faktor Sommer 2019
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wissen<br />
Zur Person<br />
Peter Bostelmann ist seit 20 Jahren bei SAP und lebt seit zehn<br />
Jahren im Silicon Valley. Zum Meditieren kam der Wirtschaftsingenieur<br />
über seine damalige Lebensgefährtin, die meditierte<br />
und Yoga machte. Er selbst belächelte das zu Anfang.<br />
Als er jedoch ein paarmal erlebte, wie sich seine Freundin<br />
verändert hat, nachdem sie tief in die Stille gegangen war, begann<br />
seine Neugier. So fing Bostelmann an, ein bisschen zu<br />
meditieren. In den ersten Jahren zunächst im stillen<br />
Kämmerlein und später dann auch öffentlich. Unter seiner<br />
Leitung werden bei SAP seit 2012 weltweit achtsamkeitsbasierte<br />
Trainings wie das SIY-Programm ausgerollt.<br />
Herr Bostelmann, Sie sind bei SAP weltweit für das Thema<br />
Achtsamkeit verantwortlich. Wie sind Sie zum Meditieren<br />
gekommen?<br />
Meine damalige Freundin hat meditiert, was ich zunächst<br />
belächelt habe. Irgendwann habe auch ich es<br />
ausprobiert und gemerkt: Das hilft ja! 2007 bin ich für<br />
SAP in die USA gegangen. Damals habe ich ein bisschen<br />
meditiert, so 15 bis 20 Minuten am Tag. Dann bin ich<br />
in eine persönliche Krise geschliddert. Ich fühlte mich<br />
orientierungslos. Ich war wie ein Farb-TV auf Schwarz-<br />
Weiß – ohne Ton.<br />
Was haben Sie daraufhin gemacht?<br />
2008 bin ich dann in ein zehntägiges Schweige-Retreat<br />
ins Kloster gegangen. Das war wie bei einer Schneekugel.<br />
Als sich der Schnee gelegt hatte, war mein Geist viel<br />
ruhiger und klarer. Wenn man das einmal erlebt hat,<br />
entwickelt sich ein Gefühl von Ruhe, Klarheit und Freiheit.<br />
Ich empfand das als Riesengeschenk und habe da<br />
weitergemacht. Jedes Jahr gehe ich für zehn Tage zum<br />
Schweigen ins Kloster und meditiere mittlerweile täglich<br />
eine Stunde. Am Anfang war das für mich etwas<br />
sehr Privates, was ich versteckt habe.<br />
Wann hat sich das verändert?<br />
Das war 2010/2011. Ich arbeitete für SAP im Silicon<br />
Valley und hatte von Mindfulness bei Google gehört.<br />
Anfang 2012 habe ich Chade-Meng Tan kennengelernt,<br />
der bei Google das Selbstentwicklungsprogramm<br />
Search Inside Yourself (SIY) entwickelt hat. Im Herbst<br />
2012 wurde das Programm von Google freigegeben<br />
und in das non-profit siyli.org überführt. Im Dezember<br />
darauf habe ich dann am ersten öffentlichen SIY-Programm<br />
in San Francisco teilgenommen und war<br />
begeistert! Dass es bei uns so groß wird, war überhaupt<br />
nicht absehbar. Eigentlich war ich sogar unsicher, ob<br />
SIY bei SAP überhaupt großen Anklang findet oder ob<br />
ich einfach ein Exotenhobby habe, was eigentlich nur<br />
mich und fünf andere begeistert.<br />
Wie ging es dann weiter?<br />
Ich habe mich gefragt, wie ich ein Budget finde und<br />
zeigen kann, dass es auch bei SAP eine Nachfrage für so<br />
ein Programm gibt. Anfangs wollte niemand Geld in die<br />
Hand nehmen. Ich musste also zunächst eine kritische<br />
Masse vernünftiger Leute finden, die sagen, dass sie es<br />
mit anschieben. Dann habe ich im Mai 2013 Meng als<br />
Gastredner für uns in Palo Alto gewinnen können. Das<br />
Interesse war groß, und unsere Veranstaltung war voll.<br />
Und da hatte ich sie: meine kritische Liste von Menschen,<br />
die ich adressieren konnte. ,Guck mal hier, ich<br />
mache so ein Pilotprojekt, würdet ihr kommen? Würdet<br />
ihr das aus eurem Kostenstellenbudget bezahlen?‘<br />
Die Trainings wurden sehr, sehr gut angenommen –<br />
viel besser, als wir das erwartet hatten.<br />
Im Anschluss habe ich dann Feedback eingesammelt,<br />
unter anderem auch von einem deutschen Vice President,<br />
der ebenfalls im Silicon Valley lebt. Und der sagte, dass<br />
er in seinen 30 Jahren als Manager – bei der Deutschen<br />
Bank und später bei SAP – bereits an vielen Trainings<br />
teilgenommen hätte. Dies jedoch sei eines der Programme<br />
gewesen, die ihn echt beeindruckt hätten: „Das<br />
kann lebensverändernd sein.“<br />
Mit diesem Rückenwind haben Sie es dann nach<br />
Deutschland getragen?<br />
Zunächst gab es noch einige skeptische Stimmen: ,Dass<br />
ihr da im Silicon Valley meditiert, verstehen wir. Das<br />
funktioniert hier bei den Mitarbeitern in Deutschland<br />
aber nicht.‘ Doch glücklicherweise hat uns damals der<br />
deutsche Personalchef Dr. Fassnacht unterstützt, der<br />
selbst seit 30 Jahren autogenes Training macht – was ja<br />
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