faktor Sommer 2019
faktor - Das Entscheider-Magazin für die Region Göttingen
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leben<br />
wenn nicht die Baptistenkirche im Raum gestanden hätte“,<br />
sagt die Norddeutsche. Der neue Spielort eröffnet<br />
ganz neue Möglichkeiten, sodass sich auch das bestehende<br />
Konzept wandeln wird. Schnell drängt sich die Frage<br />
auf, ob der Charme des Lumière unter Umständen verloren<br />
gehen wird? „Nein, das Lumière wird kein Hochglanzkino,<br />
es wird allein schon wegen des alternativen<br />
Umfelds des ‚Kabale‘ und des ‚Theaterkellers‘ sein Flair<br />
behalten“, Reeck lächelt, denn sie weiß nur zu gut, wie<br />
sensibel und nostalgisch die Göttinger bei dieser Frage<br />
reagieren. „Doch eine Sanierung der Toiletten zum Beispiel<br />
tut dem ja keinen Abbruch.“<br />
IM NEUEN SPIELHAUS an der Bürgerstraße (Foto) hingegen<br />
wird natürlich alles modern – es wird ein ganz<br />
anderes Kino als seine Schwester in der Geismarlandstraße.<br />
Vorfreude und die Lust auf Gestaltung beleben<br />
erneut das Gespräch. Das Kino der Zukunft wird, da ist<br />
sich Reeck sicher, immer stärker ein Eventkino sein. Die<br />
Bedürfnisse ändern sich, und das Kino muss sich neu erfinden.<br />
„Was ist denn Kino?“, fragt die Filmbegeisterte.<br />
Kino ist ein Raum, in dem Menschen etwas Visuelles<br />
und Auditives miteinander teilen. Auf das Miteinander<br />
kommt es an. Das Open-Air-Kino im Freibad ist bereits<br />
eine Eventisierung des Kinos, indem Menschen nebenbei<br />
Picknick machen oder schwimmen gehen. „Ich glaube,<br />
Kino wird es in der alten Form immer geben. Weil es toll<br />
ist. Weil es spannend ist. Weil es seinen Reiz auch nach<br />
über 100 Jahren noch nicht verloren hat. Aber ich glaube<br />
eben auch, es muss sich den neuen Sehgewohnheiten,<br />
den neuen Bedürfnissen anpassen.“ Vielleicht werden in<br />
naher Zukunft Serien ins Kino geholt und zu einem gemeinsamen<br />
Erlebnis, statt dass wir sie allein am heimischen<br />
Fernseher sehen.<br />
Sie ist offen für das, was in den nächsten Jahren an Entwicklungen<br />
zu erwarten ist. Offen und begeistert, weil<br />
letztlich der Film als solches nie aussterben wird. Denn<br />
Filme schaffen Erinnerungen an besondere Momente.<br />
So wie es einst der kleinen Telke erging, als sie heimlich<br />
auf Knien in das Wohnzimmer der Eltern schlich, um<br />
einen Film zu sehen, den sie nicht schauen durfte. „Es<br />
war ‚Tanz der Vampire‘ und ich erinnere mich noch genau,<br />
wie sehr ich mich gefürchtet habe, aber ich durfte<br />
nichts sagen“, erzählt sie heute lachend. Trotz der folgenden<br />
Albträume blieb sie dem Film treu und kaufte<br />
sich mit 13 Jahren von ihrem Konfirmationsgeld einen<br />
ersten eigenen Fernseher. Von da ab sah sie sich alles an,<br />
was gut gemacht ist. Das ist bis heute so geblieben: „Ich<br />
habe keinen Lieblingsfilm oder Regisseur. Ich will nicht<br />
sagen, ich bin wahllos, vielmehr finde ich alle Genres<br />
spannend – ob Horrorfilm oder Action, ob Liebes- oder<br />
Tanzfilm“, resümiert sie. Eine gute Voraussetzung, um<br />
unvoreingenommen ein abwechslungsreiches Programm<br />
zu gestalten und zukünftig zwei Kinos in Göttingen zu<br />
bereichern.<br />
Das neue Spielhaus<br />
Im Jahr 1902 erbaut, wurde die Baptistenkirche in der<br />
Bürgerstraße bis 1984 als Kirche der Göttinger Baptisten<br />
genutzt und ging danach in den Besitz der Stadt über.<br />
Einige Jahre diente sie als Jugendzentrum und Probe bühne<br />
des Jungen Theaters, stand dann leer, bis im November<br />
2018 die Umbau arbeiten für die neue Nutzung begannen:<br />
Anfang 2020 wird hier ein Programmkino eröffnen, das sich<br />
in Konzept und Finanzierung vom Lumière unterscheidet,<br />
auch wenn es vom gleichen Träger betrieben wird.<br />
Neben dem Kino für 110 Gäste wird es noch ein Café<br />
geben, das sich vom alten Gebäude bis in einen neuen<br />
Anbau erstreckt. In der Baptistenkirche bleibt im Übrigen<br />
die Empore für die Besucher erhalten und schafft ein<br />
besonderes Kinoerlebnis. In den darüberliegenden<br />
Stockwerken entstehen Studentenwohnungen.<br />
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