faktor Sommer 2019
faktor - Das Entscheider-Magazin für die Region Göttingen
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Reich an Erfahrung Für Ingo Herbst hat sich Franchise nicht bewährt – heute setzt Contigo auf Filialen.<br />
Das Franchise wird durch Filialen ersetzt –<br />
Contigo<br />
Als der Fair-Trade-Händler Contigo vor 25 Jahren gegründet<br />
wurde, sollte das Göttinger Muttergeschäft ein<br />
Pilotprojekt werden, um es als Franchise kopieren zu<br />
können. „Unser Konzept hat mit sozial- und entwicklungspolitischem<br />
Engagement zu tun. Hinter diesem Gedanken<br />
müssen die Mitarbeiter und Franchisenehmer<br />
stehen“, erklärt Unternehmensgründer Ingo Herbst. Das<br />
habe anfangs auch gut funktioniert – bis die Finanzkrise<br />
kam. Danach sei der Einzelhandel für Banken nicht<br />
mehr so interessant gewesen. Entsprechend schwieriger<br />
wurde es für potenzielle Franchisenehmer, Kredite für<br />
eine Gründung zu erhalten. Gleichzeitig gab es aber<br />
auch ausgerechnet an Orten, die für Contigo sehr interessant<br />
waren, keine Interessenten. Und die, die Interesse<br />
hatten, scheiterten manches Mal an anderer Stelle. „Auf<br />
den Franchisegeber und seine Erfahrungen hören, ist ein<br />
wichtiger Punkt für den Erfolg“, so Herbst. „Manche<br />
Nehmer haben zum Beispiel gegen unseren Rat zu kurzfristige<br />
Mietverträge abgeschlossen. Nach fünf Jahren<br />
funktionierte das Konzept dann nicht mehr, weil der<br />
Vermieter plötzlich ein paar Tausend Euro mehr haben<br />
wollte.“ Am Ende fiel dann der Entschluss, eigene Filialen<br />
zu er öffnen – das führte zu einer Umkehr in der<br />
Wachstumsstrategie: Seit zehn Jahren bietet Contigo das<br />
Unternehmenskonzept nicht mehr als Franchise an.<br />
Heute ist Contigo an 23 Standorten präsent, von denen<br />
nur noch Dresden und Oldenburg als alte Franchise-<br />
Betriebe weitergeführt werden, die auch bereits zum<br />
zweiten Mal ihren Franchisevertrag verlängert haben –<br />
der jeweils über zehn Jahre läuft. „Damals war Franchise<br />
alternativlos“, betont Herbst, weil dem frisch gegründeten<br />
Unternehmen das Kapital für die Filialen fehlte. Das<br />
ist inzwischen anders.<br />
„UNSERE ERFAHRUNG MIT DEM RÜCKZUG aus dem<br />
Franchisesystem ist gut“, sagt Herbst. Die Befürchtung,<br />
dass Angestellte weniger engagiert seien als selbstständige<br />
Unternehmer, habe sich als unbegründet herausgestellt.<br />
Zudem lasse sich ein Filialsystem besser steuern,<br />
so Herbst, „da Selbstständige sehr auf ihre Individualität<br />
Wert legen.“ Es habe sehr viel Energie und Überzeugungskraft<br />
gekostet, eine gemeinsame Linie zu halten.<br />
„Unterm Strich bleibt für mich die Erkenntnis, dass sich<br />
Unternehmenskonzepte mit einem sehr hohen Anspruch<br />
und mit hohen Wissensanforderungen an die Mitarbeiter<br />
nicht als Franchisesystem eignen.“ Der Aufwand für<br />
den Franchise geber sei zu hoch, meint Herbst.<br />
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