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Procycling 07.2019

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DER TITELVERTEIDIGER<br />

Geraint Thomas spricht über<br />

seine Chancen auf Gelb<br />

DYLAN GROENEWEGEN<br />

Der niederländische Sprinter<br />

geht zuversichtlich in die Tour<br />

DEUTSCHE FAHRER<br />

Die Siegesprognosen der<br />

deutschen Tour-Hoffnungen<br />

JULI 2019<br />

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www.procycling.de<br />

THOMAS<br />

DER SIEGER<br />

DUMOULIN<br />

DER ZWEITE<br />

DIE HERAUSFORDERER<br />

70% K


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PERISCOPE


EDITORIAL<br />

NACH DEM GIRO IST VOR DER TOUR<br />

Drei Wochen Spannung. 21 Etappen lang. Hauchdünne Sprintentscheidungen, hart<br />

umkämpfte Duelle der Bergfahrer, Zeitfahr-Thriller. Von Fußball-Weltmeisterschaften und<br />

Olympischen Spielen einmal abgesehen, schafft es kein Sportevent, die Zuschauer über<br />

so lange Zeit am Stück in seinen Bann zu ziehen wie der Giro d’Italia, die Tour de France<br />

oder La Vuelta im Radsport. Grand Tours sind deshalb nicht ohne Grund die Königsdisziplin<br />

des Radsports.<br />

Wie spannend Große Rundfahrten sein können, hat nicht zuletzt der gerade zu Ende<br />

gegangene Giro bewiesen: Nachdem in der ersten Hälfte alles nach einem sicheren Sieg<br />

von Topfavorit Primož Roglič aussah und später bei vielen Experten Vincenzo Nibali als<br />

heißester Siegesanwärter galt, war es letztlich Richard Carapaz, der sich mit einer beherzten<br />

Fahrweise in den Bergen das Maglia Rosa sicherte und es bis zum Finale in Verona<br />

nicht mehr abgab. In dieser Ausgabe von <strong>Procycling</strong> blicken wir noch einmal zurück auf<br />

drei Wochen hochklassigen Sport auf dem Stiefel – von Carapaz’ Siegesfahrt bis zum<br />

Gewinn des Punktetrikots durch den Deutschen Pascal Ackermann.<br />

Die neue <strong>Procycling</strong> ist aber nicht nur wegen unseres Giro-Rückblicks eine, die sich<br />

voll und ganz um das Thema Grand Tours dreht: Mit der Tour de France steht nämlich<br />

bereits das nächste radsportliche Großereignis in den Startlöchern. Spätestens nach dem<br />

tragischen, verletzungsbedingten Ausfall von Chris Froome ist der Ausgang der Großen<br />

Schleife offener denn je. Damit Sie bestens informiert sind, wenn in wenigen Tagen der<br />

Startschuss zur ersten Etappe in Brüssel fällt, finden Sie in dieser Ausgabe eine umfassende<br />

Vorschau auf die Frankreich-Rundfahrt 2019, ihre Etappen, ihre Teilnehmer und<br />

ihre Favoriten. Denn eines ist gewiss: Auch die Tour verspricht wieder Höchstspannung.<br />

Drei Wochen am Stück. 21 Etappen lang.<br />

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, viel Spaß beim Schmökern<br />

in der neuen <strong>Procycling</strong>!<br />

Werner Müller-Schell<br />

Redaktion


INHALT<br />

AUSGABE 185 / JULI 2019<br />

32<br />

TOUR DE FRANCE:<br />

WER HOLT DEN SIEG?<br />

Das Profil der diesjährigen Tour-Route lässt auf eine<br />

Entscheidung in den Bergen hoffen.<br />

42<br />

INTERVIEW:<br />

GERAINT THOMAS<br />

Der amtierende Toursieger erzählt uns von seiner<br />

Rennvorbereitung und der Stimmung im Team.<br />

RUBRIKEN<br />

© Kramon<br />

6<br />

SCHNAPP-<br />

SCHUSS<br />

Rennen im Bild<br />

14<br />

PROLOG<br />

Aus dem Herzen<br />

des Pelotons<br />

24<br />

INSIDER<br />

Rick Zabel<br />

& Ralph Denk<br />

28<br />

STRAVA<br />

Die Daten<br />

der Profis<br />

88<br />

NACHLESE<br />

Analysen, Daten,<br />

Erkenntnisse<br />

104<br />

WUNSCH-<br />

LISTE<br />

Produkt-Highlights<br />

112<br />

VORSCHAU<br />

Themen der<br />

nächsten Ausgabe<br />

114<br />

JENS VOIGT<br />

Das letzte<br />

Wort<br />

4 PROCYCLING | JULI 2019


48<br />

ADAM YATES<br />

Yates wurde 2016 als zukünftiger Toursieger gehandelt. Nach einigen<br />

harten Jahren kehrt er nun gestärkt nach Frankreich zurück.<br />

50<br />

DEUTSCHE TOUR-HOFFNUNGEN<br />

Deutschland war eine der prägenden Nationen der letzten Jahre.<br />

Doch wie stehen die Siegeschancen für dieses Jahr?<br />

58<br />

DYLAN GROENEWEGEN<br />

Der ruhige Niederländer ist 2019 in absoluter Topform und fällt<br />

vielmehr durch seine Ergebnisse als durch sein Ego auf.<br />

66<br />

BARDET UND PINOT<br />

Die beiden französischen Hoffnungsträger gingen in ihrer Tour-<br />

Vorbereitung für 2019 neue Wege abseits der Medien.<br />

70<br />

NAIRO QUINTANA<br />

2013 hatte er seinen Durchbruch bei der Tour. Schafft es Quintana<br />

dieses Jahr, die Tour zu gewinnen, oder ist es bereits zu spät?<br />

76<br />

WERTVOLLE HELFER<br />

Selten im Rampenlicht, doch für ihre Teams unverzichtbar.<br />

<strong>Procycling</strong> sprach mit einigen der besten Allrounder im Peloton.<br />

82<br />

LA COURSE<br />

Der Frauenradsport hat es nach wie vor nicht leicht. Auch La<br />

Course kämpft mit den Schwierigkeiten, Anerkennung zu finden.<br />

98<br />

RETRO: TOUR DE FRANCE 1989<br />

Fignon fuhr nur acht Sekunden am Gesamtsieg vorbei. Wir lassen<br />

eine der spannendsten Ausgaben der Tour Revue passieren.<br />

© Bora–hansgrohe/BettiniPhoto, Olly Curtis, Chris Auld<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 5


SCHNAPPSCHUSS<br />

IMPRESSIONEN DES GIRO D’ITALIA<br />

DREI WOCHEN<br />

GIRO D’ITALIA<br />

Richard Carapaz lässt sich im Ziel<br />

in Verona feiern. Der Profi aus<br />

Ecuador war nicht der einzige<br />

strahlende Gewinner: Pascal<br />

Ackermann triumphierte in der<br />

Punktewertung und ein am Berg<br />

entfesselnd fahrender Giulio<br />

Ciccone sicherte sich die Wertung<br />

des besten Kletterers. Der Giro<br />

d’Italia 2019 lieferte zahlreiche<br />

beeindruckende Momente. Auf<br />

den folgenden Seiten zeigen wir<br />

einen fotografischen Rückblick auf<br />

drei Wochen Italien-Rundfahrt.<br />

© Tim De Waele/Getty Images<br />

6 PROCYCLING | JULI 2019


JULI 2019 | PROCYCLING 7


SCHNAPPSCHUSS<br />

DER SCHNELLSTE<br />

SPRINTER DER WELT?<br />

Dass Pascal Ackermann talentiert ist, ist bekannt. Beim diesjährigen<br />

Giro bewies der Youngster aus den Reihen von Bora–hansgrohe<br />

allerdings endgültig, dass er derzeit der vielleicht schnellste Sprinter<br />

der Welt ist. Mit zwei Tagessiegen in der ersten Woche (zweite und<br />

fünfte Etappe) legte er den Grundstein für den späteren Sieg des<br />

Maglia Ciclamino. Für die Mannschaft von Bora–hansgrohe war es<br />

der Auftakt eines überaus erfolgreichen Giro d’Italia: Neben<br />

Ackermanns Erfolgen gewann man durch Lokalmatador Cesare<br />

Benedetti (zwölfte Etappe) einen weiteren Tagesabschnitt, der Pole<br />

Rafał Majka wurde zudem Sechster in der Gesamtwertung und<br />

holte sein bestes Grand-Tour-Resultat seit drei Jahren.<br />

© Bora–hansgrohe/BettiniPhoto, Ralph Scherzer (s/w)<br />

8 PROCYCLING | JULI 2019


SCHNAPPSCHUSS<br />

DER DEFENSIVE<br />

FAVORIT<br />

Sieger des Auftaktzeitfahrens,<br />

Sieger der neunten Etappe – nach<br />

der ersten Giro-Hälfte sah Primož<br />

Roglič aus wie der sichere Sieger<br />

der Italien-Rundfahrt. Doch in den<br />

Bergen konnte der Slowene nicht<br />

mehr an seine anfängliche Top -<br />

form anknüpfen. Viele Fans warfen<br />

Roglič zudem eine zu defensive<br />

Fahrweise vor – und tatsächlich:<br />

In der Attacke sah man ihn so gut<br />

wie nie. Dennoch darf man sich<br />

nach diesem Giro sicher sein:<br />

Roglič ist ein kommender<br />

Grand-Tour-Gewinner.<br />

© Luk Benies/Getty Images (links)<br />

© Justin Setterfield/Getty Images (unten)<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 9


SCHNAPPSCHUSS<br />

DER GIRO DER<br />

AUSREISSER<br />

Ganze neun Siege aus Ausreißergruppen<br />

heraus – der Giro erwies sich<br />

in diesem Jahr als unberechenbar.<br />

Besonders verdient: Cesare Benedettis<br />

Coup auf der zwölften Etappe, als der<br />

treue Bora-Helfer seinen ersten Profi -<br />

erfolg feierte (oben). Besonders ein -<br />

drucksvoll: der Erfolg von Ilnur Zakarin,<br />

der auf der 13. Etappe für den dritten<br />

Saisonsieg von Katusha-Alpecin sorgte<br />

(Mitte). Besonders schön: Jhoan Esteban<br />

„Chavito“ Chaves, der mit dem Gewinn<br />

der 19. Etappe ein tolles Comeback nach<br />

einer fast einjährigen Krankheitsmisere<br />

feierte (links).<br />

© Luk Benies/Getty Images (links)<br />

© SOPA Images/Getty Images (oben)<br />

© Marco Bertorello/Getty Images (Mitte)<br />

© Bora–hansgrohe/BettiniPhoto (unten)<br />

10 PROCYCLING | JULI 2019


SCHNAPPSCHUSS<br />

SCHICKSALSBERG<br />

Der Mortirolo ist einer der schwierigs -<br />

ten Anstiege des Profiradsports. Beim<br />

diesjährigen Giro stand am „Schicksalsberg“<br />

das Duell um das Rosa Trikot<br />

besonders im Vordergrund. Doch so<br />

sehr es Vincenzo Nibali auch versuchte<br />

(oben), Richard Carapaz wusste immer<br />

eine Antwort und lief bei widrigsten<br />

Witterungsbedingungen nie Gefahr, sein<br />

Rosa Trikot zu verlieren (unten). Der<br />

Sieg an jenem Tag ging allerdings an<br />

jemand anderen: Giulio Ciccone (links)<br />

krönte seinen furiosen Auftritt in den<br />

Bergen nicht nur mit dem Gewinn des<br />

Bergtrikots, sondern auch mit dem<br />

Triumph auf der prestigeträchtigen<br />

Mortirolo-Etappe.<br />

© Justin Setterfield/Getty Images (links)<br />

© Tim De Waele/Getty Images<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 11


SCHNAPPSCHUSS<br />

JUBELPOSEN<br />

Die besten Fahrer des Giro d’Italia<br />

2019: Pascal Ackermann (rechts)<br />

holte als erster deutscher Profi<br />

überhaupt das Maglia Ciclamino<br />

des Siegers der Punktewertung.<br />

Richard Carapaz gewann die<br />

Gesamtwertung vor Vincenzo<br />

Nibali und Primož Roglič (unten).<br />

© Bora–hansgrohe/BettiniPhoto (oben)<br />

© Tim De Waele/Getty Images (unten)<br />

12 PROCYCLING | JULI 2019


SCHNAPPSCHUSS<br />

DER GIRO 2019 IN ZAHLEN<br />

ETAPPE LÄNGE (KM) ETAPPENSIEGER<br />

1. Etappe Bologna–Santuario della Madonna di San Luca 8 Primož Roglič<br />

2. Etappe Bologna–Fucecchio 205 Pascal Ackermann<br />

3. Etappe Vinci–Orbetello 220 Fernando Gaviria<br />

4. Etappe Orbetello–Frascati 235 Richard Carapaz<br />

5. Etappe Frascati–Terracina 140 Pascal Ackermann<br />

6. Etappe Cassino–San Giovanni Rotondo 238 Fausto Masnada<br />

7. Etappe Vasto–L’Aquila 185 Pello Bilbao<br />

8. Etappe Tortoreto Lido–Pesaro 239 Caleb Ewan<br />

9. Etappe Riccione–Stadt San Marino 34,8 Primož Roglič<br />

1. Ruhetag<br />

10. Etappe Ravenna–Modena 145 Arnaud Démare<br />

11. Etappe Carpi–Novi Ligure 221 Caleb Ewan<br />

12. Etappe Cuneo–Pinerolo 158 Cesare Benedetti<br />

13. Etappe Pinerolo–Ceresole Reale 196 Ilnur Zakarin<br />

14. Etappe Saint-Vincent–Courmayeur 131 Richard Carapaz<br />

15. Etappe Ivrea–Como 232 Dario Cataldo<br />

2. Ruhetag<br />

16. Etappe Lovere–Ponte di Legno 194 Giulio Ciccone<br />

17. Etappe Commezzadura–Rasen-Antholz 181 Nans Peters<br />

18. Etappe Olang–Santa Maria di Sala 222 Damiano Cima<br />

19. Etappe Treviso–San Martino di Castrozza 151 Esteban Chaves<br />

20. Etappe Feltre–Croce d’Aune 194 Pello Bilbao<br />

21. Etappe Verona–Verona 17 Chad Haga<br />

ENDKLASSEMENT<br />

1. Richard Carapaz Movistar 90h01’47”<br />

2. Vincenzo Nibali Bahrain-Merida 01’05”<br />

3. Primož Roglič Jumbo–Visma 02’30”<br />

4. Mikel Landa Movistar 02’38”<br />

5. Bauke Mollema Trek-Segafredo 05’43”<br />

6. Rafał Majka Bora–hansgrohe 06’56”<br />

7. Miguel Ángel López Astana 07’26”<br />

8. Simon Yates Mitchelton-Scott 07’49”<br />

9. Pavel Sivakov Team Ineos 08’56”<br />

10. Ilnur Zakarin Katusha-Alpecin 12’14”<br />

Punktewertung Pascal Ackermann<br />

Bergwertung Giulio Ciccone<br />

Nachwuchswertung Miguel Ángel López<br />

Teamwertung Movistar<br />

© Cristina Vega/AFP/Getty Images<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 13


PROLOG<br />

AUS DEM HERZEN DES PELOTONS<br />

ALLES WIEDER OFFEN<br />

Chris Froome stürzt bei der Dauphiné.<br />

© Tim De Waele/Getty Images<br />

Was wurde im Vorfeld der Tour de France<br />

nicht alles über das neue Team Ineos<br />

und deren Führungsduo Geraint Thomas<br />

und Chris Froome diskutiert. Dem aktuellen<br />

Sieger Thomas und dem viermaligen Toursieger<br />

Froome wurden Fragen über die Kapitänsrolle in<br />

Frankreich, über die Rolle ihres endschnellen Kollegen<br />

Egan Bernal und vieles mehr gestellt. Natürlich<br />

haben auch wir uns mit Froomey zum Interview<br />

zusammengesetzt und ihm und seiner<br />

Zuversicht gelauscht: „Ich denke, ich bin da, wo<br />

ich sein muss. Jedes Jahr ist anders und ich schätze,<br />

es hängt einfach davon ab, wo meine Prioritäten<br />

liegen. Dieses Jahr ging es nur darum, sich auf<br />

die Tour vorzubereiten, und den Giro auszulassen<br />

gab mir eine zusätzliche Atempause.“<br />

Doch dann kam alles anders. Bei der Besichtigung<br />

der Zeitfahrstrecke des Criteriums du Dauphiné<br />

stürzte Chris Froome so schwer, dass eine<br />

Teilnahme an der Tour definitiv ausgeschlossen<br />

werden muss. Froome erlitt mehrere Brüche, unter<br />

anderem des Oberschenkels, des Knies und mehrerer<br />

Rippen, und wurde direkt nach seinem Unfall<br />

im Krankenhaus von St. Etienne operiert.<br />

Dan Martin von UAE Team Emirates war an<br />

diesem Tag ebenfalls auf Streckenbesichtigung<br />

und erlebte Froomes Crash direkt mit. Der Ire war<br />

nur 20 Meter hinter dem Froome folgenden In-<br />

eos-Teamfahrzeug unterwegs und schilderte<br />

Cyclingnews die Ereignisse des Tages. „Ich sehe<br />

es immer noch vor mir. Es ist fürchterlich, so etwas<br />

mitzuerleben“, sagt Martin. „Ich und Neil<br />

[Stephens] holten sie kurz vor der Spitze des Anstieges<br />

ein, und wir wollten sie nicht bei ihrer Besichtigung<br />

stören, also blieben wir hinter ihnen.<br />

Dann passierte es.“<br />

Bekannt ist, dass Froome eine Hand vom Aerolenker<br />

nahm, um sich die Nase zu putzen. Dabei<br />

erwischte ihn eine starke Windböe, worauf er die<br />

Kontrolle über seine Zeitfahrmaschine verlor und<br />

mit über 50 Stundenkilometern in eine Mauer<br />

krachte. Nach der Erstversorgung im Kranken-<br />

14 PROCYCLING | JULI 2019


Chris Froome zwei Tage vor<br />

seinem Sturz auf der zweiten<br />

Etappe der Dauphiné.<br />

Im Krankenhaus von St. Etienne<br />

wurde der schwer verletzte viermalige<br />

Toursieger lange operiert.<br />

haus von Roanne wurde er mit dem Rettungshubschrauber<br />

ins Krankenhaus von St. Etienne<br />

geflo gen und sofort einer mehrstündigen Operation<br />

unterzogen.<br />

Martin erzählt weiter, immer noch geschockt<br />

von dem Geschehenen. „Wir stoppten. Neil und<br />

ich schauten uns fassungslos und schweigend an<br />

und standen etwa 20 Sekunden einfach nur zitternd<br />

da. Ich blieb beim Teamfahrzeug und wir<br />

fragten, ob wir irgendwie helfen könnten, aber ich<br />

denke, es hätte noch viel schlimmer kommen<br />

können. Ich denke, er hätte auch sterben können.<br />

So etwas zu sehen ist schlimm.“<br />

Auch das direkte Unfallgeschehen schildert<br />

Martin aus seiner Sicht. „Er putzte sich die Nase,<br />

der Wind erfasste ihn und dann geriet er vor dem<br />

Teamwagen ins Schwanken. Wir sahen nicht, was<br />

passierte, aber wir sahen ihn in die Mauer einschlagen.<br />

Er hatte keine Chance, seine Geschwindigkeit<br />

zu verringern.“<br />

Martin ergänzt noch, dass dieser Unfall jedem<br />

anderen Fahrer ebenso hätte passieren können.<br />

Nachdem der Verlust von Froome für die Tour<br />

Ineos zunächst aus dem Takt gebracht hatte, begann<br />

direkt im Anschluss in den Medien wieder<br />

eine Diskussion um die Kapitänsrolle – diesmal<br />

zwischen Thomas und Bernal. Ineos’ Sportlicher<br />

Leiter Servais Knaven spielte diese im Vorlauf der<br />

Tour de Suisse jedoch herunter.<br />

„Wir haben diesbezüglich noch keine finale<br />

Entscheidung getroffen. Der stärkste Fahrer der<br />

Vergangenheit fehlt uns dieses Jahr. Wir haben<br />

Egan und wir haben Geraint, und sie sind beide<br />

bereit für die Tour de Suisse. Wir werden sehen,<br />

wo sie stehen.“ Der 22-jährige Bernal beeindruckte<br />

mit seiner Leistung bei seinem Tour-<br />

Debüt im letzten Jahr, als er wechselnd Froome<br />

und Thomas unterstützte. Doch nach seinem<br />

Schlüsselbeinbruch, den er sich im Training vor<br />

dem Giro zugezogen hatte, muss er seine Form<br />

erst wieder unter Beweis stellen. Dazu sagt Knaven:<br />

„Er fuhr eine wirklich gute Tour letztes Jahr<br />

und überraschte alle mit seiner guten Leistung<br />

in den Bergen, aber dieses Jahr ist ein neues Jahr<br />

und er hatte etwas Pech und musste deshalb seine<br />

Ziele neu setzen.“<br />

Derweil geht die Dauphine auch ohne Froome<br />

weiter. Das Zeitfahren der 4. Etappe, bei deren<br />

Besichtigung Chris Froome gestürzt war, gewann<br />

der ehemalige Cyclocross-Weltmeister Wout Van<br />

Aert von Jumbo–Visma vor Tejay van Garderen<br />

(EF Education First) und Tom Dumoulin (Sun -<br />

web). Zur Überraschung vieler holte sich Van Aert<br />

am darauffolgenden Tag außerdem den Sieg auf<br />

der 5. Etappe, indem er Sam Bennett im Sprint<br />

hinter sich ließ.<br />

Während der Profizirkus weiterläuft, hat Chris<br />

Froome nun eine längere Genesungspause vor sich.<br />

<strong>Procycling</strong> wünscht ihm gute Besserung und dass<br />

er wieder zu seiner alten Stärke zurückfinden möge.<br />

Vielleicht können wir dem Briten dann im nächsten<br />

Jahr bei seinem fünften Tourerfolg zusehen.<br />

Während unseres<br />

Interviews war Chris<br />

Froome noch optimistisch,<br />

die Tour<br />

dieses Jahr wieder<br />

zu gewinnen.<br />

© Ian Walton, Pierre Teyssot/Getty Images (Krankenhaus)<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 15


PROLOG<br />

IN ALLER KÜRZE<br />

„DAS IST EIN SEHR<br />

GEFÄHRLICHER<br />

PRÄZEDENZFALL<br />

UND ICH BIN<br />

ABSOLUT GEGEN<br />

DIE GETROFFENE<br />

ENTSCHEIDUNG.“<br />

Deceuninck–Quick-Step-Chef<br />

Patrick Lefevere stellt sich gegen<br />

die Jury bei der Kalifornien-<br />

Rundfahrt, nachdem Tejay van<br />

Garderen trotz Zeitverlust durch<br />

einen Sturz die Führung im Rennen<br />

behalten durfte.<br />

28<br />

Das Alter, in dem der ehemalige<br />

italienische Profi Moreno Moser<br />

aus dem Rennzirkus ausstieg.<br />

Er sagte, er sei nicht in der Lage,<br />

weiter auf dem für Rennteilnahmen<br />

erforderlichen Niveau<br />

zu bleiben.<br />

Der ehemalige Bahn-<br />

Weltmeister und<br />

australische Meister auf der<br />

Straße Jack Bobridge gab<br />

zu, während seiner Rennkarriere<br />

Kokain und Ecstasy<br />

genommen zu haben. Bobridge<br />

fuhr während seiner<br />

siebenjährigen Profikarriere<br />

für GreenEdge und Trek-<br />

Segafredo, bevor er 2016<br />

in den Ruhestand ging.<br />

„EIN SCHWERER<br />

ASTHMAANFALL AUF<br />

DEM MORTIROLO (…)<br />

LIESS MICH<br />

EINBRECHEN (…),<br />

WÄHREND ICH<br />

KLETTERTE!“<br />

Alexis Vuillermoz von AG2R La Mondiale<br />

erlitt einen Asthmaanfall während des<br />

Anstiegs zum Mortirolo auf der 17. Etappe<br />

des Giro d’Italia. Er beendete die Etappe<br />

mit 32:47 Minuten Rückstand.<br />

„WIR<br />

HATTEN<br />

4 ODER 5<br />

OPTIONEN“<br />

Dave Brailsford sagte, dass die<br />

Zukunft des Teams Sky auch<br />

anders hätte aussehen können,<br />

da er mit mehreren potenziellen<br />

Sponsoren im Gespräch gewesen<br />

sei, bevor er sich für das Petrochemie-Unternehmen<br />

Ineos<br />

entschied.<br />

2Jahre wurde der mittlerweile<br />

zurückgetretene Samuel Sánchez<br />

rückwirkend von der UCI gesperrt.<br />

Er war im August 2017 positiv auf<br />

das Wachstumshormone freisetzende<br />

Peptid GHRP-2 getestet<br />

worden. Der Spanier, heute 41 Jahre<br />

alt, wurde direkt aus seinem<br />

BMC-Team entlassen, nachdem<br />

der Verstoß festgestellt worden<br />

war. Nach fast zwei Jahren sagte<br />

die UCI, dass sie anerkenne, dass<br />

der Test aufgrund kontaminierter<br />

Nahrungsergänzung positiv<br />

ausgefallen sei.<br />

Testen,<br />

testen,<br />

testen<br />

Die UCI lobte ihr neues Anti-<br />

Tramadol-Programm, nachdem<br />

alle Tests, die seit seiner Einführung<br />

im März bei Profis<br />

durchgeführt wurden, negativ<br />

ausgefallen sind. Der Verband<br />

testete seit Paris–Nizza 117 Fahrer<br />

bei 11 WorldTour-Rennen 147 Mal<br />

auf das Opioid-Schmerzmittel.<br />

© Getty Images<br />

Mark Cavendish glaubt, dass er zum ersten Mal seit zwei Jahren<br />

auf dem Weg der Erholung von seiner Epstein-Barr-Erkrankung sei.<br />

Bei dem 34-Jährigen wurde im April 2017 der Virus diagnostiziert,<br />

weshalb er lange Zeit abseits des Rennsports verbringen musste. Bei<br />

der Kalifornien-Rundfahrt sagte er, dass die jüngsten Bluttests gezeigt<br />

hätten, dass er die „Krankheitsschwelle“ hinter sich gelassen habe.<br />

Das kolumbianische<br />

ProContinental-Team<br />

Manzana Postobón beendete<br />

mit sofortiger Wirkung sein<br />

Engagement, nachdem zwei<br />

seiner Fahrer in den letzten<br />

beiden Monaten Dopingtests<br />

nicht bestanden hatten. Das<br />

Team sah sich einer Suspendierung<br />

von bis zu 45 Tagen<br />

gegenüber, nachdem Wilmar<br />

Parades im April einen positiven<br />

EPO-Test hatte und Juan<br />

José Amador im Mai positiv<br />

auf das Steroid Boldenon<br />

getestet wurde.<br />

10<br />

Die Länge in Tagen, die für<br />

ein neues Etappenrennen<br />

der Women’s WorldTour in<br />

Skandinavien im Jahr 2021<br />

vorgeschlagen wurde.<br />

16 PROCYCLING | JULI 2019


PROLOG<br />

„MARCEL SPIELTE DIE<br />

WICHTIGSTE ROLLE DABEI,<br />

DEN DEUTSCHEN<br />

RADSPORT ZU VERJÜNGEN“<br />

Simon Geschke über die Rolle seines Freundes und<br />

ehemaligen Teamkollegen Marcel Kittel, das deutsche<br />

öffentliche Interesse nach jahrelangen Dopingskandalen<br />

wieder auf den Radsport zu lenken.<br />

„DIE RENN-<br />

FAHRER SELBST<br />

FRAGEN DIE<br />

MOTORRAD-<br />

FAHRER, OB SIE<br />

IN GRÖSSERER<br />

ENTFERNUNG<br />

VON IHNEN<br />

BLEIBEN KÖN-<br />

NEN, EGAL, OB<br />

SIE VOR ODER<br />

HINTER IHNEN<br />

FAHREN“<br />

Gianni Bugno, Präsident des<br />

Fahrerverbandes, schrieb einen<br />

offenen Brief und forderte die<br />

TV-Motorräder auf, bei Rennen<br />

Abstand zu den Fahrern zu halten.<br />

19<br />

Mathieu van der Poels Vorsprung<br />

in Sekunden bei seinem ersten<br />

Mountainbike-Weltcup-Sieg in<br />

Tschechien. Das holländische<br />

Radsporttalent schlug dabei den<br />

amtierenden Weltmeister und<br />

Olympiasieger Nino Schurter.<br />

2<br />

Die Anzahl der Monumente,<br />

die das Team Sky in seinem<br />

Jahrzehnt bei der WorldTour<br />

gewann. Lüttich–Bastogne–Lüttich<br />

war die letzte vergebene Chance<br />

der Mannschaft, die Titel von<br />

Kwiatkowski in San Remo und<br />

Wout Poels bei LBL um ein<br />

weiteres Monument zu ergänzen.<br />

„ICH<br />

WÜRDE<br />

NICHTS<br />

ANDERS<br />

MACHEN“<br />

Ihm wurden offiziell seine sieben<br />

Tour-de-France-Titel aberkannt,<br />

aber Lance Armstrong sagte in<br />

einem Interview mit NBCSN, dass<br />

er während seiner Karriere nichts<br />

anderes machen würde.<br />

4:38<br />

Hiroki Nishimuras Zeitverlust<br />

auf dem acht Kilometer langen<br />

Zeitfahren der 1. Etappe des Giro<br />

d’Italia gegenüber dem Sieger<br />

Primož Roglič. Das bedeutete,<br />

dass Nishimura die Karenzzeit<br />

überschritten hatte und aus dem<br />

Rennen genommen wurde.<br />

Moment der<br />

56<br />

Schwäche<br />

Der ehemalige Team-Telekomund<br />

Lampre-Fahrer Danilo Hondo<br />

hat im Rahmen des Skandals um<br />

das Doping in Erfurt Blutdoping<br />

in seiner 18-jährigen Karriere<br />

zugegeben. Der 45-Jährige wurde<br />

aus seiner Rolle als Bundestrainer<br />

entlassen. „Ich hatte diesen<br />

Moment der Schwäche. Ich habe<br />

den größten Fehler meines Lebens<br />

gemacht“, sagte Hondo.<br />

Juan Sebastian Molano<br />

von UAE Emirates<br />

wurde vom seinem Team<br />

vom Giro d’Italia nach Hause<br />

geschickt, nachdem interne<br />

Tests ergeben hatten, was<br />

als „scheinbar ungewöhnliche<br />

physiologische Ergebnisse“<br />

benannt wurde. Ein State -<br />

ment von UAE Emirates<br />

besagt, dass der 24-jährige<br />

Kolumbianer suspendiert<br />

wurde, während weitere Tests<br />

durchgeführt werden.<br />

Die Anzahl der Sekunden, um die<br />

Egan Bernal den Strava-Rekord<br />

von David De La Cruz am Coll de<br />

la Gallina verbesserte, der als einer<br />

der härtesten Anstiege Andorras<br />

gilt. Bernal machte die Fahrt<br />

weniger als zwei Wochen nach<br />

dem Bruch seines Schlüsselbeins.<br />

© Getty Images<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 17


PROLOG<br />

PASCAL ACKERMANNS<br />

SPECIALIZED VENGE<br />

Das Giro-Bike des<br />

Bora-Sprinters<br />

Es war die Belohnung für ei -<br />

nen langen Kampf. Nachdem<br />

es zwischenzeitlich den Anschein<br />

erweckte, dass er gegen den<br />

Franzosen Arnaud Démare den<br />

Kürzeren ziehen würde, gewann<br />

Pascal Ackermann beim gerade abgelaufenen<br />

Giro d’Italia die Punktewertung.<br />

226 Punkte standen am<br />

Ende auf dem Konto des 25-jähri -<br />

gen Youngsters aus den Reihen von<br />

Bora–hansgrohe – die Belohnung:<br />

das zyklamfarbene Maglia Ciclamino.<br />

Die Ausrüsterfirmen von Ackermanns<br />

Team Bora–hansgrohe ließen<br />

es sich bei dieser seltenen Gelegenheit<br />

nicht nehmen, auch Ackermanns<br />

komplettes Equipment in<br />

Alpenveilchenfarbe einzufärben –<br />

angefangen bei seiner 100%-Brille<br />

bis hin zu seinem Arbeitsgerät, dem<br />

Specialized Venge.<br />

Die Grafikabteilung von Specialized<br />

im US-amerikanischen Morgan<br />

Hill überlegte sich dabei ein ganz<br />

besonderes Design: Von der linken<br />

und von der rechten Seite erstrahlte<br />

der Renner in komplett verschiedenen<br />

Looks. „Eine Seite ist etwas<br />

auffälliger mit einer Collage abstrakter<br />

Schwarz-Weiß-Fotos von Italien,<br />

die die Szenerie des Rennens repräsentieren<br />

sollen. Die andere Seite ist<br />

ein simpler Farbverlauf, aber trotzdem<br />

voller Glitzer und Farbe. Dieser<br />

Kontrast soll den Kampf repräsentieren,<br />

den die Athleten führen müssen,<br />

um das Trikot zu bekommen.<br />

Die eine Seite steht für die Quälerei,<br />

die andere für den simplen Moment<br />

des Erfolgs“, erklärt Specialized-<br />

Grafikdesignerin Kayla Clarot.<br />

In Sachen Ausstattung vertraute<br />

Ackermann auf die Standardversion<br />

seines Bora–hansgrohe-Gefährts:<br />

Das 2019er-Venge des deutschen<br />

WorldTour-Rennstalls ist unter<br />

anderem mit Shimanos aktueller<br />

Dura-Ace-Gruppe, Roval-Laufrädern<br />

und zahlreichen hauseigenen<br />

Komponenten von Radausrüster<br />

Specialized ausgestattet. Insgesamt<br />

also eine verdammt schnelle Maschine<br />

– und obendrein noch ein<br />

absoluter Hingucker. Wir jedenfalls<br />

finden es schade, dass wir Ackermann<br />

mit dieser Maschine nur<br />

beim Giro sehen durften. Schon<br />

bei seinem nächsten Rennen wird<br />

Deutschlands derzeit bester Sprinter<br />

wieder zum Standard-Teamdesign<br />

von Bora zurückkehren.<br />

© cyclingimages, Bora–hansgrohe/VeloImages (Porträt)<br />

AUSSTATTUNG<br />

Rahmen S-Works Venge Steuersatz CeramicSpeed Vorbau Venge Lenker<br />

S-Works Aerofly Lenkerband Supacaz Bremsen Shimano Dura-Ace 9170<br />

Disc Brake Umwerfer Shimano Di2, 11-speed Schaltwerk Shimano Di2,<br />

11-speed Schalthebel Shimano Di2, 11-speed Kassette Shimano Dura-Ace,<br />

11-speed Kette Shimano Dura-Ace, 11-speed Kurbelgarnitur Shimano<br />

Dura-Ace, 11-speed Laufräder Roval Rapide CLX 50 Reifen S-Works Turbo<br />

Allround 3 Tubular Sattel Specialized Body Geometry Sattelstütze<br />

S-Works Venge Powermeter Dura-Ace Dual Sided Computer<br />

Wahoo Elemnt Bolt Flaschenhalter Tacx<br />

18 PROCYCLING | JULI 2019


PROLOG<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 19


PROLOG<br />

SCHAUFENSTER<br />

PRODUKTEMPFEHLUNGEN<br />

HJC<br />

WINDSCHNITTIG WIE DER EUROPAMEISTER<br />

© Hersteller<br />

Der Belgier Victor Campenaerts gehört derzeit zu den besten Zeitfahrspezialisten<br />

der Welt. Das hat er nicht nur jüngst mit seinen Leistungen beim<br />

Giro d’Italia bewiesen, sondern vor allem auch mit seinem im April aufge ­<br />

stellten Stundenweltrekord auf der Bahn. Der 27 Jahre alte Campenaerts<br />

hatte im Velodrom im mexikanischen Aguascalientes so 55,089 Kilometer<br />

zurückgelegt und damit die vier Jahre alte Bestmarke des Briten Bradley<br />

Wiggins um stolze 563 Meter verbessert. Windschnittig unterwegs sein<br />

wie der amtierende Europameister – auch für Otto Normalradsportler ist<br />

das nun möglich. Denn den vom Ausrüster HJC hergestellten Helm des<br />

Champions gibt es auch zu kaufen. Das Modell Adwatt wurde im HJCeigenen<br />

Windkanal getestet und perfekt darauf getrimmt, jede Zehntelsekunde<br />

im Kampf gegen den Wind einzusparen. Der Helm ist in drei<br />

Größen (54–56 Zentimeter, 57–59 Zentimeter, 60–63 Zentimeter) verfüg ­<br />

bar und wird mit einem Visier geliefert. Sein Gewicht liegt bei 340 Gramm,<br />

ohne das abnehmbare Visier kommt der Kopfschutz auf 280 Gramm.<br />

www.hjcsports.com<br />

www.sports-nut.com<br />

20 PROCYCLING | JULI 2019


PROLOG<br />

Vadolibero<br />

GIRO D’ITALIA IM WOHNZIMMER<br />

Kein Fahrradhersteller, aber dafür ein sehr radaffines Unternehmen:<br />

Vadolibero hat sich auf die Herstellung von Möbeln für Rennradfahrer<br />

spezialisiert. In einer Sonderedition huldigt man nun dem Giro d’Italia.<br />

Für alle Giro-Fans, die auch nach dem Ende der diesjährigen Italien-Rundfahrt<br />

noch in Erinnerungen an das Maglia Rosa schweben, gibt es daher<br />

eine limitierte Serie an uniquen Giro-Bike-Ständern, mit denen man das<br />

eigene Rad besonders edel aufbewahren kann.<br />

Der Neos und der Vertik in der Edition des 102. Giro d’Italia sind so im<br />

typischen Giro-Pink des Führungstrikots gehalten, verfügen aber dank<br />

mattschwarzer Elemente dennoch über einen klassischen und zugleich<br />

edlen Look. Bei beiden Produkten handelt es sich dabei nicht nur einfach<br />

um Fahrradhalter. Wenn man beispielsweise den Neos öffnet, öffnet sich ein<br />

praktischer Stauraum mit verschiedenen Fächern für Bekleidung, Helm und<br />

Schuhe sowie weitere klassische Accessoires. Der Vertik ist wiederum ein<br />

Radständer, der an der Haltestange der Länge nach mit einem stylishen<br />

Designlicht versehen ist, sodass das Rad auch bei Dunkelheit entsprechend<br />

in Szene gesetzt werden kann. Beide Halter, Neos und Vertik, werden bei<br />

Bestellung bereits fertig montiert geliefert.<br />

www.vadolibero.com<br />

© Hersteller<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 21


PROLOG<br />

Rapha<br />

RADSCHUH MIT<br />

CLASSIC-LOOK<br />

Mit dem Classic Shoe zeigt Rapha einen Radschuh, der mit<br />

seinem klassischen Auftritt und zugleich hoher Funktionalität<br />

über zeugen soll. Er ist mit einer abriebfesten, rutschsicheren<br />

Thermoplast-Außensohle ausgestattet, die zusammen mit der<br />

durchgehenden Carbonfußplatte eine effiziente Kraftübertragung<br />

verspricht. Das TPU-Profil ist so haltbar und griffig, dass<br />

es nicht nur bei Kaffeepausen, sondern auch auf rauem Terrain<br />

für Trittsicherheit sorgt. Der Schuh verfügt über eine zweilagige<br />

Schnürung, die in den Oberschuh integrierte Ösen und robuste<br />

Schnürsenkel aufweist. Diese Schnürung verteilt den Druck der<br />

Senkel gleichmäßig über den Fußrücken, was Quetschstellen<br />

ausschließt. Der niedrige Schnitt beugt zudem Reibung am<br />

Knöchel vor. Der einteilige Oberschuh wird aus nahtloser, per ­<br />

f o rierter Mikrofaser gefertigt und mit dem typischen Rapha-<br />

Streifen veredelt, mit dem sich die Breite der Zehenbox anpassen<br />

lässt. Der Classic Shoe ist in fünf Farbvarianten erhältlich: Weiß,<br />

Schwarz, Black Pearl, Pink sowie in einer RCC-Version.<br />

www.rapha.cc<br />

Vision<br />

AEROLENKER MIT<br />

PROFI-KNOW-HOW<br />

© Hersteller<br />

Mit dem Metron 6D Integrated Handlebar zeigt Vision einen<br />

Lenker, der sich an alle richtet, die eine Lenker-Vorbau-Kombi<br />

suchen, die leicht ist und zugleich über ein möglichst aerodynamisches<br />

Profil verfügt. Die Kombi besteht aus Kohlefaser,<br />

ermöglicht interne Kabelführung und verspricht mit ihrer<br />

Formgebung ein hohes Maß an Komfort. In der WorldTour<br />

vertrauen unter anderem die Profis von Bahrain-Merida auf den<br />

Metron 6D, auch Vinzenco Nibali war beim abgelaufenen Giro<br />

d’Italia mit ihm unterwegs. Metron ist Visions Top-Level-Linie,<br />

die sich besonders an Rennfahrer und ambitionierte Radsportler<br />

richtet. Das Gewicht der Kombination beginnt ab 611 Gramm<br />

(100 x 400 Millimeter).<br />

www.visiontechusa.com<br />

22 PROCYCLING | JULI 2019


PROLOG<br />

Oakley<br />

DURCHSICHT AUF<br />

JEDEM METER<br />

Mit der Prizm-Gastechnologie zeigt Oakley eine Technologie,<br />

die ein optimales Seherlebnis und maximalen Schutz vor äuße ­<br />

ren Einflüssen bieten soll. Das Ziel: Klare Sicht bewirkt mehr<br />

Sicherheit und steigert somit auch die individuelle Performance.<br />

Die neue Glastechnologie erhöht so Kontraste, sodass Nuancen<br />

wahrgenommen werden können, die mit dem bloßen Auge nicht<br />

erkennbar wären. Ein Beispiel für die Technologie ist das neue<br />

Prizm-Glas Prizm Road Black, das unter anderem für die neue<br />

Performance-Brille Radar EV Advancer verfügbar ist. Die dunk ­<br />

lere Iridium-Farbe in Kombination mit der originalen Prizm Road<br />

Basis ergibt eine dunklere Linse, die ideal für sonnige Ausfahrten<br />

zur Mittagszeit ist. Bei der Radar EV Advancer handelt es sich um<br />

die nächste Entwicklungsstufe des Oakley-Klassikers Radar EV:<br />

Durch die höhere Glasform wird eine neue Designästhetik ge ­<br />

schaffen, und die Oakley-Advancer-Technologie schützt den Fah ­<br />

rer selbst bei härtesten Bedingungen vor beschlagenen Gläsern.<br />

Die Radar EV Advancer ist so konzipiert, dass sich Athleten bei<br />

jeder Geschwindigkeit sicher und ohne Einschränkungen<br />

bewegen können.<br />

www.oakley.com<br />

Wahoo<br />

NAVIGATIONSHELFER<br />

FÜR TOURENFAHRER<br />

Wahoo ist mittlerweile eine feste Größe im Radcomputergeschäft.<br />

Mit dem Elemnt Roam stellt man nun den neuesten<br />

GPS-Cycling-Computer aus der Elemnt-Reihe vor. Der Trainingshelfer<br />

verfügt über einen Farbbildschirm und eine<br />

Biker-fokussierte Smart-Navigation-Funktion, die den Fahrer<br />

automatisch wieder zurück zur geplanten Route bringt, wenn<br />

er einmal vom Kurs abgekommen ist. Vor allem experiementierfreudige<br />

Langstreckenfahrer dürften mit dem Gerät ihren Spaß<br />

haben: Der kristallklare 2,7-Zoll-Farbbildschirm des Roam und<br />

eine Akkuleistung von bis zu 17 Stunden unterstützen den<br />

Fahrer dauerhaft in Sachen Navigation – egal, wo man gerade<br />

ist und wie lange die Tour sein soll. Wie alle Elemnt-Cycling-<br />

Computer übernimmt auch beim Roam die kostenfreie Wahoo-<br />

Smartphone-App die Ersteinrichtung und das komplette Daten ­<br />

management.<br />

www.wahoofitness.com<br />

© Hersteller<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 23


PROLOG<br />

INSIDER<br />

RICK ZABEL<br />

ALLES IN RICHTUNG TOUR<br />

Der Katusha-Alpecin-Profi berichtet von der Kalifornien-Rundfahrt und Rund um Köln.<br />

Aufgezeichnet von Werner Müller-Schell, © Jojo Harper/Team Katusha-Alpecin (Porträt), Chris Graythen/Getty Images<br />

„AUCH WENN BEI DEN LETZTEN RENNEN DIE<br />

RICHTIG GUTEN ERGEBNISSE AUSGEBLIEBEN<br />

SIND, BIN ICH GUTER DINGE, DASS ICH FÜR<br />

DIE TOUR DE FRANCE NOMINIERT WERDE.“<br />

Mai und Juni stehen für<br />

viele Radprofis traditionell<br />

im Zeichen der Vorbereitung<br />

auf die Tour de France. Auch<br />

für mich, als Teil des erweiterten<br />

Aufgebots von Katusha-Alpecin,<br />

ging es in den letzten Wochen darum,<br />

meine Form kontinuierlich<br />

aufzubauen. Mit Starts bei der Kalifornien-Rundfahrt<br />

und bei Rund<br />

um Köln habe ich genau das getan<br />

– leider ohne ein zählbares eigenes<br />

Resultat einzufahren.<br />

Ich muss zugeben: Als ich bei der<br />

letzten Kolumne darüber geschrieben<br />

habe, dass ich mir Hoffnungen<br />

auf eine gute Tagesplatzierung bei<br />

der Kalifornien-Rundfahrt machen<br />

würde, habe ich mir den Streckenplan<br />

wohl nicht richtig im Detail angeschaut.<br />

Vor Ort erlebte ich nämlich<br />

eine böse Überraschung: Fast<br />

jeder Tag war richtig schwer – und<br />

die gesamte Rundfahrt deutlich anspruchsvoller<br />

als in den vergangenen<br />

Jahren. Zum Vergleich: Im letzten<br />

Jahr kam ich in der Woche auf rund<br />

25 Stunden Wettkampfzeit. In diesem<br />

Jahr waren es derer gleich 35.<br />

Außerdem beinhalteten die Etap -<br />

pen mächtig viele Höhenmeter –<br />

für Sprinter gab es da nur wenig zu<br />

holen. Dazu kam, dass ich mir die<br />

Sprinterrolle in unserer Mannschaft<br />

mit Jens Debusschere teilen musste.<br />

Für mich blieb daher nur ein zwölfter<br />

Tagesplatz auf der vierten Etap -<br />

pe – nichts Überragendes, dennoch<br />

bin ich mit dem guten Training insgesamt<br />

zufrieden.<br />

Auch bei Rund um Köln wenige<br />

Tage später konnte ich meine eigenen<br />

Erwartungen nicht erfüllen und<br />

wurde 22. Hier zeigte sich im Prinzip<br />

die gleiche Problematik: Das<br />

Profil des Rennens war deutlich hügeliger<br />

als noch in den Vorjahren.<br />

Statt viele Passagen durch die Täler<br />

zu führen, nahmen die Veranstalter<br />

dieses Mal kreuz und quer alle Anstiege<br />

mit. So kam es auch, dass ich<br />

die Gruppe des Tages leider verpasste<br />

– und mit dem Hauptfeld ins Ziel<br />

rollte. Dass ich dennoch mit meinen<br />

Aufritten zufrieden bin, liegt am guten<br />

Trainingseffekt: Kalifornien war<br />

aufgrund meiner Verletzungsmisere<br />

im Frühjahr immerhin meine erste<br />

einwöchige Rundfahrt seit der Tour<br />

of Britain im vergangenen September.<br />

Für mich zählen daher weniger<br />

die Ergebnisse, sondern vielmehr die<br />

Rennkilometer.<br />

Rick Zabel bei der Kalifornien-<br />

Rundfahrt. Seine beste Tagesplatzierung<br />

war ein zwölfter Rang<br />

auf der vierten Etappe.<br />

Jetzt geht es mit riesigen Schritten in<br />

Richtung Tour de France. In diesen<br />

Tagen entscheidet sich endgültig, ob<br />

ich Teil des Tour-Aufgebots von Katusha-Alpecin<br />

sein werde oder nicht.<br />

Auch wenn bei den letzten Rennen<br />

die richtig guten Ergebnisse ausgeblieben<br />

sind, bin ich guter Dinge,<br />

dass ich nominiert werde. Nach<br />

meinem Etappenerfolg bei der Tour<br />

of Yorkshire Anfang Mai bin ich einer<br />

von nur drei Fahrern, die einen<br />

Sieg für unsere Mannschaft erringen<br />

konnten, zudem fühle ich mich vor<br />

allem am Berg deutlich besser aufgestellt<br />

als noch vor einem Jahr, als<br />

ich in den Alpen aufgeben musste.<br />

Mein letztes Rennen vor der<br />

Frankreich-Rundfahrt wird die Tour<br />

de Suisse sein. Ein klassisches Vorbereitungsrennen<br />

auf die Tour – und<br />

alles andere als einfach. Auf neun<br />

Etappen kommen zwei Einzelzeitfahren<br />

und vier Etappen in den Bergen,<br />

die richtig schwer sind. Was<br />

dann noch bleibt, sind drei Tagesabschnitte,<br />

von denen wiederum<br />

wahrscheinlich nur einer in einem<br />

Massensprint enden wird. Hier werde<br />

ich aber als Sprintkapitän gesetzt<br />

sein – hoffentlich kann ich diese<br />

Chance nutzen.<br />

Geboren am 7. Dezember 1993,<br />

zog es den Sohn von Erik Zabel<br />

schon früh zum Radsport. Nach<br />

guten Platzierungen bei den Junioren<br />

wechselte er 2012 zum Rabobank<br />

Development Team. 2014<br />

wurde Rick Zabel Profi bei BMC und<br />

fuhr drei Jahre bei der US-amerikanischen<br />

Equipe. 2017 wechselte er<br />

zu Katusha-Alpecin und bestritt<br />

erstmals die Tour de France und<br />

die Straßen-WM.<br />

24 PROCYCLING | JULI 2019


W W W . R A D O N - B I K E S . C O M<br />

Das Vaillant Disc 8.0: Für alle, die sich ein<br />

Rad mit guter Ausstattung, schickem Design<br />

und Aero-Eigenschaften wünschen und<br />

noch Geld übrig haben wollen, um die Saison<br />

auf Mallorca antreten zu können.<br />

RADON VAILLANT 8.0<br />

1.699 €<br />

Alle Preise verstehen sich als Endpreise inkl. MwSt.. Irrtümer, Druckfehler, Preisänderungen & Liefermöglichkeiten vorbehalten! Nur solange der Vorrat reicht. Sitz der Gesellschaft: H&S Bike-Discount GmbH | Wernher-von-Braun-Str. 15 | 53501 Grafschaft


PROLOG<br />

INSIDER<br />

RALPH DENK<br />

EIN PERFEKTER GIRO<br />

Der Teamchef von Bora–hansgrohe blickt auf die Italien-Rundfahrt zurück.<br />

Aufgezeichnet von Werner Müller-Schell, © Bora–hansgrohe/BettiniPhoto<br />

Ein toller Giro liegt hinter uns.<br />

Vor dem Start in Bologna war<br />

unsere Zielvorgabe, zumindest<br />

eine Etappe zu gewinnen und<br />

einen Fahrer unter die besten Fünf<br />

in der Gesamtwertung zu bringen.<br />

Mit Rang sechs durch Rafał Majka,<br />

einem Tagessieg durch Cesare Benedetti<br />

sowie zwei Etappensiegen und<br />

dem Gewinn des Maglia Ciclamino<br />

des Punktbesten durch Pascal<br />

Ackermann haben wir dieses Vorhaben<br />

in jedem Fall erfüllt.<br />

Pascal hat dabei einmal mehr bewiesen,<br />

was für ein riesiges Talent in<br />

ihm steckt. Man darf nicht vergessen:<br />

Der Giro war seine erste Grand<br />

Tour überhaupt und wir alle wussten<br />

nicht, wie er drei Wochen Renntempo<br />

verkraften würde. Aus diesem<br />

Grund war es auch unser Ziel, ihn in<br />

der ersten Woche so stark wie möglich<br />

zu unterstützen, da er hier die<br />

größten Siegchancen haben würde.<br />

Wie Pascal das dann umgesetzt hat,<br />

war große Klasse. Sehr beeindruckt<br />

hat uns auch, wie er sich nach seinem<br />

Sturz bis zum Ende durchgebissen<br />

hat. Selbst in den Bergen<br />

erlebte er nur einmal eine Schwächephase<br />

und hat deshalb auch verdient<br />

die Punktewertung für sich<br />

entschieden.<br />

Ein Sportler, über dessen Erfolg<br />

wir uns alle sehr gefreut haben, ist<br />

Cesare Benedetti. Als Helfer ist er<br />

„PASCAL HAT DABEI EINMAL MEHR<br />

BEWIESEN, WAS FÜR EIN RIESIGES TALENT IN<br />

IHM STECKT. MAN DARF NICHT VERGESSEN:<br />

DER GIRO WAR SEINE ERSTE GRAND<br />

TOUR ÜBERHAUPT.“<br />

einer der Fahrer im Peloton, die eher<br />

selten im Rampenlicht stehen –<br />

und dennoch ist er für unser Team<br />

enorm wichtig. Cesare fährt bereits<br />

seit 2010 bei mir im Team und ist<br />

seitdem zu einer unverzichtbaren<br />

Stütze geworden. Wann immer man<br />

ihn braucht, erledigt er seine Arbeit,<br />

er ist immer motiviert und nie krank<br />

– es ist wirklich beeindruckend, mit<br />

welcher Loyalität er sich immer wieder<br />

unermüdlich in den Dienst der<br />

Mannschaft stellt. Und diesen unbändigen<br />

Willen hat er nun mit seinem<br />

Tagessieg auf der 14. Etappe<br />

auch noch in ein tolles Ergebnis umgemünzt<br />

– Chapeau!<br />

Unabhängig von den Einzelleistungen<br />

möchte ich aber den Auftritt<br />

der gesamten Mannschaft hervorheben.<br />

Alle acht Fahrer konnten den<br />

Giro in Verona beenden – auch das<br />

freut mich als Teamchef riesig, denn<br />

es zeigt, dass wir unseren Athleten<br />

das richtige Umfeld bieten, um ihre<br />

maximale Leistung abzuliefern.<br />

Die Stimmung im Team ist derzeit<br />

richtig gut, denn mit diesem Giro<br />

konnten wir unser erfolgreiches<br />

Frühjahr weiter fortsetzen. Mit<br />

Stand Anfang Juni stehen wir der -<br />

zeit bei 25 Saisonsiegen, im World-<br />

Pascal Ackermann holte beim Giro<br />

als erster Deutscher überhaupt das<br />

Maglia Ciclamino des Punktbesten.<br />

Tour-Ranking belegen wir hinter<br />

Deceuninck–Quick Step den zweiten<br />

Platz – damit können wir mehr als<br />

nur zufrieden sein. Zudem nimmt<br />

uns das auch für die kommenden<br />

Monate den Druck von den Schultern.<br />

Gerade im Hinblick auf die bevorstehende<br />

Tour de France können<br />

wir nun viel befreiter auffahren, als<br />

wenn wir unbedingt noch Resultate<br />

bräuchten.<br />

Nichtsdestotrotz gehen wir mit<br />

hohen Zielen in das wichtigste Radrennen<br />

des Jahres: Wir wollen mit<br />

Peter Sagan unbedingt zum zweiten<br />

Mal das Grüne Trikot gewinnen.<br />

Dazu wollen wir noch einen Etappensieg<br />

einfahren und einen Fahrer<br />

unter die besten Zehn in der Gesamtwertung<br />

bringen. Rund um unsere<br />

Kapitäne Emanuel Buchmann,<br />

Patrick Konrad und Peter Sagan<br />

haben wir dafür jedenfalls eine<br />

schlagkräftige Mannschaft zusammengestellt.<br />

Mehr zu unserem Tour-<br />

Aufgebot und unseren Plänen in<br />

Frankreich erzähle ich dann beim<br />

nächsten Mal.<br />

Ralph Denk ist Teammanager der<br />

deutschen WorldTour-Mannschaft<br />

Bora–hansgrohe. Nach jahrelanger<br />

Aufbauarbeit ist die Equipe mit Sitz<br />

im oberbayerischen Raubling seit<br />

2017 in der höchsten Radsportliga<br />

aktiv. In <strong>Procycling</strong> berichtet Denk,<br />

in früheren Jahren selbst aktiver<br />

Rennfahrer, jeden Monat über seinen<br />

Alltag als Teamchef.<br />

26 PROCYCLING | JULI 2019


PURE<br />

CYCLING<br />

ULTIMATE<br />

Weltmeister Alejandro Valverde attackiert auf dem Ultimate,<br />

als das Peloton an der legendären Kapelmuur bei der<br />

Flandern-Rundfahrt auseinanderfällt.<br />

canyon.com


PROLOG<br />

DER GIRO AM MORTIROLO<br />

So schlug sich das Peloton am härtesten Anstieg des gesamten Giro.<br />

Text Werner Müller-Schell<br />

© Strava (Screenshot)<br />

Mortirolo. Allein das Aussprechen<br />

des Namens<br />

der engen, extrem steilen<br />

Bergstraße lässt die Herzfrequenz<br />

der meisten Radsportler in die Höhe<br />

schnellen. Seit 1990 gehört der südwestlich<br />

des Gaviapasses gelegene<br />

Pass zum Stammprogramm des<br />

Giro d’Italia – und hat sich seitdem<br />

zu einem Schicksalsberg der Italienrundfahrt<br />

entwickelt. Mehr als nur<br />

einmal war der südwestlich des<br />

Gaviapasses gelegene Pass Schauplatz<br />

epischer Duelle um das Maglia<br />

Rosa, mehr als nur einmal die Bühne<br />

epischer Dramen. Die Liste seiner<br />

schnellsten Bezwinger ist mit zahlreichen<br />

illustren Namen geschmückt:<br />

Leonardo Sierra, Ivan Gotti, Ivan<br />

Basso und nicht zuletzt Marco Pantani<br />

fuhren auf der 11,4 Kilometer<br />

langen, durchschnittlich 10,5 Prozent<br />

und maximal bis zu 20 Prozent<br />

steilen sowie insgesamt 1.300 Höhenmeter<br />

umfassenden Steigung<br />

ins Rampenlicht und in die Herzen<br />

ihrer Fans.<br />

Auch in diesem Jahr zählte der<br />

Mortirolo mit der Auffahrt von Mazzo<br />

di Valtellina wieder zum Giro-<br />

Profil – und war Schauplatz der<br />

17. Etappe von Commezzadura nach<br />

Anterselva. Und als ob die Steigung<br />

nicht schwer genug wäre, machte<br />

das Wetter den Tag für die Profis<br />

noch anspruchsvoller: Strömender<br />

Regen und bittere Kälte sorgten<br />

dafür, dass das Giro-Gesamtklassement<br />

zumindest hinter dem zu<br />

diesem Zeitpunkt bereits im Rosa<br />

Trikot fahrenden Richard Carapaz<br />

an einigen Positionen kräftig durcheinandergewirbelt<br />

wurde. Die Lorbeeren<br />

am Mortirolo selbst sammelte<br />

allerdings ein Fahrer ein, der mit<br />

dem Ausgang der Gesamtwertung<br />

gar nichts zu tun hatte: Erster am<br />

Gipfel war nämlich der Italiener<br />

Giulio Ciccone, der sich als Teil einer<br />

Ausreißergruppe auf seiner Jagd<br />

nach dem Bergtrikot an der Spitze<br />

des in kleinste Einzelteile zerfallenen<br />

Pelotons hier die volle Punktzahl<br />

sicherte.<br />

BESTZEITEN AUF STRAVA<br />

Ciccone und sein Begleiter Jan Hirt<br />

waren dabei nicht nur als Erste auf<br />

dem Gipfel – in 46:20 Minuten<br />

(Hirt) bzw. 46:21 Minuten (Ciccone)<br />

sicherten sie sich auch direkt die absoluten<br />

Strava-Bestzeiten am Mortirolo.<br />

Überhaupt war der diesjährige<br />

Giro unglaublich schnell unterwegs:<br />

Gleich neun der Top-Ten-Plätze gingen<br />

an Aufstiegszeiten, die während<br />

jener 17. Etappe gefahren wurden.<br />

Spannend ist dabei ein Blick auf die<br />

Leistungswerte: Sowohl Hirt als<br />

28 PROCYCLING | JULI 2019


Du kennst die Länge<br />

deines nächsten Anstiegs<br />

nicht?<br />

DEIN EDGE SCHON.<br />

Setzten die Strava-Bestzeiten am Mortirolo: Jan Hirt<br />

(vorne) und Giulio Ciccone.<br />

auch Ciccone luden ihre Powermeter-Daten auf Strava hoch.<br />

Hirt trat bei einem offiziellen Körpergewicht von 60 Kilogramm<br />

dabei im Schnitt 351 Watt, Ciccone kam bei 58 Kilogramm auf<br />

366 Watt, was einer Durchschnittsleistung von 5,9 beziehungsweise<br />

6,3 Watt pro Kilo entspricht. Die Aufstiegsrate beider Fahrer<br />

lag bei 1.628 Höhenmeter pro Stunde.<br />

Interessant ist der Fakt, dass sich zwei Fahrer aus der Spitzengruppe<br />

die Bestzeiten holten. Der bestplatzierte Klassementfahrer<br />

auf Strava ist Pavel Sivakov, der in 46:52 Minuten eine halbe Minute<br />

langsamer unterwegs war als Hirt und Ciccone. Da Sivakov<br />

am Mortirolo allerdings die Topfavoriten ziehen lassen musste,<br />

zeigt sich aber auch, dass die stärksten Athleten des diesjährigen<br />

Giro um Richard Carapaz und Vincenzo Nibali deutlich schneller<br />

unterwegs waren. Der Kolumbianer Miguel Ángel López benötigte<br />

als Teil der Spitzengruppe verschiedenen Angaben zufolge nur<br />

44:38 Minuten für seinen Aufstieg und war demnach fast zwei<br />

Minuten schneller als die Spitzenreiter. Nichtsdestotrotz gilt hier<br />

mit einem Augenzwinkern der altbekannte Strava-Spruch: „Wenn<br />

es nicht auf Strava ist, dann ist es nicht passiert.“<br />

Das Strava-Ranking<br />

Mortirolo (11,4 Kilometer / 1.258 Höhenmeter)<br />

1. Jan Hirt Astana<br />

46:20 Minuten<br />

2. Giulio Ciccone Trek<br />

46:21<br />

3. Damiano Caruso Astana<br />

46:33<br />

4. Pavel Sivakov Ineos<br />

46:52<br />

5. Sebastián Henao Ineos<br />

47:09<br />

6. Davide Formolo Bora–hansgrohe<br />

47:32<br />

7. Fausto Masnada Androni<br />

47:59<br />

8. Jan Polanc UAE Emirates<br />

48:04<br />

9. Valentin Madouas Groupama<br />

48:06<br />

10. Joe Dombrowski EF Education First<br />

48:43<br />

© Fabio Ferrari-Pool/Getty Images<br />

PHOTO: MARGUS RIGA<br />

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PROGRAMM ZUR<br />

TOUR DE FRANCE<br />

OFFIZIELLES PROGRAMM<br />

TOUR DE FRANCE 2019<br />

DIE ETAPPEN<br />

Alle Infos zu jedem Renntag – mit<br />

Karten, Marschtabellen & Höhenprofilen<br />

DIE TEAMS<br />

Die Analyse von Bernard Thévenet –<br />

ihre Fahrer, ihre Stärken, ihre Ziele<br />

DIE FAVORITEN<br />

Thomas, Froome, Dumoulin, Quintana –<br />

welcher Topstar holt sich den Toursieg?<br />

Von den Machern von<br />

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DIE DEUTSCHEN<br />

EDELHELFER & ETAPPENJÄGER<br />

DIE PERSPEKTIVEN VON GREIPEL,<br />

MARTIN, DEGENKOLB & CO.<br />

196<br />

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Adriaenssens Jan<br />

(BEL, 1956, 1960)<br />

Barteau Vincent<br />

(FRA, 1984)<br />

Bontempi Guido<br />

(ITA, 1988)<br />

Cazala Robert<br />

(FRA, 1959)<br />

Dessel Cyril<br />

(FRA, 2006)<br />

266<br />

Fignon Laurent<br />

(FRA, 1983, 1984, 1989)<br />

Géminiani Raphaël<br />

(FRA, 1958)<br />

Hamerlinck Alfred<br />

(BEL, 1931)<br />

Ke ly Sean<br />

(IRL, 1983)<br />

Le Calvez Léon<br />

(FRA, 1931)<br />

Mahé François<br />

(FRA, 1953)<br />

Mottiat Louis<br />

(BEL, 1920, 1921)<br />

Peeters Ludo<br />

(BEL, 1982, 1984)<br />

Rasmussen Michael<br />

(DAN, 2007)<br />

Schleck Fränk<br />

(LUX, 2008)<br />

Thaler Klaus-Peter<br />

(ALL, 1978)<br />

Van Looy Rik<br />

(BEL, 1965)<br />

Wagtmans Marinus<br />

(HOL, 1971)<br />

DE 1919 À 2018<br />

Aerts Jean<br />

(BEL, 1932)<br />

Bauer Steve<br />

(CAN, 1988, 1990)<br />

Bossis Jacques<br />

(FRA, 1978)<br />

Chavanel Sylvain<br />

(FRA, 2010)<br />

De Waele Maurice<br />

(BEL, 1929)<br />

Fontan Victor<br />

(FRA, 1929)<br />

Genêt Jean-Pierre<br />

(FRA, 1968)<br />

Hanegraaf Jacques<br />

(HOL, 1984)<br />

Kint Marcel<br />

(BEL, 1937)<br />

Le Drogo Ferdinand<br />

(FRA, 1927)<br />

Majérus Jean<br />

(LUX, 1937, 1938)<br />

Mottet Charly<br />

(FRA, 1987)<br />

Pélissier Charles<br />

(FRA, 1930, 1931)<br />

Rebry Gaston<br />

(BEL, 1929)<br />

Schroeders Willy<br />

(BEL, 1962)<br />

Thévenet Bernard<br />

(FRA, 1975, 1977)<br />

Van Neste Wi ly<br />

(BEL, 1967)<br />

Wagtmans Wout<br />

(HOL, 1954, 1955, 1956)<br />

Aimar Lucien<br />

(FRA, 1966)<br />

Bautz Erich<br />

(ALL, 1937)<br />

Bottecchia Ottavio<br />

(ITA, 1923, 1924, 1925)<br />

Chiappucci Claudio<br />

(ITA, 1990)<br />

Diederich Jean<br />

(LUX, 1951)<br />

Fontenay Jean<br />

(FRA, 1939)<br />

Gerdemann Linus<br />

(ALL, 2007)<br />

Hassenforder Roger<br />

(FRA, 1953)<br />

Kirchen Kim<br />

(LUX, 2008)<br />

Leducq André (FRA,<br />

1929, 1930, 1932, 1938)<br />

Ma léjac Jean<br />

(FRA, 1953)<br />

Museeuw Johan<br />

(BEL, 1993, 1994)<br />

Pélissier Francis<br />

(FRA, 1927)<br />

R is Bjarne<br />

(DAN, 1995, 1996)<br />

Scieur Léon<br />

(BEL, 1921)<br />

Thomas Geraint<br />

(GBR, 2017, 2018)<br />

Alavoine Jean<br />

(FRA, 1922)<br />

Bauvin Gilbert<br />

(FRA, 1951, 1954, 1958)<br />

Brambi la Pierre<br />

(ITA, 1947)<br />

Christophe Eugène<br />

(FRA, 1919, 1922)<br />

Di Paco Rafaele<br />

(ITA, 1931)<br />

Forestier Jean<br />

(FRA, 1957)<br />

Gerrans Simon<br />

(AUS, 2013)<br />

Heulot Stéphane<br />

(FRA, 1996)<br />

Kirsipuu Jaan<br />

(EST, 1999)<br />

Lemaire Georges<br />

(BEL, 1933)<br />

Altig Rudi<br />

(ALL, 1962, 64, 66, 69)<br />

Be lenger Romain<br />

(FRA, 1923)<br />

Breukink Erik<br />

(HOL, 1989)<br />

266<br />

DIE TRÄGER DES GELBEN TRIKOTS VON 1919 BIS 2018<br />

Van Slembrouck Gustaaf<br />

(BEL, 1926)<br />

Walkowiak Roger<br />

(FRA, 1956)<br />

Marie Thierry<br />

(FRA, 1986, 1990, 1991)<br />

Nazon Jean-Patrick<br />

(FRA, 2003)<br />

Pélissier Henri<br />

(FRA, 1923)<br />

Riotte Raymond<br />

(FRA, 1967)<br />

Sels Edward<br />

(BEL, 1964)<br />

Thurau Dietrich<br />

(ALL, 1977)<br />

Van Springel Herman<br />

(BEL, 1968, 1973)<br />

Wauters Marc<br />

(BEL, 2001)<br />

Cipo lini Mario<br />

(ITA, 1993, 1997)<br />

Dossche Aimé<br />

(BEL, 1929)<br />

Fournier Amédée<br />

(FRA, 1939)<br />

Gilbert Philippe<br />

(BEL, 2011)<br />

Heusghem Hector<br />

(BEL, 1922)<br />

Kittel Marcel<br />

(ALL, 2013, 2014)<br />

LeMond Greg<br />

(USA, 1986, 1989, 90, 91)<br />

Marine li Jacques<br />

(FRA, 1949)<br />

Nelissen Wilfried<br />

(BEL, 1993)<br />

Peña Victor-Hugo<br />

(COL, 2003)<br />

Robic Jean<br />

(FRA, 1947, 1953)<br />

Sercu Patrick<br />

(BEL, 1974)<br />

Thys Philippe<br />

(BEL, 1920)<br />

Van Steenbergen Rik<br />

(BEL, 1952)<br />

Wiggins Bradley<br />

(GBR, 2012)<br />

Andersen Kim<br />

(DAN, 1983, 1985)<br />

Benoît Adelin<br />

(BEL, 1925)<br />

Bruyère Joseph<br />

(BEL, 1974, 1978)<br />

Contador Alberto<br />

(ESP, 2007, 2009)<br />

Durand Jacky<br />

(FRA, 1995)<br />

Frantz Nicolas<br />

(LUX, 1927, 1928, 1929)<br />

Gimondi Felice<br />

(ITA, 1965)<br />

Hinault Bernard (FRA, 78,<br />

79, 80, 81, 82, 84, 1985, 86)<br />

Knetemann Gerrie<br />

(HOL, 1978, 1979, 80, 81)<br />

Letort Désiré<br />

(FRA, 1969)<br />

Martin Hector<br />

(BEL, 1927)<br />

Nencini Gastone<br />

(ITA, 1960)<br />

Pensec Ronan<br />

(FRA, 1990)<br />

Roche Stephen<br />

(IRL, 1987)<br />

Simon François<br />

(FRA, 2001)<br />

U lrich Jan<br />

(ALL, 1997, 1998)<br />

Van Vliet Teun<br />

(HOL, 1988)<br />

Wolfshohl Rolf<br />

(ALL, 1968)<br />

PORTEURS DU MAILLOT JAUNE<br />

Anderson Phil<br />

(AUS, 1981, 1982)<br />

Bernard Jean-François<br />

(FRA, 1987)<br />

Bruyneel Johan<br />

(BEL, 1995)<br />

Coppi Fausto<br />

(ITA, 1949, 1952)<br />

Dussault Marcel<br />

(FRA, 1949)<br />

Froome Christopher<br />

(GBR, 2013, 2015, 16, 17)<br />

Goldschmit Jean<br />

(LUX, 1950)<br />

Hoevenaars Jos<br />

(BEL, 1958, 1959)<br />

Koblet Hugo<br />

(SUI, 1951)<br />

Levêque Roger<br />

(FRA, 1951)<br />

Martin Tony<br />

(ALL, 2015)<br />

Nibali Vincenzo<br />

(ITA, 2014)<br />

Pereiro Oscar<br />

(ESP, 2006)<br />

Rolland Antonin<br />

(FRA, 1955)<br />

Simon Pascal<br />

(FRA, 1983)<br />

Valverde Alejandro<br />

(ESP, 2008)<br />

Vanze la Flavio<br />

(ITA, 1994)<br />

Yates Sean<br />

(GBR, 1994)<br />

1.<br />

ETAPPE<br />

ETAPPENSIEGER<br />

8.<br />

ETAPPE<br />

ETAPPENSIEGER<br />

15.<br />

ETAPPE<br />

ETAPPENSIEGER<br />

Anglade Henry<br />

(FRA, 1960)<br />

Bernaudeau Jean-René<br />

(FRA, 1979)<br />

Bulla Max<br />

(ALL, 1931)<br />

Darrigade André (FRA,<br />

1956, 57, 58, 59, 61, 62)<br />

Egli Paul<br />

(SUI, 1936)<br />

Gaigne Dominique<br />

(FRA, 1986)<br />

Gonzalez de Galdeano Igor<br />

(ESP, 2002)<br />

Honchar Sergueï<br />

(UKR, 2006)<br />

Kübler Ferdi<br />

(SUI, 1947, 1950)<br />

Lino Pascal<br />

(FRA, 1992)<br />

McEwen Robbie<br />

(AUS, 2004)<br />

Nijdam Jelle<br />

(HOL, 1987, 1988)<br />

Pevenage Rudy<br />

(BEL, 1980)<br />

Ronconi Aldo<br />

(ITA, 1947)<br />

Simpson Tom<br />

(GBR, 1962)<br />

Van Avermaet Greg<br />

(BEL, 2016, 2018)<br />

Vasseur Cédric<br />

(FRA, 1997)<br />

Zabel Erik<br />

(ALL, 1998, 2002)<br />

Samstag, 06. Juli 2019<br />

Brüssel > Brüssel<br />

192 km, flach<br />

Samstag, 13. Juli 2019<br />

Mâcon > Saint-Étienne<br />

199 km, hügelig<br />

Sonntag, 21. Juli 2019<br />

Limoux > Foix Prat d‘Albis<br />

Anquetil Jacques<br />

(FRA, 1957, 61, 62, 63, 64)<br />

Bertin Yvon<br />

(FRA, 1980)<br />

Buysse Jules<br />

(BEL, 1926)<br />

Da Silva Acacio<br />

(POR, 1989)<br />

E li Alberto<br />

(ITA, 2000)<br />

Ga lopin Tony<br />

(FRA, 2014)<br />

Gotti Ivan<br />

(ITA, 1995)<br />

Hushovd Thor<br />

(NOR, 2004, 2006, 2011)<br />

Kunde Karl-Heinz<br />

(ALL, 1966)<br />

Lubberding Henk<br />

(HOL, 1988)<br />

McGee Bradley<br />

(AUS, 2003)<br />

Nocentini Roberto<br />

(ITA, 2009)<br />

Piasecki Lech<br />

(POL, 1987)<br />

Rossi Giovanni<br />

(SUI, 1951)<br />

Sörensen Rolf<br />

(DAN, 1991)<br />

Van de Kerckhove Bernard<br />

(BEL, 1964, 1965)<br />

Vermeulin Michel<br />

(FRA, 1959)<br />

Zilioli Italo<br />

(ITA, 1970)<br />

185 km, Gebirge<br />

2.<br />

ETAPPE<br />

ETAPPENSIEGER<br />

9.<br />

ETAPPE<br />

ETAPPENSIEGER<br />

16.<br />

ETAPPE<br />

Archambaud Maurice<br />

(FRA, 1933, 1936)<br />

Bertogliati Rubens<br />

(SUI, 2002)<br />

Buysse Lucien<br />

(BEL, 1926)<br />

Delgado Pedro<br />

(ESP, 1987, 1988)<br />

E liott Seamus<br />

(IRL, 1963)<br />

Gaul Charly<br />

(LUX, 1958)<br />

Grosskost Charly<br />

(FRA, 1968)<br />

Impey Daryl<br />

(AFS, 2013)<br />

Lambot Firmin<br />

(BEL, 1919, 1922)<br />

Maes Romain<br />

(BEL, 1935, 1939)<br />

Merckx Eddy (BEL, 1969,<br />

1970, 1971, 1972, 1974, 75)<br />

Oberbeck Wi li<br />

(ALL, 1938)<br />

Pingeon Roger<br />

(FRA, 1967)<br />

Sagan Peter<br />

(SLQ, 2016, 2018)<br />

Speicher Georges<br />

(FRA, 1933, 1934)<br />

Vandenberghe Georges<br />

(BEL, 1968)<br />

Vervaecke Félicien<br />

(BEL, 1938)<br />

Zoetemelk Joop<br />

(HOL, 1971, 73, 78, 79, 80)<br />

ETAPPENSIEGER<br />

Aru Fabio<br />

(ITA, 2017)<br />

Berzin Evgueni<br />

(RUS, 1996)<br />

Ca lens Norbert<br />

(BEL, 1949)<br />

Delisle Raymond<br />

(FRA, 1976)<br />

Engels Jan<br />

(BEL, 1948)<br />

Gauthier Bernard<br />

(FRA, 1950)<br />

Groussard Georges<br />

(FRA, 1964)<br />

Indurain Miguel (ESP,<br />

1991, 1992, 93, 94, 95)<br />

Lambrecht Roger<br />

(BEL, 1948, 1949)<br />

Maes Sylvère<br />

(BEL, 1936, 1937, 1939)<br />

Mersch Arsène<br />

(LUX, 1936)<br />

Ocaña Luis<br />

(ESP, 1971, 1973)<br />

Planckaert Josef<br />

(BEL, 1962)<br />

San Miguel Gregorio<br />

(ESP, 1968)<br />

Spruyt Joseph<br />

(BEL, 1967)<br />

Vanderaerden Éric<br />

(BEL, 1983, 1985)<br />

Vietto René<br />

(FRA, 1939, 1947)<br />

Zü le Alex<br />

(SUI, 1992, 1996)<br />

Freitag 19. Juli<br />

Sonntag, 07. Juli 2019<br />

Brüssel - Palais Royal > Atomium<br />

27 km, Zeitfahren<br />

Sonntag, 14. Juli 2019<br />

Saint-Étienne > Brioude<br />

170 km, hügelig<br />

Dienstag, 23. Juli 2019<br />

Nîmes > Nîmes<br />

177 km, flach<br />

in alphabetischer Reihenfolge<br />

PAR ORDRE ALPHABÉTIQUE<br />

Bahamontes Federico<br />

(ESP, 1959, 1963)<br />

Biagioni Serafino<br />

(ITA, 1951)<br />

Cance lara Fabian (SUI,<br />

2004, 07, 09, 10, 12, 15)<br />

Dennis Rohan<br />

(AUS, 2015)<br />

Errandonea José-Maria<br />

(ESP, 1967)<br />

Gauthier Jean-Louis<br />

(FRA, 1983)<br />

Groussard Joseph<br />

(FRA, 1960)<br />

Jacquinot Robert<br />

(FRA, 1922, 1923)<br />

Lapébie Roger<br />

(FRA, 1937)<br />

Maechler Erich<br />

(SUI, 1987)<br />

Mi lar David<br />

(GBR, 2000)<br />

O’Grady Stuart<br />

(AUS, 1998, 2001)<br />

Poblet Miguel<br />

(ESP, 1955)<br />

Sastre Carlos<br />

(ESP, 2008)<br />

Stevens Julien<br />

(BEL, 1969)<br />

Van der Poel Adri<br />

(HOL, 1984)<br />

Virenque Richard<br />

(FRA, 1992, 2003)<br />

Samstag 20. Juli<br />

3.<br />

ETAPPE<br />

ETAPPENSIEGER<br />

10.<br />

ETAPPE<br />

ETAPPENSIEGER<br />

17.<br />

ETAPPE<br />

ETAPPENSIEGER<br />

Bakelants Jan<br />

(BEL, 2013)<br />

Boardman Chris<br />

(GBR, 1994, 1997, 1998)<br />

Carrea Andrea<br />

(ITA, 1952)<br />

De Pra Tommaso<br />

(ITA, 1966)<br />

Evans Cadel<br />

(AUS, 2008, 2010, 2011)<br />

Gaviria Fernando<br />

(COL, 2018)<br />

Guerra Learco<br />

(ITA, 1930)<br />

Jalabert Laurent<br />

(FRA, 1995, 2000)<br />

Lauredi Ne lo<br />

(FRA, 1952)<br />

Maertens Freddy<br />

(BEL, 1976)<br />

Moncassin Frédéric<br />

(FRA, 1996)<br />

Pantani Marco<br />

(ITA, 1998)<br />

Polidori Giancarlo<br />

(ITA, 1967)<br />

Schaer Fritz<br />

(SUI, 1953)<br />

Stieda Alex<br />

(CAN, 1986)<br />

Van der Velde Johan<br />

(HOL, 1986)<br />

Voeckler Thomas<br />

(FRA, 2004, 2011)<br />

Mittwoch 17. Juli<br />

Montag, 08. Juli 2019<br />

Binche > Épernay<br />

214 km, hügelig<br />

Montag, 15. Juli 2019<br />

Saint-Flour > Albi<br />

218 km, flach<br />

Mittwoch, 24. Juli 2019<br />

Pont du Gard > Gap<br />

206 km, hügelig<br />

Barone Nicolas<br />

(FRA, 1957)<br />

Bobet Louison<br />

(FRA, 1948, 53, 54, 55)<br />

Catieau José<br />

(FRA, 1973)<br />

Desbiens Laurent<br />

(FRA, 1998)<br />

Favero Vito<br />

(ITA, 1958)<br />

Gayant Martial<br />

(FRA, 1987)<br />

Guimard Cyri le<br />

(FRA, 1972)<br />

Janssen Jan<br />

(HOL, 1966, 1968)<br />

Lebaube Jean-Claude<br />

(FRA, 1966)<br />

Magne Antonin<br />

(FRA, 1931, 1934)<br />

Sonntag 28. Juli<br />

Moreau Christophe<br />

(FRA, 2001)<br />

Pauwels Eddy<br />

(BEL, 1959, 1963)<br />

Privat René<br />

(FRA, 1957)<br />

Schepens Julien<br />

(BEL, 1960)<br />

Stoepel Kurt<br />

(ALL, 1932)<br />

Van Est Wim<br />

(HOL, 1951, 1955, 1958)<br />

Voigt Jens<br />

(ALL, 2001, 2005)<br />

Donnerstag<br />

18. Juli<br />

Montag 15. Juli<br />

Sonntag 21. Juli<br />

4.<br />

ETAPPE<br />

ETAPPENSIEGER<br />

11.<br />

ETAPPE<br />

ETAPPENSIEGER<br />

18.<br />

ETAPPE<br />

ETAPPENSIEGER<br />

Bartali Gino<br />

(ITA, 1937, 38, 48, 49)<br />

Boonen Tom<br />

(BEL, 2006)<br />

Cavendish Mark<br />

(GBR, 2016)<br />

Desmet Gilbert<br />

(BEL, 1956, 1963)<br />

Fei lu Romain<br />

(FRA, 2008)<br />

Geldermans Albertus<br />

(HOL, 1962)<br />

Hamburger Bo<br />

(DAN, 1998)<br />

Karstens Gerben<br />

(HOL, 1974)<br />

Leblanc Luc<br />

(FRA, 1991)<br />

Magni Fiorenzo<br />

(ITA, 1949, 1950, 1952)<br />

Moser Francesco<br />

(ITA, 1975)<br />

Pedersen Jörgen-Vagn<br />

(DAN, 1986)<br />

Raas Jan<br />

(HOL, 1978)<br />

Schleck Andy<br />

(LUX, 2010, 2011)<br />

Teirlinck Wi ly<br />

(BEL, 1973)<br />

Van Impe Lucien<br />

(BEL, 1976)<br />

Voorting Gerrit<br />

(HOL, 1956, 1958)<br />

Elles apparaissent sur le Maillot Jaune à partir<br />

de 1949 pour honorer la mémoire d’Henri Desgrange,<br />

créateur du Tour de France, décédé en 1940.<br />

Elles disparaissent en 1984 avant d’être réhabilitées<br />

en 2003 par Jean-Marie Leblanc, alors directeur du Tour,<br />

à l’occasion du centenaire de l’épreuve.<br />

POSTER MJ.indd 1 06/05/2019 16:14:48<br />

INITIALES<br />

« HD »<br />

Sonntag 14. Juli<br />

Dienstag 16. Juli<br />

Dienstag, 09. Juli 2019<br />

Reims > Nancy<br />

215 km, flach<br />

Mittwoch, 17. Juli 2019<br />

Albi > Toulouse<br />

167 km, flach<br />

Donnerstag, 25. Juli 2019<br />

Embrun > Valloire<br />

207 km, Gebirge<br />

Samstag 13. Juli<br />

Montag 22. Juli<br />

5.<br />

ETAPPE<br />

ETAPPENSIEGER<br />

12.<br />

ETAPPE<br />

ETAPPENSIEGER<br />

19.<br />

ETAPPE<br />

BRÜSSEL<br />

Sonntag<br />

7. Juli<br />

Samstag 6. Juli<br />

Montag 8. Juli<br />

GRATIS<br />

POSTER*<br />

FÜR ALLE<br />

DIREKTBESTELLER<br />

BELGIEN<br />

Dienstag<br />

9. Juli<br />

Dienstag<br />

23. Juli Mittwoch<br />

24. Juli<br />

Mittwoch, 10. Juli 2019<br />

Saint-Dié-des-Vosges > Colmar<br />

169 km, hügelig<br />

Donnerstag, 18. Juli 2019<br />

Toulouse > Bagnères-de-Bigorre<br />

202 km, Gebirge<br />

Freitag, 26. Juli 2019<br />

Saint-Jean-de-Maurienne > Tignes<br />

ETAPPENSIEGER<br />

123 km, Gebirge<br />

Donnerstag 11. Juli<br />

6.<br />

ETAPPE<br />

13.<br />

ETAPPE<br />

20.<br />

ETAPPE<br />

Freitag<br />

12. Juli<br />

Donnerstag, 11. Juli 2019<br />

Mülhausen > Planche d. Belles Filles<br />

ETAPPENSIEGER<br />

ETAPPENSIEGER<br />

ETAPPENSIEGER<br />

157 km, Gebirge<br />

Freitag, 19. Juli 2019<br />

Mittwoch<br />

10. Juli<br />

MÜHLHAUSEN<br />

Samstag 27. Juli<br />

Freitag 26. Juli<br />

Donnerstag 25. Juli<br />

Pau > Pau<br />

27 km, Zeitfahren<br />

Samstag, 27. Juli 2019<br />

Albertville > Val Thorens<br />

131 km, Gebirge<br />

7.<br />

ETAPPE<br />

ETAPPENSIEGER<br />

14.<br />

ETAPPE<br />

ETAPPENSIEGER<br />

21.<br />

ETAPPE<br />

Freitag, 11. Juli 2019<br />

Belfort > Chalon-sur-Saône<br />

230 km, flach<br />

Samstag, 20. Juli 2019<br />

Tarbes > Tourmalet Barèges<br />

117 km, Gebirge<br />

Sonntag, 23. Juli 2019<br />

Rambouillet > Paris Champs-Élysées<br />

ETAPPENSIEGER<br />

127 km, flach


L E TO U R<br />

20<br />

19<br />

RENNVORSCHAU<br />

HOCH &<br />

MÄCHTIG<br />

Die Tour 2019 scheint die schwerste Route seit Jahren<br />

zu bieten – mit anspruchsvollem Terrain und einer<br />

Serie harter Gebirgsetappen. <strong>Procycling</strong> analysiert den<br />

möglichen Verlauf des Rennens.<br />

Text Edward Pickering<br />

Fotografie Jered Gruber<br />

32 PROCYCLING | JULI 2019


L E TO U R<br />

20<br />

19<br />

RENNVORSCHAU<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 33


L E TO U R<br />

20<br />

19<br />

RENNVORSCHAU<br />

Die Aussicht vom Col de l’Iseran ist eine der<br />

erhabensten und kärgsten in den Alpen.<br />

Die Passstraße schmiegt sich in den Sattel<br />

zwischen dem knapp über 3.000 Meter hohen<br />

Pointe des Lessières im Westen und dem etwas<br />

höheren, aber weiter entfernten Signal de l’Iseran<br />

auf der anderen Seite. Die italienische Grenze und<br />

das Aostatal sind nur ein paar Kilometer weiter<br />

östlich. Die Zinnen und Kessel des Massif de la<br />

Vanoise erstrecken sich in die Ferne – der Col ist<br />

weit über der Baumgrenze, und nichts mildert die<br />

harten Konturen der Geröllfelder und Felsen ab<br />

außer etwas kümmerlichem Gras auf saurem<br />

Boden und Schneeflecken, die sich in den meisten<br />

Jahren den ganzen Sommer über halten.<br />

Eine unwirtliche Szenerie, doch Schönheit<br />

liegt im Auge des Betrachters – einigen wird der<br />

Blick vom Gipfel des Col de l’Iseran gefallen. Anderen<br />

vielleicht weniger.<br />

Von diesem luftigen Ausguck, 2.770 Meter<br />

hoch gelegen und nach gut zwei Dritteln der<br />

19. Etappe der Tour de France 2019 kommend,<br />

werden die Fahrer fast bis Paris schauen können<br />

– wenn nicht wörtlich, so doch bildlich. Es sind<br />

noch ein paar Hindernisse zu überwinden: eine<br />

Linkskurve und die Kletterpartie nach Tignes<br />

am selben Tag, an dem der Iseran in Angriff genommen<br />

wird; der Cormet de Roselend und der<br />

lange, schwere Anstieg nach Val Thorens am<br />

nächsten Tag. Aber obwohl noch ein erheblicher<br />

Höhengewinn kommt, geht es zum Ende des<br />

Rennens netto bergab. Psychologisch zählt<br />

das viel, ins besondere angesichts dessen, was<br />

vorausgegangen ist.<br />

Wenn die Tour 2019 ein Thema hat, dann ist es<br />

große Höhe. Das Rennen durchbricht ganze sieben<br />

Mal die 2.000-Meter-Marke, verglichen mit<br />

viermal im letzten Jahr. Drei der Bergankünfte<br />

– der Col du Tourmalet, Tignes und Val Thorens –<br />

sind zwei Kilometer oder mehr über Meereshöhe.<br />

Der Iseran ist der fünfte von sieben Giganten der<br />

Tour 2019 - und der höchste von allen. Auf diesen<br />

Gipfeln wird die Tour gewonnen und verloren.<br />

So große Berge sind nicht zu übersehen. Sie<br />

nehmen in der Fantasie der Fans und den Köpfen<br />

der Fahrer und ihren Teams viel Raum ein. Aber<br />

Berge werfen auch lange Schatten, und man sollte<br />

ebenso wahrnehmen, was sie verbergen.<br />

Natürlich wird das Hochgebirge die Gestalt der<br />

Gesamtwertung der Tour 2019 definieren, und es<br />

ist ans Ende des Rennens gepackt. Es gibt mehr<br />

2.000-Meter-Berge als seit vielen Jahren bei der<br />

Tour, und der erste kommt erst auf der 14. Etappe,<br />

wobei sechs der sieben sich auf die drei Tage in<br />

den Alpen von der 18. bis zur 20. Etappe konzentrieren.<br />

Aber die primäre Taktik jedes Toursiegers<br />

seit 2012 war, früh Zeit zu gewinnen und den<br />

Vorsprung zu verteidigen – Wiggins 2012, Froome<br />

2013, 2015, 2016 und 2017, Nibali 2014<br />

und Thomas 2018. Die Herausforderung, die die<br />

A.S.O. bei der Gestaltung der Tour 2019 ausgegeben<br />

hat, war, sie schwieriger zu machen – mit<br />

zermürbendem Terrain in der zweiten Hälfte des<br />

Rennens, kombiniert mit einer kniffligen Eröffnungsphase,<br />

die mit potenziellen Fallen gespickt<br />

ist. Die erste Hälfte der Tour 2019 ist die Art von<br />

Terrain, mit dem Kletterer oft nicht zurechtkommen,<br />

die zweite Hälfte das genaue Gegenteil.<br />

Die A.S.O. probierte alles Mögliche aus,<br />

die Finger des Teams Ineos, früher Team<br />

Sky, vom Coupe Omnisports, der mitternachtsblauen<br />

Porzellan-Trophäe, die dem Toursieger<br />

jedes Jahr auf den Champs-Élysées verliehen<br />

wird, loszueisen. Sie stutzte die Zeitfahren,<br />

entlieh Kopfsteinpflaster-Passagen vom Schwester-Rennen<br />

der Tour, Paris–Roubaix, verringerte<br />

die Anzahl von Bergankünften, erhöhte die Anzahl<br />

von Bergankünften, experimentierte mit<br />

mehr Talankünften, suchte steilere Anstiege aus,<br />

erforschte das Mittelgebirge, beschnitt die Länge<br />

einiger Bergetappen auf deutlich unter 100 Kilometer<br />

und ließ sich sogar von der UCI helfen, die<br />

die Teamgröße von neun auf acht Fahrer reduzierte.<br />

Ganz zu schweigen vom merkwürdigen Staffelstart<br />

in Bagnères-de-Luchon im letzten Jahr.<br />

Nichts davon hat funktioniert – die einzige Unterbrechung<br />

in sieben Jahren Dominanz (deren Ende<br />

© Getty Images (unten)<br />

Der Col d’Izoard auf der 18. Etappe ist<br />

einer von sieben Pässen über 2.000 Meter.<br />

Mit so vielen Stars dürfte Team-Sky-Nachfolger<br />

Ineos das Rennen wieder dominieren.<br />

34 PROCYCLING | JULI 2019


EXPERTENMEINUNG<br />

EDWARD PICKERING<br />

<strong>Procycling</strong>-Herausgeber<br />

Wen siehst du auf dem Podium?<br />

Froome. Ich hoffe, dass Dumoulin ihm ungeachtet<br />

der wenigen Zeitfahr-Kilometer eng ge -<br />

nug im Nacken sitzt, damit Froome taktisch so<br />

abenteuerlich fahren muss wie beim Giro 2018,<br />

aber das wird nicht Plan A sein. Mein Herz sagt,<br />

dass Bardet oder Pinot Dritter wird, aber mein<br />

Kopf sagt, dass es wahrscheinlich Thomas oder<br />

Bernal ist.<br />

Wer kommt sonst noch in die Top Ten?<br />

Kruijswijk und Quintana werden sich durchbeißen.<br />

Bei Pinot ist eine gute Tour fällig, Adam<br />

Yates und Dan Martin sind bei ihrem Team für<br />

die Gesamtwertung zuständig. Fuglsang hat ein<br />

tolles Jahr, und ein merkwürdiges radsportjournalistisches<br />

Muskelgedächtnis sagt mir, dass<br />

auch Richie Porte vorne mitmischen sollte.<br />

ES GIBT MEHR<br />

2.000-METER-BERGE<br />

ALS SEIT VIELEN<br />

JAHREN BEI DER<br />

TOUR, UND DER<br />

ERSTE KOMMT ERST<br />

AUF DER 14. ETAPPE.<br />

nicht absehbar ist) war<br />

der Sturz, der Chris<br />

Froome 2014 zur Aufgabe<br />

zwang, und so etwas<br />

kann (und will) man<br />

nicht planen.<br />

Es ist verständlich,<br />

dass sich die A.S.O. daran<br />

stört, wie leicht das<br />

britische Team den Toursieg<br />

aussehen lässt. Natürlich ist der Sinn des<br />

Rennens, dass der beste Mann gewinnt, aber<br />

selbst wenn bestimmte Fahrer oder Teams die<br />

Tour in der Vergangenheit dominiert haben, hatte<br />

man weniger das Gefühl, dass das Rennen vorbei<br />

war, bevor es begonnen hatte. Der Eindruck ist,<br />

dass Hinault, Indurain und sogar Merckx immer<br />

noch antreten und das Rennen gewinnen mussten,<br />

aber Ineos hat die Tour gehackt. Sie haben<br />

den stärksten Fahrer und das stärkste Team, eingekauft<br />

und bezahlt von den Sponsoren im Radsport,<br />

die am tiefsten in die Tasche greifen. Und<br />

das ist das Unverzeihliche in den Augen der Puristen<br />

– sie sind negativ und defensiv gefahren,<br />

haben zahlenmäßige Stärke und kühle Wissenschaft<br />

genutzt, um die Ambitionen ihrer Rivalen<br />

einzufrieren. Früher mussten Fahrer antreten und<br />

die Tour gewinnen, jetzt hat<br />

man das Gefühl, dass Ineos<br />

sie bereits gewonnen hat –<br />

und ihre Rivalen und in gewissem<br />

Maße auch die A.S.O.<br />

müssen ihre Niederlage anerkennen.<br />

Bei Redaktionsschluss<br />

waren unter den Top Five<br />

der Wettanbieter drei Ineos-<br />

Fahrer: Chris Froome, Geraint Thomas and Egan<br />

Bernal. Die einzigen Eindringlinge waren Tom<br />

Dumoulin, der letztjährige Tour-Zweite, und Primož<br />

Roglič, der wohl nicht auf Gesamtwertung<br />

fahren wird, nachdem er den Giro d’Italia in Angriff<br />

genommen und gesagt hat, seine Ambitionen<br />

im Juli würden sich darauf beschränken, als Helfer<br />

für seinen Jumbo–Visma-Kapitän Steven<br />

Kruijswijk zu fahren. Mit anderen Worten: Allem<br />

Anschein nach hat Ineos derzeit drei extrem realistische<br />

Anwärter auf das Gelbe Trikot, während<br />

eine kleine Handvoll Teams einen, die meisten<br />

aber keinen haben.<br />

Der Griff von Ineos wird fester, nicht lockerer.<br />

Das Team war schon einmal Erster und Zweiter -<br />

2012, als Wiggins sich gegen Froome durchsetzte,<br />

nicht ohne ein gewisses Drama um die Ka-<br />

Wer wird die Überraschung sein?<br />

Bora–hansgrohe hat ein paar junge Rundfahrer,<br />

die im Begriff sind, ihr Potenzial zu entfalten.<br />

Emanuel Buchmann und Patrick Konrad könnten<br />

es in die Top Ten schaffen. Pierre Latour wird<br />

Helferpflichten verrichten müssen, ist aber für<br />

einen Top-Ten-Platz gut.<br />

Welcher Sprinter wird dominieren?<br />

Dylan Groenewegen ist grundsolide. Es würde<br />

mich wundern, wenn er nicht wenigstens zwei<br />

Etappen abräumt. Gaviria ist brillanter, aber auch<br />

unberechenbarer, aber wenn er und Alexander<br />

Kristoff sich einig werden, welche Etappe wem<br />

liegt, sind sie ein formidabler Double Act.<br />

Wer wird die anderen Trikots gewinnen?<br />

Selbst ein Sagan, der so lala ist wie in diesem<br />

Jahr, sollte Grün gewinnen. Bernal wird das<br />

Weiße gewinnen und nicht weit vom Gelben<br />

entfernt sein. Alaphilippe genoss die Rolle des<br />

Bergkönigs 2018 – warum nicht noch mal?<br />

Was hältst du von der Route?<br />

Die Etappen nach La Planche des Belles Filles<br />

und Saint-Étienne sehen schwer aus. Die großen<br />

Bergetappen werden das Gesamtklassement<br />

zementieren. Sie sind für die starken Teams<br />

gemacht, kommen am Ende des Rennens und<br />

begünstigen eher eine defensive Fahrweise als<br />

frühe Angriffe, obwohl ich mich gerne eines<br />

Besseren belehren lassen würde.<br />

Was wird das taktische Narrativ sein?<br />

Die Stärke in der Tiefe bei Ineos wird der zentrale,<br />

unvermeidbare Fakt sein. Sie haben drei der<br />

besten fünf oder sechs Rundfahrer der Welt.<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 35


© Chris Auld<br />

36 PROCYCLING | JULI 2019


L E TO U R<br />

20<br />

19<br />

RENNVORSCHAU<br />

pitänsrolle und ohne<br />

dass Froome in den Bergen<br />

zurückgepfiffen<br />

worden wäre. 2016 hatte<br />

es nur den Sieger<br />

Froome in den Top Ten,<br />

aber drei weitere Fahrer<br />

in den Top 20. 2017<br />

erreichte es seine drei<br />

besten Positionen Erster,<br />

Vierter und 14.;<br />

letztes Jahr wurde es<br />

Erster, Dritter und 15.<br />

Aber wenn Bernal sein<br />

Potenzial entfaltet, können<br />

drei Mann die Top Ten oder sogar die Top<br />

Five anstreben. La Vie Claire hält den modernen<br />

Rekord für die Bevölkerung der Top Ten – Erster,<br />

Zweiter, Vierter und Siebter 1986. Das schafft<br />

Ineos vielleicht nicht ganz, aber annähernd.<br />

Dies ist das Hindernis, das mehr als alle Zweitausender<br />

zwischen den anderen Anwärtern und<br />

dem Gelben Trikot steht. Es könnte acht 2.000-<br />

Meter-Anstiege oder sechs geben, aber Ineos wäre<br />

immer noch die größere Herausforderung. Doch<br />

es gibt einen Hoffnungsschimmer. Bei sechs<br />

Toursiegen hatte Ineos den stärksten Fahrer und<br />

ES KÖNNTE<br />

ACHT 2.000-METER-<br />

ANSTIEGE ODER<br />

SECHS GEBEN, ABER<br />

INEOS WÄRE IMMER<br />

NOCH DIE GRÖSSERE<br />

HERAUSFORDERUNG.<br />

Bernal musste den Giro verletzt auslassen und ist<br />

nun bei der Tour einer der Top-Ten-Fahrer von Ineos.<br />

Dumoulin musste früh aus dem Giro aussteigen,<br />

was sich als Segen für die Tour herausstellen könnte.<br />

war das stärkste Team – was<br />

wäre, wenn es nicht mehr den<br />

stärksten Fahrer hätte?<br />

Die letzten Jahre<br />

hindurch waren die<br />

Tour-Organisatoren<br />

besessen von Innovationen.<br />

Manchmal, wie bei dem Staffelstart<br />

in Luchon, war die<br />

Trennlinie zwischen Innovation<br />

und Gimmick unsichtbar.<br />

Die kürzeren/intensiveren<br />

Bergetappen hatten ihren Reiz<br />

und die Pavé-Passagen kamen<br />

gut an bei den Fans, wenn auch nicht bei den<br />

Fahrern, hatten aber, abgesehen von 2014, nicht<br />

so viel Einfluss auf das Rennen wie erhofft. Die<br />

Innovation 2019 ist, dass es wirklich keine Innovation<br />

gibt. Die wiederholten Abstecher in die<br />

Radsport-Todeszone der 2.000-Meter-plus-Anstiege<br />

ist ein Motiv, aber obwohl es ein gebirgigeres<br />

Rennen als bei einigen Frankreich-Rundfahrten<br />

in letzter Zeit ist, ist es nichts im Vergleich zu<br />

den epischen Großen Schleifen von anno dazumal<br />

vor der Erfindung des Fernsehers.<br />

Frankreich gibt der Tour ihren Puls und ihren<br />

Rhythmus, die Form des Landes und seine Topografie<br />

bestimmen die Entwicklung des Rennens.<br />

Mit dem Start in Belgien und der diagonal gezogenen<br />

Linie bis zu den Pyrenäen, dann zurück zu<br />

den Alpen, gliedert sich die Tour 2019 auf natürliche<br />

Weise in vier Phasen: eine flache Eröffnung,<br />

dann ein sehr hügeliges mittleres Stück mit<br />

EXPERTENMEINUNG<br />

SAM DANSIE<br />

Stellv. Chefredakteur <strong>Procycling</strong><br />

Wen siehst du auf dem Podium?<br />

Chris Froome, Tom Dumoulin und Egan Bernal.<br />

Ineos’ Stärke in der Tiefe ist jetzt schon fast<br />

peinlich, und ich glaube, sie werden die interne<br />

Konkurrenz im Griff haben, eben weil es so klar<br />

ist, dass sie eine Stolperfalle ist.<br />

Wer kommt sonst noch in die Top Ten?<br />

Jakob Fuglsang, Adam Yates und Nairo Quintana<br />

werden aus verschiedenen Gründen starke He -<br />

r ausforderer sein. Ich glaube, wer aus dem Giro<br />

kommt, wird zu kämpfen haben – schlechtes<br />

Wetter im Mai, eine kurze Regenerationszeit und<br />

die brutale Route sprechen gegen diese Fahrer.<br />

Wer wird die Überraschung sein?<br />

Ich bin gespannt, wie EF Education First sich bei<br />

der Tour macht, denn ich glaube, Dani Martínez ist<br />

auf einem so gebirgigen Kurs in seinem Element.<br />

Welcher Sprinter wird dominieren?<br />

Der beste der Welt, Dylan Groenewegen, wird<br />

Fernando Gaviria auf den Sprintetappen vor<br />

den Bergen bezwingen. Danach werden, wie im<br />

letzten Jahr, langlebigere Männer wie Peter<br />

Sagan und Alexander Kristoff den Ton angeben.<br />

Wer wird die anderen Trikots gewinnen?<br />

Sagan war in dieser Saison nicht so unersättlich<br />

wie sonst, aber ist glaube, es ist für ein siebtes<br />

Grünes Trikot gut. Das Weiße Trikot geht ganz<br />

klar an Egan Bernal. Das Gepunktete Trikot? Ein<br />

Drittel des Feldes kommt dafür infrage, deswegen<br />

sehe ich von einem Tipp ab.<br />

Was hältst du von der Route?<br />

Es ist eine, die der kollektiven Stärke von Ineos<br />

in die Karten spielt, was mich überrascht, wo<br />

die A.S.O. sie doch aus dem Konzept zu bringen<br />

versucht. Mâcon nach Saint-Etienne – sieben<br />

kategorisierte Anstiege, aber keiner höher als<br />

850 Meter – ist sinnbildlich für die Art von Etappe,<br />

die das britische Team aus dem Tritt bringt.<br />

Was wird das taktische Narrativ sein?<br />

Vieles hängt von der Etappe nach Planche des<br />

Belles Filles ab. Es ist eine schwere Etappe, die in<br />

diesem Jahr zum Schlussanstieg führt, sodass es<br />

kein solcher Rampentest ist wie vor zwei Jahren,<br />

aber es ist trotzdem sehr wichtig. Die Vorgehensweise<br />

von Ineos in der Vergangenheit war, die<br />

Rivalen früh zu zerstören, und wenn sie das hier<br />

machen, werden sie den Rest der Route mögen,<br />

der ihnen weitgehend entgegenkommt.<br />

© Kramon<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 37


EXPERTENMEINUNG<br />

SOPHIE HURCOM<br />

<strong>Procycling</strong>-Autorin<br />

Wen siehst du auf dem Podium?<br />

2018 in umgekehrter Reihenfolge. Froome wird<br />

unbedingt einen fünften Sieg wollen, und seine<br />

ruhige und rücksichtslose Art wird ihm einen Vorteil<br />

gegenüber Thomas geben. Tom Dumoulins<br />

umorganisierter Mai, nachdem er den Giro<br />

sturzbedingt verlassen hat, wird ein Segen für<br />

ihn sein, aber er wird wieder Zweiter werden.<br />

Wer kommt sonst noch in die Top Ten?<br />

Superdomestik Egan Bernal, der beständige<br />

Steven Kruijswijk, ein erfrischter Thibaut Pinot<br />

und Nairo Quintana, der kaum eine Route finden<br />

wird, die ihm besser liegt als die diesjährige.<br />

Wer wird die Überraschung sein?<br />

Enric Mas hatte ein anständiges Jahr 2019, obwohl<br />

er kaum Rennen gefahren ist. Er war in den Top<br />

Ten der Algarve- und der Katalonien-Rundfahrt<br />

und Elfter der Baskenland-Rundfahrt. Das Hochgebirge<br />

wird ihm liegen, und obwohl er bei Quick-<br />

Step wenige Berghelfer hat, hat ihn das nicht davon<br />

abgehalten, 2018 Zweiter der Vuelta zu werden.<br />

Welcher Sprinter wird dominieren?<br />

Groenewegen könnte in der Eröffnungswoche<br />

formidabel sein. Er hat in diesem Jahr viele der<br />

großen WorldTour-Rennen ausgelassen und ist<br />

daher nicht so oft auf seine Rivalen getroffen,<br />

aber er sieht stärker und schneller aus. Außerdem<br />

hatte er die kontinuierliche Vorbereitung,<br />

die seinen Rivalen Gaviria und Ewan fehlt.<br />

GRAND-TOUR-FORM<br />

2015 2016 2017 2018<br />

GIRO TOUR VUELTA GIRO TOUR VUELTA GIRO TOUR VUELTA GIRO TOUR VUELTA<br />

1 DNF<br />

1 2 1 1 1 3<br />

Wer wird die anderen Trikots gewinnen?<br />

Ein siebtes Grünes Trikot für Sagan – Rekord –,<br />

denn versucht heute überhaupt noch jemand, es<br />

ihm streitig zu machen? Ein weiteres Bergtrikot<br />

für Alaphilippe – kann ihn in diesem Jahr irgendjemand<br />

stoppen? Das Weiße Trikot geht an<br />

Bernal, weil er auch die Tour gewinnen könnte.<br />

CHRIS<br />

FROOME<br />

GERAINT<br />

THOMAS<br />

15<br />

69<br />

15<br />

DNF<br />

DNF<br />

1<br />

© Kramon (groß), Getty Images (Quintana, Bardet)<br />

Was hältst du von der Route?<br />

Es konzentriert sich alles auf die Alpen in der letzten<br />

Woche. Hoffentlich steigert es sich allmählich<br />

zu einer Flut von Angriffen, statt dass das Rennen<br />

so schwer wird, dass es in einer Pattsituation endet.<br />

Was wird das taktische Narrativ sein?<br />

Wie im letzten Jahr wird es um den Ineos-internen<br />

Kampf um die Kapitänsrolle gehen und darum,<br />

an welchem Punkt die Straße entscheidet, wer der<br />

Boss ist. La Planche des Belles Filles wird uns einen<br />

frühen Hinweis geben, aber nicht viele Teams wollen<br />

da schon die Bürde des Gelben Trikots tragen.<br />

TOM<br />

DUMOULIN<br />

NAIRO<br />

QUINTANA<br />

ROMAIN<br />

BARDET<br />

DNF<br />

2<br />

9<br />

6<br />

4<br />

DNF<br />

DNF<br />

3<br />

2<br />

1<br />

1<br />

2<br />

12<br />

3<br />

17<br />

2<br />

2<br />

10<br />

6<br />

8<br />

38 PROCYCLING | JULI 2019


L E TO U R<br />

20<br />

19<br />

RENNVORSCHAU<br />

schweren Etappen in den Vogesen und dem Zentralmassiv.<br />

Die Pyrenäen sind weniger brutal als<br />

in den letzten Jahren, werden unterbrochen von<br />

einem Zeitfahren und eingerahmt von zwei Sprintetappen.<br />

Die Alpen sind unsäglich.<br />

Tom Boonen sagte einmal, die Flandern-Rundfahrt<br />

sei ein Rennen, das die Fahrer in die Offensive<br />

zwinge – die Hügel und schmalen Straßen<br />

animieren die Fahrer dazu, das Rennen zu verschärfen<br />

und Risiken einzugehen. Die Route der<br />

Tour 2019 hat einige ähnliche Verlockungen – die<br />

Etappen nach La Planche des Belles Filles in den<br />

Vogesen und Saint-Étienne im Zentralmassiv sind<br />

schwer und weisen mehrere Anstiege auf. Und<br />

diese Etappen kommen nicht alleine. La Planche<br />

des Belles Filles geht ein Aufwärmtag nach Col-<br />

Nach seinem sechsten Platz im letzten<br />

Jahr konzentriert sich Bardet wieder ganz<br />

auf die Tour de France.<br />

mar in den Vogesen voraus, während sich an die<br />

Etappe nach Saint-Étienne ein weiterer Tag über<br />

das Hochplateau des südlichen Zentralmassivs<br />

nach Brioude anschließt. Das sind vier Mittelgebirgsetappen<br />

vor dem ersten Ruhetag.<br />

Bei den Frankreich-Rundfahrten 2012 und<br />

2014 setzte der spätere Sieger auf der Etappe<br />

nach La Planche des Belles Filles den entscheidenden<br />

Treffer, aber jeder Fahrer, der das in diesem<br />

Jahr tun möchte, zwingt sein Team zu einer<br />

Woche harter Arbeit, um das Gelbe Trikot im Zentralmassiv<br />

und den Pyrenäen zu verteidigen. Der<br />

Tourmalet, der die erste echte Bergetappe der Tour<br />

ist, kommt ganze neun Tage nach La Planche des<br />

Belles Filles, und die erste von drei sehr schweren<br />

Alpenetappen kommt 14 Tage danach. In zwei<br />

Wochen kann sich viel Müdigkeit ansammeln.<br />

Die Frage ist: Wie wird Ineos mit dem Terrain<br />

umgehen? Und: Wie werden die anderen Teams<br />

mit Ineos umgehen. Und: Wie werden sie die<br />

Route zu ihrem Vorteil nutzen? Die Erfahrung des<br />

letzten Jahrzehnts legt nahe, dass Ineos sich damit<br />

begnügen wird, defensiv durch Frankreich zu<br />

fahren, solange es eben dauert, und sie haben die<br />

Ressourcen dazu. Es ist vorstellbar, dass Ineos zu<br />

den drei besten Teams im Mannschaftszeitfahren<br />

gehört, mit einem Fahrer in La Planche des Belles<br />

Filles ins Gelbe Trikot fährt und es bis Paris verteidigt.<br />

Wenn dieser eine Fahrer floppt, hat das<br />

Team noch mindestens zwei in Reserve, die für<br />

ihn einspringen können.<br />

Aber es stimmt auch, dass Tom Dumoulin<br />

2018 sowohl beim Giro als auch bei der Tour<br />

stärker war als Chris Froome und bei der Tour<br />

nahe an Geraint Thomas war. Ein weiteres Jahr<br />

Verbesserung plus die Tatsache, dass er in diesem<br />

Jahr früh aus dem Giro aussteigen musste<br />

und frisch in die Tour gehen wird, und Dumoulin<br />

könnte sich als stärkster Fahrer der Tour erweisen.<br />

Mit Sunweb hat Dumoulin nicht das Team,<br />

um die Tour so zu kontrollieren wie Ineos, aber<br />

er könnte die Kontrolle dem britischen Team<br />

Perfekte Kontrolle<br />

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19<br />

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DASS INEOS MIT<br />

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PLANCHE DES BELLES<br />

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TRIKOT FÄHRT UND ES<br />

BIS PARIS VERTEIDIGT.<br />

überlassen und auf das Zeitfahren der 13. Etappe<br />

setzen, wo er der Favorit sein sollte. Und es<br />

besteht die Möglichkeit, dass die Tour 2019 genau<br />

auf den idealen Punkt zwischen dem Niedergang<br />

von Froome und Thomas, die beide auf<br />

Mitte 30 zugehen, und dem Aufstieg von Bernal<br />

fällt, was das Rennen öffnen könnte – nicht nur<br />

für Dumoulin, sondern auch für ein paar andere<br />

Fahrer, die ihren Zenit erreichen, wie Romain<br />

Bardet oder ein verjüngter Nairo Quintana.<br />

Wenn das passiert, wird Ineos versuchen müssen,<br />

taktisch zu gewinnen statt mit Willenskraft;<br />

wie Froome beim Giro 2018 gezeigt hat,<br />

hat es die Kapazitäten dazu.<br />

Als die Alpen um 1800 kartografiert wurden,<br />

wunderten sich die Zeichner über Berichte von<br />

einem 4.000 Meter hohen Gipfel im Vanoise-<br />

Massiv namens Mont Iseran. Er war auf früheren<br />

Landkarten aufgetaucht und von Landvermessern,<br />

die für den König von Sardinien arbeiteten,<br />

und Reisenden, die in der Region waren, erwähnt<br />

worden. Britische Kletterer, die in den 1860ern<br />

da waren, konnten keine Spur von ihm finden,<br />

und französische Militärgeometer bestätigten<br />

schließlich, dass es keinen solchen Berg gab. Der<br />

Mont Iseran stellte sich als Mythos heraus. Wenn<br />

die Tour 2019 den Col de l’Iseran erreicht, wo der<br />

Mont Iseran angeblich war, werden wir wissen, ob<br />

all die Ambitionen und Pläne, Ineos zu schlagen,<br />

ebenso illusorisch waren.<br />

Die Hochgebirgsankünfte könnten<br />

sich für einen reinen Kletterer wie<br />

Quintana als vorteilhaft erweisen.<br />

40 PROCYCLING | JULI 2019


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19<br />

DIE FAVORITEN<br />

GERAINT THOMAS<br />

TITELVERTEIDIGUNG<br />

Der Brite hat nach seinem Toursieg 2018 ordentlich gefeiert, denkt aber,<br />

dass er nach dem Erfolg weiß, welches Niveau er erreichen muss, um seinen Titel<br />

zu verteidigen. Die Diskussion um eine interne Konkurrenz durch<br />

Chris Froome ist nach dessen schwerem Sturz derweil vom Tisch.<br />

Interview Sam Dansie<br />

42 PROCYCLING | JULI 2019


DIE FAVORITEN<br />

GERAINT THOMAS<br />

© Joseph Branston<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 43


L E TO U R<br />

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19<br />

DIE FAVORITEN<br />

GERAINT THOMAS<br />

Hast du dich seit deinem Toursieg als<br />

Fahrer verändert? Vielleicht mehr<br />

Selbstbewusstsein entwickelt?<br />

Eigentlich nicht. Ich bin ein bisschen selbstbewusster<br />

und weiß, was ich tun muss, um dieses<br />

Niveau zu erreichen. Ich kann die anderen Jungs<br />

und ihre Form nicht beeinflussen, aber es hat mir<br />

sicher Auftrieb gegeben. Und die Moral ist nach<br />

diesem Erfolg einfach hoch.<br />

Ich spüre keinen zusätzlichen Druck – eher<br />

sogar weniger, denn ich habe erreicht, was ich erreichen<br />

wollte, und jetzt ist alles Weitere ein Bonus.<br />

Das heißt nicht, dass ich weniger motiviert<br />

bin, aber ich habe einfach nicht das Gefühl, unter<br />

mehr Druck zu stehen. Ich genieße es, zu trainieren<br />

und Rennen zu fahren und wieder auf dieses<br />

Gewicht runterzukommen. Ich weiß, welche Zahlen<br />

ich ungefähr erreichen muss, um auf dieses<br />

Niveau zu kommen. Aber wer weiß, wie die Jungs<br />

in diesem Jahr unterwegs sind? Jedes Jahr ist anders,<br />

jedes Rennen ist anders.<br />

Es ist noch etwas Zeit bis zur Tour, aber wo<br />

bist du aktuell – verglichen mit letztem Jahr<br />

– formmäßig?<br />

Es ist ein bisschen anders. Mein Winter war ganz<br />

anders. Ich hatte viel mehr zu tun. Ich habe rund<br />

drei Wochen später angefangen, erst Ende Novem -<br />

ber. Ich glaube, ich habe etwas mehr gewogen we-<br />

gen all der Feierlichkeiten und der vielen Freizeit,<br />

die ich ausnutzen wollte. Vor allem in diesem<br />

Spiel, vor allem bei Sky, können wir ein bisschen<br />

blasiert sein. Nach dem Motto: „Gut gemacht, wir<br />

haben gewonnen“, aber das sollten wir auch, wir<br />

haben ja schon sechs gewonnen. Ich dachte:<br />

Verdammt, Mann, es ist die Tour! Das werde ich<br />

feiern! Es ist das Größte, was ich erreichen kann,<br />

das habe ich wirklich gemacht. Das heißt natürlich,<br />

dass ich jetzt etwas länger brauche, um zurückzukommen.<br />

Aber ich habe das Gefühl, dass<br />

ich eine anständige Power habe, sie ist gut. Ich<br />

wiege etwas zu viel, was hier nicht ideal ist, aber<br />

es wird eine gute, solide Woche, die ich brauche.<br />

Die Magenprobleme bei Tirreno waren nicht ideal,<br />

daher habe ich die zwei schweren Tage verpasst,<br />

aber es war ein solides Training.<br />

Wie ist dieses Jahr die Stimmung im Team?<br />

Wenn du siehst, was die jüngeren Fahrer leisten,<br />

motiviert es mich auf jeden Fall. Ich glaube, diese<br />

gesunde Konkurrenz in der Mannschaft ist gut<br />

und hat uns in der Vergangenheit so erfolgreich<br />

gemacht. Nicht nur zwischen mir und Froomey<br />

oder sonst wem, sondern im gesamten Team bis<br />

nach unten – Luke Rowe, Ian Stannard, Dylan<br />

van Baarle, Gianni Moscon und Christian Knees<br />

kämpfen alle um die Plätze. Ich glaube, das macht<br />

das Team so erfolgreich, denn jeder will zum<br />

Tour-Team gehören, und darum kämpfen wir die<br />

ganze Zeit.<br />

Nach dem Sturz von Chris wirst du ja ziemlich<br />

sicher die Kapitänsrolle für Ineos übernehmen.<br />

Machst du dir Gedanken darüber?<br />

Eigentlich nicht. Ich glaube, es ist wie jedes Jahr:<br />

Wenn du beim Rennen die Beine hast, wird es auf<br />

der Straße entschieden. Hoffentlich gewinnen<br />

wir. Alle meinten, dass der Sieg nur über Froomey<br />

und mich läuft, aber es gibt jede Menge andere<br />

gute Fahrer, die heiß auf den Sieg sind und unbedingt<br />

den ersten Sieg wollen. Wir haben definitiv<br />

eine Menge Arbeit vor uns, um wieder da oben<br />

hinzukommen.<br />

Gibt es neben den Klassementfahrern,<br />

die starke Zeitfahrer sind, irgendwelche<br />

Kletterer, die du fürchtest?<br />

Ich würde sagen, es gibt keinen, den ich fürchte.<br />

Wenn ich es mir dieses Jahr anschaue, so scheint<br />

Nairo Quintana ein kleines Comeback zu haben<br />

– er ist wieder da und wirklich gut drauf. Ich<br />

glaube, die Yates-Zwillinge – beide von ihnen –<br />

sind Supertalente und steigern sich. Und Primož<br />

Roglič, der immer besser wird …<br />

Was macht Roglič so gefährlich?<br />

Er hat spät mit dem Radsport angefangen und ist<br />

Froome, Thomas und<br />

Dumoulin letztes Jahr<br />

auf dem Podest in Paris.<br />

© Chris Auld<br />

44 PROCYCLING | JULI 2019


„LUKE ROWE, IAN STANNARD, DYLAN VAN BAARLE, GIANNI<br />

MOSCON UND CHRISTIAN KNEES KÄMPFEN ALLE UM DIE<br />

PLÄTZE. ICH GLAUBE, DAS MACHT DAS TEAM SO ERFOLG­<br />

REICH, DENN JEDER WILL ZUM TOUR-TEAM GEHÖREN.“<br />

ein bisschen wie ich. Mich hat der Bahnradsport<br />

zurückgehalten – na ja, nicht zurückgehalten,<br />

aber als ich mit dem Straßenradsport angefangen<br />

und mich ganz darauf konzentriert habe, fing ich<br />

an, Fortschritte zu machen. Und ich glaube, er ist<br />

ähnlich und steigert sich jedes Jahr. Und wie<br />

man sieht, ist er sehr gut unterwegs. Und er<br />

hat jetzt ein starkes Team um sich herum.<br />

Jumbo–Visma hat sich als Ganzes wirklich<br />

sehr gesteigert. Auch Astana – das Team ist<br />

stark in diesem Jahr. Wir sind jetzt seit einigen<br />

Jahren top, aber wir sind noch motiviert und<br />

halten uns weiter ran.<br />

Thomas bahnt sich auf dem Weg nach<br />

Alpe d’Huez seinen Weg durch die Fans.<br />

Haben andere Teams einen Minder wertigkeitskomplex,<br />

wenn es um Sky geht?<br />

Vielleicht. Ich glaube, wenn man bei den größten<br />

Rennen so erfolgreich war, hat man diese Aura.<br />

Du drückst ihnen deine Autorität auf: Du bekommst<br />

die Vorbereitung perfekt hin und das<br />

ganze Team ist auf den Punkt in Form und du<br />

kannst dich an die Spitze setzen, weil du die Beine<br />

hast. Und weil du immer da bist, akzeptierten<br />

es die Leute etwas mehr. Wir konnten das nur,<br />

weil wir die stärksten Fahrer im Rennen hatten.<br />

Und das stärkste Team?<br />

Ja, sicher, aber wenn wir nicht das stärkste Team<br />

hätten, wäre es ganz anders. Wir könnten nicht<br />

die Rennen so fahren wie gewohnt, deswegen<br />

läuft es immer auf deinen Kapitän hinaus und<br />

darauf, da die Stärke zu haben. Aber ich glaube,<br />

jedes Jahr ist anders. Die Tiefe ist jetzt massiv.<br />

Viele Fahrer sind gut unterwegs und generell versuchen<br />

sich viele Teams auf dieses Ziel vorzubereiten.<br />

Das treibt uns auch an.<br />

Wird Ineos daran etwas ändern<br />

oder wird es sein wie immer?<br />

Ich glaube, ja. Ineos hat natürlich eigene Vorstellungen,<br />

aber im Endeffekt hat Dave [Brailsford]<br />

die Autorität, den Laden am Laufen zu halten<br />

wie bisher. Ich glaube, die Hauptsache ist,<br />

die Philosophie des Teams beizubehalten, und<br />

ich finde es toll, dass es britisch ist. Ich habe<br />

mich einfach gefreut, dass es mit dem Team<br />

weitergeht, es war mir eigentlich egal, wer es ist.<br />

Die Tatsache, dass es britisch ist, heißt, dass<br />

die Mentalität dieselbe bleibt und es kontinuierlich<br />

ist, und von daher sehe ich keine großen<br />

Verän derungen.<br />

Hast du Jim Ratcliffe in Monaco getroffen,<br />

bevor der Vertrag unterschrieben war?<br />

Ich habe ihn gesehen, aber ich weiß nicht, wann<br />

das war. Wir haben eine kleine Fahrt mit ihm und<br />

seinen beiden Söhnen gemacht.<br />

War der Vertrag da schon angeleiert?<br />

Ich weiß es nicht. Es war vor oder nach Tirreno.<br />

Ich war bei den Verhandlungen nicht dabei. Ich<br />

© Chris Auld<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 45


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DIE FAVORITEN<br />

GERAINT THOMAS<br />

DIE HERAUS­<br />

FORDERUNG<br />

DES ZWEITEN<br />

TOURSIEGS<br />

Thomas als<br />

britischer Zeitfahrmeister<br />

mit<br />

dem Namen<br />

seines neuen<br />

Sponsors.<br />

Nach seinem ersten Sieg bei der<br />

105. Tour ist Thomas der 42. Fahrer,<br />

der einen einzigen Tour-Titel zu Buche<br />

stehen hat. Die 63 anderen Frankreich-<br />

Rundfahrten gingen an Fahrer, die<br />

zweimal oder öfter gewonnen haben.<br />

Das heißt, dass Thomas’ Chancen, seinen<br />

Sieg zu wiederholen, rein statistisch rund<br />

60:40 zu seinen Gunsten stehen. Und<br />

wenn er dieses Jahr nicht gewinnt, kann<br />

Thomas Mut daraus schöpfen, dass es<br />

historisch wahrscheinlicher ist, dass der<br />

zweite Sieg im Jahr nach der ersten<br />

Titelverteidigung kommt: Elf Fahrer<br />

gewannen die Tour und hatten in der<br />

Saison darauf zu kämpfen, gewannen<br />

jedoch in den folgenden Jahren wieder.<br />

Was erfolgreiche Siege in Serie angeht,<br />

so gab es acht Doppel-, zwei Dreifach-,<br />

zwei Vierfach-, einen Fünffach- und einen<br />

mittlerweile annullierten Siebenfach-<br />

Sieg. Die Geschichte spricht also dafür,<br />

dass Geraint Thomas einen weiteren<br />

Tour-Titel holt.<br />

105<br />

AUFLAGEN DER<br />

TOUR DE FRANCE<br />

© Fabrice Coffrini/Getty Images<br />

42<br />

Fahrer mit<br />

einem Toursieg<br />

63<br />

Auflagen mit<br />

Mehrfachsiegern<br />

weiß nicht, wie er zustande kam, aber wir waren<br />

eh auf einer Regenerationsfahrt und haben eine<br />

kleine Runde mit ihnen gedreht. Es sind echt interessante<br />

Jungs. Sie haben viele extreme Sachen<br />

gemacht wie zum Nord- oder Südpol zu gehen<br />

und all diese epischen Herausforderungen. Es waren<br />

interessante Typen. Es war auch sehr nett.<br />

Es war etwas anderes, als immer mit denselben<br />

Jungs in der Mannschaft zusammen zu sein und<br />

über dieselben Sachen zu reden.<br />

Etwas, was in dieser Saison so vor sich<br />

hin köchelt, ist die Operation Aderlass, der<br />

Blutdopingskandal in Österreich, der Fahrer<br />

wie Stefan Denifl und Georg Preidler betrifft.<br />

Tom Dumoulin hat gesagt, dass man<br />

in Sachen Antidoping vielleicht nachlässig<br />

geworden ist. Hat er recht?<br />

Ich glaube nicht, dass Antidoping weniger … Auf<br />

jeden Fall werde ich oft genug getestet. Ich glaube,<br />

wenn es jemand in unserem Team gewesen wäre,<br />

46 PROCYCLING | JULI 2019


L E TO U R<br />

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19<br />

DIE FAVORITEN<br />

GERAINT THOMAS<br />

wäre es eine ganz andere Geschichte und alle<br />

würden darüber reden. Jemand hat mir davon<br />

erzählt – ich glaube es war Wout Poels –, und nur<br />

weil er es mir sagte, dachte ich mir: Was ist da<br />

los? Ich schaute nach und dachte: Ach ja, der, und<br />

keiner weiß es wirklich. Ich glaube, darin liegt<br />

eine Diskrepanz. Vielleicht bei der UCI – öffentlich<br />

scheinen sie über die Länge von Übersocken<br />

zu sprechen oder was weiß ich, Zufallsregeln und<br />

diesen ganzen Kram, oder sie versuchen, über die<br />

Deckelung von Gehältern oder die Anzahl von<br />

Fahrern im Team zu reden. Aber unterhalb solcher<br />

Gesichtspunkte sollten sie vielleicht einfach<br />

ver suchen, weiter am Vorankommen des sauberen<br />

Radsports zu arbeiten.<br />

Aber wenn etwas wie die Operation Aderlass<br />

passiert, wo es um Blutdoping und einen<br />

Vuelta-Etappensieger geht, muss das natürlich<br />

angesprochen werden.<br />

Aber ich glaube nicht, dass das Aufgabe der Fahrer<br />

ist. Es ist Aufgabe der UCI und der Journalisten,<br />

herauszufinden, was los ist und warum. Ich<br />

werde das nicht im Internet lesen und selbst recherchieren.<br />

Vielleicht ist es gut, vielleicht ist es<br />

schlecht, aber ich lese kein Radsport-Zeugs, ich<br />

lese nur über Fußball und Rugby und bleibe in<br />

meiner eigenen Blase und bin in meiner eigenen<br />

kleinen Welt. Vielleicht ist das manchmal falsch.<br />

Aber als Tour-de-France-Sieger und wohl<br />

einer der am meisten interviewten Fahrer im<br />

Peloton: Glaubst du, dass dir so viele Fragen<br />

über diese Angelegenheit gestellt werden,<br />

wie der Fall verdient?<br />

Ich war angenehm überrascht, dass mir während<br />

der Tour und bei meinem Toursieg nicht so viele<br />

Fragen gestellt wurden, aber ich halte das auch<br />

nicht für schlecht, denn es gab andere Dinge, über<br />

die man reden konnte. Es war erfrischend. Ich bin<br />

nicht scharf darauf, dass alle sich immer an mich<br />

wenden, wenn es eine Dopinggeschichte gibt. Ich<br />

habe mich in der Vergangenheit ausreichend geäußert,<br />

damit die Leute wissen, wo ich stehe und<br />

was ich denke.<br />

Das Einzige, was mich ärgert, ist die Tatsache,<br />

dass man uns als Team argwöhnischer betrachtet<br />

als alle anderen. Dafür gibt es eine Reihe von<br />

Gründen und es ist halt so, aber wenn diese anderen<br />

Geschichten passieren, scheint es niemanden<br />

zu kümmern. Sie versuchen einfach, uns davon<br />

abzuhalten, die Tour zu gewinnen, indem sie uns<br />

auf sechs Fahrer reduzieren, oder sie reiten darauf<br />

herum, dass Ineos mit jeder Menge Geld einsteigt.<br />

Wen kümmert das? Es ist gut für den Sport, dass<br />

es einen guten Sponsor gibt und gutes Geld, das<br />

den Sport weiterentwickelt. Wir wollen doch, dass<br />

große Sponsoren einsteigen und den Sport voranbringen.<br />

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DIE FAVORITEN<br />

ADAM YATES<br />

DER KAMPF ZURÜCK<br />

Adam Yates gewann 2016 das Weiße Trikot der Tour<br />

und wurde als zukünftiger Sieger gehandelt. <strong>Procycling</strong> erzählt er,<br />

was ihn die harten Lektionen des letztjährigen Rennens gelehrt<br />

haben und wie stark er sich in dieser Saison fühlt.<br />

Interview Alasdair Fotheringham, Sophie Hurcom Fotografie Chris Auld<br />

Ich werde älter, aber alle anderen auch. Dabei<br />

habe ich noch nicht das Gefühl, dass<br />

ich die Spitze erreicht habe. Noch immer<br />

fühle ich mich frisch und jung; ich habe immer<br />

noch das gleiche Gefühl wie in meinen Anfangsjahren,<br />

wenn ich ehrlich bin. Immer weiter Erfahrungen<br />

sammeln und immer stärker werden. Wenn<br />

du hart arbeitest, ist das alles, was du tun kannst.<br />

Ich kann nicht sagen, dass irgendeine Rundfahrt<br />

mein Lieblingsrennen wäre, weil es so viel<br />

mehr Stress bedeutet. Ich fahre gerne Rennen,<br />

aber wenn es zu viel Stress gibt, geht der Spaß verloren.<br />

Bei kleineren Rennen kann man etwas mehr riskieren,<br />

man kann verschiedene Taktiken ausprobieren,<br />

sehen, was funktioniert und was nicht. Das<br />

ziehe ich irgendwie den größeren Rennen vor.<br />

Ich werde nicht sagen, dass ich dieses oder<br />

jenes von der diesjährigen Tour de France<br />

erwarte, da dieses Rennen zu unberechenbar<br />

ist. Letztes Jahr bin schon früh drei- oder<br />

viermal gestürzt, hatte weiteres Pech und dazu<br />

kleinere Probleme, machte einige kleine Fehler.<br />

Ich gehe lieber hin und gebe mein Bestes. Aber<br />

wenn ich in der Form bin, in der ich aktuell bin,<br />

oder hoffentlich ein wenig stärker, dann halte ich<br />

mit den gleichen Jungs mit wie das ganze Jahr<br />

über. Wenn ich etwas mehr Glück habe, dann<br />

kann ich vielleicht etwas Besonderes vollbringen.<br />

Es war letztes Jahr bei der Tour ein bisschen<br />

von allem – es war heiß, ich habe nicht genug<br />

getrunken. Das Training war gut. Zwei, drei Wochen<br />

zuvor war ich Zweiter bei der Dauphiné und<br />

gewann die letzte Etappe. Manchmal läuft es halt<br />

so. Ich habe bei der letzten Tour meine Lektion<br />

gelernt und konnte meine Erfahrungen mit den<br />

Jungs bei der Vuelta teilen, und wir haben dort<br />

große Veränderungen vorgenommen. Nicht nur<br />

bei mir, sondern auch mit den anderen Fahrern im<br />

Team, um die kleinen Details etwas genauer zu<br />

analysieren. Wenn du startest und dich gut fühlst<br />

und es hat nicht geklappt, denkst du: Was ist hier<br />

los? Aber ich wusste, dass nicht nur ich, sondern<br />

auch das Team bei diesen kleinen Dingen etwas<br />

gescheitert war. Wir haben Änderungen vorgenommen,<br />

und bereits in diesem Jahr wurden diese<br />

Neuerungen umgesetzt. Die kleinen Details machen<br />

einen großen Unterschied.<br />

Bei der Tour starten und auf den zehnten<br />

Platz abzielen, ist nicht das, was ich mir vornehme.<br />

Wenn ich mir etwas vornehme, dann ist<br />

es, ganz oben zu sein. Ob man es umsetzen kann,<br />

muss man abwarten, aber Platz sechs oder sieben<br />

anzustreben … Platz sechs oder sieben bei der<br />

Tour ist immer noch eine ziemlich große Leistung,<br />

aber man muss sich mehr vornehmen.<br />

Es war mein bisher bestes Frühjahr, und die<br />

Py renäenetappe bei der Vuelta zu gewinnen,<br />

war für mich sehr wichtig, ein Höhepunkt<br />

meiner Karriere. Ich habe in der Vergangenheit<br />

hügelige Etappen gewonnen, aber es war das erste<br />

Mal, dass ich eine richtige Bergetappe gewonnen<br />

habe, eine mit einem 40-minütigen Anstieg am<br />

Ende. Ich war schon oft mit den Favoriten fürs<br />

Klassement in den Anstiegen, aber sie zogen jedes<br />

Mal davon. Dieses Mal habe ich es verstanden.<br />

Dann sind da noch meine Teamkollegen.<br />

Die Jungs, von denen ich denke, dass sie höchstwahrscheinlich<br />

mit mir bei der Tour sein werden,<br />

sind in guter Form. Jedes Mal bei jedem Rennen,<br />

das wir bisher gefahren sind, sei es in Katalonien,<br />

im Baskenland oder in Tirreno, fuhren wir so, als<br />

ob wir den Sieg holen würden.<br />

Es ist fast so, als würden wir für die Tour<br />

üben. Du willst auch diese einwöchigen Rennen<br />

gewinnen, denn wenn du nicht auf der „kleinen“<br />

Bühne siegen kannst, was willst du dann von den<br />

großen Rennen erwarten?<br />

Dieses Jahr denke ich, dass das Profil besser<br />

für mich passt. Wir haben schon früh ein Zeitfahren.<br />

Hoffentlich schafft das ein paar Lücken zwischen<br />

den Klassementfahrern. Dann ist die 6. Etappe<br />

die erste Bergprüfung. Letztes Jahr hatten wir die<br />

Mûr-de-Bretagne als Bergankunft, aber es war nur<br />

ein zweiminütiger Anstieg. Wir hatten zehn oder elf<br />

Etappen, bevor etwas passierte. Es war lächerlich.<br />

Das Zeitfahren ist uneben, was mir etwas<br />

besser liegt. Ich denke, dass ich Schwierigkeiten<br />

habe, wenn es völlig flach ist. Es spielt keine Rolle,<br />

wie stark ich trete, die Energie, die ich produziere,<br />

ist die gleiche für die Anstiege, aber aus welchem<br />

Grund auch immer, es reicht nicht. Sobald es einen<br />

kleinen Hügel gibt, auch wenn es etwas technischer<br />

ist, gehe ich in der Tabelle nach oben. Dieses<br />

Jahr hatte ich zwei Top Ten bei Zeitfahren, nur weil<br />

sie eher hügelig als völlig flach waren wie die bei<br />

Tirreno, wo die einzigen Anstiege die Fahrbahnschwellen<br />

sind. Alle fragen mich, ob ich im Winter<br />

mehr Zeittraining gemacht habe, was stimmt, aber<br />

ich kann nicht einfach mehr Watt aus dem Nichts<br />

treten. Wenn ich bei einem Zeitfahren die gleiche<br />

Leistung erzeuge, die mir eine Bergetappe einbringen<br />

würde, verliere ich am Ende anderthalb Minuten.<br />

Attacken sind schwer zu fahren. Alle denken:<br />

Warum greifen sie nicht einfach an? Aber so einfach<br />

ist das nicht, man muss die Beine haben und<br />

man muss sich gut fühlen. Wenn man angreift<br />

und Zeit gewinnt, dann ist man der Stärkste im<br />

Rennen. Wenn du dieses Gefühl nicht hast, dann<br />

greifst du nicht an, denn wenn du attackierst,<br />

könntest du Zeit verlieren. Es ist alles ein Spiel.<br />

Vor allem hängt es von den nachfolgenden Etappen<br />

ab, der aktuellen Etappe und wie du dich<br />

fühlst, wenn du vorher einen harten Tag hattest.<br />

48 PROCYCLING | JULI 2019


JULI 2019 | PROCYCLING 49


L E TO U R<br />

20<br />

19<br />

DIE DEUTSCHEN<br />

FAVORITEN<br />

FÜR JEDES<br />

TERRAIN<br />

32 Etappensiege in acht Jahren – die deutschen Fahrer<br />

haben die Tour de France in jüngster Vergangenheit geprägt<br />

wie kaum eine andere Nation. Auch in dieser Saison stehen<br />

die Chancen auf schwarz-rot-goldene Etappensiege wieder gut.<br />

Und auf den ein oder anderen Tag im Gelben Trikot<br />

dürfen die deutschen Fans ebenfalls hoffen. Eine Vorstellung<br />

der aussichtsreichsten deutschen Tour-Starter.<br />

Text Werner Müller-Schell & Chris Hauke<br />

50 PROCYCLING | JULI 2019


© Bora-hansgrohe/Bettini Photo<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 51


L E TO U R<br />

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DIE DEUTSCHEN<br />

ANDRÉ GREIPEL<br />

36 JAHRE, TEAM ARKÉA-SAMSIC<br />

© Justin Setterfield/Getty Imgaes<br />

Die Abschlussetappe der Tour de France 2016<br />

wird André Greipel immer in Erinnerung behalten.<br />

Mit einem kraftvollen Antritt auf den letzten<br />

250 Metern holte sich der Rostocker damals den<br />

prestigeträchtigen Etappenerfolg auf der letzten<br />

Etappe auf der Champs-Élysées. Es war der goldene<br />

Abschluss einer für Greipel nicht einfachen<br />

Tour de France, bei der er lange nicht in Fahrt gekommen<br />

war. Zugleich war es sein elfter und bis<br />

dato letzter Tageserfolg in Frankreich. Eine beeindruckende<br />

Bilanz, die den „Gorilla“, wie der<br />

Rostocker wegen seiner muskulösen Oberschenkel<br />

genannt wird, nicht umsonst zu einem der erfolgreichsten<br />

Sprinter im Peloton macht. Davon<br />

zeugt auch seine weitere Erfolgsliste: Neben den<br />

elf Tagessiegen bei der Tour hat Greipel auch sieben<br />

Etappenerfolge beim Giro d’Italia und vier bei<br />

der Vuelta a España in seinem Palmarès stehen.<br />

Zwischen 2011 und 2016 gelang ihm sogar das<br />

Kunststück, bei sechs aufeinanderfolgenden Großen<br />

Schleifen mindestens ein Teilstück für sich<br />

zu entscheiden – eine Serie, die kein anderer diesjähriger<br />

Tour-Starter vorzuweisen hat.<br />

In den vergangenen beiden Jahren wurde es<br />

allerdings ruhiger um den Sprintspezialisten.<br />

Greipel, der während der Tour seinen 37. Geburtstag<br />

feiern wird, nähert sich dem Herbst seiner<br />

Karriere. Es kam für viele Beobachter daher<br />

überraschend, dass er sich im Winter noch einmal<br />

dazu entschied, sich eine neue Herausforderung<br />

zu suchen: Nach acht Jahren bei der belgischen<br />

Lotto-Equipe schloss er sich dem französischen<br />

Zweitdivisionär Arkéa-Samsic an. Ein Wechsel,<br />

der sich zumindest zu Saisonbeginn bezahlt zu<br />

machen schien: Beim exotischen Saisonauftakt<br />

La Tropicale Amissa Bongo Ondimba im afrikanischen<br />

Land Gabun gewann er die sechste Etappe<br />

– danach blieben die Erfolge allerdings aus. „Es<br />

stimmt: Das Frühjahr war alles andere als erfolgreich.<br />

Ich fühle mich in der neuen Mannschaft<br />

sehr wohl, wir brauchen allerdings noch etwas,<br />

um uns auf die Sprints einzustellen. Aber aufgeben<br />

ist für mich keine Option. Deshalb will ich in<br />

den kommenden Wochen positiv denken – auch<br />

im Hinblick auf die Tour. Und dort gibt es dann<br />

genug Chancen, um bei dem ein oder anderen<br />

Sprint dabei zu sein“, so Greipel, der sich über die<br />

Etappenrennen Vier Tage von Dünkirchen, Norwegen-Rundfahrt<br />

und Critérium du Dauphiné auf<br />

die Frankreich-Rundfahrt vorbereitet hat.<br />

Aufgrund des schwierigen Saisonstarts gilt er<br />

in diesem Jahr deshalb trotz seiner beeindruckenden<br />

Erfolge in der Vergangenheit nicht als absoluter<br />

Topfavorit auf einen Tageserfolg. Angesprochen<br />

auf seine Ziele, dämpft auch er selbst die<br />

Erwartungen: „Mit Sicherheit wäre es schön, wieder<br />

eine Etappe zu gewinnen. Im Moment gehe<br />

ich aber davon aus, dass es eher mehrere gute Tagesplatzierungen<br />

werden. Auch wenn ich es nicht<br />

mehr schaffen sollte zu gewinnen: Zu beweisen<br />

habe ich in jedem Fall niemandem mehr etwas“,<br />

sagt er. Damit gehört Greipel – zum ersten Mal<br />

seit seinem Tour-Debüt 2011 überhaupt – nicht<br />

zum erlesenen Kreis der Topfavoriten auf Sprintsiege.<br />

Eine Tatsache, die für ihn zum Vorteil werden<br />

könnte: Denn in den vergangenen Jahren hat<br />

Greipel immer wieder gezeigt, dass er als Fahrer<br />

mit offensivem Fahrstil auch aus Fluchtgruppen<br />

heraus gewinnen kann – eine Option, die für ihn<br />

bisher als absolutem Topfavoriten kaum möglich<br />

war. „Das ist durchaus eine Idee, die ich habe“,<br />

gibt er zu. Abschreiben sollte man den „Gorilla“<br />

in jedem Fall auch mit 37 Jahren noch nicht.<br />

Und wer weiß: Vielleicht schafft Greipel seinen<br />

nächsten Tour-Etappensieg ausgerechnet auf der<br />

Champs-Élysées – dem Ort, wo er seinen bis dato<br />

elften und letzten Etappensieg bei der Frankreich-<br />

Rundfahrt feiern konnte.<br />

André Greipel tritt seit dieser Saison für die französische<br />

Mannschaft Arkéa-Samsic in die Pedale.<br />

Noch konnte er allerdings nicht an die Erfolge aus<br />

den Vorjahren anknüpfen.<br />

PROGNOSE<br />

Greipel und sein französisches Team<br />

befinden sich noch in der Findungsphase.<br />

Sollte der Sprintzug allerdings in Fahrt<br />

kommen, kann der „Gorilla“ noch einmal<br />

zuschlagen – vielleicht sogar auf der<br />

Schlussetappe in Paris.<br />

DEUTSCHE<br />

ETAPPENSIEGE<br />

BEI DER TOUR<br />

2013–2018<br />

2018 1 (Degenkolb)<br />

2017 5 (Kittel)<br />

2016 2 (Kittel / Greipel)<br />

2015 6 (Greipel 4 / Martin 1 / Geschke 1)<br />

2014 7 (Kittel 4 / Martin 2 / Greipel 1)<br />

2013 6 (Kittel 4 / Martin 1 / Greipel 1)<br />

2012 3 (Greipel)<br />

2011 2 (Greipel 1 / Martin 1)<br />

52 PROCYCLING | JULI 2019


L E TO U R<br />

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19<br />

DIE DEUTSCHEN<br />

TONY MARTIN<br />

34 JAHRE, TEAM JUMBO–VISMA<br />

Seit einem halben Jahr steht der siebenfache<br />

Zeitfahrweltmeister in den Diensten der<br />

niederländischen Equipe Jumbo–Visma und<br />

unterstützt dort Kapitäne wie Steven Kruijswijk<br />

oder Dylan Groenewegen. Die Rolle als<br />

Edelhelfer scheint ihm zu gefallen – er wird<br />

sie auch bei der Tour ausfüllen.<br />

Tony, wie hast du dich bei Jumbo–Visma<br />

eingelebt?<br />

Sehr gut. Alles, was ich mir von meiner neuen<br />

Mannschaft erhofft und gewünscht habe, ist eingetreten<br />

– teilweise sogar über meine Erwartungen<br />

hinaus. Und das sportlich wie menschlich.<br />

Wie sieht es mit eigenen Ambitionen aus?<br />

Nebenbei versuche ich natürlich, mich in den Einzelzeitfahren<br />

weiterzuentwickeln. Die Ergebnisse<br />

sind erst mal okay, ich kann mich wieder im vorderen<br />

Feld behaupten, aber ich denke, das ist noch<br />

nicht das Ende der Fahnenstange. Ich habe einen<br />

neuen Teamtrainer, mit dem wir schon sehr erfolgreich<br />

arbeiten, aber der Prozess ist sicherlich<br />

noch nicht abgeschlossen.<br />

Ein Wort zu Dylan Groenewegen, der bislang<br />

auch schon acht Einzelsiege in dieser Saison<br />

feiern konnte. Du bist in deiner Karriere mit<br />

einigen guten Sprintern gefahren – was ist<br />

an ihm besonders?<br />

Ich glaube, er ist der ruhigste Sprinter, mit dem ich<br />

je gearbeitet habe. Dylan ist total entspannt, stellt<br />

wenig Forderungen und verlässt sich voll und ganz<br />

auf seine Jungs. Trotzdem ist er ein sehr dankbarer<br />

Kapitän – und natürlich ein extrem starker.<br />

Das ist richtig. An persönlichen Zielen steht vor<br />

allem das Mannschaftszeitfahren ganz oben auf<br />

meiner Liste. Dort werden wir sicherlich mit einem<br />

sehr starken Team am Start stehen und vielleicht<br />

sogar um den Etappensieg mitfahren. Es<br />

geht auch darum, den GC-Fahrern eine bestmögliche<br />

Ausgangsposition zu verschaffen. Ansonsten<br />

habe ich natürlich das Einzelzeitfahren im<br />

Auge [13. Etappe in Pau, 27,2 Kilometer]. Das<br />

soll vom Profil her gar nicht so schlecht sein, was<br />

meinen Fahrertyp angeht. Aber wenn ich mich bis<br />

dato schon für die Sprinter und die Bergfahrer<br />

zerreißen musste, dann weiß ich nicht, wie viel<br />

Power zu dem Zeitpunkt noch da sein wird. Ich<br />

lasse das komplett auf mich zukommen. In erster<br />

Linie bin ich absolut motiviert, für Dylan und die<br />

anderen zu arbeiten.<br />

Vor der Tour stehen aber noch die Deutschen<br />

Meisterschaften an, wo du deinen Titel im<br />

Einzelzeitfahren verteidigen willst.<br />

Natürlich. Sicherlich wird die Konkurrenz von Jahr<br />

zu Jahr stärker – mit Maximilian Schachmann,<br />

Nils Politt oder Jasha Sütterlin. Es ist nicht mehr<br />

so wie vor ein paar Jahren, wo ich sagen konnte:<br />

Werden es heute ein oder zwei Minuten Vorsprung?<br />

Aber das ist gut, da stehe ich mit einem ganz anderen<br />

Kampfgeist am Start. Und mit der richtigen<br />

Motivation macht es auch ein bisschen mehr Spaß.<br />

PROGNOSE<br />

Im Gegensatz zu den Vorjahren gilt Martin<br />

nicht mehr als sicherer Tipp auf einen<br />

Tageserfolg. Die größten Chancen auf ein<br />

Podium dürfte er beim Teamzeitfahren am<br />

zweiten Tag mit seiner Mannschaft oder<br />

aus einer Fluchtgruppe heraus besitzen.<br />

Bei der Tour wollt ihr mit Dylan im Sprint<br />

erfolgreich sein und dazu in der Gesamtwertung<br />

angreifen. Kein leichtes Unterfangen.<br />

Das ist natürlich eine Herausforderung, bietet<br />

aber auch gewisse Chancen. Man kann jetzt nicht<br />

mehr nur in den Sprintetappen auf Ergebnis fahren,<br />

sondern auch in den Bergen. Aber klar: Wenn<br />

wir mit acht Mann zwei große Ziele verfolgen,<br />

müssen wir uns schon ein bisschen zerteilen und<br />

teilweise vielleicht auch auf andere Mannschaften<br />

vertrauen. Aber das hat ja letztes Jahr schon sehr<br />

gut geklappt. Ich hoffe, dass ich die nötige Pferdestärke<br />

ins Team bringe und es zweigleisig unterstützen<br />

kann. Für mich wird es ein Novum<br />

sein. Es ist das erste Mal, dass ich mit einem<br />

Team am Start stehe, das ums Podium mitfährt.<br />

Somit wird für eigene Erfolge wenig übrigbleiben<br />

…<br />

Tony Martin wird bei<br />

seiner Mannschaft<br />

Jumbo–Visma vor allem<br />

als Helfer agieren.<br />

© Tim De Waele/Getty Imgaes<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 53


© Bora–hansgrohe/BettiniPhoto<br />

EMANUEL<br />

BUCHMANN<br />

26 JAHRE, BORA–HANSGROHE<br />

Wenn es im Tour-Peloton 2019 einen deutschen<br />

Fahrer gibt, der als heißer Kandidat für eine<br />

Topplatzierung in der Gesamtwertung gehandelt<br />

wird, ist es Emanuel Buchmann. Seit Jahren wird<br />

der Allgäuer von seinem Team Bora–hansgrohe<br />

behutsam an diese Aufgabe herangeführt. Buchmanns<br />

Voraussetzungen sind bestens: Mit einem<br />

Körpergewicht von gerade einmal 62 Kilogramm<br />

bei einer Körpergröße von 181 Zentimetern ist<br />

er ein ausgewiesener Kletterspezialist. Etwas, das<br />

sich auch an seinen Ergebnissen zeigt: Obwohl<br />

erst 26 Jahre jung, hat er bereits fünf große Landesrundfahrten<br />

bestritten: dreimal die Tour de<br />

France und zweimal die Vuelta a España. Bei beiden<br />

Rennen bewies er als 15. (Frankreich-Rundfahrt<br />

2017) und Zwölfter in der Endabrechnung<br />

(Spanien-Rundfahrt 2018), dass er das Potenzial<br />

zu mehr hat.<br />

In diesem Jahr heißt das Ziel nun, es unter die<br />

besten Zehn in Paris zu schaffen. Dass dies realistisch<br />

ist, zeigen Buchmanns bisherige Resultate:<br />

Bereits sein erstes Saisonrennen, das Trofeo<br />

Andratx-Lloseta auf Mallorca, konnte er nach einer<br />

Attacke am Berg als Solist gewinnen. In ähnlicher<br />

Art und Weise holte er sich auch einen Tageserfolg<br />

bei der Baskenland-Rundfahrt. „Bis jetzt<br />

bin ich sehr zufrieden, ich habe mich über den<br />

Winter noch mal gesteigert und bin auch alle<br />

Rennen sehr gut gefahren – vor allem die Baskenland-Rundfahrt<br />

war mit dem Sieg auf der Königsetappe<br />

super“, sagt er und fügt selbstbewusst an:<br />

„Die Tour werde ich als Kapitän für die Gesamtwertung<br />

bestreiten und das Ziel sind die Top Ten.“<br />

PROGNOSE<br />

Nach mehreren Lehrjahren schafft<br />

Buchmann den erhofften Durchbruch.<br />

Wenn er ohne Krankheit oder Verletzung<br />

durchkommt, sind die Top Ten<br />

mehr als realistisch. Sogar ein Platz<br />

unter den besten Sieben ist dem<br />

Bora-Kapitän zuzutrauen.<br />

54 PROCYCLING | JULI 2019


L E TO U R<br />

20<br />

19<br />

DIE DEUTSCHEN<br />

MAXIMILIAN<br />

SCHACHMANN<br />

25 JAHRE, BORA–HANSGROHE<br />

Maximilian Schachmann ist gemeinsam mit Nils<br />

Politt die große Überraschung der Saison 2019.<br />

Nachdem der Profi aus den Reihen von Bora–<br />

hansgrohe bereits im vergangenen Jahr mit einem<br />

Etappensieg beim Giro d’Italia sein Talent aufblitzen<br />

hatte lassen, schaffte der 25-jährige Berliner<br />

in diesem Jahr endgültig den Sprung in die absolute<br />

Weltspitze. Bis Redaktionsschluss konnte<br />

Schachmann, der sich vor allem im hügeligen Gelände,<br />

bei Sprintankünften kleinerer Gruppen und<br />

bei Zeitfahren wohlfühlt, stolze fünf Saisonsiege<br />

verbuchen. Vor allem bei der Baskenland-Rundfahrt<br />

beeindruckte er, als er drei Tageserfolge<br />

holte und mehrere Tage das Gelbe Trikot des Führenden<br />

trug. Stark war auch sein Auftritt bei den<br />

folgenden Ardennenklassikern Ende April, als er<br />

jeweils Fünfter des Amstel Gold Race und des<br />

Flèche Wallonne und Dritter bei Lüttich–Bastogne–Lüttich<br />

wurde. Hinzu kam ein zehnter Platz<br />

bei der Kalifornien-Rundfahrt im Mai.<br />

Die Belohnung für die guten Ergebnisse: Im Juli<br />

darf der Radsportler des Jahres 2018 nun auch<br />

sein Tour-de-France-Debüt geben. Aufgrund seiner<br />

starken Resultate im Vorfeld kann zudem erwartet<br />

werden, dass er von seiner Mannschaft<br />

um Teammanager Ralph Denk einige Freiheiten<br />

bekommen wird. Schachmann selbst zeigt sich<br />

jedenfalls hoch motiviert, was seinen Start in<br />

Frankreich angeht: „Die Tour ist auf jeden Fall ein<br />

großes Ziel von mir. Vor allem geht es natürlich<br />

darum, dem Team zu helfen. Aber wir werden<br />

sehen: Vielleicht erwische ich ja eine Gruppe, die<br />

gut läuft – und erhalte dann meine Chance.“<br />

PROGNOSE<br />

Vieles wird bei Schachmann davon<br />

abhängen, wie viel Arbeit er für seinen<br />

Kapitän Emanuel Buchmann verrichten<br />

muss. Ein Etappensieg ist ihm in der Form<br />

des Frühjahrs vor allem aus Ausreißergruppen<br />

heraus zuzutrauen.<br />

EINE TOUR<br />

OHNE JOHN<br />

DEGENKOLB?<br />

Mit großer Wahrscheinlichkeit nicht bei<br />

der Tour de France am Start stehen wird<br />

John Degenkolb. Überraschenderweise<br />

fehlt der einzige deutsche Etappensieger<br />

der letztjährigen Tour de France im<br />

Aufgebot seiner Mannschaft Trek-Segafredo.<br />

Ein offizielles Statement gab es<br />

dazu bis Redaktionsschluss leider weder<br />

von Degenkolb noch von seinem Team.<br />

Verschiedenen Gerüchten zufolge wird<br />

vermutet, dass sich Trek-Segafredo<br />

komplett auf die Gesamtklassement-Ambitionen<br />

des Australiers Richie Porte<br />

konzentrieren will. Außerdem könnte<br />

Degenkolbs Nichtnominierung auch<br />

damit zu tun haben, dass er kurz vor<br />

einer Vertragsunterschrift bei der<br />

belgischen Equipe Lotto Soudal stehen<br />

soll. Wir hoffen, darüber in der nächsten<br />

Ausgabe Genaueres berichten zu<br />

können.<br />

Maximilian Schachmann gilt nach seinem<br />

außergewöhnlich starken Frühjahr als einer der<br />

Hoffnungsträger von Bora–hansgrohe auf einen<br />

Etappensieg in diesem Jahr.<br />

© Bora–hansgrohe/VeloImages (groß), Tim de Waele/Getty Images<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 55


L E TO U R<br />

20<br />

19<br />

DIE DEUTSCHEN<br />

NILS POLITT<br />

25 JAHRE, TEAM KATUSHA ALPECIN<br />

Mit dem zweiten Platz bei Paris–Roubaix<br />

fuhr der Kölner im April den größten Erfolg<br />

seiner Karriere ein – und wird seitdem von<br />

der Konkurrenz nicht mehr aus dem Auge<br />

gelassen. Trotzdem hat er sich für die Tour<br />

einiges vorgenommen.<br />

Im Finale von Paris–<br />

Roubaix sah Nils Politt<br />

lange wie der Sieger<br />

aus. Am Ende musste<br />

er sich im Sprint Philippe<br />

Gilbert (rechts) geschlagen<br />

geben.<br />

Nils, spätestens in diesem Frühjahr bist du<br />

zu einer Größe im deutschen Radsport herangewachsen.<br />

Bei der Flandern-Rundfahrt<br />

wurdest du Fünfter, bei Paris–Roubaix kam<br />

nur Philippe Gilbert vor dir ins Ziel. Warst<br />

du überrascht von deinen Erfolgen bei den<br />

Klassikern?<br />

Ich habe eigentlich gedacht, dass man das vergangene<br />

Frühjahr kaum toppen kann, aber ich habe<br />

es doch noch mal geschafft. Das macht mich natürlich<br />

stolz. Da sehe ich einfach, dass sich die<br />

Arbeit im Winter ausgezahlt hat. So macht es natürlich<br />

Spaß zu arbeiten.<br />

Wie lange hast du gebraucht, um zu realisieren,<br />

dass vor allem dein Abschneiden bei<br />

Paris–Roubaix ein großer Karriereschritt gewesen<br />

ist?<br />

Wenn ich ehrlich bin, habe ich noch immer nicht<br />

richtig realisiert, was mir da gelungen ist. Klar, ich<br />

habe den kleinen Pflasterstein im Wohnzimmer<br />

stehen und gucke da jeden Tag drauf, aber das<br />

kommt bei mir immer erst am Ende des Jahres,<br />

wenn die Saison abgeschlossen ist und man ein<br />

Fazit zieht. Erst dann wird klar, was einem da gelungen<br />

ist. Ich habe vor Kurzem erfahren, dass<br />

nur zwei Deutsche bei Paris–Roubaix bislang besser<br />

waren und ich damit auf Platz drei stehe. So<br />

etwas ist natürlich schön zu hören. Allerdings<br />

merke ich es schon an der Nachfrage der Medien,<br />

das ist mehr geworden. Auch unter den Fans, gerade<br />

zuletzt bei Rund um Köln, wird jetzt deutlich<br />

mehr über mich gesprochen.<br />

© Anne-Christine Poujoulat/Getty Imgaes<br />

Bei deinem Heimrennen hast du das Podium<br />

Anfang Juni knapp verpasst und wurdest<br />

Vierter.<br />

Das war natürlich ärgerlich. Ich war dort nicht<br />

in der Situation, wo ich mit den anderen spielen<br />

konnte, im Gegenteil, die anderen haben mit<br />

mir gespielt. Ich war zum Schluss in einer Gruppe<br />

vertreten, in der drei Teams jeweils zwei<br />

Fahrer hatten. So wurde es natürlich ein bisschen<br />

schwierig. Die haben sich gegenseitig attackiert<br />

und wollten nicht mit mir auf die Zielgerade<br />

kommen. So musste ich den Sprint um<br />

Platz 3 früh eröffnen und quasi von vorne fahren.<br />

Leider hat es nicht gereicht. Aber es war<br />

trotzdem ein schönes Rennen, und es macht<br />

immer wieder Spaß.<br />

Auch die Fahrer wissen, was in Roubaix<br />

geschehen ist, und haben dich seitdem im<br />

Blick. Das ist der Nachteil, wenn man so<br />

erfolgreich geworden ist.<br />

Auf jeden Fall. Man fährt nicht mehr so einfach<br />

weg. Das muss man sich hart erarbeiten. Viele Leute<br />

haben jetzt ein Auge auf mich. Aber damit muss<br />

ich leben. Trotzdem klappt es ja hin und wieder.<br />

Wie sieht es denn beim Team aus? Mit Marcel<br />

Kittel hat euch der Starsprinter überraschend<br />

verlassen, dafür konnten Rick Zabel<br />

bei der Tour of Yorskhire und Ilnur Sakarin<br />

beim Giro Tageserfolge für Katusha-Alpecin<br />

einfahren.<br />

56 PROCYCLING | JULI 2019


L E TO U R<br />

20<br />

19<br />

DIE DEUTSCHEN<br />

Wir haben bisher drei Siege. Das ist natürlich<br />

nicht das, was wir wollten. Aber es ist auch<br />

schwer ohne einen richtigen Sprinter. Die fahren<br />

bei anderen Teams regelmäßig Erfolge ein – wie<br />

Sam Bennett, Peter Sagan und Pascal Ackermann<br />

bei Bora oder die Jungs von Quick-Step. Das ist<br />

bei uns nicht der Fall. Trotzdem denke ich, dass<br />

wir uns dieses Jahr bisher gut präsentieren, gerade<br />

auch bei den Klassikern. Obwohl wir da als Außenseiter-Mannschaft<br />

an den Start gegangen<br />

sind, konnte bei jedem Rennen einer von uns in<br />

die Top Ten fahren. Auch der Etappensieg von<br />

Ilnur beim Giro und sein zehnter Platz in der<br />

Gesamtwertung zeigen einen positiven Trend, vor<br />

allem im Gegensatz zum letzten Jahr.<br />

Mit welchem Konzept fahrt ihr zur Tour de<br />

France? Rick hat in Yorkshire einen Sprint<br />

gewonnen, aber in Frankreich wird die Konkurrenz<br />

stärker sein. Habt ihr euch da schon<br />

was überlegt?<br />

Jein. Wir haben ja nun keinen richtigen Sprinter<br />

mehr, und für Rick wird es schwer, sich bei der<br />

Tour gegen die großen Sprinter durchzusetzen.<br />

Neben ihm steht noch Jens Debusschere auf der<br />

Tour-Liste, der auch nicht gerade langsam ist.<br />

Wir müssen einfach schauen und dann das Bestmögliche<br />

herausholen. Am Ende muss das Team<br />

entscheiden, wer den Sprint fährt. Wahrscheinlich<br />

wird tagesabhängig geswitcht. Aber ich denke,<br />

wir sollten uns eher auf Ausreißergruppen<br />

konzentrieren.<br />

Stichwort Ausreißer. Wie wird deine Rolle<br />

aussehen? Flucht nach vorne?<br />

Das auf jeden Fall. Ich habe mir die Tour-de-<br />

France-Etappen noch gar nicht angeschaut, weiß<br />

aber, dass zwei, drei wellige Abschnitte dabei<br />

sind. Da werde ich natürlich mein Glück versuchen<br />

– entweder in der Ausreißergruppe oder im<br />

Sprint aus dem dezimierten Feld heraus. Das<br />

kann ich ja auch ganz gut.<br />

Was ist dein Ziel bei der Tour, was das des<br />

Teams?<br />

Ich denke, das Ziel des Teams sollte auf jeden Fall<br />

sein, eine Etappe zu gewinnen. Persönlich habe<br />

ich mir noch gar kein genaues Ziel gesetzt. Natürlich<br />

will ich um Etappensiege mitkämpfen, zumindest<br />

einmal. Ansonsten werde ich einfach<br />

schauen, was so kommt.<br />

Nach deinen Erfolgen bei den Pavé-Klassikern<br />

im Frühjahr müsstest du traurig sein,<br />

dass es 2019 keine Kopfsteinpflaster-Etappe<br />

bei der Tour gibt.<br />

Leider ja. Das wäre schön gewesen.<br />

DIE WEITEREN<br />

DEUTSCHEN<br />

Helfer und Überraschungskandidaten<br />

Neben den genannten Fahrern werden<br />

bei der 106. Tour de France zahlreiche<br />

weitere deutsche Profis am Start er -<br />

wartet. Die meisten von ihnen sind<br />

allerdings keine Siegfahrer, sondern<br />

Athleten, die im Hintergrund ihre Arbeit<br />

verrichten: Flaschen holen, ihre Kapi -<br />

täne aus dem Wind halten, Sprints oder<br />

Bergattacken vorbereiten. Einer, der in<br />

diesem Metier seit Jahren zu den Welt -<br />

besten zählt, ist beispielsweise Marcus<br />

Burghardt: Der 35-jährige Zschopauer im<br />

Trikot von Bora–hansgrohe bestreitet<br />

bereits seine elfte Frankreich-Rundfahrt<br />

und konnte 2008 sogar selbst eine<br />

Etappe gewinnen. Ebenfalls als Helfer<br />

eingesetzt wird Rick Zabel. Der 25-Jäh -<br />

ri ge gilt allerdings auch als Option für<br />

Ausreißergruppen bei Katusha-Alpecin.<br />

Selbige Rolle erfüllt zudem Nikias Arndt<br />

(27 Jahre) beim Team Sunweb, der an<br />

guten Tagen ebenfalls einen Tageserfolg<br />

einfahren kann. Einer, der das schon<br />

geschafft hat, ist Simon Geschke: Der<br />

33-jährige Berliner vom CCC Team<br />

konnte 2015 als Ausreißer einen Tages -<br />

erfolg verbuchen. 2019 blickt er bis dato<br />

aber auf eine sehr unglückliche Saison<br />

zurück: Beim Saisondebüt bei der<br />

Murcia-Rundfahrt brach er sich den<br />

rechten Ellenbogen. Beim Comeback<br />

bei der Katalonien-Rundfahrt fünf<br />

Wochen später stürzte er erneut und<br />

brach sich das rechte Schlüsselbein und<br />

mehrere Rippen. Sein Comeback feierte<br />

er erst bei Kalifornien-Rundfahrt Mitte<br />

Mai – und wurde prompt Etappendritter.<br />

PROGNOSE<br />

Politt wird man oft im Fernsehen zu sehen<br />

bekommen, denn er wird alles versuchen,<br />

um regelmäßig in Fluchtgruppen vertreten<br />

zu sein. Ein Etappensieg ist deshalb absolut<br />

realistisch.<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 57


Dylan Groenewegen ist einer<br />

der formstärksten Sprinter 2019;<br />

im vergangenen Jahr hat er zwei<br />

Tour-Etappen gewonnen. Aber<br />

der holländische Fahrer ist ein<br />

zurückhaltender Typ, der nicht<br />

viel von sich preisgibt. <strong>Procycling</strong><br />

trifft den schnellsten Mann des<br />

Pelotons, der am liebsten seine<br />

Beine sprechen lässt.<br />

Text Sophie Hurcom Fotografie Olly Curtis<br />

58 PROCYCLING | JULI 2019


L E TO U R<br />

20<br />

19<br />

DIE SPRINTER<br />

DYLAN GROENEWEGEN<br />

RUHE<br />

VOR<br />

DEM<br />

STURM<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 59


L E TO U R<br />

20<br />

19<br />

DIE SPRINTER<br />

DYLAN GROENEWEGEN<br />

Der gelb-schwarze Jumbo–Visma-Bus<br />

bildet einen starken Kontrast zum graubraunen<br />

Backstein des Boulevard Alexandre<br />

III im Zentrum von Dünkirchen. Eine<br />

Handvoll Leute wartet draußen. Die meisten sind<br />

Einheimische im Rentenalter, die einen neugierigen<br />

Blick über die Absperrung vor dem Bus werfen.<br />

Dahinter sind sieben himmelblaue Bianchi in<br />

Fahrradständer geklemmt und werden vor dem<br />

Rennen ein letztes Mal inspiziert. Ein Mann mit<br />

einer Kamera um den Hals macht ein paar Fotos,<br />

um die Inva sion von Aliens in seiner Stadt zu dokumentieren.<br />

Eine Frau geht entschlossen vorbei,<br />

die Einkaufstüte fest in der Hand und Kopfhörer<br />

im Ohr, wirft kaum einen Blick auf die Busse, die<br />

die Hauptstraße in Beschlag genommen haben.<br />

Es ist Dienstagvormittag, und das Leben steht<br />

nicht still, weil ein Rennen in der Stadt ist. Um<br />

viertel vor zwölf steigt Dylan Groenewegen aus<br />

dem Bus, Helm und Sonnenbrille auf, um zum<br />

Einschreiben auf die Bühne zu gehen. Es spricht<br />

sich herum, dass hier etwas los ist, aber auf mehr<br />

als ein Dutzend schwillt das Publikum nicht an.<br />

Es sind nur noch gut sechs Wochen bis zum<br />

Beginn der Tour de France, und alle Sprinter, die<br />

am 6. Juli in Brüssel auf der Startliste stehen wollen,<br />

geben ihrer Form jetzt den letzten Schliff.<br />

Viele haben den schweren Giro d’Italia als Vorbereitung<br />

gewählt: Fernando Gaviria, Elia Viviani<br />

und Caleb Ewan. Andere haben sich für das sonnigere<br />

Wetter und die breiteren Straßen der Kalifornien-Rundfahrt<br />

entschieden: Peter Sagan und<br />

Mark Cavendish. Aber abseits des Rampenlichts<br />

und des Interesses der Radsport-Journalisten aus<br />

aller Welt steigt Groenewegen nach sechs Wochen<br />

Auszeit in einer grauen Nordseestadt bei den Vier<br />

Tagen von Dünkirchen wieder ins Renngeschehen<br />

ein. Anders als bei den gleichzeitig ausgetragenen<br />

Rennen, bei denen seine Rivalen fahren, sind hier<br />

keine Horden von internationalen Medien, nicht<br />

mal eine einzige Fernsehkamera ist auf ihn gerichtet.<br />

Es ist ein kleiner Rahmen für den Sprinter,<br />

der 2019 bisher der erfolgreichste ist. Aber untertrieben<br />

scheint Groenewegen es zu mögen.<br />

Am Ende der Woche wird der Holländer bei<br />

dem sechstägigen Rennen dreimal gewonnen und<br />

seine Siegesausbeute Mitte Mai auf acht hochgeschraubt<br />

haben – 50 Prozent mehr als seine<br />

größten Rivalen Gaviria, Viviani and Ewan zum<br />

gleichen Zeitpunkt. Die jüngere Geschichte zeigt,<br />

dass die Tour de France jedes Jahr tenden ziell von<br />

einem Sprinter dominiert wird, und wenn man<br />

den Statistiken oder den Formkurven folgt, könnte<br />

man darauf wetten, dass Groenewegen in<br />

diesem Jahr dieser Fahrer sein wird.<br />

Die Tour war der Wendepunkt bei<br />

Groenewegens Aufstieg vom jungen<br />

Senkrechtstarter zum A-Promi<br />

unter den Sprintern. 2017<br />

schaffte der holländische Fahrer<br />

nach einer Serie von Podiumsund<br />

Top-Ten-Plätzen, was vielen<br />

seiner Rivalen nicht gelang: Er schaffte<br />

es bis Paris, wo er auf den Champs-<br />

3<br />

Élysées seine erste Grand-Tour-Etappe gewann.<br />

In den zwei Jahren seitdem haben die Siege nicht<br />

aufgehört. 24, um genau zu sein – mit 14 in der<br />

vergangenen Saison, darunter Kuurne, drei Etappen<br />

von Paris–Nizza, Driedaagse Brugge–De Pan -<br />

ne und zwei weitere Siege bei der Tour 2018, war<br />

er der erfolgreichste Sprinter.<br />

In Anbetracht seines Palmarès sollte man denken,<br />

dass Groenewegen überall, wo er auftaucht,<br />

für Aufregung sorgt. Doch der Niederländer, zumindest<br />

die öffentliche Version von ihm, scheint<br />

nicht der typische Sprinter zu sein. Sprinter tendieren<br />

von Natur aus dazu, ein Ego zu haben. Sie<br />

sind die Fußballstürmer, die Rugby-Try-Scorer,<br />

die Fahrer, von denen erwartet wird, regelmäßig<br />

zu punkten. Sie sind diejenigen, deren Name auf<br />

der Ergebnisliste steht, die die Vorarbeit des<br />

Teams vollenden, die im Rampenlicht stehen.<br />

Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen,<br />

ist ganz natürlich für sie. Der Job eines Sprinters<br />

ist, eine so große und schnelle Wirkung wie möglich<br />

zu erzielen. Schnell, furios und voller<br />

Adrenalin, sind sie ein Topf mit kochendem<br />

Wasser, das vor sich hin<br />

siedet, um im richtigen Moment<br />

überzukochen. All diese Energie<br />

unter einem Deckel zu halten heißt,<br />

ETAPPENSIEGE dass ihre Persönlichkeit abseits der<br />

BEI GRAND Straße oft so explosiv ist wie ihre<br />

TOURS Füße auf den Pedalen.<br />

Aber nicht Groenewegen. Der<br />

Mann, den <strong>Procycling</strong> trifft und auf Pressekonferenzen<br />

oder Mixed Zones erlebt hat,<br />

scheint diese Großspurigkeit nicht zu haben. Er<br />

hat kein hitzköpfiges Temperament wie der junge<br />

Mark Cavendish, ist kein Selbstdarsteller à la Mario<br />

Cipollini. Er macht keine Wheelies vor der Kamera<br />

wie Peter Sagan. Er ist im Moment wahrscheinlich<br />

der schnellste Sprinter der Welt, aber er mag<br />

es nicht, damit anzugeben. Statt abseits der Straße<br />

für Schlagzeilen zu sorgen, scheint er damit<br />

zufrieden zu sein und es zu bevorzugen, einfach<br />

seine Beine sprechen zu lassen.<br />

Als <strong>Procycling</strong> ihn trifft, ist Groenewegen sogar<br />

noch stiller und reservierter, als wir erwartet haben.<br />

Er ist höflich, freundlich, nimmt sich die Zeit<br />

für ein Selfie mit einem Jungen, der vorbeikommt<br />

und ihn bemerkt, und lächelt die ganze Zeit. Aber<br />

seine Antworten während unseres ganzen Interviews<br />

sind kurz und prägnant. Kaum mehr als ein<br />

paar Sekunden lang, genau wie seine Sprints. Viel<br />

über den Charakter hinter dem schnellen Sprinter<br />

zu erfahren, erweist sich als schwierig. Statt beim<br />

Thema Radsport oder Sprinten geht Groenewegen<br />

während unseres Gesprächs am meisten aus sich<br />

heraus, als er darüber spricht, dass sein geliebtes<br />

Ajax-Fußballteam im Halbfinale der Champions<br />

League nach einem Tor von Tottenham in letzter<br />

Minute ausgeschieden ist.<br />

60 PROCYCLING | JULI 2019


Groenewegen<br />

fährt mit Vollgas<br />

dem ersten seiner<br />

zwei Etappensiege<br />

bei der Tour 2018<br />

entgegen.<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 61


L E TO U R<br />

20<br />

19<br />

DIE SPRINTER<br />

DYLAN GROENEWEGEN<br />

Aber zurück zum Radsport. Fühlt er sich physisch<br />

in diesem Jahr anders als 2018?<br />

„Ja, ich weiß nicht, ich fühle mich gut, aber ja<br />

… Ich glaube, ich bin dieses Jahr vielleicht ein<br />

bisschen stärker als letztes Jahr, aber das ist ein<br />

kleines Prozent, daher denke ich, körperlich ein<br />

bisschen stärker, ich weiß nicht.“<br />

Wo ordnet er sich zwischen seinen Rivalen ein?<br />

„Sie sind auch wirklich starke Fahrer, es ist gut,<br />

mit ihnen zu fahren, und es ist auch gut, sie zu<br />

schlagen. Sie sind wirklich starke Fahrer, aber jedes<br />

Rennen ist anders. Sie sind beim Giro, vielleicht<br />

sind sie bei der Tour de France, wir werden<br />

sie wieder sehen.“<br />

Glaubt er, dass er im Moment der schnellste<br />

Sprinter der Welt ist? „Ich glaube, einer der<br />

schnellsten, es gibt viele gute Sprinter. Ich glaube,<br />

Viviani und Gaviria sind wirklich stark, aber da<br />

ist auch noch Caleb Ewan, der wirklich stark ist.<br />

Ich denke, das sind die Sprinter, die mit mir an der<br />

Spitze stehen. Jedes Rennen ist anders.“<br />

Was ist der größte Vorteil, den er gegenüber<br />

seinen Rivalen hat?<br />

„Ich weiß nicht. Ich sprinte, so hart ich kann.<br />

Ich weiß nicht, was unsere Taktik ist oder so … Du<br />

siehst die Ziellinie und du sprintest mit Vollgas<br />

und du hoffst.“<br />

Groenewegens zurückhaltende Persönlichkeit<br />

fasst in vielerlei Hinsicht das Ethos<br />

des Jumbo–Visma-Teams zusammen. Er<br />

kam 2016 mit 22 Jahren von Roompot-Charles in<br />

das holländische Team, als außerhalb des lokalen<br />

Netzwerks wenig über ihn bekannt war. Als er<br />

unter Vertrag genommen wurde, hatte das Team<br />

– damals LottoNL–Jumbo – gerade eines der<br />

schlechtesten Jahre in seiner Geschichte hinter<br />

sich, nur sechs Rennen gewonnen und hing am<br />

unteren Ende der WorldTour-Rangliste fest.<br />

Kaum eine verlockende Umgebung für einen jungen<br />

Fahrer. Aber Groenewegen wollte zu einer<br />

holländischen Mannschaft und traf sich also mit<br />

Manager Richard Plugge und Trainer Merijn Zeeman.<br />

Letzter hatte 2011 bei Skil-Shimano geholfen,<br />

das Sprint-Potenzial von Marcel Kittel<br />

freizusetzen. Das Duo war im Begriff, das Team<br />

neu aufzustellen, und das Kernstück war, eine<br />

starke Sprinter- und Anfahrer-Fraktion aufzubauen.<br />

Das Team verdankt seinen Erfolg der letzten<br />

Jahre und seine Stärke in der Tiefe klugen Einkäufen<br />

und einem Fokus auf die Entwicklung von Talenten<br />

wie Groenewegen und Primož Roglič und<br />

gab kein großes Geld für etablierte Stars aus.<br />

Dass Groenewegen so bescheiden daherkomme,<br />

so Zeeman, passe in die Kultur und das Ethos des<br />

Teams. „Jeder kann in unserem Team er selbst<br />

sein, aber am Ende stehen viele Leute hinter<br />

Dylan, die es auch möglich machen, dass er gewinnt.<br />

Er braucht das schnellste Rad, er braucht<br />

die beste Ernährung, er braucht das beste Training,<br />

er braucht die besten Teamkollegen. Viele<br />

Leute stecken viel Arbeit in seine Leistung, wenn<br />

am Ende nur einer dafür die Lorbeeren bekäme …<br />

Es ist auch wichtig für unser Team, dass alle jetzt<br />

erkennen, dass niemand das alleine schaffen<br />

kann. Du brauchst wirklich die ganzen Leute um<br />

dich herum und die ganze Energie, die hineingesteckt<br />

wird“, sagt er. „Ich glaube, wir sollten alle<br />

erkennen, dass keiner größer ist als das Team.“<br />

Aber nur weil Groenewegen seine Emotionen<br />

nicht regelmäßig zur Schau trägt wie andere<br />

Sprin ter in der Vergangenheit oder Gegenwart,<br />

heißt das nicht, dass unter der reservierten Fassade<br />

keine feurige Persönlichkeit steckt. Der<br />

25-Jäh rige gibt zu, dass er – wenig überraschend<br />

– nicht gerne verliert. „Wenn ich ein Rennen verliere,<br />

ärgere ich mich, aber nach einer Stunde wird<br />

es besser und dann freue ich mich auf das nächste<br />

Rennen, und dann bin ich wirklich still und sage<br />

nichts“, erklärt er. „Ich gebe immer mein Bestes,<br />

bei allem, was ich mache.“<br />

Zeeman bestätigt, dass Groenewegen in seiner<br />

Anfangszeit bei dem Team oft die Fassung verlor,<br />

wenn es nicht so lief, wie er wollte, wütend wurde<br />

und vielleicht seinen Helm auf den Boden schmiss.<br />

Aber das Team brachte ihm bei, seine Frustration<br />

konstruktiv zu nutzen. „Früher ging er, wenn er<br />

sehr wütend war, ins Hotel, beruhigte sich, und<br />

dann war die Pressekonferenz nach dem Rennen<br />

sogar langweilig, nicht kritisch genug“, sagt Zeeman.<br />

„Aber wir haben ihm in seinem persönlichen<br />

Entwicklungsplan beigebracht, dass er,<br />

wenn etwas schiefgeht, diese Energie in die<br />

Teambesprechung einfließen lassen soll. Wenn<br />

wir uns steigern wollen, müssen wir Kritik aneinander<br />

üben.“<br />

Auf die direkte Frage, wie schnell er sei oder<br />

was er bei der Tour in diesem Sommer erreichen<br />

könne, verfällt Groenewegen in seine allgemeinen<br />

Antworten, dass „jedes Rennen anders“ sei und<br />

„wir sehen, was passiert“.<br />

Zeeman lässt sich auch nicht zu vollmundigen<br />

Aussagen hinreißen, dass Groenewegen der<br />

schnellste Sprinter der Welt sei, selbst wenn er<br />

das glaubt. „Ich glaube, es ist wichtig, dass wir<br />

bescheiden bleiben, und ich glaube, andere Leute<br />

sollten so etwas über uns sagen und nicht wir<br />

selbst, denn ich will unsere Gegner respektieren.“<br />

© Getty Images<br />

2015 war dieser Sprint einer von denen, die<br />

ihm den Ruf in die WorldTour einbrachten.<br />

62 PROCYCLING | JULI 2019


PODIUMSPLÄTZE<br />

ER HAT KEIN HITZKÖPFIGES TEMPERAMENT, IST KEIN<br />

SELBSTDARSTELLER UND MACHT KEINE WHEELIES VOR DER<br />

KAMERA. ER IST IM MOMENT DER SCHNELLSTE SPRINTER DER<br />

WELT, ABER ER MAG ES NICHT, DAMIT ANZUGEBEN.<br />

1.<br />

3 Etappen Vier Tage<br />

von Dünkirchen 2019<br />

Driedaagse Brugge-<br />

De Panne 2019<br />

2 Etappen Paris–Nizza<br />

2019, 1 Etappe 2018<br />

1 Etappe Volta ao<br />

Algarve 2019,<br />

2 Etappen 2018<br />

1 Etappe Volta a la<br />

Comunitat Valenciana<br />

2019, 2016<br />

1 Etappe Tour of<br />

Guangxi 2018, 2017<br />

Kampioenschap van<br />

Vlaanderen 2018<br />

Veenendaal–<br />

Veenendaal Classic<br />

2018, 2016, 2015<br />

2 Etappen Tour de<br />

France, 2018, 1 Etappe<br />

2017<br />

1 Etappe Slowenien-<br />

Rundfahrt 2018<br />

3 Etappen Tour of<br />

Norway, 2018,<br />

2 Etappen 2017<br />

Kuurne–Brussels–<br />

Kuurne 2018<br />

1 Etappe Dubai Tour<br />

2018<br />

1 Etappe Tour of<br />

Britain 2017, 2016<br />

2 Etappen Ster ZLM<br />

Tour 2017, 1 Etappe<br />

2016<br />

1 Etappe Tour de<br />

Yorkshire, 2017, 2016<br />

Tour de l’Eurometropole<br />

2016<br />

1 Etappe Eneco Tour<br />

2016<br />

Niederländische Straßenmeisterschaft<br />

2016<br />

Rund um Köln 2016<br />

Heistse Pijl 2016<br />

1 Etappe Driedaagse<br />

van West-Vlaand. 2016<br />

Brussels Cycling<br />

Classic 2015<br />

2.<br />

1 Etappe Vier Tage<br />

von Dünkirchen 2019<br />

2 Etappen Dubai Tour<br />

2018, 2017<br />

1 Etappe Tour of<br />

Guangxi 2017<br />

Kampioenschap van<br />

Vlaanderen 2017<br />

1 Etappe Tour of<br />

Britain 2017, 2016<br />

1 Etappe Tour de<br />

France 2017<br />

1 Etappe ZLM Tour<br />

2017, 2016<br />

Dubai Tour 2017<br />

1 Etappe Tour de<br />

Yorkshire 2016<br />

Handzame Classic<br />

2016<br />

1 Etappe Volta a la<br />

Comunitat Valenciana<br />

2016<br />

3.<br />

1 Etappe Tour of<br />

Guangxi 2018, 2017<br />

Tacx Pro Classic 2017<br />

1 Etappe Tour of<br />

Britain 2017, 2016<br />

Cyclassics Hamburg<br />

2017<br />

1 Etappe Tour de<br />

France 2017<br />

Niederländische Straßenmeisterschaft<br />

2017<br />

1 Etappe Paris–Nizza<br />

2017<br />

1 Etappe Volta ao<br />

Algarve 2017<br />

1 Etappe Tour of<br />

California 2016<br />

Nokere Koerse 2016<br />

Ronde van Drenthe<br />

2016<br />

Trofeo Palma 2014<br />

Sparkassen Münsterland<br />

Giro 2012<br />

Doch nur weil Groenewegen nicht gerne großspurige<br />

Aussagen über seine Form oder seine<br />

Ziele macht, heißt das noch lange nicht, dass<br />

er privat nicht dasselbe Selbstbewusstsein hat<br />

wie die meisten von sich selbst sehr überzeugten<br />

Fahrer. „Er glaubt an sich selbst, an das Team<br />

und daran, dass wir Rennen gewinnen – bei der<br />

Tour gibt es nur eines, das für ihn zählt, und<br />

das ist zu gewinnen, ohne Frage“, sagt Zeeman.<br />

„Er ist sehr zuversichtlich, dass er das kann, und<br />

alle in seiner Umgebung wissen, dass er so zuversichtlich<br />

ist.“<br />

Dylan Groenewegen ist einerseits der Star-Sprin -<br />

ter bei Jumbo–Visma, andererseits aber Kern einer<br />

Kohorte von jungen Fahrern, die dem eigenen<br />

Nachwuchs entstammen und in diesem Team<br />

Profi wurden. Sein Sprintzug besteht aus Amund<br />

Grøndahl Jansen, 25, der seit 2017 dabei ist,<br />

Timo Roosen, 26, der 2015 kam, und Mike Teunissen,<br />

26, der 2015 Profi bei Jumbo wurde und<br />

in dieser Saison nach zwei Jahren bei Sunweb<br />

wieder zurückkam. Sie sind alle ungefähr im gleichen<br />

Alter, keiner hat Kinder oder familiäre Verpflichtungen<br />

und sie sind nach allem, was<br />

1.<br />

2.<br />

3.<br />

43<br />

PROFISIEGE<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 63


L E TO U R<br />

20<br />

19<br />

DIE SPRINTER<br />

DYLAN GROENEWEGEN<br />

man, hört, diejenigen, die im Mannschaftsbus<br />

Späße machen und übereinander lachen. Es ist<br />

diese Freundschaft und Verbundenheit auf und<br />

abseits der Straße, die – wie das Team glaubt – sie<br />

so erfolgreich gemacht hat.<br />

Jumbo ist eines der wenigen Teams, das bei jeder<br />

Rundfahrt zweigleisig fährt und sowohl die Gesamtwertung<br />

als auch die Sprints anpeilt, sodass<br />

Groenewegen nie einen kompletten Sprintzug von<br />

sechs oder sieben Fahrern hatte. Stattdessen verlässt<br />

er sich auf seine Kerntruppe und nutzt dann<br />

seinen Instinkt, um sich im Finale ans richtige<br />

Hinterrad zu heften. Selten wird man Groenewegen<br />

auf dem letzten Kilometer am Hinterrad eines<br />

Teamkollegen kleben sehen wie andere Sprinter.<br />

Es war eine Taktik, für deren Perfektionierung er<br />

eine Weile brauchte, und es brachte ihnen viel<br />

Kritik ein, als er anfangs bei den Sprints patzte.<br />

„Wir haben diesen Weg gewählt, um flexibler<br />

zu sein und damit sich nicht zu viele Jungs vor<br />

Dylan zu spannen brauchen, und ich glaube,<br />

es funktioniert wirklich gut“, sagt Zeeman. „Bei<br />

den Vier Tagen von Dünkirchen haben wir es ein<br />

bisschen umgestellt und hatten fünf Jungs vor<br />

Dylan, und am zweiten Tag hätten wir fast den<br />

Sieg verpasst, weil wir eingeklemmt waren und<br />

Dylan seinen Zug verlor. Das war für mich die<br />

Bestätigung, dass wir mit unserer Strategie auf<br />

dem richtigen Weg sind.“<br />

„Wir lernen sehr schnell und wir fahren im<br />

Augenblick“, wirft Groenewegen ein.<br />

„Ich vertraue ihnen, sie vertrauen mir, und das<br />

ist sehr wichtig.“<br />

Das Formbuch ist bei der Tour de France nicht<br />

immer alles. Erfolg ist keinesfalls garantiert. Wenn<br />

er in Brüssel die 1. Etappe gewinnt und das erste<br />

Gelbe Trikot des Rennens holt, legt die Geschichte<br />

nahe, dass Groenewegen groß abräumen kann.<br />

Aber wenn er das tut, erwarten Sie bloß nicht, dass<br />

er sich damit brüstet.<br />

Groenewegen geht mit guter Form in die<br />

Tour, wie zwei Siege bei Paris–Nizza zeigen.<br />

© Getty Images<br />

64 PROCYCLING | JULI 2019


L E TO U R<br />

20<br />

19<br />

DIE SPRINTER<br />

DYLAN GROENEWEGEN<br />

SO WIRD ES DEN SPRINTERN ERGEHEN<br />

30 0 2<br />

TDF-<br />

ETAPPEN-<br />

SIEGE<br />

MARK<br />

CAVENDISH<br />

Der größte Sprinter der Tour peilt immer noch<br />

die vier Etappensiege an, die ihm fehlen, um mit<br />

Eddy Merckx’ Allzeit-Rekord von 34 gleichzuziehen.<br />

Aber nach vier Etappensiegen 2016<br />

hatte Cavendish zwei schwere Jahre, in denen<br />

er mit dem Epstein-Barr-Virus zu kämpfen<br />

hatte. Die gute Nachricht ist, dass Cavendish<br />

2019 wieder ziemlich regelmäßig Rennen fährt;<br />

die Kehrseite ist, dass der dritte Platz bei einem<br />

Sprint bei der Türkei-Rundfahrt das beste<br />

Ergebnis war. Die Geschwindigkeit seiner<br />

frischeren und fitteren Rivalen zu erreichen,<br />

wird viel verlangt sein.<br />

TDF-<br />

ETAPPEN-<br />

SIEGE<br />

CALEB<br />

EWAN<br />

Der Australier soll endlich sein Tour-Debüt<br />

geben, nachdem Mitchelton-Scott ihn im letzten<br />

Sommer nicht mit nach Frankreich genommen<br />

hatte. Die Entscheidung war der letzte Sargnagel,<br />

der seinen Wechsel zu Lotto Soudal<br />

zementierte, einem Team mit einer starken<br />

Bilanz an Sprinterfolgen. Ewan holte den ersten<br />

Sieg für sein neues Team bei der UAE Tour und<br />

erreichte im Frühjahr eine Reihe von Podiumsplätzen,<br />

aber bis er und sein neuer Sprintzug<br />

aufeinander eingespielt waren, dauerte es ein<br />

bisschen. Er verringerte den Druck etwas, als er<br />

die Etappen 8 und 11 des Giro gewann.<br />

TDF-<br />

ETAPPEN-<br />

SIEGE<br />

FERNANDO<br />

GAVIRIA<br />

Obwohl er 2018 neun Rennen für Quick-Step<br />

gewann, darunter zwei Tour-Etappen, und<br />

einen Tag das Gelbe Trikot trug, stieg Gaviria<br />

ein Jahr vor Ablauf seines Vertrags aus und<br />

wechselte zu UAE Emirates. Krankheit<br />

unterbrach sein Frühjahr und er gewann nur<br />

eine Etappe des Giro, nachdem Viviani<br />

zurückgesetzt wurde. Der Kolumbianer<br />

gab später mit Knieschmerzen auf. Obwohl<br />

der UAE-Sprintzug noch ausbau fähig ist,<br />

kann Gaviria auf die Hilfe von Alexander<br />

Kristoff bauen, der letztes Jahr auf den<br />

Champs-Élysées gewann.<br />

11 11 0<br />

TDF-<br />

ETAPPEN-<br />

SIEGE<br />

ANDRÉ<br />

GREIPEL<br />

Nach einem Jahrzehnt bei Lotto Soudal wechselte<br />

Greipel in diesem Jahr zu Arkéa-Samsic. Obwohl<br />

er im Januar gewann, war es nur beim Tropicale<br />

Amissa Bongo, und er tat sich schwer, wenn er<br />

gegen seine Hauptrivalen startete. Im Gespräch<br />

mit der belgischen Presse sagte Greipel, er habe<br />

„seinen Instinkt als Sprinter verloren“. Er wird<br />

während der Tour 37 – Alessandro Petacchi ist<br />

bislang mit 36 der älteste Sprinter, der eine Tour-<br />

Etappe gewonnen hat. Greipel wird nie aufhören,<br />

es zu versuchen, aber seine Bilanz von elf Siegen<br />

weiter auszubauen, dürfte schwer werden.<br />

TDF-<br />

ETAPPEN-<br />

SIEGE<br />

PETER<br />

SAGAN<br />

Sagan ist der Favorit für das Grüne Trikot,<br />

was sein siebtes und damit ein Rekord wäre.<br />

Sagan ging ohne Podiumsplatz aus den<br />

Klassikern hervor, scheint aber auf dem<br />

richtigen Weg zu sein, nachdem er eine Etappe<br />

der Kalifornien-Rundfahrt gewinnen konnte,<br />

was ihm moralischen Auftrieb gab.<br />

Sein Team ist eine gut gedrillte Maschine,<br />

und wenn es einen Fahrer gibt, der mit<br />

dem mentalen Druck in der Tour-Blase<br />

zurechtkommt, dann ist es der<br />

dreifache Weltmeister.<br />

TDF-<br />

ETAPPEN-<br />

SIEGE<br />

ELIA<br />

VIVIANI<br />

Es ist fünf Jahre her seit Elia Vivianis erstem<br />

und einzigem Start bei der Tour – 2014, als er bei<br />

Liquigas war. Mit dem Wechsel zu Quick-Step<br />

schien bei dem Italiener der Knoten geplatzt zu<br />

sein, er gewann häufig und beendete das Jahr<br />

2018 als erfolgreichster Sprinter. Er hatte vier<br />

Siege bis Ende März, floppte aber beim Giro und<br />

schob es auf seinen Kopf, nicht auf seine Beine.<br />

Aber Quick-Step ist das Expertenteam für Mas -<br />

sensprints der Tour. Dank dessen Erfahrung plus<br />

Vivianis Endschnelligkeit sollte es ihm mit etwas<br />

Selbstvertrauen gelingen, bei der Tour zu punkten.<br />

© Getty Images, Pete Goding/Future Owns (Greipel)<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 65


L E TO U R<br />

20<br />

19<br />

DIE HERAUSFORDERER<br />

FRANZÖSISCHE HOFFNUNGSTRÄGER<br />

DAS<br />

WARTEN<br />

EINER<br />

NATION<br />

Romain Bardet und Thibaut Pinot schultern die wenig<br />

beneidenswerte Last, die größten Hoffnungen der Gastgeber -<br />

nation auf den ersten Toursieg seit fast 35 Jahren zu sein.<br />

<strong>Procycling</strong> schaut sich an, was sie alles unternommen haben,<br />

um den Druck zu reduzieren.<br />

Text Pierre Carrey<br />

66 PROCYCLING | JULI 2019


© Kramon<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 67


L E TO U R<br />

20<br />

19<br />

DIE HERAUSFORDERER<br />

FRANZÖSISCHE HOFFNUNGSTRÄGER<br />

Einmal sagte Thibaut Pinot „non“ zu Emmanuel<br />

Macron. Es war Mai 2016, und der<br />

damalige Wirtschaftsminister hatte die<br />

besten französischen Fahrer in sein Büro in Paris<br />

eingeladen – zu einem informellen Treffen über<br />

die „Zukunft des Radsports“. Sie kamen alle in<br />

ihren besten Hochzeits- und Beerdigungsanzügen:<br />

die Sprinter Nacer Bouhanni und Arnaud<br />

Démare, der Puncheur Alexis Vuillermoz, die<br />

Jungstars Warren Barguil und Romain Bardet, ein<br />

vielversprechender Kletterer, aber noch kein<br />

ernsthafter Gegner für Chris Froome. Nur Pinot<br />

fehlte. Sein Teamchef Marc Madiot war wütend,<br />

aber Pinots Leute fragten ihn: „Was willst du,<br />

Marc? Dass Thibaut irgendwo auftritt oder dass<br />

Thibaut versucht, die Tour zu gewinnen?“<br />

Pinot hatte bei der Tour de France jenes Jahres<br />

keinen Erfolg. Von einer Bronchitis geschwächt,<br />

trat er zur 13. Etappe nicht mehr an, und 2017<br />

war es dasselbe, als er auf der 17. Etappe mit Fieber<br />

ausstieg. In den gleichen Jahren hatte Bardet<br />

den zweiten und dritten Gesamtplatz erreicht und<br />

neue Hoffnungen auf einen ersten französischen<br />

Sieg seit Bernard Hinault 1985 geweckt. Bardet<br />

war der Tour-Typ: Er war im Juli in Form und verkörperte<br />

den romantischen Radsport – mit instinktivem<br />

Fahrstil und unerwarteten Attacken.<br />

Pinot war der Anti-Tour-Fahrer: das ganze Jahr<br />

über in Form, aber nicht im Sommer. Er lehnte es<br />

ab, an der Tour-Euphorie teilzuhaben, und jagte<br />

stattdessen viel lieber der Maglia Rosa des Giro<br />

d’Italia hinterher.<br />

Beide Fahrer, 1990 geboren und vermeintliche<br />

Rivalen in ihrer Junioren- und Amateurzeit, kamen<br />

bei der Tour 2018 zum selben Punkt der<br />

Ernüchterung. Pinot schrieb die Grande Boucle<br />

ganz ab, während er sich von einer Lungenentzündung<br />

erholte, die ihn am letzten Wochenende<br />

des Giro d’Italia zur Aufgabe zwang, als er Gesamt-Vierter<br />

war. Unterdessen wurde Bardet bei<br />

der Tour Sechster, 6:57 Minuten hinter Geraint<br />

Thomas. Es war eine Leistung, die zu denken gab,<br />

da er laut seinem Trainer „in seiner besten Form“<br />

war. Ausnahmsweise einmal waren die Schicksale<br />

von Pinot und Bardet gleich und ihre Missgeschicke<br />

schlechte Nachrichten für die französische<br />

Radsport-Community.<br />

Beide Fahrer könnten der Tour den Rücken<br />

kehren. Beide Fahrer haben bei Eintagesrennen<br />

gezeigt, was sie können. Im letzten Jahr war Bardet<br />

Zweiter bei der Weltmeisterschaft und Dritter<br />

bei Lüttich–Bastogne–Lüttich; Pinot gewann die<br />

Lombardei-Rundfahrt. Aber sie sind motiviert<br />

und wollen einen neuen Frühling in ihrer Tour-<br />

Beziehung. „Ich würde es nicht Rache nennen,<br />

aber Thibaut war leidenschaftlich bewegt, als er<br />

sich die Tour während seiner Regeneration im<br />

letzten Jahr im Fernsehen ansah“, sagt sein Bruder<br />

Julien, der Trainer bei Groupama-FDJ ist. „Er<br />

sagte, er will sich gar nichts anschauen, aber er<br />

liebt den Radsport so sehr … Das Fehlen verstärkte<br />

seinen Wunsch, die Tour wieder zu fahren und<br />

ein gutes Ergebnis zu holen.“<br />

Bardet äußerte sich sehr deutlich: „Je vais gagner<br />

le Tour“, sagte er der L’Equipe im Februar – nicht<br />

„ich will“, sondern „ich werde“ die Tour gewinnen.<br />

Später meinte er, er sei falsch zitiert worden, aber<br />

das ganze Interview sprach trotzdem für ein großes<br />

Selbstbewusstsein: „Geraint [Thomas] hat mir<br />

gesagt, dass er vor vier Jahren, in meinem Alter,<br />

noch nicht hätte schaffen können, was er geschafft<br />

hat – das gibt mir Hoffnung, eine verrückte Hoffnung!“<br />

Der Kletterer aus der Auvergne fügte hinzu:<br />

„Vielleicht bin ich ein bisschen utopisch, aber ich<br />

glaube, meine Zeit kommt, und in der dritten Woche<br />

werden wir das Rennen sprengen und die Fahrer<br />

werden überall verstreut sein.“<br />

„Bardet und Pinot werden in dieser Saison 29<br />

und kommen in die besten Jahre“, sagte der legendäre<br />

Sportdirektor und französische Nationaltrainer<br />

Cyrille Guimard zu <strong>Procycling</strong>. „Sie sind noch<br />

nicht gut genug im Zeitfahren, um die Gesamtwertung<br />

zu gewinnen, aber sie sind sehr erfahren und<br />

motiviert. Sie wissen, wie man Rennen fährt.“ Guimard<br />

verweist auf ein großes Gewicht, das auf den<br />

Schultern vieler Favoriten, insbesondere der französischen,<br />

ruht: „Der Druck durch die Medien.“<br />

Nach Pinots Leistungen 2012, einem Etappensieg<br />

und einem zehnten Gesamtplatz, titelte<br />

die L’Equipe: „Peut-il gagner le Tour?“ – Kann er<br />

die Tour gewinnen?<br />

„Ich weiß, dass das ein Spiel ist“, sagte Pinot<br />

zu seinen Freunden, aber ein Jahr später erkrankte<br />

er bei dem Rennen, und so begann seine Hassliebe<br />

zur Tour. Und nach seiner Position 2016 als<br />

anscheinender Erbe von Froome äußerte Bardet<br />

persönlich seine Zweifel: „Es bewegt sich zu<br />

schnell. Ich habe mit einem vierten Gesamtplatz<br />

gerechnet. Jetzt sitze ich fest. Ich muss jedes Jahr<br />

auf dem Podest stehen.“<br />

Pinot und Bardet haben sich dem Druck der<br />

Medien in dieser Saison entzogen und die meisten<br />

Interview-Anfragen abgelehnt. Ersterer öffnete<br />

Fernsehsendern nur bei seinem Trainingslager<br />

in den Alpen Ende Mai die Tür. Letzterer begrüßte<br />

die Medien nur bei der Inaugenscheinnahme<br />

der Etappe am französischen Nationalfeiertag<br />

auf seinen heimischen Straßen in Brioude und<br />

machte deutlich, dass er danach nicht mehr reden<br />

würde. Stattdessen genossen sie beide freie Zeit.<br />

„Spaß zu haben, kann ein Schlüssel zum Erfolg<br />

sein“, sagte Guimard.<br />

© Getty Images<br />

Bardets Schwäche beim Zeitfahren war<br />

ihm bei der Tour de France immer im Weg.<br />

68 PROCYCLING | JULI 2019


„BARDET UND PINOT KOMMEN IN DIE BESTEN JAHRE. SIE SIND<br />

NOCH NICHT GUT GENUG IM ZEITFAHREN, UM DIE GESAMT­<br />

WERTUNG ZU GEWINNEN, ABER SIE SIND ERFAHREN UND MOTI-<br />

VIERT. SIE WISSEN, WIE MAN RENNEN FÄHRT.“ CYRILLE GUIMARD<br />

Pinot gewinnt die 15. Etappe der Vuelta<br />

2018. Letztes Jahr ließ er die Tour aus.<br />

„Das Wichtigste ist, wie frisch du bist“, bestätigt<br />

Julien Pinot. „2016 war Thibaut zu früh zu stark<br />

und fuhr zu viele Rennen. Den Fehler machen wir<br />

nicht noch mal.“<br />

Pinot hat sich in seine Heimatregion, das Plateau<br />

des Mille Étangs – die Hochebene der tausend<br />

Teiche – unweit von La Planche des Belles Filles,<br />

wo die 6. Etappe der Tour im Juli endet, zurückgezogen.<br />

In seiner Freizeit füttert er seine Tiere: die<br />

Ziegen, Hühner, Schafe und Kühe, die er so gern<br />

hat; er fährt Trecker, um das Heu von einem Feld<br />

zum anderen zu bringen. „Das macht mich glücklich“,<br />

sagt er. Im vergangenen Winter fuhr er in<br />

der Saisonpause nicht nur Rad, sondern trainierte<br />

auf Langlaufskiern, um „ein anderes Gefühl“ zu<br />

haben und „den Kopf frisch“ zu halten.<br />

Bardet für seinen Teil trat im Frühjahr bei den<br />

Klassikern an: Mailand–San Remo (50.), Amstel<br />

Gold Race (Neunter), Flèche Wallonne (13.) und<br />

Lüttich–Bastogne–Lüttich (21.). Außerdem versuchte<br />

er, Zeit in Clermont-Ferrand zu verbringen,<br />

seiner Heimatstadt am Fuße des Puy de Dôme im<br />

Zentralmassiv. Als er ein Trainingslager in den<br />

Pyrenäen machte, nahm er keine Teamkollegen<br />

und vor allem keine Journalisten mit, sondern seinen<br />

Vater Philippe, einen Lehrer. Auf Instagram<br />

– seiner einzigen Kommunikation – postete Bardet<br />

ein Bild von den beiden auf dem Gipfel des<br />

Tourmalet und schrieb: „Geteilte Freude“.<br />

Leidenschaft und Ruhe dürften die neuen Geheimwaffen<br />

der beiden französischen Kapitäne<br />

sein. „Das ist vielleicht, weil sie nichts zu verlieren<br />

haben“, sagt Julien Pinot. „Sie hatten beide in der<br />

Vergangenheit gute Resultate. Dieses Jahr ist wie<br />

ein großer Bonus. Thibauts letzte drei Frankreich-<br />

Rundfahrten waren hektisch, und trotz seines<br />

guten Saisonendes im letzten Jahr – seine Vuelta<br />

[Gesamt-Sechster] und sein Sieg bei der Lombardei-Rundfahrt<br />

– ist er kein Favorit. Ich hoffe, er<br />

hat Spaß und genießt es einfach.“<br />

Keiner von beiden hat seine Vorbereitung<br />

drastisch geändert. Tatsächlich können sich<br />

Pinot und Bardet ganz auf ihre mentale Verfassung<br />

konzentrieren. Auf jeden Fall sind sie weiterhin<br />

die beiden großen französischen Hoffnungen<br />

für die Gesamtwertung. Pierre Latour<br />

musste in diesem Jahr wegen eines gebrochenen<br />

Arms drei Monate aussetzen. Warren Barguil<br />

ist weit von dem Niveau entfernt, mit dem er<br />

2017 das Gepunktete Trikot gewann, und Julian<br />

Alaphilippe muss sich in der Gesamtwertung<br />

eines dreiwöchigen Rennens erst noch bewähren.<br />

Und wenn Pinot und Bardet einbrechen, ist es<br />

vielleicht nicht das Ende der Welt – sie können<br />

sich den perdants magnifiques anschließen. Seit<br />

sich Eugène Christophe die Gabel brach, sind die<br />

„wunderbaren Verlierer“ in der französischen Vorstellungskraft<br />

eine lebendige und ungeheuer populäre<br />

Gruppe von Fahrern geworden. Es ist eine<br />

Win-Win-Situation.<br />

© Getty Images<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 69


L E TO U R<br />

20<br />

19<br />

DIE FAVORITEN<br />

NAIRO QUINTANA<br />

JETZT<br />

ODER<br />

NIE<br />

Ist es nach seinem großen Durchbruch 2013 jetzt zu<br />

spät für Nairo Quintana, als erster Kolumbianer die<br />

Tour de France zu gewinnen? <strong>Procycling</strong> fragt, ob er<br />

dieses Jahr die letzte Chance auf das Gelbe Trikot hat.<br />

Text Alasdair Fotheringham<br />

Fotografie Getty Images<br />

70 PROCYCLING | JULI 2019


© Chris Auld<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 71


Vor sechs Jahren, als die Tour de France<br />

2013 schon eine Weile im Gange war,<br />

fragte der ehemalige Radsportstar und<br />

heutige Kommentator Sean Kelly – wie alle anderen<br />

im Presseraum – nach Hintergrundinformationen<br />

über den Newcomer Nairo Quintana. Der<br />

Kolumbianer war Kelly schon aufgefallen, da er<br />

als einziger Fahrer versuchte, die Dominanz von<br />

Sky zu brechen, indem er auf der ersten Pyrenäen-<br />

Etappe am Pailhères-Pass einen frühen Angriff<br />

startete. Seine Attacke wurde neutralisiert, doch<br />

sie war stark genug, um Kelly zu beeindrucken.<br />

Als aber ein Journalist vorhersagte, dass Quintana<br />

es auf das Podium in Paris schaffen könnte, grinste<br />

der Ire nur und sagte: „Das wird nicht passieren.“<br />

Es passierte dennoch. Quintanas zweiter Platz<br />

hinter Chris Froome in dem Jahr machte ihn zum<br />

ersten Kolumbianer auf dem Tour-Podium, seit<br />

Fabio Parra 1988 Dritter wurde, und zum ersten<br />

Tour-Debütanten seit Jan Ullrich 1996, der auf<br />

Anhieb den zweiten Platz erreichte. Außerdem<br />

war Quintana mit 23 Jahren der jüngste Fahrer,<br />

der die Bergwertung gewann – seit Charly Gaul<br />

1955 mit 22 Jahren. Und indem er das Gepunktete<br />

Trikot und das Trikot des besten Jungprofis<br />

errang, tat er, was kein Fahrer seit Eddy Merckx<br />

1969 getan hatte, und holte bei seinem Tour-Debüt<br />

zwei Trikots in untergeordneten Wertungen.<br />

All das zusammen ergab ein formidables Zeugnis.<br />

Und als Quintana seinen Sieg beim Giro<br />

d’Italia 2014 folgen ließ, schien ein Tour-de-<br />

France-Sieg für den Movistar-Fahrer nur eine<br />

Frage der Zeit zu sein. „Er wird als erster Kolumbianer<br />

die Tour de France gewinnen“, sagte der<br />

frühere Tour- und Vuelta-Sieger Pedro Delgado<br />

vor vier Jahren zu <strong>Procycling</strong>.<br />

Doch in der Folge tat sich Quintana im Juli zunehmend<br />

schwerer. Er war 2015 Zweiter, nachdem<br />

er Froome auf dem Weg nach Alpe d’Huez,<br />

der letzten großen Kletterpartie des Rennens, fast<br />

entthront hätte. Quintanas letzter Podiumsplatz<br />

bei der Tour war 2016, als er Dritter wurde.<br />

Sein letzter Grand-Tour-Sieg war die Vuelta<br />

jenes Jahres. Er weckte Hoffnungen darauf, im<br />

folgenden Jahr das erreichen zu können, was die<br />

Kolumbianer el sueño amarillo nennen – den gelben<br />

Traum. Aber auf eine knappe Niederlage beim<br />

Giro 2017 folgte ein zwölfter Platz bei der Tour<br />

in jenem Jahr, dann ein zehnter bei der Tour und<br />

achter bei der Vuelta a España 2018.<br />

Tatsächlich war 2018 die erste Saison seit<br />

2012, in der Quintana bei keiner großen Rundfahrt<br />

auf dem Podium stand. Sein Tour-Etappensieg<br />

in den Pyrenäen im letzten Jahr verdeutlichte<br />

nur, wie weit Movistars vielgepriesenes Kapitäns-<br />

Triumvirat – Quintana, Mikel Landa und Alejandro<br />

Valverde – im Juli hinter den Erwartungen<br />

2013 hat Quintana im Weißen Trikot<br />

Froome auf dem Weg nach Alpe d’Huez<br />

im Visier.<br />

Quintana gut gelaunt mit den kolumbianischen<br />

Kletterern Chaves und López.<br />

72 PROCYCLING | JULI 2019


L E TO U R<br />

20<br />

19<br />

DIE FAVORITEN<br />

NAIRO QUINTANA<br />

blieb. Doch in Bezug auf Quintana war das Gefühl<br />

der Enttäuschung besonders intensiv.<br />

Zumindest öffentlich ist das Vertrauen von<br />

Movistar zu Quintana als Toursieger trotz<br />

der nachlassenden Resultate unerschüttert.<br />

Teammanager Eusebio Unzué sagt zu <strong>Procycling</strong>:<br />

„Es gibt keinen Grund zu glauben, dass es nicht<br />

passieren kann. Ich glaube immer noch an ihn.<br />

Wie könnte ich die Hoffnung in ihn verlieren?“<br />

Und er fährt fort: „Die Ergebnisse im letzten Jahr<br />

waren einer Reihe besonderer Umstände geschuldet<br />

– einer ist, dass man nie sagen kann, Topform<br />

sei etwas Ewiges. Und wir haben in diesem Jahr<br />

gesehen, dass er es bei Paris–Nizza und der Volta<br />

a Catalunya wirklich wissen wollte. Er scheint<br />

wieder in alter Form zu sein und ich bin sicher,<br />

wir werden mehr von diesem Fahrstil bei der<br />

Dauphiné sehen – und dann bei der Tour hoffentlich<br />

noch mehr.“<br />

Es stimmt, dass Quintana bei Paris–Nizza in<br />

diesem März am letzten Tag noch einmal eine<br />

Offensive gegen den Gesamtsieger Egan Bernal<br />

startete. Aber Quintanas Scheitern sowie sein<br />

vierter Platz in Katalonien hinter Miguel Ángel<br />

López und Bernal zeigte, wie dicht bevölkert die<br />

kolumbianische Hierarchie heutzutage ist. Einst<br />

gab es nur Rigoberto Urán, der Quintana Konkurrenz<br />

machte, aber heute sind es López, Esteban<br />

„ER IST WIE DIE FUSS BALLER<br />

FALCAO ODER RODRÍGUEZ<br />

ODER DER POPSÄNGER<br />

CARLOS VIVES – ER HAT<br />

SOGAR SEINE EIGENE STATUE<br />

IM ORT SEINER ELTERN.“<br />

MANOLO MARTINEZ<br />

Chaves, Bernal und in Zukunft wahrscheinlich<br />

auch Ivan Sosa.<br />

Aber ist der Tour-Zug für Quintana komplett<br />

abgefahren? Und wenn ja, warum? „Jeder Körper<br />

ist anders, und er könnte wie Damiano Cunego<br />

sein, der sehr jung gut fuhr, den Giro d’Italia gewann<br />

und dann in seinen späteren Jahren nicht<br />

so gut war“, sagt Mitchelton-Scott-Fahrer Esteban<br />

Chaves zu <strong>Procycling</strong>.<br />

„Es geht um die Genetik. Einige Fahrer starten<br />

gut und lassen dann nach. Andere Fahrer wie<br />

Chris Froome fangen eher verhalten an und werden<br />

dann die besten Rundfahrt-Spezialisten.<br />

Aber es ist eine sehr komplexe Frage, ob Nairo<br />

wieder dahin kommt, wo er einmal war. Viele<br />

Leute zeigen mit dem Finger und stellen Fragen.<br />

Aber das ist typisch, wenn du Zweiter der Tour<br />

wirst. Plötzlich ist alles für dich vorbereitet, keine<br />

Bitte ist zu groß. Wenn du dann ein Rennen verpasst,<br />

heißt es: der Nächste bitte. Sport ist in dieser<br />

Hinsicht sehr grausam. Und alle haben ein viel<br />

zu kurzes Gedächtnis – Ärzte, Rennfahrer, Sportdirektoren,<br />

Manager, alle“, sagt Chaves weiter.<br />

Aber es geht nicht nur darum, ob Quintana<br />

noch die körperliche Fähigkeit hat, die Tour zu<br />

gewinnen, wie Chaves glaubt. Alberto Contador,<br />

der erstmals 2012 regelmäßig gegen Quintana<br />

fuhr, stellt fest, dass Quintana in seiner Taktik<br />

zunehmend konservativ wird. „Seine Strategie<br />

gegen mich war sehr vorhersehbar“, sagte Contador<br />

zu Eurosport Spanien. „Ich glaube, die einzige<br />

Order, die sie ihm gegeben haben, war: ‚Bleib’<br />

an Albertos Hinterrad.‘“<br />

Der offensichtlichste Beleg dafür, so Contador,<br />

kam bei der Vuelta 2016, als Quintana auf der<br />

entscheidenden Etappe nach Formigal wie eine<br />

Klette an Contador klebte und so in die richtige<br />

Ausreißergruppe kam, um das Rennen zu gewinnen<br />

und Froome zu schlagen.<br />

Trotzdem glaubt Contador, dass Quintana<br />

schon im Jahr seines Tour-Durchbruchs Risiken<br />

scheute. „Vielleicht hat diese Art, Rennen zu fahren,<br />

Quintana auch um die Tour gebracht, die er<br />

2013 hätte gewinnen können. Im Nachhinein hat<br />

man immer leicht reden, aber wenn er in dem Jahr<br />

ambitionierter gewesen wäre, wäre das die erste<br />

Tour für Kolumbien gewesen.“<br />

Der kolumbianische Journalist Luis Barbosa,<br />

der seit über 20 Jahren über Radsport schreibt,<br />

glaubt, dass Quintana ab 2015 eine defensivere<br />

Strategie anwandte, als er auf der 10. Etappe bei<br />

der Bergankunft in La Pierre-Saint-Martin Froome<br />

und dem damaligen Sky-Domestiken Richie Porte<br />

unterlag. Selbst gegen Froomes Helfer konnte<br />

Quintana nichts ausrichten.<br />

Dieser gewaltige Dämpfer für seine Moral<br />

könnte erklären, warum Quintana eine Weile<br />

brauchte, um Vincenzo Nibali zu folgen, als der<br />

Italiener Froome in dem Jahr in der dritten Woche<br />

in den Alpen zu attackieren begann. (Eine andere,<br />

nicht so nette Theorie ist, dass Quintana die Anweisung<br />

hatte, Alejandro Valverdes dritten Gesamtplatz<br />

zu beschützen.) Was auch immer der<br />

Grund war: Da Froome damals erklärte, unter einer<br />

Atemwegsinfektion zu leiden, kostete diese<br />

Entscheidung Quintana vielleicht den Toursieg.<br />

Während bei Quintana langsam der Dampf aus<br />

dem Kessel entwichen ist und er seine Attacken<br />

heruntergeschraubt hat, wird spekuliert, dass<br />

Movistars Entschluss, frische Fahrer wie Mikel<br />

Landa einzukaufen, sowie ihr fortgesetztes Vertrauen<br />

in Alejandro Valverdes Rundfahrer-Qualitäten<br />

das Selbstbewusstsein des Kolumbianers<br />

untergraben haben. Dass sein Bruder Dayer<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 73


L E TO U R<br />

20<br />

19<br />

DIE FAVORITEN<br />

NAIRO QUINTANA<br />

aus der Mannschaft für 2019 genommen wurde,<br />

war eine weitere Veränderung, die dem Kolumbianer<br />

Berichten zufolge nicht gefiel. Derweil war<br />

das Unvermögen von Movistar, den Allrounder<br />

Jonathan Castroviejo zu behalten – einer der wenigen<br />

Teamkollegen, dem Quintana nahestand,<br />

der aber letztes Jahr zu Sky wechselte –, ein weiterer<br />

Schlag.<br />

Ein extrovertierterer Fahrer hätte versuchen<br />

können, sich in seinem Team durch ein paar gut<br />

getimte Botschaften in den Medien in eine bessere<br />

Position zu manövrieren. Aber stattdessen hielt<br />

Quintana sich bedeckt, wie so oft. Zu Hause in Kolumbien<br />

fallen die interne Politik von Movistar und<br />

Quintanas mangelnde Angriffslust bei den Rennen<br />

kaum auf, so groß sind Quintanas Popularität und<br />

sein Ansehen. Ob er bei der Tour von Movi stars<br />

Co-Kapitänen umgeben ist oder alleine um den<br />

sueño amarillo kämpft, ob er defensiv oder aggressiv<br />

fährt, Quintana ist dort weiterhin der größte<br />

Favorit für den Toursieg. Er ist ein Idol für die kolumbianische<br />

Öffentlichkeit im Allgemeinen.<br />

„Rigoberto Urán hat Kolumbien das Gesamtklassement<br />

der Tour wieder schmackhaft gemacht<br />

und er hat eher eine Rockstar-Aura, die ihn umgibt“,<br />

sagt Movistar-Fahrer Winner Anacona zu<br />

<strong>Procycling</strong>. „Aber ich glaube, wenn die spanischen<br />

Jungs in unserem Team hierher kommen, um die<br />

Colombia Tour zu fahren, werden sie wirklich<br />

überrascht sein, was Nairo den normalen Leuten<br />

bedeutet, was für ein Star er in Wirklichkeit ist.“<br />

„Nairo ist eine öffentliche Person“, schrieb der<br />

Journalist Manuel Martínez in diesem Jahr in<br />

L’Equipe. „Er ist wie die Fußballspieler Falcao oder<br />

James Rodríguez oder der Popsänger Carlos Vives<br />

– er hat sogar seine eigene Statue auf dem zentralen<br />

Platz in Cómbita, dem Ort seiner Eltern. Und<br />

er macht sich für gesellschaftliche Belange stark.“<br />

Martínez erwähnt, dass im Februar, als eine Autobombe<br />

vor einer Polizeistation in Bogotá explodierte<br />

und 20 Menschen tötete, Quintana an dem<br />

Trauer- und Protestzug gegen Gewalt teilnahm.<br />

Aber diejenigen, die ihn gut kennen, sind überzeugt,<br />

dass ihn dieses soziale Engagement weder<br />

ablenkt noch seine Leistung beeinträchtigt. „Er<br />

arbeitet unglaublich hart“, bescheinigt ihm Chaves.<br />

„Er ist nicht nur ein Naturtalent“, so Anacona,<br />

„sondern hat sich seinen Platz im Sport verdient.<br />

DIE RUNDFAHRT-RESULTATE<br />

VON MOVISTARS KAPITÄNEN<br />

NAIRO<br />

QUINTANA<br />

5 16 4<br />

GRAND-TOUR-<br />

ETAPPENSIEGE<br />

TOUR-<br />

ERGEBNISSE<br />

2013: 2., 2015: 2.,<br />

2016: 3., 2017: 12.,<br />

2018: 10.<br />

ALEJANDRO<br />

VALVERDE<br />

GRAND-TOUR-<br />

ETAPPENSIEGE<br />

TOUR-<br />

ERGEBNISSE<br />

2005, 2006: DNF, 2007: 5.,<br />

2008: 8., 2012: 20., 2013: 8.,<br />

2014: 4., 2015: 3., 2016: 6.,<br />

2017: DNF, 2018: 14.<br />

MIKEL<br />

LANDA<br />

GRAND-TOUR-<br />

ETAPPENSIEGE<br />

2 2 1 1 4 11<br />

3 0 1<br />

GIRO TOUR VUELTA GIRO TOUR VUELTA GIRO TOUR VUELTA<br />

TOUR-<br />

ERGEBNISSE<br />

2016: 35.,<br />

2017: 4.,<br />

2018: 7.<br />

Ich bin als Amateur nie gegen ihn gefahren, aber<br />

ich erinnere mich an ihn von einem Eintagesrennen,<br />

der Clásica de Tunja, die verschiedene Rennen<br />

für alle Kategorien – U23, Junioren und so weiter<br />

– am selben Tag hat. Er war nicht der Beste, aber<br />

selbst wir Senioren konnten sehen, dass Nairo es<br />

draufhatte und entschlossen war, Erfolg zu haben.“<br />

Er fügt hinzu: „Als er Zweiter der Tour 2013<br />

wurde, war es eine Überraschung, aber keine so<br />

große Überraschung. Für mich war es eher eine<br />

Bestätigung dessen, was er im Vorjahr geleistet<br />

hatte und was er schon immer war.“<br />

Auf der anderen Seite sorgen diese Popularität<br />

und diese hohe Erwartung in Kombination mit<br />

diesem frühen Erfolg für einen enormen zusätzlichen<br />

Druck. Es war fast so, als wäre Quintana<br />

verpflichtet, das Gelbe Trikot in Paris zu tragen.<br />

„Ich weiß nicht, ob man sagen kann, dass die<br />

Tour eine Obsession für ihn ist, aber es ist eine<br />

Art Notwendigkeit. Er hat dem Peloton und dem<br />

Rest des Feldes sowie Kolumbien im Allgemeinen<br />

schon gezeigt, dass er es kann. Er kann die Tour<br />

gewinnen“, sagt Barbosa. Wie in letzter Sekunde<br />

und vielleicht aufgrund des Gefühls, von einer<br />

jüngeren Generation verdrängt zu werden, hat<br />

sich Quintanas Rennstrategie in diesem Jahr verändert.<br />

Paris–Nizza, wo er Zweiter wurde, war<br />

ein Hinweis darauf; sein Trainerwechsel zu dem<br />

Ita liener Michele Bartoli gilt als weiterer. Ebenso<br />

wie die zunehmende Zeit, die Quintana in Kolumbien<br />

verbringt, wie Barbosa erklärt. Er ist vor<br />

der diesjährigen Tour für einige Zeit in seine Heimat<br />

zurückgekehrt und hat sich ausgedehntem<br />

Höhentraining gewidmet.<br />

Gegen Quintana spricht: Wenn er wieder alleiniger<br />

Kapitän bei der Tour sein will, haben die<br />

Umstände und die Teampolitik bereits anders<br />

entschieden. „Es ist schwer zu verstehen, warum<br />

Movistar seine drei Kapitäne alle wieder zur Tour<br />

schickt, nachdem sie mit dieser Strategie schon<br />

letztes Jahr gescheitert sind“, bemerkt Barbosa.<br />

„Bei einem hypothetischen Machtkampf sollte<br />

Nairo aufgrund seiner Resultate die Oberhand<br />

haben. Aber dass das Team kein Vertrauen zu ihm<br />

hat, das schwächt ihn.“<br />

Der Journalist beschreibt weiter, wie die Situation<br />

bei Movistar Quintana zu schaffen macht:<br />

„Wenn die anderen nicht erreichen, was das<br />

Team von ihnen verlangt, muss Nairo dem Team<br />

den Hintern retten. Es ist kein Zufall, dass er<br />

bei jeder großen Rundfahrt, die er gewonnen hat,<br />

der einzige Kapitän war. Aber bei der Vuelta a<br />

España im letzten Jahr – wie kann es sein, dass<br />

Valverde zu Anfang sagt: ‚Ich bin hier, um Nairo<br />

zu helfen‘, dann drei Wochen lang in der Gesamtwertung<br />

vor ihm liegt, und an den letzten<br />

drei Tagen bricht Valverde ein, und dann muss<br />

Nairo wieder die Lage retten? Wie kommt jemand<br />

mental damit zurecht?“<br />

74 PROCYCLING | JULI 2019


Quintana failed to<br />

challenge for the 2018<br />

Tour, but won stage 17<br />

with a solo attack<br />

„WENN DIE ANDEREN NICHT ERREICHEN, WAS DAS TEAM<br />

VERLANGT, MUSS NAIRO DEM TEAM DEN HINTERN RETTEN.<br />

ES IST KEIN ZUFALL, DASS ER BEI JEDER GROSSEN RUND-<br />

FAHRT, DIE ER GEWONNEN HAT, DER EINZIGE KAPITÄN WAR.“<br />

LUIS BARBOSA<br />

Man hat zunehmend das Gefühl, dass Quintana<br />

diese Situation nicht mehr lange erträgt. Sein<br />

Vertrag läuft Ende 2019 aus, und bereits im Februar<br />

wurde berichtet, dass Quintana offen über<br />

die Notwendigkeit spekuliere, Movistar am<br />

Jahres ende zu verlassen. Dann nahm er seine<br />

Aussage zurück, aber die Gerüchte, dass er das<br />

Team verlassen könnte, haben sich im Laufe der<br />

Monate gehalten.<br />

Angesichts der Komplexität der Situation könnten<br />

Quintanas Rennen in diesem Sommer erhebliche<br />

Auswirkungen auf seine Zukunft haben. „Es ist<br />

nicht seine letzte Chance, die Tour zu gewinnen,<br />

aber es könnte durchaus seine letzte Chance sein,<br />

sie mit Movistar zu gewinnen“, argumentiert Barbosa.<br />

Das Ausscheiden von Chris Froome könnte<br />

dem Kolumbianer dabei in die Karten spielen.<br />

Aber ist er körperlich dazu in der Lage? „Ein ­<br />

mal ein Champion, immer ein Champion“, urteilt<br />

Chaves. „Es ist schwer vorherzusagen. Nur die<br />

Zeit wird es zeigen. Aber mein Instinkt sagt, dass<br />

er es noch schaffen wird. Und er hat es verdient<br />

– und sei es nur, weil er dem Druck der Erwartungen<br />

so lange standgehalten hat. Und denken Sie<br />

dran: Er ist erst 29. Er ist noch ein Kind.“<br />

Es wäre also unfair zu sagen, dass 2019 für<br />

Quintana Endstation bei der Tour ist. Aber in diesem<br />

Juli steht er an einem großen Kreuzweg in<br />

seiner Karriere, vielleicht dem größten von allen.<br />

Und eine ganze Nation schaut zu.<br />

© Kramon<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 75


L E TO U R<br />

20<br />

19<br />

IHRE<br />

ROLLE<br />

IST GOLD<br />

WERT<br />

Angesichts der auf acht Fahrer reduzierten Teams und<br />

unzähligen potenziellen Gefahren, die auf den heutigen<br />

Tour-Routen warten, sind vielseitige Allrounder, die mehrere<br />

Rollen übernehmen können, oft entscheidend für die Teamkapitäne.<br />

<strong>Procycling</strong> spricht mit den wertvollsten Helfern im Tour-Peloton.<br />

Interviews Sophie Hurcom Fotografie Getty Images<br />

76 PROCYCLING | JULI 2019


„RADSPORT IST DAS GESETZ DES STÄRKEREN“<br />

STEFAN<br />

KÜNG<br />

Der Schweizer<br />

Zeitfahr-<br />

Weltmeister ist<br />

Experte dafür, im<br />

Wind und an der<br />

Spitze des<br />

Pelotons zu<br />

fahren.<br />

Wenn du dir alle Rennen anschaust,<br />

bleiben von den 80 Tagen<br />

vielleicht zehn Zeitfahren<br />

und Mannschaftszeitfahren, auf die ich<br />

mich wirklich konzentriere. Dann hast du<br />

vielleicht zehn Klassiker, die du auch mit<br />

voller Power fährst, aber es gibt 60 andere<br />

Tage, wo ich wirklich etwas beitragen will.<br />

Bei der Tour de France 2017 waren es<br />

auf der Etappe nach La Planche des Belles<br />

Filles nur ich und Mickey [Schär], die die<br />

Ausreißergruppe mit acht Fahrern in<br />

Schach hielten, Fahrern wie Boasson Hagen<br />

und Gilbert. Jeder hat es gesehen, und<br />

am nächsten Tag kamen alle zu uns und<br />

sagten: „Ihr wart wie Motorräder.“ Das<br />

Team sieht das, und wenn das Tour-Aufgebot<br />

zusammengestellt wird, heißt es: „Wir<br />

wollen einen Sprinter mitnehmen und wir<br />

wollen im Mannschaftszeitfahren konkurrenzfähig<br />

sein.“ Dann wissen sie, sie haben<br />

einen Fahrer wie mich … Du bist mehrere<br />

Fahrer wert. Wenn sie wissen, dass du für<br />

zwei arbeiten kannst, bist du viel wertvoller.<br />

Für mich war die reduzierte Größe der<br />

Teams nie ein Problem, denn bis jetzt war<br />

es bei keinem Rennen die Frage, ob ich dabei<br />

bin oder nicht. Ich weiß, dass es schwer<br />

für einige Fahrer ist, die am Limit sind,<br />

aber für meinen Wert ist es gut. Es ist<br />

wirklich gut, vielseitig zu sein.<br />

Wenn es Windstaffeln gibt, sind es immer<br />

dieselben Fahrer, daher respektiert<br />

man sich, weil man die Qualitäten der anderen<br />

kennt. Es hat keinen Sinn, gegen sie<br />

zu kämpfen, weil du sowieso im selben<br />

Boot sitzt. Luke [Rowe] versucht seinen<br />

Kapitän zu beschützen, Oliver [Naesen]<br />

versucht Romain zu beschützen, und es ist<br />

gut, mit den Jungs vorn zu sein und sich<br />

ihren Respekt zu verdienen. Wie verdient<br />

man sich diesen Respekt? Radsport ist ein<br />

einfacher Sport, es ist das Gesetz des Stärkeren.<br />

Nicht, indem man eine große Klappe<br />

hat oder schreit, sondern indem man zeigt,<br />

was man kann. Was Luke bei Paris–Nizza<br />

gemacht hat, blieb nicht unbemerkt – wir<br />

waren bei Tirreno, und alle redeten darüber.<br />

Das beste Feedback, das man haben<br />

kann, ist, wenn du das Gefühl hast, dass<br />

der Kapitän 100-prozentiges Vertrauen zu<br />

dir hat. Wenn es einfach so ist, dass er immer<br />

nach dir Ausschau hält und bei dir<br />

bleibt, ist es das beste Feedback, weil du<br />

dann weißt, dass du deinen Job richtig<br />

machst. Ich habe das Gefühl, dass ich für<br />

meinen Kapitän verantwortlich bin. Wenn<br />

es bei der diesjährigen Tour de France eine<br />

Seitenwind-Situation gibt und ich nicht<br />

vorne bei Thibaut [Pinot] bin, würde ich<br />

mir Vorwürfe machen, denn es ist mein<br />

Job, ihn in die richtige Position zu bringen.<br />

Vielleicht ist dein Lohn nicht der Sieg, sondern<br />

in der Lage zu sein, deinen Kapitän<br />

dorthin zu bringen, wo er ohne dich vielleicht<br />

nicht hinkäme.<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 77


„WENN SIE DIR VERTRAUEN, FOLGEN SIE DIR“<br />

© Kramon (groß), Yuzuru Sunada<br />

LUKE<br />

ROWE<br />

TEAM INEOS<br />

Jetzt Capitaine de<br />

Route, hat Rowe<br />

die letzten vier<br />

Frankreich-<br />

Rundfahrten<br />

bestritten, die das<br />

Team gewonnen<br />

hat, und galt als<br />

„wesentlich“ für<br />

den Sieg von<br />

Geraint Thomas<br />

2018.<br />

Bei den letzten vier Frankreich-<br />

Rundfahrten, an denen ich 2015,<br />

2016, 2017 und 2018 teilgenommen<br />

habe, haben wir das Gelbe Trikot<br />

immer ziemlich früh geholt, und das<br />

bedeutete viel Zeit an der Spitze – und<br />

das ist ein großer Teil meines Jobs. Um<br />

das leisten zu können, muss man etwas<br />

besser klettern können. Du kannst bei<br />

einem Rennen viel weiter gehen. Je länger<br />

ich vorne bleiben und das Tempo vorgeben<br />

kann, umso mehr Fahrer und zahlenmäßige<br />

Stärke haben wir gegen Ende<br />

des Rennens. Jeder Kilometer, den ich<br />

Tempo machen kann, heißt ein Kilometer<br />

weniger, den andere Jungs Tempo machen<br />

müssen.<br />

Ein Fahrer weniger bei Tour-Teams<br />

bedeutet ein Helfer weniger, da das Team<br />

immer den Topfahrer mitnimmt. Das hat<br />

einen Dominoeffekt: Es erhöht den Wert<br />

eines Fahrers, der viele Rollen spielen<br />

kann. Wenn du jemanden hast, der sich<br />

bei Sprintankünften um einen Fahrer<br />

kümmern, an der Spitze fahren und<br />

halbwegs anständig klettern kann, ist er<br />

sehr wertvoll.<br />

Das ist mit viel Druck verbunden. Bei<br />

Paris–Nizza in diesem Jahr war klar, dass<br />

es auf den ersten Etappen Seitenwind geben<br />

würde, und wir hatten ein Team, das<br />

eigentlich nur aus Kletterern bestand. Es<br />

ist klar, dass du dort antrittst und eine Aufgabe<br />

hast, und wenn du diese Aufgabe<br />

nicht erfüllst, sind deine Klassementfahrer,<br />

Kwiato und Bernal, komplett isoliert. Es ist<br />

nicht der Job der Kletterer, dort zur Stelle<br />

zu sein, sie haben es am Col de Turini krachen<br />

lassen, das ist mein Job im Wind.<br />

Große Kapitäne – Kwiato, Bernal, G<br />

und Froomey – lassen dich besser werden,<br />

als du bist. Sie folgen deinem Hinterrad.<br />

Aber es wichtig, dass sie dir vertrauen.<br />

Wenn sie dir vertrauen, folgen sie dir, was<br />

immer du machst. Wenn ich nicht zur<br />

richtigen Zeit am richtigen Ort bin, verliere<br />

ich ihr Vertrauen, aber wenn du es regelmäßig<br />

richtig machst und sie das sehen,<br />

wird es leichter.<br />

In jedem Team gibt es immer einen oder<br />

zwei Fahrer für diese Aufgabe. Du weißt,<br />

wer sie sind – Bernie Eisel, Michael Schär,<br />

Marcus Burghardt, diese Jungs sind die<br />

Besten in der Welt. Sie versuchen alle,<br />

denselben Job zu machen, deswegen ist<br />

es einfacher, miteinander klarzukommen<br />

und zu akzeptieren, dass wir es nicht alle<br />

perfekt machen, weil wir alle in diese erste<br />

Kurve wollen und nur einer von uns das<br />

kann. Als ich zu Sky kam, war das Team<br />

etwas älter. Wir hatten Fahrer wie Bernie<br />

Eisel und Mat Hayman und ich hatte das<br />

Glück, unter ihnen Profi zu werden. Was<br />

sie mir gegeben haben, war sehr wertvoll<br />

und ich werden ihnen immer dankbar dafür<br />

sein, was sie mir beigebracht haben.<br />

78 PROCYCLING | JULI 2019


L E TO U R<br />

20<br />

19<br />

„ENTWEDER<br />

HAST DU ES<br />

ODER DU HAST<br />

ES NICHT“<br />

MICHAEL<br />

SCHÄR<br />

CCC TEAM<br />

Mit 13 Jahren Erfahrung gilt der<br />

Schweizer vielen als bester Road<br />

Captain im Peloton.<br />

Es ist natürlich ein Mannschaftssport,<br />

aber in jedem Team gibt es<br />

einige Fahrer, die dieselben Resultate<br />

anstreben, und das ist bei jedem Rennen<br />

gleich. Du musst dir das Vertrauen<br />

deiner Kapitäne erarbeiten, was das Wichtigste<br />

ist; wenn sie deinem Hinterrad nicht<br />

vertrauen, weil du seltsam fährst, machst<br />

du es nicht richtig. Das Erste ist Vertrauen,<br />

und dann musst du das Rennen verstehen,<br />

die kleinen Aktionen machen und nicht zu<br />

viel Energie verschwenden, wenn es nicht<br />

nötig ist. Ich glaube nicht, dass das mit der<br />

Erfahrung zusammenhängt, entweder<br />

hast du es oder du hast es nicht … Du bist<br />

einer dieser Kämpfer, die in jedem Finale<br />

sind. Jeden Tag berühren sich meine Ellbogen<br />

mit denen von Luke Rowe – es sind<br />

immer dieselben Jungs. Es sind acht oder<br />

zehn Jungs. Wir kennen uns, wir lachen,<br />

aber gehen nicht zimperlich miteinander<br />

um. Marcel Sieberg ist ein guter Freund<br />

von mir, aber wenn das Finale im Gange<br />

ist, sind unsere Ellbogen nebeneinander,<br />

während wir zehn Kilometer vorher noch<br />

plauderten. Das ist der Punkt, du hast es<br />

entweder drauf oder nicht. Das siehst du<br />

bei vielen Neuprofis: Sie haben es nicht<br />

raus, und plötzlich kriegen sie es raus.<br />

Nathan van Hooydonck kam letztes Jahr<br />

zum Team und ich sagte am ersten Tag:<br />

Shit, das ist ein harter Bursche, der kämpfen<br />

kann. Das wird er seine ganze Karriere<br />

haben.<br />

„VORNE BIST DU IMMER MIT<br />

DENSELBEN JUNGS ZUSAMMEN“<br />

Meine Rolle hat sich sehr entwickelt,<br />

seit ich 2017 zum Team<br />

kam.<br />

Ich erinnere mich an den Telefonan -<br />

ruf von Vincent Lavenu, und er sagte:<br />

„Nach den Klassikern sind wir immer<br />

das letzte Team in der WorldTour mit<br />

null Punkten. Wir wollen einfach einen<br />

Klassiker-Kapitän, der regelmäßig zwischen<br />

dem 10. und 20. Platz landet und<br />

ein paar Punkte holt.“ Ich dachte: Okay,<br />

ich bin Profi im zweiten Jahr und das ist<br />

etwas, was ich schaffe. Die Erwartungen<br />

waren nicht so hoch. Dann erreichte ich<br />

2017 einen Podestplatz [Dritter E3 Harelbeke],<br />

und im folgenden Jahr wollten<br />

sie weitere Podestplätze.<br />

Die Rolle, die ich im Team habe, ist Kapitän<br />

für die Eintagesrennen und Helfer<br />

für Romain bei den Rundfahrten. Das ist<br />

eine Rolle, die ich wirklich liebe, sie liegt<br />

mir sehr gut. Im letzten Jahr sind die<br />

Teams bei der Tour um einen Mann kleiner<br />

geworden, und für einen Fahrer wie<br />

mich war das das Beste. Denn wenn du<br />

Spezialist für das Fahren im Flachen oder<br />

fürs Klettern oder sonst etwas bist, brauchen<br />

die Teams, wenn sie kleiner werden,<br />

mehr vielseitige Fahrer wie mich.<br />

Vorne bist du immer mit denselben<br />

Jungs zusammen. Ich erinnere mich an<br />

den ersten Tag von Paris–Nizza, ich fuhr<br />

die ganze Zeit neben Luke Rowe. Ich habe<br />

auch erkannt, wenn ich nicht da gewesen<br />

wäre, hätte es eine große Chance gegeben,<br />

dass Romain am Ende nicht Vierter oder<br />

Fünfter gewesen wäre. Wie bei der Tour<br />

de France ist es superwichtig, dass ein Typ<br />

wie ich da ist.<br />

Wenn du neu im Feld bist und versuchst,<br />

vor einer wichtigen Stelle auf Position<br />

zu fahren, lassen die anderen Fahrer<br />

oder Teams dich nicht rein. Sie denken:<br />

Verdammt, der Typ wird eine Lücke aufgehen<br />

lassen. Wenn ich jetzt eine der vorderen<br />

Positionen übernehme, legt sich keiner<br />

mit mir an, selbst wenn es ein langer Anstieg,<br />

eine Kopfsteinpflasterrampe oder<br />

Wind ist. Ich habe das Gefühl, wirklich<br />

respektiert zu werden, und jeder ist zufrieden,<br />

mich an der Spitze zu sehen. Ich<br />

glaube nicht, dass sich irgendjemand Sorgen<br />

macht, dass ich Lücken aufgehen lasse,<br />

daher bekomme ich viel Platz.<br />

OLIVER<br />

NAESEN<br />

AG2R LA<br />

MONDIALE<br />

Der 29 Jahre alte<br />

Belgier ist ein<br />

Klassiker-<br />

Spezialist und<br />

brutal stark im<br />

Flachen. Das<br />

macht ihn zu<br />

einem wichtigen<br />

Leutnant für<br />

Romain Bardet.<br />

Naesen, ehemals<br />

belgischer Meister,<br />

war für Bardet bei der<br />

Tour unverzichtbar.<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 79


L E TO U R<br />

20<br />

19<br />

„ICH WUSSTE, DASS ICH MICH<br />

UNERSETZLICH MACHEN MUSSTE“<br />

DARYL<br />

IMPEY<br />

MITCHELTON-<br />

SCOTT<br />

Der südafrikanische<br />

Allrounder<br />

kann in Sprintzügen,<br />

bei<br />

Mannschaftszeitfahren,<br />

bei<br />

knackigen<br />

Anstiegen und in<br />

den Bergen<br />

fahren.<br />

Ich hätte nie gedacht, dass ich so vielseitig<br />

werden würde, das ist meine<br />

Stärke. Als ich zum Team kam und<br />

für die Tour ausgewählt wurde, hielt ich<br />

es für Glück, da ich Sprintanfahrer war.<br />

Ich wusste, dass ich mich unersetzlich<br />

machen musste, sodass ich in jedes Szenario<br />

passen würde. Da habe ich die Lücke<br />

gefüllt und meinen Platz zementiert. Ich<br />

habe diese Seite von mir immer beibehalten<br />

– dass ich nicht zu eindimensional<br />

bin. Meine größte Motivation war, alle<br />

Anforderungen zu erfüllen. Bevor ich hier<br />

unterschrieben habe, habe ich immer um<br />

ein Team gekämpft, bekam immer Einjahresverträge<br />

und kam nie zur Ruhe. Als<br />

ich zu diesem Team kam, habe ich gesehen,<br />

dass sie es zu schätzen wissen, wenn<br />

ich die Sprints anfahre.<br />

Ich habe mir besondere Mühe gegeben;<br />

vielleicht kann ich die Sprints anfahren<br />

und in den Hügeln helfen. Wenn ich meinen<br />

Job mache und ein bisschen mehr,<br />

weiß dieses Team es vielleicht zu schätzen.<br />

Es gibt nicht allzu viele Fahrer im Peloton,<br />

die all das können. Es gibt nicht viele<br />

Jungs, die verschiedene Rollen übernehmen<br />

können und sagen: „Okay, heute<br />

fahre ich den Sprint an und morgen gehen<br />

wir in die Berge.“ Ich habe gesehen,<br />

dass das meine Stärke war und meine<br />

Zuverlässigkeit.<br />

Viele Teams erkennen, dass du nur<br />

ein paar Spezialisten brauchst, und<br />

dann brauchst du die Pferde, um sie<br />

zu unterstützen. Wenn du jemand bist,<br />

der alles kann und zuverlässig ist – was<br />

wahrscheinlich das Wichtigste ist –,<br />

dann steigt dein Wert. Viele Teams<br />

suchen jetzt nach Typen, die solide<br />

sind; die Teams werden kleiner, es gibt<br />

weniger Sponsoren, es gibt keinen Platz<br />

mehr für Fahrer, die nur Statisten sind.<br />

Es ist für Fahrer wie mich besser geworden.<br />

Früher hieß es: „Oh, er ist Domestik,<br />

er gehört nicht dazu.“ Die Leute<br />

nehmen die Helfer heute anders wahr<br />

als früher.<br />

Impeys Vielseitigkeit<br />

macht ihn zu einem<br />

wichtigen Fahrer für<br />

Mitchelton-Scott bei<br />

der Tour.<br />

© Kramon (groß)<br />

80 PROCYCLING | JULI 2019


„ICH KANN EINEN JOB MACHEN, FÜR DEN<br />

ANDERE TEAMS ZWEI FAHRER BRAUCHEN“<br />

MARCUS<br />

BURG-<br />

HARDT<br />

BORA–<br />

HANSGROHE<br />

Der Deutsche hat<br />

zehn Frankreich-<br />

Rundfahrten als<br />

Helfer für Cadel<br />

Evans, Richie<br />

Porte, Greg Van<br />

Avermaet und<br />

jetzt Peter Sagan<br />

bestritten.<br />

Meine Hauptrolle ist, die jüngeren<br />

Fahrer anzuleiten, aber in den<br />

letzten 15 Jahren habe ich fast<br />

alles erlebt, was in einem Rennen passieren<br />

kann. Daher können die jungen Fahrer mich<br />

fragen: „Was machen wir jetzt und wann<br />

greifen wir an und was ist wichtig?“ Und es<br />

geht auch darum, ihnen Tipps vor oder nach<br />

dem Rennen zu geben, zur Vorbereitung.<br />

Das Grüne Trikot ist immer ein großes<br />

Ziel für Peter Sagan, und ihn im Rennen<br />

zu haben, nicht nur bei der Tour de France,<br />

macht es viel schwieriger, weil du immer<br />

die Verantwortung übernehmen musst,<br />

wenn er startet. Es kommt nicht oft vor,<br />

dass er nicht in Form ist und wir sagen:<br />

Nein, wir fahren nicht. Meistens nehmen<br />

wir das Rennen in die Hand. Er hat genug<br />

Erfahrung für die Sprints, ich kann ihm<br />

nur helfen, indem ich ihn für die letzten<br />

Kilometer frisch halte, dann muss er entscheiden,<br />

wie er den Sprint fährt.<br />

Es war nie wirklich ein großes Problem<br />

für mich, vorne zu bleiben; ich habe es in<br />

den ersten Jahren gemacht, als ich Profi<br />

wurde, ich bin also mehr oder weniger in<br />

der ersten Reihe des Pelotons groß geworden.<br />

Ich glaube, das Team weiß, dass ich,<br />

wenn ich bei einem Rennen bin, das Auge<br />

dafür habe zu wissen, wann es wichtig ist,<br />

nach vorne zu fahren und wann man ein<br />

bisschen entspannen kann. Sie wissen,<br />

dass sie mir vertrauen können, und das<br />

ist auch wichtig für die jungen Fahrer, für<br />

die Sprinter, für die Klassementfahrer –<br />

sie bleiben hinter dir, und wenn du nicht<br />

gehst, gehen sie auch nicht. Wenn ich<br />

gehe, ist es wichtig und im richtigen Moment,<br />

denke ich.<br />

Wenn du mit den Klassementfahrern<br />

wie Cadel oder Richie Porte fährst, bleiben<br />

sie wirklich hinter dir, denn die Tour ist drei<br />

Wochen lang, und je mehr Zeit sie in meinem<br />

Windschatten verbringen, umso mehr<br />

Power haben sie am Ende des Rennens.<br />

Ich kann einen Job alleine machen,<br />

für den andere Teams vielleicht zwei Fahrer<br />

brauchen, und wenn du das liefern<br />

kannst, ist es viel wichtiger. Dann können<br />

sie vielleicht einen Sprintanfahrer mehr<br />

oder einen Kletterer mehr mit zur Tour<br />

nehmen.<br />

© BettiniPhoto (groß)<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 81


© Velofocus<br />

82 PROCYCLING | JULI 2019


LA COURSE<br />

20<br />

19<br />

Für viele war das<br />

letztjährige La Course<br />

das spannendste Rennen<br />

des Sommers. Aber die<br />

A.S.O. weigert sich, den<br />

Frauenradsport weiter<br />

auszubauen. <strong>Procycling</strong><br />

fragt, warum.<br />

Text Richard Moore<br />

Fotografie Getty Images<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 83


LA COURSE<br />

20<br />

19<br />

LA COURSE<br />

Als Tour-de-France-Direktor Christian<br />

Prudhomme bekanntgab, dass sich La<br />

Course by Le Tour de France 2017 von<br />

den Champs-Élysées entfernen und zu einem<br />

zweitägigen Rennen mit einer Bergetappe und<br />

einem Zeitfahren würde, schien weiteres Wachstum<br />

nur eine Frage der Zeit zu sein. Aus zwei Tagen<br />

würden doch bestimmt drei, vier, fünf, sechs<br />

werden … Bis dahin war das Rennen der Frauen,<br />

seit 2014 am letzten Tag der Tour ausgetragen,<br />

kaum mehr als ein Kirmesrennen in der Hauptstadt<br />

gewesen. Es bot den Topfahrerinnen der<br />

Welt die Bühne, aber nicht die sportlichen Herausforderungen,<br />

die sie wollten.<br />

Aber das La Course 2017 flachte ein wenig ab,<br />

nachdem Annemiek van Vleuten am Col d’Izoard<br />

gewonnen hatte. Als Innovation starteten die<br />

Fahrerinnen beim Zeitfahren zwei Tage später in<br />

Marseille in der Reihenfolge, in der sie den Izoard<br />

erreicht hatten, mit den gleichen Zeitabständen.<br />

Vielleicht war dies eine Neuerung, die eines Tages<br />

auf das Rennen der Männer übertragen werden<br />

würde.<br />

Oder vielleicht nicht. Van Vleutens Vorsprung<br />

von 43 Sekunden auf Lizzie Deignan war zu groß.<br />

Das Rennen war gelaufen, bevor van Vleuten, eine<br />

der stärksten Zeitfahrerinnen der Welt, im Stade<br />

Vélodrome in Marseille vor spärlich besetzten<br />

Rängen von der Startrampe rollte.<br />

Und damit schien der Fortschritt stillzustehen.<br />

Im letzten Jahr wurde La Course wieder auf einen<br />

Tag gestutzt und auf einen frühen Dienstagmorgen<br />

gelegt. Es wirkte nicht sehr verheißungsvoll.<br />

Und trotzdem war das Rennen – nur 112 Kilometer<br />

vom Ufer des Lac d’Annecy in die schöne<br />

Alpenstadt Le Grand-Bornand – ein absoluter<br />

Thriller: aggressiv und mit einem packenden Finale,<br />

in dem van Vleuten Anna van der Breggen<br />

verfolgte und auf den letzten Metern stellte.<br />

2019 wurde das Format erneut geändert; die<br />

Frauen absolvieren fünfmal den 27-Kilometer-<br />

Rundkurs um Pau, den die Männer auf der<br />

13. Etappe als Zeitfahren in Angriff nehmen.<br />

Es wird ein sportlicher Kurs über 121 Kilometer<br />

und die Côte d’Esquillot für die Puncheurinnen,<br />

wie die A.S.O. sagt. Schwer zu sagen, ob das ein<br />

Fortschritt ist. Es hat Vorteile, La Course am selben<br />

Tag wie ein Zeitfahren abzuhalten, das später<br />

beginnt als eine konventionelle Straßenetappe.<br />

Obwohl bei Redaktionsschluss nichts Genaues<br />

bekannt war, könnte es für eine zuschauerfreundlichere<br />

Startzeit sprechen als der letztjährige<br />

Termin im Morgengrauen, als ungefähr doppelt<br />

so viele Fahrerinnen wie Zuschauer da waren.<br />

Wenigstens wird das Rennen live im Fernsehen<br />

übertragen. Das kann man von anderen von der<br />

A.S.O. organisierten Frauenrennen, darunter<br />

Flèche Wallonne und Lüttich–Bastogne–Lüttich,<br />

nicht sagen, was dazu führen könnte, dass sie<br />

nächstes Jahr aus der Women’s WorldTour<br />

(WWT) herausfallen. Der Grund dafür ist, dass<br />

sie nicht die 45 Minuten Liveübertragung garantieren<br />

können, die 2020 entsprechend den UCI-<br />

Reformen nötig sind, die den Frauenradsport in<br />

den nächsten drei Jahren fördern und professioneller<br />

machen sollen.<br />

Einige der Topfahrerinnen, darunter die fünffache<br />

Flèche-Wallonne-Siegerin van der Breggen,<br />

sprachen über die fehlende Fernsehberichterstattung<br />

von den beiden von der A.S.O. organisierten<br />

Ardennenklassikern, die auf ein packendes und<br />

im Fernsehen zu sehendes Amstel Gold Race<br />

folgten, das von der Amstel Gold Race Foundation<br />

organisiert wird. Van der Breggen wies darauf<br />

hin, dass die A.S.O.-Rennen ihr Recht verlieren,<br />

zur WWT zu gehören, wenn sie nicht übertragen<br />

werden. Anfangs schien die A.S.O. diese Folge<br />

zu akzeptieren, als sie mitteilte, dass sie und das<br />

RTBF, der öffentlich-rechtliche Rundfunk für<br />

die Wallonie, keine Liveberichterstattung anbieten<br />

können.<br />

Die UCI sagte daraufhin, es seien Gespräche<br />

im Gang, was darauf hindeutet, dass es eine Lösung<br />

für das Problem geben könnte. Es dürfte<br />

dem Weltradsportverband viel daran liegen, eine<br />

zu finden, da ihre ehrgeizigen Pläne für die Entwicklung<br />

der WWT wahrscheinlich nicht beinhalten,<br />

zwei ihrer prestigeträchtigsten Rennen<br />

aus ihrem Premium-Kalender zu verlieren.<br />

Es gibt hier größere Probleme als das Schicksal<br />

dieser Rennen, und es ist nicht immer hilfreich,<br />

dass La Course als Kristallisationspunkt oder<br />

Blitzableiter in der Debatte über die A.S.O., ihre<br />

84 PROCYCLING | JULI 2019


LA COURSE<br />

20<br />

19<br />

LA COURSE<br />

DIE A.S.O. STEHT IN DER<br />

SCHUSS LINIE, WENN DIE<br />

DISKUSSION AUF DEN<br />

FRAUEN RADSPORT ALS<br />

BLOSSES ANHÄNGSEL<br />

DES MÄNNERRAD-<br />

SPORTS KOMMT.<br />

Beim spannenden Finale von<br />

La Course siegte van Vleuten<br />

2018 auf den letzten Metern.<br />

Einstellung zum Frauenradsport und ihre Weigerung,<br />

an einer Tour de France der Frauen zu arbeiten,<br />

betrachtet wird. Es geht nicht nur um die<br />

A.S.O. Es gibt die Sorge, dass die UCI und ihre<br />

ambitionierten Pläne für den Frauenradsport eine<br />

unzumutbare Belastung für die Teams bedeuten<br />

könnte, die von 2020 an Mindestgehälter zahlen<br />

und andere zusätzliche Kosten tragen müssen<br />

– sowie für die Organisatoren, die selbst für die<br />

Kosten aufkommen müssen, wenn die Rundfunksender<br />

kein Geld für die Übertragung der<br />

Frauenrennen ausgeben wollen. Aber meist steht<br />

die A.S.O. selbst in der Schusslinie, wenn die<br />

Diskussion auf den Frauenradsport und seinen<br />

Status als bloßes Anhängsel des Männerradsports<br />

kommt.<br />

Die Gründe liegen auf der Hand. Die A.S.O.<br />

organisiert 15 Rennen für Männer und fünf Frauenrennen.<br />

Die Tour de France ist natürlich das<br />

Kronjuwel. Obwohl sie verlustbringende Rennen<br />

wie das Critérium International und die Tour de<br />

Picardie eingestampft hat, führt sie andere weiter.<br />

Es ist sinnvoll im Rahmen einer Strategie, Rennen<br />

zu unterstützen, die ihrerseits die Tour und die<br />

französischen Teams unterstützen.<br />

Es ist fraglich, ob eines der Frauenrennen je<br />

Profit für die A.S.O. abwerfen wird. Aber sie<br />

scheinen auch nicht in eine logische Strategie zu<br />

passen – es gibt kein entsprechendes Juwel in der<br />

Krone des Frauenradsports. Die A.S.O. hat keinen<br />

Direktor für den Frauenradsport – niemand ist<br />

zuständig für die Rennen, die sie unterstützt;<br />

jedes hat seinen eigenen Organisator. Vielleicht ist<br />

die Frage für die A.S.O. nicht, warum man nicht<br />

mehr Rennen organisiert, sondern, warum man<br />

überhaupt welche organisiert.<br />

Laut eines Sprechers der A.S.O. beruht die<br />

Haltung zum Frauenradsport auf Gesprächen mit<br />

einigen Topfahrerinnen. „Wenn wir mit Fahrerinnen<br />

sprechen, so wollen sie mehr Medien bei ihren<br />

Rennen und nicht in erster Linie neue Rennen.“<br />

Das ist ein nachvollziehbarer Wunsch – es<br />

ist immer noch eine gewaltige Diskrepanz zwischen<br />

der Berichterstattung vom Männer- und<br />

Frauenradsport.<br />

Die Frage der Fernsehübertragung, fügte der<br />

Sprecher hinzu, sei eine, die man den Rundfunkanstalten<br />

stellen sollte, nicht den Organisatoren.<br />

Es ist klar: Wenn man diese Frage den Sendern<br />

stellt, fallen die Antworten nicht sehr ermutigend<br />

aus. Andere Organisatoren sagen, dass die Sender<br />

einfach kein Geld für das Recht auf die Übertragung<br />

von Frauenrennen ausgeben wollen, obwohl<br />

man dazu sagen muss, dass auch die Rechte an<br />

vielen Männerrennen für wenig oder manchmal<br />

kein Geld vergeben werden. „Die Rundfunkanstalten<br />

sagen, sie zeigen es, aber sie zahlen keinen<br />

Pfennig“, sagte eine Quelle, die an der Organisation<br />

eines Rennens der Women’s WorldTour beteiligt<br />

ist. „Und die UCI bürdet den Organisatoren<br />

die ganze finanzielle Last auf. Kommerziell funktioniert<br />

das nicht.“<br />

Wenn ein Frauenrennen am selben Tag wie<br />

ein Männerrennen ausgetragen wird – wie bei der<br />

Tour de Yorkshire –, sind die Kosten für die Liveübertragung<br />

nicht ganz so hoch: Infrastruktur<br />

und Ressourcen können gemeinsam genutzt werden.<br />

Aber für ein unabhängiges Rennen können<br />

die Kosten stolze 115.000 Euro am Tag betragen.<br />

Die Wahl, die die Organisatoren einiger Frauenrennen<br />

haben, kann krass sein: pleitegehen oder<br />

ganz aus der Women’s WorldTour verschwinden.<br />

Iris Slappendel, eine Ex-Fahrerin und jetzige<br />

Vorsitzende der Cyclists’ Alliance, die die Fahrerinnen<br />

vertritt, hat an den Gesprächen über die<br />

UCI-Reformen teilgenommen.<br />

„Ich finde es zwar richtig, dass es höhere Anforderungen<br />

für Rennen geben sollte, die World-<br />

Tour sein wollen“, sagt Slappendel. „Aber dass sie<br />

live im Fernsehen übertragen werden müssen, ist<br />

für einige Organisatoren eine große Belastung.<br />

Die Kosten sind sehr hoch.“<br />

Sie erklärt weiter: „Die Situation ist nicht einfach.<br />

Die UCI hat ein paar Jahre Arbeit in diese<br />

neuen Bestimmungen gesteckt, die zu ihrem Plan<br />

für die Entwicklung der Women’s WorldTour gehören,<br />

aber es ist leichter, diese Regeln aufzustellen,<br />

als sie umzusetzen. Vielleicht waren die Organisatoren<br />

und auch die Teams nicht genug in<br />

die Reformen eingebunden. Ich weiß nicht, wer<br />

schuld ist. Auf jeden Fall war ein Vertreter der<br />

A.S.O. bei der Kommission der Women’s World-<br />

Tour, der einige Reformen nicht billigte.“<br />

Andere, die im Winter bei einer Konferenz zu<br />

den UCI-Reformen in Genf waren, haben das bestätigt:<br />

Der A.S.O.-Vertreter habe gesagt, das Erfordernis<br />

der Liveübertragung könne dazu führen,<br />

dass die Rennen aus der Women’s WorldTour verschwinden<br />

würden.<br />

Dies sowie die Kritik von van der Breggen und<br />

Ashleigh Moolman Pasio und anderen spricht für<br />

eine neue Entschlossenheit und stellt die Idee,<br />

dass der Frauenradsport für seine Weiterentwicklung<br />

die A.S.O. braucht, ernsthaft infrage.<br />

Vor sechs Jahren schickten einige Topfahrerinnen<br />

unter der Führung von Marianne Vos und<br />

Kathryn Bertine eine Petition mit rund 100.000<br />

Unterschriften an Prudhomme, in der sie die Einführung<br />

einer Tour de France der Frauen forderten.<br />

Im folgenden Jahr wurde La Course aus der<br />

Taufe gehoben – nicht gerade eine Frauen-Tour,<br />

aber es galt, wie gesagt, als Schritt in die richtige<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 85


Anna van der Breggen<br />

lieferte ein<br />

spannendes Rennen,<br />

kam aber<br />

nicht gegen van<br />

Vleuten an.<br />

86 PROCYCLING | JULI 2019


LA COURSE<br />

20<br />

19<br />

LA COURSE<br />

Richtung. Und obwohl der Fortschritt seitdem ein<br />

bisschen darin bestand, zwei Schritte nach vorn<br />

und einen zurück zu machen, ist schwer vorstellbar,<br />

dass die Topfahrerinnen die A.S.O. tatsächlich<br />

um ein besseres Rennen bitten.<br />

„Ich glaube, es gibt eine neue Mentalität bei<br />

den Fahrerinnen“, stimmt Slappendel zu. „Vor ein<br />

paar Jahren wollten die Frauen genau dieselben<br />

„WIR BRAUCHEN DIE<br />

MÄNNERRENNEN NICHT<br />

– WIR KÖNNEN UNSERE<br />

EIGENEN SCHAFFEN. ES<br />

GIBT EIN GANZ NEUES<br />

GESCHÄFTSMODELL.“<br />

IRIS SLAPPENDEL<br />

Rennen wie die Männer. Wir dachten, nur so<br />

würden wir Anerkennung bekommen – indem<br />

wir beweisen, dass wir dasselbe können wie die<br />

Männer. Jetzt, würde ich sagen, wächst das<br />

Selbstbewusstsein immer mehr. Wir brauchen<br />

die Männerrennen nicht – wir können unsere<br />

eigenen schaffen.“<br />

Sie fügt hinzu: „Ich würde sagen, es gibt die<br />

Möglichkeit, ein ganz neues Geschäftsmodell für<br />

den Frauenradsport zu entwickeln.“<br />

Mittlerweile sind einige der erfolgreichsten<br />

Frauenrennen unabhängige Events. Slappendel<br />

verweist auf die Holland Ladies’ Tour und die Healthy<br />

Ageing Tour. Und es gibt die Women’s Tour,<br />

die 2019 auf sechs Tage erweitert wurde, nachdem<br />

sie 2014 erstmals ausgetragen wurde – das<br />

Jahr null der modernen Neuauflage des Profiradsports<br />

der Frauen. Ein weiteres neues Rennen ist<br />

die Women’s Tour of Scotland, ein dreitägiges<br />

Rennen im August dieses Jahres, das große Unterstützung<br />

genießt, auch von der staatlichen<br />

Agentur EventScotland.<br />

Und 2021 kommt vielleicht das ambitionierteste<br />

aller neuen Rennen, die Battle of the North,<br />

die als „Tour de France der Frauen“ gilt und in<br />

Skandinavien ausgetragen werden soll. Mit zehn<br />

Etappen an elf Tagen wird es eine gemeinsame<br />

La Course wurde erstmals am letzten<br />

Tag der Tour de France auf den Champs-<br />

Élysées ausgetragen.<br />

Veranstaltung der Organisatoren der Ladies Tour<br />

of Norway, dem WWT-Rennen im schwedischen<br />

Vårgårda und dem dänischen Radsportverband.<br />

Die Organisatoren haben eine Liveübertragung<br />

versprochen – etwas, was die Women’s Tour, die<br />

in vielerlei Hinsicht Maßstäbe setzt, immer noch<br />

nicht anbieten kann. Das ist das Haar in der Suppe,<br />

die Mahnung zur Vorsicht im Optimismus,<br />

der trotz der Schwierigkeiten diejenigen befällt,<br />

die den Frauenradsport für die kommende Sportart<br />

mit unerschlossenem Potenzial halten.<br />

Während der Fokus im Frühsommer darauf lag,<br />

dass die A.S.O. mit den Schultern zuckte ob der<br />

Aussicht, dass ihre Rennen nicht mehr Teil der<br />

Women’s WorldTour sind, schwebt dieselbe Gefahr<br />

über der Women’s Tour und anderen wichtigen<br />

Rennen. Derweil gibt es La Course. Die letzten<br />

beiden Jahre haben diejenigen Lügen gestraft,<br />

die vorhersagten, das Rennen sei mehr Spektakel<br />

als sportlicher Wettbewerb. Was mit die beste<br />

Werbung für den Frauenradsport ist.<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 87


NACHLESE<br />

ANALYSE • ERKENNTNISSE • DATEN<br />

© Getty Images<br />

TOUR OF CALIFORNIA / 12.–18.05.2019<br />

KALIFORNISCHER TRAUM<br />

FÜR TADEJ POGAČAR<br />

Slowenen stehen im Radsport zur -<br />

zeit hoch im Kurs. Genau wie junge<br />

Fahrer. Starke Fahrer sind immer<br />

gefragt. Und genau an der Schnittstelle<br />

dieses dreifeldigen Mengendiagramms<br />

steht Tadej Pogačar, dessen Erfolg bei der<br />

Kalifornien-Rundfahrt 2019 der jüngste<br />

große Sieg durch einen Fahrer Anfang 20<br />

ERGEBNIS<br />

war. Egan Bernal gewann Paris–Nizza mit<br />

22, Mathieu van der Poel das Amstel Gold<br />

mit 24 (aber als Neuling auf der Straße).<br />

Pogačar ist jünger als beide – er wird erst<br />

im September 21.<br />

Der Slowene war vielleicht nicht der<br />

stärkste Kletterer der Kalifornien-Rundfahrt<br />

– EF-Education-First-Fahrer Sergio<br />

FAHRER TEAM ZEIT<br />

1 Tadej Pogačar UAE Emirates 32:55:12<br />

2 Sergio Higuita EF Education First + 0:16<br />

3 Kasper Asgreen Deceuninck–Quick-Step + 0:17<br />

4 George Bennett Jumbo–Visma + 0:29<br />

5 Richie Porte Trek-Segafredo + 0:41<br />

Pogačar jubelt<br />

über seinen Etappensieg<br />

auf dem<br />

Mount Baldy, wo er<br />

das Gesamtklassement<br />

klarmachte.<br />

2<br />

Rundfahrsiege<br />

in Pogačars bisheriger<br />

Karriere<br />

Higuita (Alter: 21) wirkte auf dem entscheidenden<br />

Anstieg zum Mount Baldy<br />

munterer. Aber Pogačars Timing war besser,<br />

er war geduldiger als der Kolum bianer<br />

und in der letzten scharfen Haarnadelkurve<br />

100 Meter vor der Ziellinie aufmerksamer.<br />

Higuita fuhr drei Kilo meter vor dem<br />

Ziel eine bissige Attacke, womit er Poga čar<br />

abhängte, aber es war ein Angriff, der ihn<br />

viel Kraft kostete, insbesondere aufgrund<br />

der Höhe des Berges. Während Po gačar,<br />

George Bennett und Richie Porte in einem<br />

regelmäßigen Rhythmus kletterten, distanzierte<br />

Higuita sie und fiel dann langsam<br />

zu Pogačar zurück, als er seine Körner verschossen<br />

hatte. Dann heftete sich der Slowene<br />

in den letzten kurzen Serpentinen an<br />

das Hinterrad des Kolumbianers. Higuita<br />

ging etwas zu flott in die letzte Kurve und<br />

musste bremsen, sodass Poga čar die Kurve<br />

nur etwas schärfer anzuschneiden<br />

brauchte – jetzt war er schneller als Higuita<br />

und hatte eine kürzere Strecke, womit er<br />

die Nase vorn hatte. Der Etappen sieg<br />

brachte ihm das Gelbe Trikot, und obwohl<br />

er auf der kurzen, hügeligen letzten Etappe<br />

nach Pasadena durch den Deceu -<br />

ninck-Mann Kasper Asgreen (Alter: 24)<br />

88 PROCYCLING | JULI 2019


EDWARD PICKERING<br />

Herausgeber<br />

Ed genoss seinen ersten Besuch<br />

bei der Tour of California, wo ihm<br />

das spannende Rennen und die<br />

tolle Landschaft gefielen.<br />

SAM DANSIE<br />

Redakteur<br />

Am Giro gefiel Sam besonders,<br />

wie Ausreißer Etappensiege<br />

einfuhren. Wenn doch die Tour so<br />

offen wäre!<br />

SOPHIE HURCOM<br />

<strong>Procycling</strong>-Autorin<br />

Dumoulin mag das Rosa Trikot<br />

verpasst haben, doch sein Pech<br />

beim Giro könnte die Tour<br />

spannender machen.<br />

SADHBH O’SHEA<br />

<strong>Procycling</strong>-Autorin<br />

Der Giro fing gemächlich an,<br />

doch als er die Berge erreichte,<br />

gab er uns, was wir sehen<br />

wollten.<br />

unter Druck gesetzt wurde, geriet er nicht<br />

in Panik. Es gab genug motivierte Sprinter<br />

bei der Rundfahrt, um die Ausreißer zu<br />

stellen, und der Slowene gewann sein erstes<br />

WorldTour-Etappenrennen.<br />

Die Kalifornien-Rundfahrt ist ein ziemlich<br />

unkompliziertes Rennen. Die breiten<br />

Straßen, sanften Kurven und der gleichmäßige<br />

Belag der amerikanischen Straßen<br />

sowie das milde Klima an der Pazifikküste<br />

im Mai eliminieren viele Schwierigkeiten,<br />

die für europäische Rennen typisch sind.<br />

Es kann bei einem belgischen Rennen<br />

zehn oder 20 Kilometer dauern, um auf<br />

eine gute Position an der Spitze des Feldes<br />

zu fahren, weil kein Platz da ist, um nach<br />

vorn zu kommen. In Kalifornien sind die<br />

Straßen breit genug für 15 oder mehr Fahrer<br />

– wenn das Peloton bei einem belgischen<br />

Klassiker einem schnell fließenden<br />

Fluss mit aufgewühltem und wirbelndem<br />

Wasser ähnelt, ist das kalifornische Peloton<br />

mehr wie ein langsam dahinfließender,<br />

breiter Strom. Das schließt Taktik<br />

nicht aus, es ändert sie nur. Timing ist<br />

mehr das Problem – wenn das Peloton vor<br />

sich hin rollt, kann sich ein Fahrer in einer<br />

Minute oder weniger von hinten nach vorne<br />

schieben. Wenn das Peloton sich in die<br />

Länge zieht, wird das eine längere und anstrengende<br />

Angelegenheit.<br />

Van Garderen trug zeitweise<br />

das Führungstrikot, doch am<br />

Mount Baldy schwächelte er.<br />

Doch wo die Streckenplaner der Kalifornien-Rundfahrt<br />

das Rennen nicht technisch<br />

anspruchsvoll machen können,<br />

machen sie es körperlich schwer. Die<br />

1. Etappe war der einzige flache Tag, und<br />

er ging an Peter Sagan. Aber die Gesamtwertung<br />

nahm schon am nächsten Tag<br />

Gestalt an, als es von Meereshöhe aus<br />

nach South Lake Tahoe ging und unterwegs<br />

der knapp 2.600 Meter hohe Carson<br />

Pass zu bezwingen war. Die gleichmäßige<br />

und schwere Kletterpartie auf<br />

große Höhe kam Mark Cavendish vor wie<br />

mehrere Stunden auf dem Turbotrainer,<br />

und die zermürbende Natur der Etappe<br />

bedeutete, dass die welligen letzten<br />

30 Kilometer, die auf Meereshöhe für<br />

Risse im Feld gesorgt hätten, zu einem<br />

ausgewachsenen Krieg wurden, als<br />

EF Education First das Rennen sprengte.<br />

Das Team hängte mehrere gefährliche<br />

Rivalen ab, darunter Bennett und Porte,<br />

und während Asgreen die Etappe oberhalb<br />

von South Lake Tahoe im Sprint gewann,<br />

holte EF-Profi van Garderen das<br />

Gelbe Trikot. Pogačar hatte es auch in<br />

die Spitzen gruppe geschafft – er verlor<br />

zehn Sekunden im Finale, aber zu diesem<br />

Zeitpunkt sah van Garderen, der das<br />

Rennen schon einmal gewonnen hatte<br />

und seine Karriere mit seinem neuen<br />

Team neu startet, wie der Favorit aus.<br />

EF fuhr, als wäre van Garderen der<br />

Favorit. Die Fahrer halfen, die Form<br />

der Etappen siege auszuwählen – eine<br />

Langstrecken-Attacke, bei der Deceuninck-Profi<br />

Rémi Cavagna gewann, und<br />

zwei Sprints, die Cavagnas Teamkollege<br />

Fabio Jakobsen sowie Bahrain-Mann Iván<br />

García gewannen. Sie schalteten sogar<br />

nahtlos auf Plan B um, als van Garderen<br />

am Mount Baldy einbrach, sodass Higuita<br />

die Kapitänsrolle übernehmen und Gesamt-Zweiter<br />

werden konnte. Ärgerlich<br />

für das Team war einzig die knappe Niederlage<br />

– ein weiteres Mal, dass es bei ihrem<br />

Heimrennen den Sieg verpasste.<br />

Bei den letzten zwölf Auflagen der Kalifornien-Rundfahrt<br />

war es sechsmal<br />

Zweiter, dreimal Dritter und zweimal<br />

Vierter, ohne je gewonnen zu haben. Dass<br />

Tadej Pogačar mit 20 Jahren auftaucht<br />

und auf Anhieb siegt, macht diese Statistik<br />

für EF nicht leichter verdaulich.<br />

EF EDUCATION<br />

SECOND<br />

Die Geschichte von EF Education First als Erst l iga-<br />

Team geht auf 2008 zurück, als das Team ProConti-Status<br />

bekam, nachdem es einige Jahre lang in<br />

den USA unter dem Namen TIAA-Cref als Nachwuchsteam<br />

unterwegs gewesen war. Es gab 2006<br />

sein Debüt bei der Kalifornien-Rundfahrt, im ersten<br />

Jahr des Rennens, und riss keine Bäume aus. Dan -<br />

ny Pate sorgte mit dem 28. Rang für die höchste<br />

Platzierung. 2007 war es ähnlich, aber 2008 hatte<br />

es sich unter dem neuen Namen Slipstream erheblich<br />

verstärkt. Die Kalifornien-Rundfahrt war eines der<br />

größten Ziele des Teams, und David Millar wurde<br />

Gesamt-Zweiter hinter Levi Leipheimer. Damit be -<br />

gann eine lange und frustrierende Serie von hohen<br />

Gesamtplatzierungen – das Team hatte seitdem<br />

jedes Jahr wenigstens einen Fahrer unter den ersten<br />

vier, außer 2013, wo nur ein Etappensieg für Tyler<br />

Farrar die Tatsache übertünchte, dass es in der<br />

Gesamtwertung keine Rolle spielte. 2020 wird der<br />

15. Anlauf auf den Gesamtsieg sein. Es wird ein<br />

verdienter Sieg sein, wenn es ihn endlich landet.<br />

TEAM EF IN KALIFORNIEN<br />

JAHR SIEGER BESTER EF-FAHRER<br />

2019 Tadej Pogačar Sergio Higuita, 2.<br />

2018 Egan Bernal Dani Martínez, 3.<br />

2017 George Bennett Andrew Talansky, 3.<br />

2016 Julian Alaphilippe Andrew Talansky, 4.<br />

2015 Peter Sagan Joe Dombrowski, 4.<br />

2014 Bradley Wiggins Rohan Dennis, 2.<br />

2013 Tejay van Garderen Jakob Rathe, 34.<br />

2012 Robert Gesink David Zabriskie, 2.<br />

2011 Chris Horner Tom Danielson, 3.<br />

2010 Michael Rogers David Zabriskie, 2.<br />

2009 Levi Leipheimer David Zabriskie, 2.<br />

2008 Levi Leipheimer David Millar, 2.<br />

2007 Levi Leipheimer Danny Pate, 16.<br />

2006 Floyd Landis Danny Pate, 28.<br />

© Getty Images<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 89


NACHLESE<br />

EMAKUMEEN BIRA / 22.–25.05.2019<br />

TREK<br />

GEWINNT MIT<br />

MANNSCHAFTS-<br />

LEISTUNG<br />

© Getty Images<br />

ERGEBNIS<br />

FAHRERIN TEAM ZEIT<br />

1 Elisa Longo Borghini Trek-Segafredo 12:21:41<br />

2 Amanda Spratt Mitchelton-Scott + 0:02<br />

3 Soraya Paladin Alé Cipollini + 0:07<br />

4 Taylor Wiles Trek-Segafredo + 0:14<br />

5 Mavi Garcia Movistar + 0:34<br />

Longo Borghini<br />

(r.) an einem der<br />

steilen Anstige, die<br />

typisch fürs Emakumeen<br />

Bira sind.<br />

Amanda Spratt<br />

freut sich über<br />

ihren Sieg auf der<br />

2. Etappe.<br />

2<br />

Jahre seit<br />

Longo<br />

Borghinis<br />

letztem Sieg<br />

Die Gründung des Frauenteams von<br />

Trek-Segafredo war viel beachtet.<br />

Mit einem hohen Budget, Superstaraufgebot<br />

und der Unterstützung durch<br />

das Männerteam wurde allgemein erwartet,<br />

dass die Mannschaft die etablierte<br />

Ordnung aufmischen würde.<br />

Die Saison begann mit einem Traumstart<br />

beim ersten Rennen des Teams, der<br />

Tour Down Under, als die junge Italienerin<br />

Letizia Paternoster die 1. Etappe gewann.<br />

Bis Ende April fuhr es weitere Siege ein<br />

– acht insgesamt –, darunter drei Etappen<br />

der Setmana Valenciana, Dwars door<br />

Vlaan deren und zwei Etappen der Healthy<br />

Ageing Tour, für die fünf verschiedene<br />

Fahrerinnen gesorgt hatten. Noch keinen<br />

auf höchstem Niveau.<br />

Aber als Trek sein erstes Rennen in der<br />

Women’s World Tour gewann, eine Etappe<br />

und dann die Gesamtwertung des Emakumeen<br />

Bira, passte es vielleicht, dass dies<br />

einer starken Mannschaftsleistung bei dem<br />

seit über 30 Jahren ausgetragenen Etappenrennen<br />

zu verdanken war. Zudem galt die<br />

diesjährige Auflage der spanischen Rundfahrt<br />

als schwerer denn je, da die Organisatoren<br />

das Zeitfahren gestrichen und stattdessen<br />

weitere Anstiege eingebaut hatten.<br />

Elisa Longo Borghini gilt nicht unbedingt<br />

als Topkletterin, sondern als starke<br />

Klassiker-Fahrerin, die Siege bei der Trofeo<br />

Binda, der Flandern-Rundfahrt und<br />

Strade Bianche in ihrem Palmarès hat. Sie<br />

kam nach vier Jahren bei Wiggle-High5<br />

und einer schweren Saison 2018 zu Trek,<br />

in der sie mit Erkrankungen und Erschöpfung<br />

zu kämpfen hatte. Ihr letztes Rennen<br />

hatte sie vor fast zwei Jahren gewonnen,<br />

im Juni 2017, als ihr das Double bei der<br />

italienischen Meisterschaft gelang. Beim<br />

Emakumeen Bira wollte sie, wie Trek sagte,<br />

um einen Etappensieg kämpfen.<br />

Da die schwersten Anstiege in die zweite<br />

Hälfte des Rennens gepackt waren, ging<br />

alles seinen Gang: Jolien D’Hoore gewann<br />

die 1. Etappe im Sprint, bevor Amanda<br />

Spratt – die Titelverteidigerin – die 2. Etap -<br />

pe aus einer Ausreißergruppe heraus für<br />

sich entschied und die Führung übernahm.<br />

Je eine Etappe ging an die beiden<br />

stärksten Teams, Boels und Mitchelton.<br />

Doch auf der 3. Etappe wendete sich<br />

das Blatt. Trek-Fahrerin Tayler Wiles gewann<br />

den Tag mit einem Angriff auf dem<br />

vorletzten Anstieg nach Opakua 20 Kilometer<br />

vor dem Ziel. Lauretta Hanson<br />

führte die 29-Jährige an den Fuß des Anstiegs,<br />

bevor diese alleine loslegte. Wiles,<br />

die in der Gesamtwertung 54 Sekunden<br />

Rückstand hatte, war gut drauf und fuhr<br />

einen Vorsprung von 40 Sekunden heraus,<br />

bis nur noch die steile Bergankunft in San -<br />

ta Teodosia – zwei Kilometer lang und bis<br />

zu 17 Prozent steil – zu bewältigen war.<br />

Da Wiles sich abgesetzt hatte, musste Lon -<br />

go Borghini nicht arbeiten und folgte den<br />

Hinterrädern ins Finale. Auf den letzten<br />

Metern sprang sie auf den zweiten Etappenplatz<br />

und gewann wertvolle Sekunden.<br />

Die Italienerin war nun Dritte in der<br />

Gesamtwertung, zwölf Sekunden hinter<br />

Spratt, als es in die letzte Etappe mit vier<br />

kategorisierten Anstiegen ging. Tour-Down-<br />

Under-Siegerin Spratt war immer noch die<br />

Favoritin. Aber davon wollte Trek nichts<br />

wissen. Erst schickte man Anna Plicher in<br />

eine Ausreißergruppe, und als sie gestellt<br />

wurde, griff Audrey Cordon-Ragot an. Die<br />

permanenten Angriffe zermürbten Mitchelton,<br />

die am letzten Anstieg zur Aufholarbeit<br />

gezwungen waren. Als Cor-<br />

90 PROCYCLING | JULI 2019


NACHLESE<br />

TOUR OF CALIFORNIA WOMEN’S RACE / 16.–18.05.2019<br />

BOELS-DOLMANS<br />

IN KALIFORNIEN<br />

SPITZE<br />

don-Ragot gestellt wurde, ging Longo<br />

Borghini einen Kilometer vor dem Gipfel<br />

in die Offensive. Auf den 18 weitgehend<br />

bergab führenden Kilometern<br />

ins Ziel fuhr die Italienerin<br />

eine kleine<br />

Lücke heraus und<br />

glaubte, Zeit zu<br />

haben, um<br />

sich umzuschauen<br />

und<br />

zu jubeln, doch<br />

die Verfolgerinnen<br />

– und Spratt – rauschten<br />

schnell heran. Wiles reagierte<br />

blitzschnell und räumte im<br />

Sprint die Bonussekunden vor<br />

Spratt ab, sodass Longo Borghini<br />

die Gesamtwertung um nur zwei<br />

Sekunden für sich entschied.<br />

Trek-Segafredo hat also seinen<br />

ersten WorldTour-Sieg, und so,<br />

wie es aussieht, wird es nicht der<br />

letzte sein.<br />

Der Parcours der Kalifornien-Rundfahrt<br />

der Frauen war ein ausgewogenes<br />

Menü aus drei Gängen<br />

– einem hügeligen und windigen ersten<br />

Gang mit einer Etappe nach Ventura, einem<br />

deftigen Hauptgang mit dem Anstieg<br />

zum Mount Baldy und einem unkomplizierteren<br />

Nachtisch – eine wellige Etappe<br />

mit flachem Finale in Pasadena. Es war<br />

anscheinend für jeden etwas dabei, außer<br />

dass Anna van der Breggen den Spruch<br />

wörtlich nahm, den ihr Landsmann<br />

Hennie Kuiper, der Rennfahrer aus den<br />

1970ern, prägte: „Radrennen heißt, erst<br />

den Teller deines Gegners abzulecken,<br />

bevor du mit deinem eigenen beginnst.“<br />

Van der Breggen vergeudete keine Zeit<br />

und machte sich zur Favoritin des Rennens,<br />

das sie bereits 2017 gewonnen hatte,<br />

wo sie im letzten Drittel der 1. Etappe<br />

nach Ventura als Solistin angegriffen hatte.<br />

Der Wind war unglaublich stark und<br />

hatte dem Peloton auf der ersten Hälfte<br />

der Etappe ins Gesicht geblasen. Aber als<br />

sie den Wind im Rücken hatte, als es zurück<br />

ging in die Surfer-Stadt, machte sie<br />

ihren Ausriss perfekt, und auch ein kleiner<br />

Abstecher zurück in den Wind hielt sie<br />

nicht davon ab, alleine mit 18 Sekunden<br />

Vorsprung über die Linie zu segeln. Am<br />

nächsten Tag waren van der Breggen und<br />

ihre Teamkollegin Katie Hall die stärksten<br />

im Anstieg zum Mount Baldy, der<br />

das Rennen definiert. Sie distanzierten<br />

alle, und nur<br />

vier Fahrerinnen hatten<br />

weniger als eine Minute<br />

Rückstand auf sie, während<br />

van der Breggen den<br />

ERGEBNIS<br />

Etappensieg Hall überließ. Boels-Dolmans<br />

stellte die Erste und die Zweite in der Gesamtwertung,<br />

während van der Breggen<br />

sich damit begnügte, mit einer 30-köpfigen<br />

Gruppe den Sprint der 3. Etappe in<br />

Pasadena auszutragen.<br />

Boels-Dolmans fährt immer noch sehr<br />

stark, aber es lief in diesem Jahr nicht<br />

alles nach den Vorstellungen des Teams,<br />

da das Frauenpeloton stärker und organisierter<br />

wird. Es hat kein WWT-Rennen<br />

gewonnen, bevor van der Breggen Flèche<br />

Wallonne für sich entschied. Aber die Kalifornien-Rundfahrt<br />

hat gezeigt, dass die<br />

Holländerin in starke Form kommt, und<br />

der zweite Platz für Hall unterstreicht ihre<br />

Fähigkeiten. Van der Breggens Hunger auf<br />

Siege schien vor dem Giro d’Italia nicht<br />

nachzulassen.<br />

Katie Hall war mit ihrem Sieg am Mount<br />

Baldy die Königin der Königsetappe.<br />

FAHRERIN TEAM ZEIT<br />

1 Anna van der Breggen Boels-Dolmans 8:32:34<br />

2 Katie Hall Boels-Dolmans + 0:29<br />

3 Ashleigh Moolman CCC-Liv + 1:06<br />

4 Clara Koppenburg WNT-Rotor + 1:25<br />

5 Katarzyna Niewiadoma Canyon-SRAM + 1:34<br />

© Getty Images<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 91


NACHLESE<br />

Deceuninck–Quick-Step<br />

Astana<br />

Bora–hansgrohe<br />

Jumbo–Visma<br />

Mitchelton-Scott<br />

UAE Emirates<br />

30<br />

23<br />

21<br />

21<br />

17<br />

13<br />

SIEGE<br />

PRO<br />

TEAM<br />

Israel Cycling Academy ........................12<br />

Groupama-FDJ .................................11<br />

Movistar ......................................10<br />

Androni Giocattoli–Sidermec. . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />

Team Ineos ....................................10<br />

SIEGE<br />

PRO LAND<br />

44<br />

FRANKREICH<br />

28<br />

NIEDERLANDE<br />

40<br />

ITALIEN<br />

20<br />

AUSTRALIEN<br />

Total Direct Energie ...........................10<br />

Lotto Soudal ...................................8<br />

Vital Concept–B&B Hotels ...................... 7<br />

EF Education First .............................. 7<br />

AG2R La Mondiale ............................. 5<br />

8<br />

DYLAN<br />

GROENEWEGEN<br />

JUMBO–VISMA<br />

SIEGE<br />

PRO FAHRER<br />

9<br />

JULIAN<br />

ALAPHILIPPE<br />

DECEUNINCK–<br />

QUICK-STEP<br />

7<br />

PRIMOŽ<br />

ROGLIČ<br />

JUMBO–VISMA<br />

Sam Bennett Bora–hansgrohe 6<br />

M. van der Poel Corendon-Circus 6<br />

Niccolò Bonifazio Total Direct Energie 5<br />

M. Schachmann Bora–hansgrohe 5<br />

Alexey Lutsenko Astana 5<br />

Lorenzo Manzin Vital Concept–B&B Hotels 4<br />

Elia Viviani Deceuninck–Quick-Step 4<br />

Fabio Jackobsen Deceuninck–Quick-Step 4<br />

Bryan Coquard Vital Concept–B&B Hotels 4<br />

Thibaut Pinot Groupama-FDJ 4<br />

Tadej Pogačar UAE Emirates 4<br />

© Getty Images (Roglič), BettiniPhoto (Alaphilippe), Yuzuru Sunada (Groenewegen); Stand: 02. 06.2019<br />

TOUR DE YORKSHIRE WOMEN’S RACE /<br />

03.–04.05.2019<br />

VOS VOLLER ELAN<br />

Obwohl sie fast 200 Siege zu Buche stehen<br />

hat, hat Marianne Vos ihrem Palmarès<br />

ein neues Rennen hinzugefügt, indem sie<br />

die Tour de Yorkshire bei ihrem Debüt gewann.<br />

Nachdem sie im März die Trofeo Alfredo Binda<br />

gewann, feierte Vos mit der 2. Etappe und der Gesamtwertung<br />

in Großbritannien ihre Saisonsiege<br />

zwei und drei. Bis zur ersten Maiwoche waren das<br />

die meisten Siege, die sie seit ihrer Fabelsaison<br />

2013 je zu diesem Zeitpunkt erzielt hatte. Die<br />

zweifache Weltmeisterin holte auf beiden Etappen<br />

des Rennens wertvolle Bonussekunden, was ausreichte,<br />

um die Gesamtwertung mit sieben Sekunden<br />

vor der Movistar-Fahrerin Mavi Garcia<br />

für sich zu entscheiden.<br />

FAHRERIN<br />

TEAM<br />

1 Marianne Vos CCC-Liv<br />

2 Mavi Garcia Movistar<br />

3 Soraya Paladin Alé Cipollini<br />

TOUR DE YORKSHIRE MEN’S RACE /<br />

02.–05.05.2019<br />

INEOS<br />

DOMINIERT DEBÜT<br />

Das Team Ineos ist bei der Tour de York shire<br />

erfolgreich in sein nächstes Kapitel gestartet.<br />

Für Chris Lawless war der Gesamtsieg<br />

seine erste gewonnene Rundfahrt und sein zweiter<br />

Profisieg überhaupt, und er beruhte auf beständigen<br />

Leistungen an den vier Tagen – er wurde<br />

Neunter, Dritter, Zweiter und Zweiter auf den jeweiligen<br />

Etappen. Der Sieg des 23-Jährigen bedeutete<br />

auch, dass das Rennen von Fahrern dominiert<br />

wurde, die wenige Siege zu Buche stehen haben<br />

– Jesper Asselman gewann die 1. Etappe, sein<br />

zweiter Sieg überhaupt und sein erster seit 2016;<br />

Rik Zabel gewann die 2. Etappe, auch sein zweiter<br />

Sieg überhaupt und sein erster seit 2015, während<br />

der Gewinner der 3. Etappe, Alexander Kamp, zuvor<br />

nur zwei weitere Siege verbucht hatte.<br />

FAHRER<br />

TEAM<br />

1 Chris Lawless Team Ineos<br />

2 Greg Van Avermaet CCC Team<br />

3 Eddie Dunbar Team Ineos<br />

TOUR OF CHONGMING ISLAND /<br />

09.–11.05.2019<br />

HATTRICK FÜR<br />

SPRINTERIN WIEBES<br />

Die Sprinterin Lorena Wiebes hat 2019<br />

ihren Durchbruch geschafft und alle<br />

drei Etappen plus die Gesamtwertung<br />

der Tour of Chongming Island gewonnen. Die<br />

Siege der 20 Jahre alten Holländerin waren nicht<br />

nur die ersten auf WorldTour-Niveau, sondern<br />

erhöhten ihre Siegesbilanz 2019 auf sieben,<br />

nachdem sie im Frühjahr Nokere Koerse, Omloop<br />

van Borsele und eine Etappe der Tour de Yorkshire<br />

gewonnen hatte. Wiebes, die erst 2018<br />

beim holländischen Team Parkhotel Valkenburg<br />

Profi wurde, hatte vor dieser Saison nur ein Rennen<br />

gewonnen. Sie war außerdem Zweitplatzierte<br />

bei Driedaagse Brugge–De Panne und Gent–Wevelgem<br />

während der Klassiker.<br />

FAHRER<br />

TEAM<br />

1 Lorena Wiebes Parkhotel Valkenburg<br />

2 Jutatip Maneephan Thailand Cycling Team<br />

3 Lotte Kopecky Lotto Soudal Ladies<br />

92 PROCYCLING | JULI 2019


NACHLESE<br />

Lorena Wiebes<br />

(in Gelb) holt<br />

sich auch den Sieg<br />

der 3. Etappe sowie<br />

den Gesamtsieg<br />

der Tour of Chongming<br />

Island.<br />

SIEGE PRO LAND – FRAUEN<br />

22 14<br />

12 9<br />

SIEGE<br />

PRO<br />

TEAM –<br />

FRAUEN<br />

11<br />

11<br />

NIEDERLANDE<br />

AUSTRALIEN<br />

VIER TAGE VON DÜNKIRCHEN / 14.–19.05.2019<br />

JUMBO–VISMA<br />

RÄUMT AB<br />

ITALIEN<br />

DEUTSCHLAND<br />

TOUR DE L’AIN / 24.–26.05.2019<br />

PINOT SCHLÄGT<br />

SEINE RIVALEN KLAR<br />

Mitchelton-Scott<br />

Trek-Segafredo<br />

Team Virtu Cycling<br />

WNT Rotor Pro Cycling<br />

Boels-Dolmans<br />

7<br />

9<br />

11<br />

Jumbo-Visma hat die Vier Tage von Dünkirchen<br />

dominiert und fünf der sechs Etappen<br />

gewonnen. Das Team führte das Rennen<br />

von Anfang bis Ende an, während seine Fahrer<br />

die Plätze eins und zwei in der Gesamtwertung<br />

belegten. Dylan Groenewegen gewann drei Etappen<br />

in Serie, bevor sein Chefanfahrer Mike Teunissen<br />

auf den Etappen 5 und 6 triumphierte. Nur<br />

Bryan Coquard (Vital Concept–B&B Hotels) konnte<br />

sich mit einem Sieg auf der 4. Etappe dazwischendrängen.<br />

Der 26 Jahre alte Teunissen wurde<br />

Profi bei Jumbo–Visma, war aber die letzten beiden<br />

Jahre bei Sunweb gewesen, bevor er dieses<br />

Jahr wieder zu dem holländischen Team kam. Davor<br />

hatte er zuletzt 2015 ein Rennen gewonnen.<br />

FAHRER<br />

TEAM<br />

1 Mike Teunissen Jumbo–Visma<br />

2 Armund G. Jansen Jumbo–Visma<br />

3 Jens Keukeleire Lotto Soudal<br />

Thibaut Pinot hat eine Liebesaffäre mit<br />

der Tour de l’Ain, die in Ostfrankreich<br />

unweit seiner Heimatregion Haute-Saône<br />

ausgetragen wird. Er wiederholte seine Leistung<br />

von 2017 und gewann die Gesamtwertung so -<br />

wie die 3. Etappe und kommt jetzt auf sechs<br />

Etappensiege bei dem Rennen – mehr als bei<br />

jedem anderen auf seinem Palmarès. Nachdem<br />

er auf der 2. Etappe zum Col de la Faucille enttäuschte<br />

und Zweiter hinter seinem früheren<br />

Teamkollegen Alexandre Geniez (jetzt bei AG2R)<br />

wurde, attackierte Pinot auf der 3. Etappe am<br />

favorisierten Anstieg des Rennens, dem Col du<br />

Grand Colombier. Pinot schüttelte alle seine Rivalen<br />

ab, gewann souverän mit 52 Sekunden Vorsprung<br />

und holte den Gesamtsieg.<br />

FAHRER<br />

TEAM<br />

1 Thibaut Pinot Groupama-FDJ<br />

2 Mathias Frank AG2R La Mondiale<br />

3 Rein Taaramäe Total Direct Energie<br />

SIEGE PRO<br />

FAHRERIN<br />

6 7 5<br />

MARTA<br />

BASTIANELLI<br />

TEAM VIRTU<br />

CYCLING<br />

LORENA<br />

WIEBES<br />

PARKHOTEL<br />

VALKENBURG<br />

JUTATIP<br />

MANEEPHAN<br />

THAILAND<br />

CYCLING TEAM<br />

Chloe Dygert Sho-Air Twenty20 5<br />

Kirsten Wild WNT-Rotor Pro Cycling 4<br />

Brodie Chapman Tibco Silicon Valley 4<br />

A. van der Breggen Boels-Dolmans 3<br />

Marianne Vos CCC-Liv 3<br />

© Velofocus (Bastianelli), Getty Images<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 93


NACHLESE<br />

Fahrer im Fokus<br />

JAKOB FUGLSANG<br />

WAS WIR<br />

DIESEN MONAT<br />

GELERNT HABEN<br />

Diese Jungs haben’s drauf<br />

© Getty Images<br />

Haben wir Jakob Fuglsang alle falsch eingeschätzt?<br />

Haben wir und er uns von dem<br />

Eindruck täuschen lassen, dass seine<br />

Schokoladenseite die des Rundfahrers ist, wenn<br />

ihm Eintagesrennen am besten liegen? Ja, er wurde<br />

Siebter bei der Tour und gewann die Dauphiné<br />

2017. Aber bei großen Rundfahrten sind seine<br />

besten Resultate ansonsten der elfte Platz bei der<br />

Vuelta 2011 und zwölfte Plätze beim Giro 2016<br />

sowie der Tour 2018. Seine Karriere ist von guten<br />

Resultaten in anderen einwöchigen WorldTour-<br />

Rennen durchsetzt – er war in den Top Five von<br />

neun Etappenrennen, aber das ist kaum erfolgreich<br />

zu nennen.<br />

Nun denken Sie mal an<br />

Fuglsangs Ergebnisse bei<br />

Eintagesrennen, die sich<br />

dramatisch verbessern.<br />

Vor diesem Jahr hatte er<br />

sieben Top-Five-Plätze<br />

bei Eintagesrennen. Nur<br />

zwei davon waren auf<br />

WorldTour-Niveau und STRADE BIANCHE<br />

ein dritter bei Olympia<br />

AMSTEL<br />

2016, als er Silber holte.<br />

Aber dann kam 2019. Er<br />

FLÈCHE<br />

gewann Lüttich–Bastogne–Lüttich<br />

und stand auf<br />

LIÈGE<br />

dem Podium bei Strade<br />

SAN SEBASTIAN<br />

Bianche, Amstel Gold<br />

QUÉBEC<br />

und Flèche Wallonne.<br />

MONTRÉAL<br />

Das ist das beste Œuvre<br />

des Dänen.<br />

LOMBARDEI<br />

Was hat sich für den 34-Jährigen also geändert?<br />

Laut Astana-Manager Dmitriy Fofonov liegt die<br />

Steigerung an „mehr Selbstbewusstsein“ und<br />

daran, dass er in eine Kapitänsrolle hineinwächst.<br />

Es ist das dritte Jahr, dass er einer der Kapitäne<br />

des Teams ist. Außerdem ist sein langjähriger<br />

Trainer Rune Larsen im Winter gegangen, sodass<br />

Fuglsang jetzt vom Chef trainer Maurizio Mazzoleni<br />

gecoacht wird.<br />

„Wenn wir es analysieren, liegen ihm sehr<br />

schwere Rennen mit einer großen Selektion – die<br />

sind gut für ihn“, sagt Fofonov.<br />

Ist Fuglsang also ein verspäteter Eintages-Spezialist<br />

oder ein verjüngter Allrounder? Die Tour im<br />

Juli bringt vielleicht weiteren Aufschluss.<br />

FUGLSANG BEI DEN HÜGELIGEN KLASSIKERN<br />

’09 ’10 ’11 ’12 ’13 ’14 ’15 ’16 ’17 ’18<br />

70<br />

83 55 31<br />

77<br />

18<br />

17<br />

69<br />

32<br />

29<br />

9<br />

11<br />

52<br />

8 22 16<br />

103 75 85 DNF<br />

28 27 DNF<br />

Bei der Kalifornien-Rundfahrt schwärmte<br />

EF-Education-First-Manager Jonathan<br />

Vaughters von seinem neuen Star Sergio<br />

Higuita. Der Kolumbianer kam erst Anfang Mai<br />

zum Team, nachdem er die ersten drei Monate<br />

2019 für das Euskadi-ProConti-Team gefahren<br />

war, und wurde gleich ins WorldTour-Aufgebot<br />

für Kalifornien gesteckt. Bei seinem ersten Rennen<br />

für EF wurde der 21-Jährige knapper Gesamt-Zweiter.<br />

Higuita war nicht der einzige junge Fahrer, der<br />

sich in den USA gut machte. Der Gesamtsieger<br />

Tadej Pogačar war mit 20 Jahren noch jünger als<br />

Higuita, und sechs der sieben Etappensieger waren<br />

24 Jahre alt oder jünger. Vor diesen Erfolgen<br />

hatten Fahrer wie Alberto Bettiol (Higuitas Teamkollege)<br />

mit 25 die Flandern-Rundfahrt und Egan<br />

Bernal mit 22 Paris–Nizza gewonnen, während<br />

der 24 Jahre alte Mathieu van der Poel das Amstel<br />

Gold Race für sich entschied.<br />

Vaughters sagte zu <strong>Procycling</strong>, die Team-Hierarchien<br />

hätten sich über die Jahre geändert. „Die<br />

jungen Fahrer haben jetzt nicht mehr das Gefühl,<br />

dass sie fünf Jahre für einen Kapitän schuften und<br />

sich hocharbeiten müssen“, sagte er. „Sie haben<br />

vor niemandem Angst.“<br />

Da die Sportwissenschaft so weit entwickelt<br />

ist, verlassen die Fahrer die U23 und werden als<br />

fast voll ausgebildete Fahrer Profis. Remco Evenepoel<br />

sparte sich die U23 komplett und ging mit<br />

18 Jahren zu Deceuninck. Taktisch haben sie<br />

zwar noch zu lernen, wenn sie in die WorldTour<br />

kommen, aber wie Pogačar und Co. gezeigt haben,<br />

zählen Taktik und Hierarchie nichts, wenn<br />

man der Stärkste und Mutigste ist.<br />

94 PROCYCLING | JULI 2019


NACHLESE<br />

TAKTIK-TIPPS: TU SO, ALS WÜRDEST DU FÜR<br />

DEINEN KAPITÄN DEN SPRINT ANFAHREN<br />

Die Formel für Sprints auf Flachetappen<br />

ist ganz einfach: Der<br />

Anfahrer beschützt den Sprinter<br />

und bringt ihn so nahe wie möglich an<br />

die Ziellinie, bevor der Sprinter beschleunigt<br />

und – hoffentlich – gewinnt. Massen<br />

sprints im Flachen sind chaotisch<br />

und die Pläne werden selten perfekt umgesetzt.<br />

Aber trotzdem gilt diese grundlegende<br />

Prämisse.<br />

Bei den Vier Tagen von Dünkirchen profitierte<br />

Jumbo–Visma von dieser Taktik,<br />

nachdem Dylan Groenewegen die ersten<br />

Teunissen (in Rot)<br />

und Groenewegen<br />

(in Grün) tricksten<br />

die anderen Sprinter<br />

bei den Vier<br />

Tagen von Dünkirchen<br />

aus.<br />

drei Etappen gewonnen hatte. Auf der<br />

sechsten und letzten Etappe, einem völlig<br />

flachen 191-Kilometer-Kurs von Roubaix<br />

nach Dünkirchen, rechnete man wieder<br />

damit. Trotzdem beschloss das holländische<br />

Team, alle zu überraschen. 250 Meter<br />

vor der Linie fuhr Mike Teunissen an<br />

der Spitze des Pelotons und Groenewegen<br />

klebte an seinem Hinterrad – gemäß der<br />

bewährten Formel. Aber während die<br />

Rivalen auf Groenewegen achteten, beschleunigte<br />

Teunissen noch einmal, riss<br />

eine Lücke und entwischte. Bevor irgendjemand<br />

verstanden hatte, was gerade passierte,<br />

hatte Teunissen einige Meter Straße<br />

zwischen sich und den Rest des Feldes<br />

gelegt und fuhr selbst zum Sieg.<br />

Dieses vorgetäuschte Sprintanfahren<br />

hat auch in der Vergangenheit schon funktioniert.<br />

2011 gewann Mark Renshaw auf<br />

ähnliche Weise die 5. Etappe der Großbritannien-Rundfahrt<br />

vor seinem Kapitän<br />

Mark Cavendish. Das Peloton fällt vielleicht<br />

nicht jedes Mal darauf herein, aber<br />

Jumbo–Visma hat bewiesen, dass der<br />

Trick ab und zu funktioniert.<br />

© Corvos<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 95


NACHLESE<br />

BREITER PALMARÈS<br />

RUNDFAHRER<br />

DES JAHRES<br />

Der dominanteste Rundfahrer 2019 ist derzeit Primož Roglič. Der<br />

Mann von Jumbo–Visma hat drei Klassementsiege erzielt – UAE<br />

Tour, Tirreno–Adriatico und Tour de Romandie –, dabei sah es so aus,<br />

als wäre ihm beim Giro die Luft ausgegangen.<br />

© Getty Images<br />

Philippe Gilbert hat den breitesten Palmarès des Radsports. Wir haben<br />

alle WorldTour-Siege bei unterschiedlichen Rennen (und die WM)<br />

zusammengezählt, wobei herauskam, dass Gilbert zehn WorldTour-<br />

Rennen gewonnen hat: vier von fünf Monumenten, die WM, Amstel Gold,<br />

Flèche, San Sebastián, Québec und die Tour of Beijing. Damit liegt er vor Alejandro<br />

Valverde.<br />

FAHRER TEAM SIEGE<br />

Philippe Gilbert Deceuninck–Quick-Step 10<br />

Alejandro Valverde Movistar 9<br />

Alexander Kristoff UAE Emirates 7<br />

Michał Kwiatkowski Ineos 7<br />

Vincenzo Nibali Bahrain-Merida 7<br />

Peter Sagan Bora–hansgrohe 7<br />

Nairo Quintana Movistar 6<br />

Greg Van Avermaet CCC 6<br />

Richie Porte Trek-Segafredo 5<br />

Julian Alaphilippe Deceuninck–Quick-Step 4<br />

Edvald Boasson Hagen Dimension Data 4<br />

John Degenkolb Trek-Segafredo 4<br />

Chris Froome Ineos 4<br />

Dan Martin UAE Emirates 4<br />

Niki Terpstra Total Direct Energie 4<br />

Elia Viviani Deceuninck–Quick-Step 4<br />

Tim Wellens Lotto Soudal 4<br />

FAHRER TEAM SIEGE 2. 3. 4./5.<br />

Primož Roglič Jumbo–Visma 3 0 0 0<br />

Jon Izagirre Astana 2 1 0 0<br />

Miguel Ángel López Astana 2 0 0 0<br />

Thibaut Pinot Groupama-FDJ 2 0 0 2<br />

Tadej Pogačar UAE Emirates 2 0 0 0<br />

Egan Bernal Ineos 1 0 1 1<br />

Jakob Fuglsang Astana 1 0 1 1<br />

Merhawi Kudus Astana 1 0 1 0<br />

Felix Großschartner Bora–hansgrohe 1 0 0 2<br />

Chris Harper BridgeLane 1 0 0 1<br />

Luis León Sánchez Astana 1 0 0 1<br />

MANNSCHAFTSSPORT<br />

Bei Rundfahrten kann man an der Mannschaftswertung feststellen,<br />

welches Team Stärke in der Tiefe hat. Es kommt nicht überraschend,<br />

dass 2019 Movistar die bisher meisten Siege in der Mannschaftswertung<br />

erzielen konnte; mit dem Giro schob man sich vor Ineos auf dem zweiten<br />

Platz. EF Education First ist Dritter – der Sieg in der Teamwertung der Tour of<br />

California war ein kleiner Trost für Platz zwei im Gesamtklassement.<br />

TEAM<br />

Movistar 6<br />

Ineos 5<br />

EF Education First 4<br />

Groupama-FDJ 3<br />

Astana 2<br />

Eritrea 2<br />

Israel Cycling Academy 2<br />

TEAM<br />

KLASS.<br />

SIEGE<br />

AG2R La Mondiale 1<br />

Arkéa-Samsic 1<br />

Caja Rural 1<br />

Jumbo–Visma 1<br />

Katusha-Alpecin 1<br />

Manzana 1<br />

Mitchelton-Scott 1<br />

Roompot 1<br />

UAE Emirates 1<br />

96 PROCYCLING | JULI 2019


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RETRO<br />

TOUR DE FRANCE 1989<br />

DIE SPANNENDSTE<br />

TOUR DE FRANCE<br />

Die Tour de France 1989 ist in die Geschichte eingegangen<br />

als einer der Allzeitklassiker, bei dem Greg LeMond und<br />

Laurent Fignon bis nach Paris um Sekunden kämpften.<br />

<strong>Procycling</strong> blickt zurück auf ein dramatisches Rennen, das<br />

auf den letzten Drücker entschieden wurde.<br />

Text William Fotheringham Fotografie Offside Sports Photography<br />

Etwas oder jemanden „das Größte“ zu nennen,<br />

ist immer etwas gewagt. Das Prädikat<br />

muss mit Sorgfalt vergeben und Argumente<br />

müssen geordnet werden, falls die Pedanten sich<br />

melden. Es ist jetzt 30 Jahre her seit der großartigsten<br />

Tour de France aller Zeiten. Es spricht<br />

auch einiges für andere – 1986, 1979, 1998,<br />

1964, 1971 –, aber wir alle stecken unseren<br />

Claim irgendwo ab. Meiner ist 1989.<br />

Die Tour de France 1989 bewies, dass das echte<br />

Leben reicher ist als Fiktion: Niemand hätte<br />

sich die Bandbreite an Szenarien träumen lassen<br />

können, die das Rennen bot. Greg LeMonds Sieg,<br />

das größte Comeback, das der Sport kennt. Sein<br />

Kampf mit Laurent Fignon, das spannendste Finale<br />

aller Zeiten. Der intensivste Dreier-Wettkampf,<br />

den das Rennen je erlebte, der in diesem<br />

Finale zwischen zwei Großen des Sports gipfelte,<br />

deren Vermächtnis makellos geblieben ist. Dies<br />

war ein Kampf der unnachgie bigen körperlichen<br />

Anstrengung, bei dem die beiden Protagonisten<br />

sich bisweilen gegenseitig in den Keller fuhren.<br />

Keiner von beiden war in der Form seiner größten<br />

Jahre, aber ausgerechnet ihre Momente der<br />

Schwäche sollten das Rennen definieren. Keine<br />

Tour hat je die gleiche Spanne an Handlungssträngen<br />

geboten. Auf elf der 21 Etappen passierte<br />

etwas Entscheidendes. Es war ein Rennen maximaler<br />

Intensität.<br />

Die Tour 1989 ist als Zweikampf zwischen<br />

Fignon und LeMond in Erinnerung geblieben,<br />

aber ihr Kampf wurde möglich durch einen der<br />

kuriosesten Zwischenfälle in der Geschichte des<br />

Rennens. Beim Prolog in Luxemburg kam der Titelverteidiger<br />

Pedro Delgado zu spät zum Start<br />

und verlor gleich 2:40 Minuten, dann weitere<br />

14 Sekunden auf dem Kurs. Es war surreal, und<br />

der Spanier hatte nie eine angemessene Erklärung.<br />

Er ärgerte sich in der folgenden Nacht,<br />

machte sich Vorwürfe über seine Unpünktlichkeit<br />

und erlebte beim Mannschaftszeitfahren am folgenden<br />

Tag einen Albtraum: Als diese Übung vorbei<br />

war, hatte er sieben Minuten Rückstand. Er<br />

verbrachte den Rest der Tour damit, die verlorene<br />

Zeit aufzuholen – ziemlich erfolgreich, denn er<br />

schaffte es aufs Podium mit 3:34 Rückstand.<br />

Delgado hatte mehr Recht, als Favorit zu gelten,<br />

als LeMond oder Fignon. LeMond hatte keine<br />

nennenswerte Form bei einer großen Rundfahrt<br />

mehr gezeigt, seit er 1986 Gelb gewonnen hatte,<br />

und es war nicht garantiert, dass er nach seinem<br />

Jagdunfall, der ihn 1987 fast das Leben gekostet<br />

hatte, je wieder zu seiner Bestform zurückfinden<br />

würde. Er kämpfte sich durch den Giro d’Italia,<br />

war kurz davor aufzugeben, bevor eine Reihe von<br />

Eisen-Injektionen einen Anfall von Anämie heilte.<br />

Er war nur im abschließenden Zeitfahren des Giro<br />

gut gefahren, aber eine einmalige Vorstellung wie<br />

diese war nicht dasselbe, wie drei Wochen lang<br />

Leistung zu bringen. Fignon hingegen hatte den<br />

Giro gewonnen und sich für das Rennen von<br />

1984 revanchiert, wo er glaubte, von den Organisatoren<br />

betrogen worden zu sein. Er hatte allerdings<br />

wenig Beständigkeit gezeigt und war im<br />

wichtigen Bergzeitfahren zum Monte Generoso<br />

17. geworden, während er sich in den Dolomiten<br />

bei Regen und Kälte schwertat. Und er hatte mit<br />

den Folgen einer Schulterverletzung zu kämpfen.<br />

Er hatte sich am Ende gegen den Italiener Flavio<br />

Giupponi durchgesetzt, war aber Lichtjahre entfernt<br />

von dem dominanten Individuum, das auf<br />

dem Weg zum Toursieg 1984 fünf Etappen gewonnen<br />

hatte. Er kämpfte nach einer Operation<br />

wegen einer Sehnenentzündung Anfang 1985<br />

drei Jahre lang mit seiner unbeständigen Form.<br />

98 PROCYCLING | JULI 2019


JULI 2019 | PROCYCLING 99


Fignon schaut auf der<br />

16. Etappe nach Briançon<br />

über die Schulter<br />

und seinem Kontrahenten<br />

LeMond<br />

direkt in die Augen.<br />

100 PROCYCLING | JULI 2019


RETRO<br />

TOUR DE FRANCE 1989<br />

Als Delgado aus dem Rennen war, deutete<br />

der Prolog das künftige Muster des Rennens an:<br />

Fignon und LeMond zeitgleich auf dem zweiten<br />

Platz hinter dem Niederländer Erik Breukink. Der<br />

zweite Tag unterstrich, dass Fignons Team Super<br />

U viel stärker war als LeMonds ADR. Die drei<br />

Buchstaben standen, wie die belgischen Fans<br />

spotteten, für al de restjes – die gesam melten Reste,<br />

also die Fahrer, die kein anderes Team wollte.<br />

Der Vertrag mit LeMond war erst zu Neujahr<br />

1989 zustande gekommen, als der Toursieger von<br />

1986 die Nummer 345 der Weltrangliste war.<br />

Beim Mannschaftszeitfahren flog Super U<br />

förmlich, und ihr Kapitän hatte einen der seltenen<br />

Tage, an dem er sich wie 1984 fühlte. Er schrieb<br />

später: „Ich konnte die Power in mir fühlen, die<br />

Power, die ich an meinen besten Tagen hatte. Es<br />

war fast Ekstase zu wissen, dass ich wieder auf<br />

diesem Niveau der Allerbesten angekommen war.“<br />

Seine Mannschaft nahm ADR 51 Sekunden ab.<br />

Nach zwei flachen Etappen und einem lan -gen<br />

Transfer nach Westen ließ die dritte Runde erkennen,<br />

was LeMond in petto hatte. Er und Delgado<br />

waren eine Stunde früher als Fignon in das 73 Kilometer<br />

lange Zeitfahren der 5. Etappe gegangen<br />

– ein Marathon für heutige Verhältnisse – und<br />

hatten von dem trockeneren und ruhigeren Wetter<br />

profitiert. LeMond nahm Fignon 56 Sekunden ab,<br />

während Delgado sich zurückzukämpfen begann<br />

und 32 Sekunden auf den Franzosen gutmachte.<br />

Hier kam das große Thema des Rennens auf:<br />

LeMond und seine Lenkeraufsätze, die Triathleten<br />

Anfang der 1980er eingeführt hatten. Auch<br />

wenn sie etwas unhandlich aussahen, brachten<br />

sie in Sachen Aerodynamik sehr viel. LeMond war<br />

FIGNON ÄRGERTE SICH<br />

ZUNEHMEND ÜBER<br />

LEMONDS WEIGERUNG,<br />

MIT IHM ZUSAMMENZU -<br />

ARBEITEN. VOM ÄRGER<br />

GETRIEBEN, GRIFF ER AN.<br />

bei der Tour de Trump schlecht gefahren, aber er<br />

hatte den Lenker gesehen und wollte einen; er lud<br />

ihren Erfinder, Boone Lennon von der Firma Scott<br />

(der sich von der Armhaltung von Abfahrtskiläufern<br />

hatte inspirieren lassen), ein, zur Tour zu<br />

kommen und sein Rennrad einzurichten.<br />

Es war ein amerikanisches Ding: Das 7-Eleven-Team<br />

hatte sie bei der Tour de Trump ausprobiert,<br />

und am Morgen des Zeitfahrens sprach sein<br />

Management mit den Kommissären, um sich den<br />

Einsatz absegnen zu lassen. Man nahm einen<br />

wichtigen Sponsor mit: den Ausrüster Eddy<br />

Merckx. Das war die Herangehensweise der neuen<br />

Welt. Fignon und sein Manager Cyrille Guimard<br />

hielten davon nichts: Sie konnten mitten im<br />

wichtigsten Rennen der Saison doch kein neues<br />

Material einsetzen. Das war, wie Fignon schrieb,<br />

ein „unantastbares Prinzip“ von ihnen. Eine ver-<br />

nünftige Einstellung unter normalen Umständen,<br />

aber in diesem Fall desaströs.<br />

Nach dem Zeitfahren in Rennes trug LeMond<br />

Gelb, Fignon lag fünf Sekunden zurück, und so<br />

blieb es bis zu den Pyrenäen. Hier griff das Reynolds-Team<br />

von Delgado an. In einem klassischen<br />

taktischen Manöver schickte es auf dem ersten<br />

Tagesabschnitt nach Cauterets einen bärenstarken<br />

jungen Helfer aus der Navarra namens Miguel<br />

Indurain auf dem Weg zum Au bisque voraus, um<br />

als Sprungbrett für seinen Kapitän zu dienen. Indurain<br />

fuhr zwischenzeitlich sechs Minuten Vorsprung<br />

heraus, aber Delgado konnte kaum davon<br />

profitieren, startete<br />

einen späten Angriff und machte ein paar Sekunden<br />

gut. LeMond und Fignon kamen zusammen<br />

ins Ziel. Runde vier war ein weiteres Remis.<br />

In Runde fünf am folgenden Tag nach Superbagnères<br />

zeigte Delgado, dass er ohne seinen<br />

Lapsus am ersten Tag wahrscheinlich die Tour<br />

gewonnen hätte. Er schloss sich einer frühen Ausreißergruppe<br />

mit Charly Mottet und dem späteren<br />

Etappensieger Robert Millar an und machte über<br />

drei Minuten gut. Dahinter ärgerte sich Fignon<br />

zunehmend über LeMonds Weigerung, mit ihm<br />

zusammenzuarbeiten und das Trio zu verfolgen.<br />

Fignon kletterte immer noch nicht in Bestform,<br />

aber vom Ärger getrieben, griff er auf dem letzten<br />

Kilometer an und nahm LeMond das Gelbe Trikot<br />

um sieben Sekunden ab. Damit ging Runde fünf<br />

knapp an ihn. Am folgenden Morgen sagte Le-<br />

Mond Fignon im Village Départ die Meinung.<br />

Aber das war die einzige Auseinandersetzung<br />

zwischen den beiden an den folgenden vier Tagen,<br />

als das Rennen nach Südfrankreich und zum<br />

Fuße der Alpen führte. Fignons Teamkollege Vincent<br />

Barteau gewann die Etappe nach Marseille,<br />

der Abschnitt am 14. Juli führte zur Feier des<br />

200. Jahrestages der Revolution in die Heimat der<br />

französischen National hymne. Mit einem Franzosen<br />

in Gelb. Vive le Tour! Vive la France!<br />

Es gab sechs Tage in den Alpen, und die Intensität<br />

steigerte sich zusehends. Erst kam das Bergzeitfahren<br />

der 15. Etappe, was eine Wiederholung<br />

von Rennes war: Auf den 39 Kilometern verlor<br />

Fignon 47 Sekunden auf LeMond. Runde sechs<br />

ging an LeMond, der jetzt mit 40 Sekunden Vorsprung<br />

in Gelb war.<br />

Zwei Tage später – nach einem Ruhetag –<br />

führte das Rennen über den Col d’Izoard nach<br />

Briançon. Fignon wurde von LeMond abgehängt<br />

– es war das einzige Mal in dem Rennen, dass der<br />

Amerikaner ihn in einem Anstieg abschüttelte,<br />

nachdem er sich mehrmals wieder an die Spitzengruppe<br />

herangekämpft hatte, in der Delga-<br />

Greg LeMond in Gelb am Hinterrad<br />

des Franzosen Charly Mottet.<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 101


RETRO<br />

TOUR DE FRANCE 1989<br />

Robert Millar führt Charly Mottet auf<br />

der 10. Etappe nach Superbagnères, die er<br />

gewinnen wird.<br />

do verzweifelt versuchte, mehr verlorene Zeit gutzumachen.<br />

Damit ging Runde sieben an den<br />

Amerikaner, der seinen Vorsprung auf 53 Sekunden<br />

ausbaute.<br />

Als Nächstes kam Alpe d’Huez via Galibier und<br />

Croix de Fer, wo Fignon und Guimard beschlossen,<br />

am Schlussanstieg alles auf eine Karte zu<br />

setzen. „Um die Höllenfeuer anzuzünden“, wie<br />

Fignon es formulierte. In der ersten Haarnadelkurve<br />

attackierte er – einmal, zweimal, dreimal.<br />

„Über seinen Lenker gebeugt, holte<br />

LeMond alles aus sich heraus, um wieder an ihn<br />

heranzukommen. Dann war es an ihm zu attackieren.<br />

„Ich bin wieder gegangen. Ein paar Sekunden<br />

später war er wieder an meiner Seite. Es<br />

war Gleichstand. Wir konnten nicht mehr atmen<br />

oder irgendein Gewicht auf die Pedale bringen.“<br />

Sechs Kilometer vor dem Gipfel der Alpe fuhr<br />

Guimard zu Fignon hin und sagte ihm, dass<br />

LeMond in Schwierigkeiten war. Fignon regenerierte<br />

sich noch, setzte seine Attacke aber zwei<br />

Kilometer später. Guimard hatte recht gehabt:<br />

Sein Kapitän nahm LeMond bis zum Ziel 20 Sekunden<br />

ab. „Wäre ich gegangen, als Guimard es<br />

mir gesagt hatte, hätte ich die Tour gewonnen.“<br />

Runde acht ging an Fignon, der mit 26 Sekunden<br />

wieder führte. Aber er wusste, dass es nicht ausreichen<br />

würde, um den Sieg in Paris zu garantieren.<br />

Daher ging Fignon am nächsten Tag wieder in<br />

die Offensive, am vorletzten Anstieg vor dem Finale<br />

in Villard-de-Lans. Er fuhr fast eine Minute<br />

LEMOND IN EKSTASE,<br />

SEINE HAND ZERDRÜCKT<br />

EINE FLASCHE MINERAL-<br />

WASSER: EINES DER PRÄ-<br />

GENDEN BILDER DER TOUR.<br />

heraus, bevor er am Schlussanstieg in den Gegenwind<br />

hineinfuhr. Trotzdem gewann er die Etappe<br />

mit 24 Sekunden. „An dem Abend herrschte Euphorie.<br />

Ich war sicher, dass ich die Tour gewonnen<br />

hatte“, sagte er. Runde neun ging an Fignon.<br />

Die unvorhersehbare Form des Super-U-Kapitäns<br />

wurde besser, aber dann traf er eine fatale<br />

Entscheidung. An den kleineren, voralpinen Anstiegen<br />

auf dem Weg nach Aix-les-Bains auf der<br />

19. Etappe flog er förmlich mit „Flügeln an den<br />

Füßen“, erinnerte er sich. „Am Col de Porte gewann<br />

ich jedes Mal, wenn ich als Erster in eine<br />

Haarnadelkurve fuhr, zehn Meter.“ An einem<br />

Punkt attackierte er, ohne es zu bemerken, riss<br />

eine Lücke und nahm dann Tempo raus. Es<br />

waren noch 70 Kilometer bis zum Ziel; der alte<br />

Fignon hätte es wissen sollen. Merckx oder Hinault<br />

hätten es wissen sollen. Aber dies war der<br />

postoperative Fignon, nicht mehr „jung und<br />

unbekümmert“. Er wollte auf Nummer sicher gehen.<br />

In Aix-les-Bains kämpften die fünf stärksten<br />

Fahrer um den Etappensieg: LeMond gewann,<br />

fuhr aber keine Zeit heraus. Betrachten wir Runde<br />

zehn als unentschieden.<br />

Womit die unsterbliche letzte Etappe nach Paris<br />

blieb. Fignon, geschwächt durch eine wunde<br />

Stelle am Gesäß, wegen der er kaum sitzen konnte<br />

– nicht nur auf dem Sattel seines Rennrads, sondern<br />

auf allem –, gegen LeMond, der überzeugt<br />

war, noch gewinnen zu können, und die Hilfe<br />

eben jenes Triathlonlenkers hatte. Fignon war<br />

überzeugt, nicht verlieren zu können;<br />

er schätzte, dass der Amerikaner 50 Kilometer<br />

brauchen würde, um die nötige Zeit herauszufahren.<br />

LeMond hatte 24,5 Kilometer von Versailles<br />

auf die Champs-Élysées.<br />

Sie starteten in einem Abstand von zwei<br />

Minuten. Nach fünf Kilometern sagte Guimard<br />

Fignon, dass er sechs Sekunden verloren habe.<br />

Der Franzose hörte auf, in die Pedale zu treten,<br />

und schaute ungläubig zum Mannschaftswagen.<br />

Danach gab ihm Guimard keine weiteren Informationen<br />

mehr. LeMond erhielt gar keine Zwischenzeiten.<br />

Aber die Zuschauer konnten sich<br />

ausrechnen, dass der Amerikaner das bessere<br />

Ende für sich haben würde. Nach und nach akkumulierten<br />

sich die Sekunden, bis LeMond<br />

4,5 Kilometer vor dem Ziel 45 Sekunden Vorsprung<br />

hatte. Er wurde Erster, gefolgt von Fignon:<br />

Dieser war 58 Sekunden langsamer als<br />

LeMond und im Begriff, mit ein paar Metern<br />

Rückstand zu verlieren.<br />

Das überforderte französische Fernsehen gab<br />

LeMond Kopfhörer und versuchte, ihn in den<br />

letzten kritischen Momenten zu interviewen. Er<br />

konnte die Frage nicht hören wegen des Getöses<br />

der ausrastenden Menge. Wie der altgediente<br />

amerikanische Journalist Sam Abt schrieb: „Als<br />

klar wurde, dass Fignon nicht rechtzeitig ins Ziel<br />

kommen würde, fing LeMond an, mit den Fäusten<br />

in die Luft zu boxen, einen Aufwärtshaken nach<br />

dem anderen.“<br />

LeMond in Ekstase mit aufgerissenen Augen,<br />

seine Hand zerdrückt eine Flasche Mineralwasser:<br />

Es ist eines der prägenden Bilder der Tour-<br />

Geschichte. Die großartigste Tour aller Zeiten war<br />

zu Ende: Runde elf an LeMond; Spiel, Satz und<br />

102 PROCYCLING | JULI 2019


Sieg. Dieser ließ auf seinen Toursieg wenige Wochen<br />

später den Weltmeistertitel folgen, wiederholte<br />

sein Duell mit Fignon an der Côte de la<br />

Montagnole hoch über Chambéry. Ein monströs<br />

großer Vertrag mit Z-Peugeot, der erste siebenstellige<br />

Vertrag des Radsports, war sein Lohn.<br />

Was war mit seinem gefallenen Rivalen? Fignon<br />

war nie wieder derselbe, aber glauben Sie die Geschichten<br />

nicht, dass er die Champs-Élysées nie<br />

wieder betreten hätte. Zusammen mit dem Fotografen<br />

Graham Watson habe ich ihn 1993, nach<br />

seinem Karriereende, dorthin begleitet. Ich werde<br />

nie seinen gebeugten Rücken vergessen, als er in<br />

einem knalligen Schottenmantel posierte. Er sah<br />

nicht glücklich aus. Und wer wollte es ihm verdenken?<br />

An jenem Nachmittag wurde aus dem<br />

Mann, der zwei Frankreich-Rundfahrten gewonnen<br />

hatte, der Mann, der die Tour<br />

um acht Sekunden verlor. Fignon beendete seine<br />

Karriere 1993. In den späten 90ern und frühen<br />

2000ern übernahm er die Organisation von<br />

Paris–Nizza. Er starb viel zu jung, im August<br />

2010, mit gerade mal 50 Jahren.<br />

Ich habe einen anhaltenden (und überhaupt<br />

nicht bitteren) Groll gegen die Tour 1989. Ich<br />

habe 1990 angefangen, von der Tour zu berichten,<br />

das Jahr nach dem Epos, und das Rennen<br />

2017 war mein letztes. Es gab verschiedene<br />

Gründe, warum ich nicht weitermachte. Einer<br />

war, dass bei jeder Tour, die ich verfolgte, ein<br />

kleines Stück von mir hoffte, dass ich drei Wochen<br />

erleben und beschreiben könnte, die mit<br />

dem Epos von 1989 vergleichbar wären. Tut mir<br />

leid, Indurain, Chiappucci, Ullrich, Armstrong,<br />

Wiggins und Froome: Ihr habt es nicht gebracht.<br />

Meine Gefühle sind ein Klacks. Stellen Sie sich<br />

vor, wie sich Jean-Marie Leblanc gefühlt haben<br />

muss, der 1989 als Tour-Organisator übernahm<br />

und dann vor der unmöglichen Aufgabe stand,<br />

das Rennen jedes Jahr im Schatten des ultimativen<br />

Duells zu entwerfen. Er baute nie wieder ein<br />

Zeitfahren auf den Champs-Élysées ein. Nichts<br />

hat je an 1989 herangereicht, und wahrscheinlich<br />

wird nichts je wieder so spannend sein … jedenfalls<br />

keine Tour de France.<br />

Das Podium in Paris: LeMond ist<br />

im siebten Himmel, Fignon kann’s<br />

nicht fassen und Delgado ärgert sich.<br />

1989 TOUR DE<br />

FRANCE TOP 10<br />

1 Greg LeMond ADR 87:38:35<br />

2 Laurent Fignon Super U + 0:08<br />

3 Pedro Delgado Reynolds + 3:34<br />

4 Gert-Jan Theunisse PDM + 7:30<br />

5 Marino Lejarreta Paternina + 9:39<br />

6 Charly Mottet RMO + 10:06<br />

7 Steven Rooks PDM + 11:10<br />

8 Raúl Alcalá PDM + 14:21<br />

9 Sean Kelly PDM + 18:25<br />

10 Robert Millar Z-Peugeot + 18:46<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 103


WUNSCHLISTE<br />

DIE PRODUKT-HIGHLIGHTS DES MONATS<br />

CERVÉLO R5<br />

RED ETAP AXS<br />

9.499 €<br />

www.cervelo.com<br />

Die unverkennbare Formensprache<br />

der Kanadier trifft auf modernste<br />

Komponenten. Mit teils immer noch<br />

„squovalen“, teils aerodynamisch<br />

optimierten Rohren soll der bewährte<br />

Rahmen der R-Serie Steifigkeit<br />

mit Speed vereinen, was sogar mit<br />

Scheibenbremsen ausgesprochen<br />

leichtgewichtig geht: Nur 7,2 Kilo<br />

wiegt das Rad in Größe 54; dran<br />

sind die neue Zwölffach-Gruppe<br />

von SRAM sowie leichte Carbon-<br />

Laufräder von DT Swiss. Die<br />

ausgewogene Sitzhaltung und viel<br />

Komfort versprechen unbeschwerte<br />

Kilometer.<br />

104 PROCYCLING | JULI 2019


JULI 2019 | PROCYCLING 105


WUNSCHLISTE<br />

RAPHA EF<br />

EDUCATION<br />

FIRST<br />

Pro Team Aero Jersey 175 €,<br />

Pro Team Bib Shorts II 230 €<br />

www.rapha.cc<br />

Die Briten starteten zu Saisonbeginn<br />

mit einem neuen Top -<br />

team durch, und es hat sich<br />

gelohnt: EF Education First Pro<br />

Cycling gewann in der ersten<br />

Saisonhälfte sieben Rennen,<br />

darunter sogar ein Monu ment.<br />

Natürlich spendiert der Bekleidungshersteller<br />

seiner Truppe<br />

nur bestes Material, darunter das<br />

eng anliegende Aero-Trikot mit<br />

flachem Kragen und bis zu den<br />

Ellenbogen reichenden Ärmeln<br />

sowie eine sehr bequeme Radhose,<br />

die in zwei Beinlängen erhältlich<br />

ist. Wer’s dezenter mag, bekommt<br />

beides natürlich auch im klassischen<br />

Rapha-Look.<br />

FIZIK<br />

INFINITO<br />

R1 19 19<br />

380 €<br />

www.fizik.com<br />

Zum Giro d’Italia ließ Fizik diese<br />

gelungene Sonderserie vom Stapel:<br />

Beim R1 19 19 gibt es rundum<br />

reflektierendes Mikrotex-Material<br />

zu bestaunen, bedruckt mit den<br />

Strecken der Giri 1919 und 2019. Der<br />

in Größe 42 rund 250 Gramm<br />

wiegende Schuh kommt mit zwei<br />

BOA-Verschlüssen, die unabhängig<br />

voneinander für Spann und<br />

Vorderfuß zuständig sind, dazu mit<br />

Fußgewölbeunterstützung und<br />

natürlich einer steifen Carbonsohle.<br />

106 PROCYCLING | JULI 2019


WUNSCHLISTE<br />

ASSOS ZEGHO<br />

G2 DRAGONFLY<br />

COPPER<br />

440 €<br />

www.assos.com<br />

Die edle Brille der Schweizer hat<br />

einiges zu bieten: Bemerkenswert<br />

ist erst einmal die große, extrem<br />

klare Scheibe, für die man mit<br />

Carl Zeiss Vision kooperierte. Die<br />

Abdeckung ist optimal, die Sicht<br />

auch in den Randbereichen perfekt<br />

dank der rahmenlosen Konstruktion.<br />

Was den hohen Preis<br />

relativiert, ist die mitgelieferte<br />

transparente Scheibe („Crystal“),<br />

dazu kommt ein Korrektur gläser-<br />

Einsatz, der unauffällig hinter<br />

der Scheibe sitzt.<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 107


WUNSCHLISTE<br />

GARMIN EDGE 830<br />

BUNDLE<br />

469,99 €<br />

www.garmin.com<br />

Der mit acht mal fünf Zentimeter angenehm<br />

kompakte 830 vereint ein sehr gut ablesbares,<br />

detailreiches Farbdisplay mit vielen aktuellen<br />

Features, etwa einem Umgebungslichtsensor,<br />

Unfallalarmierung und natürlich Routenplanung.<br />

Gegeben ist außerdem die Kompatibilität mit<br />

zahlreichen Geräten wie der mitgelieferten Fern -<br />

bedienung oder der Varia-Radarrückleuchte, nicht<br />

zu vergessen Powermeter und Sensoren zur Ge -<br />

schwindigkeits- und Tretfrequenzmessung. Dazu<br />

kommen Connectivity-Optionen für Nachrichten<br />

usw. Mit diversen Apps kann man seinen 830<br />

außerdem auf individuelle Ansprüche abstimmen.<br />

108 PROCYCLING | JULI 2019


WUNSCHLISTE<br />

CONTI RACE 28<br />

7,50 €<br />

www.continental-reifen.de<br />

Trotz Tubeless-Hype sind die<br />

aller-allermeisten Rennradfahrer<br />

nach wie vor mit Schlauch<br />

unterwegs. Und angesichts der<br />

sehr guten Performance der<br />

aktuellen Modelle kann ihnen das<br />

kaum einer verübeln. Ein Schlauch<br />

wie der Conti Race 28 lässt sich<br />

sicher montieren und reißt auch<br />

nicht gleich ein, wenn er mal<br />

unterm Mantel klemmt; mit 100<br />

Gramm ist er außerdem kein<br />

bremsendes Schwergewicht. Und<br />

was den Rollwiderstand angeht,<br />

legen unabhängige Messungen<br />

nahe, dass selbst ein Standardschlauch<br />

wie dieser nur einen<br />

minimalen Nachteil bietet.<br />

CONTI GRAND<br />

PRIX 5000<br />

62,90 €<br />

www.continental-reifen.de<br />

Contis neues Topmodell übertrifft<br />

seinen Vorgänger in allen Bereichen.<br />

Der 5000 rollt noch etwas<br />

leichter, ist noch einmal pannenfester<br />

und haftet super sicher auf As -<br />

phalt dank seiner Mikrostrukturen<br />

im Profil. Mit rund 220 Gramm in<br />

25er-Breite ist der GP 5000 dazu<br />

ziem lich leicht. Auffal lend ist, dass<br />

der Reifen aus Korbach anders als<br />

die Modelle manch anderer<br />

Her steller auch auf breiteren Felgen<br />

sein Nenn maß nicht oder nur<br />

minimal über schreitet – gut, wenn<br />

man einen Renner mit engem<br />

Durchlauf fährt.<br />

JULI 2019 | PROCYCLING 109


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Tel.: 040/380 865 33<br />

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Werther Straße 44, 46395 Bocholt<br />

Tel.: 0 28 71/27 55-55<br />

Fax: 0 28 71/27 55-50<br />

Email: rosemail@rose.de, Internet: www.rose.de<br />

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AUSGABE<br />

19.07.19<br />

-Impressum<br />

<strong>Procycling</strong> erscheint monatlich bei<br />

WOM Medien GmbH<br />

Auwiesenstraße 1<br />

94469 Deggendorf<br />

info@wom-medien.de<br />

Ihr <strong>Procycling</strong>-Team<br />

Redaktionsleitung Dieter Steiner<br />

Textchef Caspar Gebel<br />

E-Mail info@procycling.de<br />

Ständige redaktionelle Mitarbeiter<br />

Chris Hauke, Dominik Ruiz Morales,<br />

Peter Cossins, Sam Dansie, Alasdair<br />

Fotheringham, Daniel Friebe, Werner<br />

Müller-Schell, Sadhbh O’Shea, Herbie<br />

Sykes, John Whitney, Jamie Wilkins,<br />

Cam Winstanley<br />

Layout Saskia Funke<br />

Übersetzungen Esther Kriegel<br />

Lektorat Helga Peterz<br />

Fotos Andreas Meyer, Getty Images<br />

Objekt- und Anzeigenleitung<br />

Maximilian Seidl<br />

m.seidl@wom-medien.de<br />

Druck Mayr Miesbach GmbH<br />

Pressevertrieb<br />

stella distribution GmbH<br />

20097 Hamburg<br />

Abonnement<br />

Hotline Michaela von Sturm,<br />

0 99 1-99 13 80 19<br />

Abonnieren Sie online unter<br />

www.procycling.de<br />

Der Preis für ein Einzelheft beträgt<br />

5,90 Euro (D). Nachbestellungen<br />

älterer Ausgaben sind zzgl. Versandkosten<br />

möglich. Der Preis für ein<br />

Jahresabo beträgt 59,90 Euro (D)<br />

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© 2019 WOM Medien GmbH<br />

16. Jahrgang<br />

Geschäftsführer Dieter Steiner<br />

Das Magazin <strong>Procycling</strong> und die<br />

Internetseite procycling.de sowie<br />

deren Inhalte sind urheberrechtlich<br />

geschützt.<br />

Die Inhalte dürfen weder in Teilen<br />

noch im Ganzen ohne schriftliche<br />

Genehmigung durch den Verlag<br />

reproduziert oder anderweitig<br />

au ßer halb der Grenzen des Ur he ber -<br />

rechts verwendet werden.<br />

Für unverlangt eingesandte Fotos<br />

und Manuskripte kann keine Haftung<br />

übernommen werden.<br />

Gerichtsstand ist Deggendorf.<br />

© Getty Images<br />

<strong>Procycling</strong> erscheint in Lizenz der<br />

englischen Originalausgabe von<br />

Immediate Media Co., London, UK.<br />

112 PROCYCLING | JULI 2019


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ANNEMIEK VAN NICO VLEUTEN<br />

DENZ RALPH DENK<br />

Höchste Thibaut Zeit für<br />

Pinots Strava-Ride Deutsche Meisterin mit 20 „Wir –<br />

haben 2018 das<br />

Kommentiert Fährt die<br />

er bei Jumbo-Visma<br />

Tokyo Calling – die Nur erfolgreichste<br />

noch ein paar Saisonstart Zentimeter wie aus<br />

die Winterpause<br />

bei „Il Lombardia“ zur eigenen Überraschung<br />

Bestmögliche herausgeholt.“<br />

Bilder seines zurück Jahres<br />

zu alter Stärke?<br />

Fahrerin 2018 hat vom noch großen viel vorErfolg dem entfernt. Bilderbuch<br />

LISA BRENNAUER<br />

RICK ZABELNILS POLITT<br />

„Ich möchte So ein erlebte großes er Marcel Mit einem guten Gefühl<br />

Eintagesrennen Kittels gewinnen.“ ersten Sieg Richtung 2019 Klassiker<br />

BERNHARD RALPH EISEL<br />

DENK DEUTSCHLAND TOUR<br />

Der Steirer Boras schaut Teamchef auf Vier feiert Tage die durch das<br />

seine Karriere ersten zurück<br />

Erfolge der Herz Saison der Republik<br />

GROSSER RADTEST<br />

RALPH DENK<br />

14 Renner zwischen Alles 2.500 in Richtung Giro –<br />

und 10.000 € unter das der sind Lupe Boras Ziele in Italien<br />

RADTEST<br />

Sechs Aerorenner von<br />

Cannondale bis Trek<br />

SEPTEMBER 2018 | Nummer 175<br />

Tour de France – der große Rückblick | Geraint Thomas | Tom Dumoulin | Peter Sagan | Julian Alaphilippe | John Degenkolb<br />

GERAI NT<br />

RAD-WM<br />

THOM DIE<br />

AS<br />

„DAS<br />

GELBE TRIKOT<br />

ZU HABEN,<br />

IST IRRE.“<br />

SO HOLTE SICH DER<br />

WALISER DEN SIEG<br />

EXKLUSIV<br />

WIE PETER<br />

SAGAN DEM DRUCK<br />

ALLE<br />

IM FOKUS<br />

BEGEGNET<br />

Peter Sagan, John Degenkolb,<br />

ETAPPEN<br />

Greg Van Avermaet, Tom Dumoulin,<br />

IM DETAIL<br />

Julian Alaphilippe & Chris Froome<br />

OKTOBER 2018 | Nummer 176<br />

Peter Sagan | Deutschland Tour | Egan Bernal | Arctic Race of Norway | Bernhard Eisel<br />

WILLKOMMEN<br />

ZU HAUSE<br />

DEUTSCHLAND<br />

TOUR<br />

Die Bilder und<br />

Geschichten<br />

der Neuauflage<br />

RENNEN<br />

WERDEN<br />

JEDES JAHR<br />

SCHLIMMER<br />

NOVEMBER 2018 | Nummer 177<br />

Rad-WM Innsbruck | Vuelta-Rückblick | Emanuel Buchmann | Movistar | Greg LeMond 1983<br />

INNSBRUCK<br />

DIE BILDER UND<br />

GESCHICHTEN<br />

AUS TIROL<br />

VUELTA A<br />

ESPAÑA<br />

Großer Rückblick auf die<br />

letzte Grand Tour<br />

des Jahres<br />

DEZEMBER 2018 | Nummer 178<br />

John Degenkolb | Daniel Oss | Michael Valgren & Magnus Cort | BMC | Giro dell’Emilia | Muro di Sormano | Festina-Affäre<br />

MOVISTAR<br />

GROSSER<br />

Wie Spaniens stärkstes<br />

SAISON-<br />

Team das Heimspiel<br />

vergeigte<br />

RÜCKBLICK<br />

DEGEN KOLB<br />

MIT GAST-REDAKTEUR<br />

MARK CAVENDISH<br />

EMANUEL<br />

EXKLUSIV-INTERVIEW<br />

BUCHMANN<br />

GERAINT<br />

Das Saisonfazit des<br />

besten deutschen<br />

„ICH HÄTTE THOMAS<br />

Rundfahrers<br />

VALGREN<br />

„Es ist wie ein Lichtschalter.<br />

& CORT<br />

TOT SEIN<br />

Dazwischen gibt RETRO es nichts.<br />

Nordische<br />

EGAN<br />

Entweder Salat Greg und LeMonds Quinoa<br />

Allianz<br />

KÖNNEN.“<br />

BERNAL<br />

oder Burger WM-Triumph<br />

und Bier.“<br />

Skys nächster<br />

1983<br />

FOTO-<br />

Toursieger<br />

CHRIS FROOME<br />

FEATURE<br />

Giro dell’Emilia<br />

Darum ist er der<br />

FAHREN<br />

Rundfahrer des Jahres<br />

FÜR EIN<br />

RETRO<br />

TASCHENGELD<br />

ENRIC MAS<br />

Die Festina-<br />

Affäre 1998<br />

Warum die Frauen so<br />

FAB GEORGE FOUR<br />

wenig verdienen –<br />

Das<br />

und wie man das<br />

BENNETT<br />

Fazit von<br />

Ackermann,<br />

ändern könnte<br />

Schachmann<br />

& PAULINE<br />

Co.<br />

FERRAND-<br />

PRÉVOT<br />

BMC<br />

SUPERTEAM MIT<br />

NEUEM GESICHT –<br />

SO GEHT ES 2019<br />

WEITER<br />

„WIR SIND EIN<br />

BISSCHEN ROCK’N’ROLL“<br />

DIE WUNDERBARE WELT<br />

DES DANIEL OSS<br />

JANUAR 2019 | Nummer 179<br />

Geraint Thomas | Chris Froome | Marcel Kittel | Quick-Step Floors | André Greipel | Fab Four | Tom Dumoulin | Annemiek van Vleuten | Liane Lippert<br />

FEBRUAR 2019 | Nummer 180<br />

Mark Cavendish | Mailand–San Remo | Marianne Vos | Olympia 1992 | Tony Martin | Nico Denz | Lisa Brennauer<br />

MÄRZ 2019 | Nummer 181<br />

Vincenzo Nibali | Große Saisonvorschau | Themen des Jahres | Fab Four | Erik Zabel | Team Sky | Bernhard Eisel<br />

73<br />

VINCENZO NIBALI<br />

SIEGE „EINEN<br />

WIE QUICK-STEP<br />

DRITTEN GIRO<br />

FLOORS DIE SAISON<br />

ZU DOMINIERT GEWINNEN,<br />

HAT<br />

WÄRE EIN<br />

MARCEL KITTEL<br />

WUNDERBARES<br />

Nach einem Jahr zum<br />

Vergessen – das sind seine<br />

RESULTAT.“<br />

Pläne für 2019<br />

Der beste Allrounder im Radsport<br />

hat ambitionierte Ziele<br />

ANDRÉ GREIPEL<br />

Neues Team, alte Ziele<br />

GROSSE<br />

SAISON-<br />

VORSCHAU<br />

EXKLUSIV-INTERVIEW<br />

„ICH BIN SÜCHTIG<br />

NACH SIEGEN.<br />

ICH BRAUCHE DAS.“<br />

60 Seiten Spezial –<br />

alle Rennen, alle Fahrer,<br />

alle Teams<br />

DER SPRINTSTAR VON DIMENSION DATA<br />

ÜBER SEINE MOTIVATION FÜR 2019<br />

APRIL 2019 | Nummer 182 Greg Van Avermaet | Niki Terpstra | Klassiker-Vorschau | Romain Bardet | Großer Radtest | Nils Politt<br />

AUF DEM RAD<br />

MIT CAV<br />

BEI DER FLANDERN-<br />

KLASSIKER-<br />

VORSCHAU<br />

MAILAND–<br />

SAN REMO<br />

Die Rückkehr<br />

der Allrounder<br />

BEREIT<br />

FÜR DEN<br />

MARIANNE<br />

VOS<br />

KAMPF<br />

GREG VAN AVERMAET<br />

IM VISIER: DER SIEG<br />

WISSEN<br />

IST MACHT<br />

RUNDFAHRT<br />

Wie WorldTour-<br />

Teams Daten nutzen,<br />

um Rennen zu<br />

gewinnen<br />

SPRINTER-<br />

GEHEIMNISSE<br />

OLYMPIA 1992<br />

MAI 2019 | Nummer 183<br />

Simon Yates | Giro-Vorschau | Pascal Ackermann | Radtest: Sechs Aerorenner von Cannondale bis Trek | Deutschland Tour<br />

GIRO<br />

D’ITALIA<br />

S P E Z I A L<br />

IM FOKUS<br />

Diese Themen<br />

werden das<br />

Jahr prägen<br />

FAB FOUR<br />

Stars von morgen<br />

– vier Nachwuchsfahrer<br />

für 2019<br />

DAS ERIK ZABEL<br />

Über Mailand–San Remo<br />

BESTE<br />

– von 1993 bis heute<br />

RENNEN<br />

DER WELT<br />

TEAM SKY<br />

Das Ende? So hat die<br />

britische Equipe das<br />

Peloton verändert<br />

Wir fragen Fahrer, Manager<br />

und Experten, warum sie<br />

den Giro lieben<br />

ROMAIN<br />

BARDET<br />

Frankreichs Star auf der Jagd<br />

nach dem Gelben Trikot<br />

NIKI<br />

TERPSTRA<br />

Nach zwei Monument-Siegen –<br />

neuer Start bei Direct Énergie<br />

DIE<br />

ANSTIEGE<br />

DES GIRO<br />

Diese Berge muss das<br />

Peloton 2019 erklimmen<br />

PASCAL<br />

ACKERMANN<br />

Neues Jahr, neue Höhen?<br />

Der deutsche Meister<br />

im Gespräch<br />

SIMON YATES<br />

RÜCKKEHR NACH ITALIEN –<br />

DER VUELTA-SIEGER WILL DAS ROSA TRIKOT<br />

+<br />

OFFIZIELLES PROGRAMM<br />

TOUR DE FRANCE 2019<br />

DIE ETAPPEN<br />

Alle Infos zu jedem Renntag – mit<br />

Karten, Marschtabellen & Höhenprofilen<br />

Von den Machern von<br />

DIE TEAMS<br />

Die Analyse von Bernard Thévenet –<br />

ihre Fahrer, ihre Stärken, ihre Ziele<br />

DIE FAVORITEN<br />

Thomas, Froome, Dumoulin, Quintana –<br />

welcher Topstar holt sich den Toursieg?<br />

€ 7,95<br />

A-€ 8,50<br />

CHF 12,80<br />

Lux-€ 8,50<br />

It-€ 8,50<br />

DIE DEUTSCHEN<br />

EDELHELFER & ETAPPENJÄGER<br />

DIE PERSPEKTIVEN VON KITTEL,<br />

MARTIN, DEGENKOLB & CO.<br />

196<br />

Seiten<br />

zum größten<br />

Radrennen<br />

der Welt<br />

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DAS LETZTE WORT<br />

JENS VOIGT<br />

Nachdem er sich in Kalifornien gesonnt hat, macht Jens einige Vorhersagen für die Tour.<br />

© Getty Images<br />

Wie so oft im Leben kommen<br />

gute Nachrichten<br />

selten alleine. Die gute<br />

Nachricht, die ich während meiner<br />

Zeit bei der Kalifornien-Rundfahrt<br />

erfuhr, ist, dass Peter Sagan mit einem<br />

soliden Etappensieg am ersten<br />

Tag auf dem Weg zurück zu seiner<br />

Topform ist. Es war kein typischer,<br />

einfach wirkender Sagan-Sieg, aber<br />

er war solide. Auch die schlechte<br />

Nachricht rührt von dieser 1. Etappe<br />

her. Mark Cavendish hat vielleicht<br />

endlich seinen Epstein-Barr-Virus<br />

besiegt, aber er war in diesem Sprint<br />

nirgendwo zu sehen. Ich fürchte, es<br />

wird ein viel längerer Weg werden,<br />

um zu seiner alten Stärke und Geschwindigkeit<br />

zurückzukehren. Da<br />

ich Cav liebe und nur den größten<br />

Respekt vor ihm habe, hoffe ich<br />

aber, dass er ein weiteres Comeback<br />

und einen möglichen Start bei der<br />

Tour de France schaffen wird. Und<br />

wenn er erst mal dort ist, kann man<br />

ihn nicht einfach abschreiben, oder?!<br />

Neben Sagan beeindruckte auch<br />

das gesamte Deceuninck–Quick-<br />

Step-Team. Es gewann drei Etappen<br />

und das Sprintertrikot und stand<br />

bei einigen anderen Etappen kurz<br />

vor einem Sieg. Insgesamt sehr gut,<br />

obwohl wir uns so daran gewöhnt<br />

haben, dass es Tag für Tag gewinnt,<br />

dass es fast normal wirkt.<br />

Erinnert ihr euch an meine Kolumne<br />

nach den Klassikern, als ich<br />

über die jungen Talente sprach, die<br />

nachkommen und bereits erste große<br />

Siege feiern? In Kalifornien zeigte<br />

es sich wieder. Sagan ist nicht so alt<br />

– er ist 29 –, aber er war bei Weitem<br />

der älteste Etappensieger. Die anderen<br />

waren Anfang 20. Der Jüngste<br />

davon mit gerade mal 20 – Tadej<br />

Pogačar – war nicht nur der Gewinner<br />

der Königsetappe auf den Mount<br />

Baldy, sondern sogar Gesamtsieger.<br />

Ich sage den älteren Fahrern immer<br />

wieder: Versucht jetzt noch so viele<br />

Ergebnisse wie möglich zu erzielen,<br />

denn der Nachwuchs wartet nicht<br />

mehr allzu lange.<br />

Nachdem ich mit einigen Fahrern<br />

und Teamleitern gesprochen hatte,<br />

waren wir uns alle einig, dass die<br />

diesjährige Ausgabe eine ziemlich<br />

harte Nummer war.<br />

Nicht nur das Profil mit vielen<br />

Anstiegen, sondern auch der aggressive<br />

Fahrstil auf jeder Etappe. Oft<br />

sahen wir gute und solide Fahrer in<br />

den Ausreißergruppen und manchmal<br />

griffen sogar Fahrer, die auf<br />

Klassement fuhren, an. Und wenn<br />

ich Pogačar betrachte, bin ich absolut<br />

überzeugt, dass er noch nicht<br />

sein volles Potenzial erreicht hat. Ich<br />

werde seinen zukünftigen Weg im<br />

Radsport genau verfolgen.<br />

Da es Juni ist, müssen wir über<br />

die Tour de France sprechen. Es mag<br />

seltsam klingen, aber es könnte sich<br />

herausstellen, dass Tom Dumoulins<br />

FOLGENDES WIRD PASSIEREN:<br />

DUMOULIN GREIFT AN UND WEDER CHRIS<br />

FROOME NOCH GERAINT THOMAS KÖNNEN<br />

FOLGEN; BERNAL SPRINGT EIN UND<br />

RETTET DEN TAG FÜR INEOS.<br />

Unfall beim Giro am Ende ein Glücksfall<br />

für ihn sein wird. Er wird jetzt<br />

ein ernsthafter Siegeskandidat sein,<br />

frisch und hungrig. Es wird ein enges<br />

Spiel zwischen dem Team-Ineos-<br />

Trio und ihm. Alle anderen werden<br />

vom Giro noch zu müde sein.<br />

Die einzige verbleibende Frage<br />

ist: Wer wird der Kapitän bei Ineos?<br />

Wenn nur die Beine entscheiden,<br />

würde ich mein Geld auf Egan Bernal<br />

setzen. Folgendes wird passieren:<br />

Dumoulin greift an und weder<br />

Chris Froome noch Geraint Thomas<br />

können folgen; Bernal springt ein<br />

und rettet den Tag für Ineos. Das<br />

grüne Trikot wird ein Kampf zwischen<br />

Peter Sagan und Michael<br />

Matthews. Das KoM-Trikot geht<br />

Jens tippt darauf, dass der junge<br />

Kolumbianer Bernal für Ineos bei der<br />

Tour die Steine aus dem Feuer holt.<br />

nach einem Haufen epischer Duelle<br />

wieder an Julian Alaphilippe. Für<br />

mich ist alles klar! Mal sehen, ob<br />

ich ein Prophet oder ein Träumer<br />

bin, richtig?<br />

Jens Voigt beendete seine Profi -<br />

karriere 2014 nach 18 Jahren.<br />

Der Berliner war einer der angriffslustigsten<br />

und beliebtesten Fahrer<br />

im Peloton. Unter anderem hielt er<br />

für 42 Tage den Stundenweltrekord.<br />

114 PROCYCLING | JULI 2019


Festival<br />

Day<br />

Die Zukunft<br />

erfahren!<br />

7. Sept. 2019<br />

Messe Friedrichshafen<br />

Highlights<br />

eurobike-show.de<br />

#EUROBIKESHOW<br />

+++ über 1.400 Aussteller aus aller Welt +++ alle Neuheiten für 2020 +++ Demo<br />

Area zum Fahrrad Live-Testen +++ Micro Mobility mit E-Scooter Angebot +++ Cargo<br />

Bike Area +++ Drop und Roll Show mit Danny MacAskill & Fabio Wibmer +++ Dirt Jump<br />

Contest +++ Holiday on Bike +++ Kids Area +++ EUROBIKE Academy


LEICHTIGKEIT<br />

GIBT KRAFT.<br />

Mit einem Gehalt von nur 14 Milligramm<br />

Mineralsalzen pro Liter gilt<br />

LAURETANA als weichstes und leichtestes<br />

Wasser unseres Kontinents. Die<br />

artesische Quelle wird im nördlichen<br />

Piemont frei-fließend und gänzlich<br />

unbehandelt abgefüllt. Gesundheitsexperten<br />

und Spitzensportler schätzen die<br />

hohe Bekömmlichkeiten, den leichten<br />

Geschmack und die einzigartige Wirkung<br />

des „Leichtesten Wasser Europas“.<br />

TILL SCHRAMM,<br />

Triathlon-Profi,<br />

schwört auf LAURETANA –<br />

„Das leichteste Wasser Europas“.<br />

LAURETANA: „Als Triathlon-Profi trinkst du täglich mehrere Liter Wasser.<br />

Warum hast du dich für LAURETANA entschieden?“<br />

Till Schramm: „LAURETANA ist aufgrund seiner extrem geringen Mineralsierung in der Lage, die<br />

hochwertigen Nährstoffe, die ich mir als Profisportler zuführe, bestmöglich in alle Körperzellen zu<br />

transportieren. Diese optimale Nährstoffverwertung entfesselt in meinem Körper reine Energie!“<br />

www.lauretana.de

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