als<br />

gefährdete Gruppe definierte deutsche Bevölkerung zu betrachten sein<br />

sollen, folgt bereits aus dem darauf folgenden insoweit unbeschränkten<br />

Satz „Migration tötet“, der wegen seiner Kürze und der nachfolgenden<br />

Pause besonders hervorgehoben ist und auch am Ende erneut wiederholt<br />

wird. Entgegen dem Beschwerdevorbringen kommt dabei<br />

der Unterscheidung zu der Aussage „Migranten töten“ in diesem<br />

Kontext keine maßgebliche Bedeutung zu. Vielmehr drängt sich<br />

dem unvoreingenommenen Betrachter die Schlussfolgerung auf,<br />

dass die seit dem Jahr 2015 eingereisten Personen in ihrer Gesamtheit<br />

eine direkte Gefahr für Deutsche seien.<br />

Maßgeblich ist dabei auch, dass im weiteren Verlauf <strong>des</strong> Wahlwerbespots<br />

viele Städte und Stadtteile zu „No-Go-Areas“ erklärt werden, in denen<br />

die Gruppe der Deutschen nicht sicher sei. Die von der Beschwerde vorgenommene<br />

Beschränkung der Aussage <strong>des</strong> Wahlwerbespots ausschließlich<br />

auf eine letztlich kleine Anzahl von straffälligen Personen<br />

findet hier gerade keinen Wiederhall. Im Gegenteil werden die weiter<br />

thematisierten Schutzzonen nicht als potentielle Lösung für<br />

alle übrigen Bevölkerungsteile angepriesen. Vielmehr sollen als<br />

Schutzzone solche Orte verstanden werden, an denen Deutsche sich<br />

sicher fühlen sollen. Auch insoweit baut der Wahlwerbespot einen<br />

eindeutigen Gegensatz zwischen der zu schützenden Gruppe der<br />

Deutschen und der Gruppe der die Gefahr verursachenden, gleichzeitig<br />

<strong>des</strong> Schutzes nicht würdigen Gruppe der Migranten auf, der<br />

– anders als von der Beschwerde vorgebracht – nicht als auf eine kleine<br />

Respr. <strong>des</strong> BVerfG zur Sanktionierung<br />

von Meinungsäußerungen<br />

(vgl. BVerfG, Beschluss vom 4.2.2010,<br />

1 BvR 369/04, juris Rn 28ff.)<br />

Subsumtion<br />

Böswilliges Verächtlichmachen i.S.v.<br />

§ 130 I Nr. 2 StGB<br />

Wie immer bei der Sanktionierung<br />

einer Meinungsäußerung: der Inhalt<br />

der Äußerung muss ganz genau<br />

- unter wortwörtlicher Zitierung -<br />

ermittelt werden.<br />

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372 Öffentliches Recht<br />

<strong>RA</strong> <strong>07</strong>/<strong>2019</strong><br />

Teil-Gruppe begrenzt zu verstehen ist. Dies wird zusätzlich erneut unterstrichen<br />

durch den Schlusssatz „Migration tötet – wir retten Leben.“ Auch<br />

dies zeigt das dem Wahlwerbespot in eindeutiger Form zugrundeliegende<br />

Gruppenbild und ist bei der Gesamtwürdigung <strong>des</strong> anzunehmenden<br />

Verständnisses zu berücksichtigen.<br />

Eignung zur Störung <strong>des</strong> öffentlichen<br />

Friedens i.S.v. § 130 I Nr. 2<br />

StGB<br />

Subjektiver Tatbestand<br />

Die in dem Wahlwerbespot zum Ausdruck kommende Meinungsäußerung<br />

ist weiter auch geeignet, den öffentlichen Frieden zu gefährden.<br />

Eine solche Eignung liegt vor, wenn die Äußerung die latent vorhandene<br />

Gewaltbereitschaft gegenüber Teilen der Bevölkerung vertiefen<br />

kann. Der Werbespot ist geeignet, die Gewaltbereitschaft zu<br />

stärken und die Gewaltschwelle herabzusetzen. Dem maßgeblichen<br />

Durchschnittsbeobachter drängt sich bereits bei der Aussage, „(w)eil der<br />

Staat wegsieht oder nicht mehr in der Lage ist zu handeln, hat die NPD mit<br />

ihrer „Schutzzonen-Kampagne“ selbst die Initiative ergriffen. Wir reden nicht<br />

nur, wir sind da, wo der Bürger uns braucht“, zwangsläufig das Verständnis<br />

auf, allen nicht in die „Schutzzonen-Kampagne“ einbezogenen<br />

Personen sei jedenfalls das Recht auf körperliche Unversehrtheit abzusprechen.<br />

Gewalt und das eigenmächtige Vorgehen gegen Teile der<br />

Bevölkerung werden insoweit als legitimes Mittel propagiert. Dieses<br />

Verständnis wird verstärkt durch die eingangs <strong>des</strong> Spots zu hörenden<br />

Geräusche einer Waffe, die geladen wird, und eines Schusses.<br />

An der Erfüllung auch <strong>des</strong> subjektiven Tatbestan<strong>des</strong> <strong>des</strong> § 130 Abs. 1 Nr. 2<br />

StGB bestehen schließlich keine Zweifel.“<br />

Demnach verstößt der Wahlwerbespot der NPD evident und schwerwiegend<br />

gegen § 130 I Nr. 2 StGB, sodass seine Ausstrahlung vom WDR abgelehnt<br />

werden durfte und somit ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung<br />

der NPD vorliegt.<br />

Folglich hat die NPD gegen den WDR keinen Anspruch aus § 5 I 1 ParteiG<br />

i.V.m. Art. 3 I, 21 I GG auf Ausstrahlung <strong>des</strong> Wahlwerbespots.<br />

VGH Kassel, Beschluss vom 8.5.<strong>2019</strong>,<br />

8 B 961/19<br />

FAZIT<br />

Der Beschluss <strong>des</strong> OVG Münster ruft verfassungsrechtliche Grundüberlegungen<br />

zu Art. 3 I, 21 I GG sowie zu Art. 5 I 1 GG in Erinnerung. Bedeutsamer<br />

für die juristischen Prüfungen dürfte aber sein, dass das OVG zeigt, wie<br />

genau streitgegenständliche Meinungsäußerungen zu untersuchen sind. Es<br />

ist ein häufiger Fehler in Klausuren, dass zwar die abstrakten verfassungsrechtlichen<br />

Vorgaben umfassend dargelegt werden, die Subsumtion <strong>des</strong><br />

konkreten Sachverhalts dann aber viel zu kurz ausfällt.<br />

Vor diesem Hintergrund kann das Ergebnis der rechtlichen Prüfung ohne<br />

Weiteres ein anderes sein, wenn der Sachverhalt auch nur geringfügig anders<br />

gelagert ist. Das zeigt exemplarisch ein Beschluss <strong>des</strong> VGH Kassel, der sich<br />

ebenfalls mit dem Wahlwerbespot der NPD befasst, nur dass der Inhalt <strong>des</strong><br />

Wahlwerbespots geringfügig von demjenigen abweicht, der dem OVG<br />

Münster zur Beurteilung vorlag.<br />

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