faktor Sommer 2019
faktor - Das Entscheider-Magazin für die Region Göttingen
faktor - Das Entscheider-Magazin für die Region Göttingen
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› MEHR ALS EIN MAGAZIN 15. Jahrgang <strong>Sommer</strong> <strong>2019</strong> 8 Euro<br />
Heft 2 <strong>Sommer</strong> <strong>2019</strong><br />
e› DAS ENTSCHEIDER-MAGAZIN FÜR DIE REGION GÖTTINGEN 15. Jahrgang<br />
› DAS ENTSCHEIDER-MAGAZIN FÜR DIE REGION GÖTTINGEN<br />
erfolgsgeschichte Luana da Silva teilt mit über 500.000 Menschen ihr Leben im Netz und macht daraus ein lukratives Business 118
Unsere Steuerberaterinnen stehen für Frauenpower<br />
Das beste Mittel gegen Standardlösungen sind viele verschiedene<br />
Sichtweisen. Und die größten Erfolge für unsere Mandanten erzielen<br />
wir oft, wenn wir in gemischten Teams aus Frauen und Männern arbeiten.<br />
Deshalb verfolgt Quattek & Partner das Ziel, mehr Frauen in<br />
verantwortliche Positionen zu bringen.<br />
Dass wir uns dafür als Unternehmen verändern und weiterentwickeln<br />
müssen, liegt auf der Hand. Homeoffice und zahlreiche Teilzeitmodelle<br />
sind heute schon Standard.<br />
Wir arbeiten daran, das Selbstverständliche zu ermöglichen. So gehört<br />
es bei Quattek & Partner zur täglichen Praxis, Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern die gleichen Chancen zu bieten. Nicht um eine Quote<br />
zu erfüllen. Sondern um Potenziale auszuschöpfen. Und im Ergebnis<br />
noch besser zu werden.<br />
Jürgen Hollstein Dipl.-Kfm.<br />
Steuerberater<br />
Roland Haever Dipl.-Kfm.<br />
Wirtschaftsprüfer · Steuerberater<br />
Fritz Güntzler Dipl.-Kfm.<br />
Wirtschaftsprüfer · Steuerberater<br />
Johann-Karl Vietor Dipl.-Kfm.<br />
Steuerberater<br />
Thorsten Kumpe Dipl.-Kfm.<br />
Wirtschaftsprüfer · Steuerberater<br />
Miriam Engel Dipl.-Kffr.<br />
Steuerberaterin<br />
Lutz Becker<br />
Rechtsanwalt<br />
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editorial<br />
BÜROFACHMARKT<br />
FOTO COVER: ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
Göttin, ist das herrlich. Ich sitze gerade bei bestem<br />
Sonnenschein im blau-weiß gestreiften Strandkorb auf Sylt, lasse die Seele<br />
baumeln, sehe hinaus aufs Meer und nutze das neue Prinzip: arbeiten,<br />
wann du willst, wo du willst – dank modernster Technik heute kein<br />
Problem.<br />
Die liebe Technik. Sie schenkt uns so viel und hat doch manchmal ihre<br />
Schattenseiten. Um mich herum sehe ich Menschen, die glücklich die<br />
nackten Füße in die kühle Gischt stecken. Und ich sehe andere, die ihre<br />
Nasen unentwegt in ihre Smartphones stecken.<br />
Sie verpassen was.<br />
Und doch: Auch ich kann mich nicht vollkommen davon freisprechen.<br />
Allein heute habe ich bereits zweimal die neuesten Neuigkeiten auf<br />
Facebook und Instagram gecheckt – und ja, auch selbst schon den einen<br />
oder anderen privaten Schnappschuss gepostet.<br />
Luana da Silva – unser Covermodel – hat aus dieser Art zu teilen<br />
sogar ein lukratives Business gemacht und mehr als eine beeindruckende<br />
halbe Million Menschen dazu bewegt, ihr auf Social Media zu folgen.<br />
Wie die junge Unternehmerin dies geschafft hat und daraus sogar eine<br />
eigene Firma gründete, erzählt sie uns ab Seite 118.<br />
Und genau wie Luana da Silva haben es in Südniedersachsen noch<br />
viele andere starke Frauen geschafft, sich zu behaupten und die regionale<br />
Wirtschaft mit zu prägen. Eine Auswahl dieser spannenden Persönlichkeiten<br />
haben wir in dieser Ausgabe besucht, ausgefragt und für Sie in<br />
Szene gesetzt.<br />
Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen beim Kennenlernen dieser Top-<br />
Entscheiderinnen und einen entspannten <strong>Sommer</strong> – wo auch immer Sie<br />
dies gerade lesen...<br />
Ihre Elena Schrader<br />
Chefredakteurin<br />
schrader@<strong>faktor</strong>-magazin.de<br />
KREATIV ARBEITEN,<br />
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2 |<strong>2019</strong> 3
inhalt<br />
service<br />
3 Editorial<br />
6 Momentaufnahmen<br />
12 Aktuelles<br />
16 31. <strong>faktor</strong>-Business-Lounge<br />
91 Erfolgreiche Entscheiderinnen<br />
der Region präsentieren sich<br />
161 Impressum<br />
unternehmen<br />
20 Zum Ursprung der Quelle<br />
Die Grafenquelle – vom Forellenteich<br />
zu Wasser mit Gehalt<br />
34 Gut gestartet<br />
Der Uni-Wettbewerb Lift-off stärkt<br />
die akademische Gründungskultur<br />
40 Ab ins Beet!<br />
Carsten Marhold wird mit seinem<br />
Hochbeet zum Selbstversorger<br />
46 Die Gunst der Lage<br />
Northeim: eine Wirtschaftsregion<br />
im Fokus<br />
52 Der Wunsch zu bleiben<br />
Northeims Bürgermeister Simon<br />
Hartmann und Unternehmerin<br />
Nina Peilert über den Standort<br />
wissen<br />
60 Der Türöffner<br />
Zu Besuch bei SAP in Berlin –<br />
Peter Bostelmann über mehr Erfolg<br />
durch Achtsamkeit<br />
68 Working out loud<br />
Daniella Cunha Teichert etabliert<br />
eine weltweit angesagte Netzwerk-<br />
Methode in der Region<br />
74 Die Lizenz zum Nachmachen<br />
Franchisekonzepte im Überblick<br />
4 2 |<strong>2019</strong><br />
mensch<br />
110 Klare Worte gegen die Quote<br />
Top-Entscheiderinnen nehmen<br />
Stellung zur Frauenquote<br />
114 Die Sternstunde ihres Lebens<br />
Prägende Zeiten der ,Mutter des<br />
Grundgesetzes‘ Elisabeth Selbert<br />
118 Im Internet zu Hause<br />
Influencerin Luana da Silva hat aus<br />
ihrem Leben einen Job gemacht<br />
126 Ein Rheinländer kommt an<br />
Michael Birlin ist der Neue im<br />
Vorstand der Sparkasse Göttingen<br />
leben<br />
134 It’s GIN o’clock<br />
Ein Trendgetränk erobert die Welt –<br />
und mit Von Hallers Gin auch<br />
Südniedersachsen<br />
146 Die Vorführerin<br />
Lumière-Geschäftsführerin<br />
Telke Reeck teilt nostalgische<br />
Erlebnisse<br />
152 Zeichnen im Auftrag<br />
Künstlerin Marion Vina sorgt<br />
mit Akt- und Satirezeichnungen<br />
für Aufregung<br />
162 In Kürze<br />
Vorschau auf den neuen<br />
<strong>faktor</strong>Stil<br />
146 Dem Film verschrieben<br />
Zu Besuch im Lumière.<br />
Geschäftsführerin Telke Reeck erzählt,<br />
warum Kino nie aussterben wird und<br />
was sie im neuen Lichtspielhaus in der<br />
Baptistenkirche plant.<br />
152 Die Stallzeichnerin<br />
Marion Vina. Die Zeichnerin des<br />
Göttinger-Elch-Preises ist eine<br />
Persönlichkeit mit vielen Facetten,<br />
die von sich selbst behauptet, trotz<br />
zahlreicher Rückschläge ein wahres<br />
Glückskind zu sein.
74 McDonald’s-Franchisenehmerin Petra Hebig gewährt Einblicke<br />
„Ein Interessent muss sich immer klarmachen, dass<br />
auch Franchising eine vollgültige Selbstständigkeit ist:<br />
Ungeachtet der Bereitschaft, die Vorgaben von oben<br />
zu akzeptieren, träg man immer die Verantwortung.“<br />
118 Erfolgreich im Netz<br />
Über 500.000 folgen ihr. Die Göttingerin<br />
Luana Theodoro da Silva hat aus ihrem<br />
Privatleben einen Job gemacht und<br />
gründete als erfolgreiche Social-Media-<br />
Influencerin ihr eigenes Unternehmerin.<br />
FOTOS: ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
20 Zum Ursprung der Quelle<br />
Vom Forellenteich zu wertvollem Mineralwasser. <strong>faktor</strong> besuchte Geschäftsführerin<br />
Melanie Peinemann in ihrer Grafenquelle in Förste und ging der Sache auf den Grund.<br />
2 |<strong>2019</strong> 5
momentaufnahmen<br />
Momentaufnahmen<br />
<strong>faktor</strong> lässt besondere Ereignisse in der Region mit ausgewählten Impressionen Revue passieren.<br />
FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
Das perfekte Rennen<br />
Für Finja Bormann ging im Mai ein großer Traum in Erfüllung: „Ich habe nicht mal gewagt, von einem Sieg zu<br />
träumen“, sagte die 23-jährige Nachwuchsreiterin überglücklich, als sie nach ihrem fulminanten Sieg auf dem<br />
Hardenberg Burgturnier die Goldene Peitsche in der Hand hielt.<br />
Nach ihrem Großvater, Vater und Bruder trat sie bereits in dritter Generation bei dem renommierten Reitturnier<br />
an und eroberte auf ihrem Pferd A crazy son of Lavina – das ebenfalls aus der eigenen Familienzucht stammt –<br />
mit einem perfekten Rennen und einer Zeit von 36,55 Sekunden die Herzen des gesamten Publikums.<br />
6 2 |<strong>2019</strong>
momentaufnahmen<br />
2 |<strong>2019</strong> 7
momentaufnahmen<br />
Ein glänzender Auftritt<br />
Unter dem Motto ‚Magische Saiten‘ starteten im Mai die Internationalen<br />
Händel-Festspiele Göttingen mit Georg Friedrich Händels<br />
selten aufgeführter Oper Rodrigo – ein packendes Ereignis, und<br />
das, obwohl es auf der Bühne des Deutschen Theaters ansonsten<br />
eher wenig ,schön‘ zuging. Im herrschaftlichen Palast des rigorosen<br />
Königs Rodrigo bröckelte und schimmelte die opulente Requisite<br />
passend zum enormen Konfliktpotenzial der knapp dreistündigen<br />
Handlung. Lediglich die exzellent besetzten Protagonisten glänzten<br />
mit ihrer Leistung in fantasievollen Kostümen im stimmungsvoll<br />
nuancierten Licht. Ein ganz besonderes Bühnenexponat jedoch<br />
stach hervor: Eigens für die Inzenierung wurde das glänzende<br />
Original des Göttinger Gänseliesels aus dem Städtischen Museum<br />
geholt, wo das Wahrzeichen der Stadt ansonsten verwahrt wird.<br />
8 2 |<strong>2019</strong>
momentaufnahmen<br />
2 |<strong>2019</strong> 9
momentaufnahmen<br />
10 2 |<strong>2019</strong>
momentaufnahmen<br />
Das entspannte Wir-Gefühl<br />
Staunen, lachen und verrückte Menschen treffen. Sich in wundersame<br />
Welten träumen und an jeder Ecke aufs Neue überraschen lassen: Diese<br />
typische Straßentheater-Atmosphäre reißt einen mit, wenn sich alle zwei<br />
Jahre an Pfingsten Holzminden einmal mehr in eine Plattform für kunterbunte<br />
Straßenkunst verwandelt. Dann ist die Stadt, die sich sonst die<br />
meiste Zeit im Dornröschenschlaf befindet, plötzlich wach, bunt und<br />
schrill – und stolz auf sich. Und alle sind ein Teil davon: Ausrichter,<br />
Künstler, Sponsoren, die vielen helfenden Hände hinter den Kulissen und<br />
nicht zuletzt ein mitfieberndes Publikum. Auch das 15. Internationale<br />
Straßentheater-Festival hat wieder einmal dieses entspannte Wir-Gefühl<br />
ausgelöst – und das bei über 40.000 Besuchern.<br />
2 |<strong>2019</strong> 11
aktuelles<br />
<strong>faktor</strong>-Mittagsclub<br />
Erhellende Momente<br />
„Meine Neugier für die Welt ist der Grund, warum ich ein begeisterter<br />
Designer bin“, erzählte Paul van Laar (Foto) beim <strong>faktor</strong>- Mittagsclub<br />
Ende April im amavi. Hier sprach er über seine Projekte und wie er auf<br />
die Idee für eine Lampe kam, die er aus nur einem Blatt Papier faltet.<br />
„Ich bin eine praktische Person, probiere gerne viele Konzepte und Ideen<br />
mit schnellen Modellen, auch in 3D, sowie mit kleinen Skizzen aus“, so<br />
der Designer, der seine ersten Erfahrungen bei Studio FA Porsche in Zell<br />
am See gesammelt hat. „Ich habe festgestellt, dass diese Art von Ansatz<br />
zu unerwarteten und interessanten Ergebnissen führt.“<br />
Beim <strong>faktor</strong>-Mittagsclub im Mai war der Göttinger Coach Astrid<br />
Böttger zu Gast und referierte zum Programm ‚Search Inside Yourself‘,<br />
kurz SIY, das bei Google gestartet wurde – einer Methode, wie man<br />
seine emotionale Intelligenz erhöht und dadurch zu mehr Glück im<br />
eigenen Leben kommt. Siehe dazu auch Artikel rechts.<br />
FOTO: ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
Uni<br />
www.<strong>faktor</strong>-magazin.de 10. Jahrgang Heft 19 SoSe <strong>2019</strong> 3 Euro<br />
Blick in die Zukunft Passend zum Beginn des Wintersemesters<br />
erscheint im Oktober wieder der neue <strong>faktor</strong>UNI. Und wie gewohnt wird das<br />
Magazin für Studierende und Absolventen in Südniedersachsen an den beliebtesten<br />
Anlaufstellen der Uni Göttingen und weiterer Hochschulen sowie in den<br />
regionalen Studentenwohnheimen zu finden sein. Mit seinem geradlinigen<br />
Design und ausgefallenen Illustrationen präsentiert <strong>faktor</strong>UNI erneut<br />
Unternehmen, Berufe und spannende Personen aus der Region.<br />
Möchten auch Sie sich in diesem Umfeld präsentieren und neue Fach- und<br />
Führungskräfte für sich begeistern? Dann melden Sie sich bei:<br />
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Passend zum Themenschwerpunkt des aktuellen <strong>faktor</strong>-Magazins<br />
im <strong>Sommer</strong> – Top-Entscheiderinnen der Region – nehmen wir in der gleichzeitig<br />
erscheinenden Sonderausgabe <strong>faktor</strong>GESUNDHEIT das Thema Frauengesundheit unter<br />
die Lupe. Jedes Geschlecht weist gesundheitliche Besonderheiten auf, und dementsprechend<br />
gibt es auch Erkrankungen, die geschlechtsspezifisch nur Frauen oder<br />
Männer betreffen. Das hat nicht nur Auswirkungen auf das eigene Wohlbefinden,<br />
sondern auch auf die Form der Behandlung und die Forschung.<br />
Wir stellen in dieser Ausgabe typische Frauenkrankheiten vor und zeigen neueste<br />
Erkenntnisse in Sachen Behandlungsmöglichkeiten. Interesse an einem Exemplar?<br />
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12 2 |<strong>2019</strong>
aktuelles<br />
<strong>faktor</strong>Akademie<br />
Mit Achtsamkeit zum Erfolg<br />
FOTO: ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
Eine neue Veranstaltung der <strong>faktor</strong>Akademie steht an: Am 22. August wird Astrid Böttger<br />
von 18 bis 21 Uhr in der PFH Privaten Hochschule Göttingen zum Erfolgsprogramm<br />
Search Inside Yourself (SIY), das bei Google gestartet wurde, einen Vortrag halten.<br />
Astrid Böttger ist Trainerin und Coach in Göttingen und wurde vom Search Inside<br />
Yourself Leadership Institut (SIYLI) in San Francisco als ‚Search Inside Yourself certified<br />
teacher‘ zertifiziert. Gemeinsam mit <strong>faktor</strong> besuchte sie für diese Ausgabe Peter Bostelmann<br />
in Berlin. Der Wirtschaftsingenieur ist beim Softwaregiganten SAP weltweit für die<br />
Themen Achtsamkeit und Meditation zuständig und hat SIY aus dem Silicon Valley nach<br />
Deutschland gebracht. Mit großem Erfolg: SIY hat den inneren Frieden der Mitarbeiter<br />
erhöht, und es lohnt sich für SAP sogar betriebswirtschaftlich. Bereits 9.000 Mitarbeiter<br />
haben das Programm durchlaufen – weitere 8.000 stehen auf der Warteliste. Auch Kunden<br />
wie Procter & Gamble und Deutsche Post DHL wollen wissen, wie es geht. Lesen Sie das<br />
große Interview ab Seite 60.<br />
Und wenn Sie noch mehr über SIY erfahren möchten, registrieren Sie sich jetzt für den<br />
Vortrag von Astrid Böttger am 22. August – die Teilnahmegebühr inklusive Snacks und<br />
Getränke beträgt 25 Euro netto: www.<strong>faktor</strong>events.de.<br />
2 |<strong>2019</strong> 13
aktuelles<br />
Zeit für Veränderung<br />
Mehr als ein Magazin<br />
Gemeinsam mit Zeichenforscher Gerdum Enders hat das <strong>faktor</strong>-Team<br />
in den vergangenen Monaten an der Strategie für die Zukunft gearbeitet.<br />
Und nach langem Hin und Her, etlichen Tagen des Grübelns und<br />
reichlich produziertem Hirnschmalz ist es nun endlich so weit:<br />
Das Kind hat einen Namen. Seit vielen Jahren schon existieren im<br />
Portfolio diverse Magazine mit unterschiedlicher Ausrichtung: <strong>faktor</strong> –<br />
das Magazin für Entscheider, <strong>faktor</strong>Gesundheit, ein Magazin für<br />
Studierende, eins für künftige Azubis und viele, viele Spezial- Ausgaben<br />
für Unternehmen der Region. Darüber hinaus veranstaltet <strong>faktor</strong> über<br />
das Jahr zahlreiche Events, ist im Internet und auf Social Media aktiv<br />
und natürlich auch persönlich in ganz Südniedersachen unterwegs.<br />
Doch wie fasst man all das in einen prägnanten Satz? Ganz einfach:<br />
,<strong>faktor</strong> ist die Plattform in Südniedersachsen, gibt wertvolle Impulse,<br />
Erfolgsrezepte und schafft Raum für echte Begegnungen!‘<br />
Dieses plakative Bild unserer regionalen Plattform soll nun auch in die<br />
eigenen vier Wände einziehen. Wir wollen so die Möglichkeit schaffen,<br />
hier Menschen aus ganz Südniedersachsen zusammmenzubringen. Aus<br />
diesem Grund war im Mai auch bereits Gedankenzeichner Dominik<br />
von Loesch in der Redaktion zu Gast und hat der <strong>faktor</strong>-Welt ein konkretes<br />
Gesicht verliehen. Die Pläne sollen in den kommenden Tagen,<br />
Wochen und Monaten umgesetzt werden. Und dann hoffen wir, auch<br />
Sie bald einmal bei uns im Raum der Begegnungen begrüßen zu dürfen.<br />
14 2 |<strong>2019</strong>
Anwaltskanzlei „Arkaden am Gericht“<br />
dr. Bodenburg<br />
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aktuelles<br />
Der Inspirator<br />
Bei der 31. <strong>faktor</strong>-Business-Lounge lernten Entscheider von Musikern des<br />
Göttinger Symphonie Orchesters, was es heißt, gemeinsam den richtigen Ton anzugeben.<br />
TEXT CHARLOTTE VOGEL FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
16 2 |<strong>2019</strong>
aktuelles<br />
»Mein Job ist es, die Musiker<br />
zu inspirieren, ihr Bestes<br />
geben zu wollen.«<br />
Bei der 31. <strong>faktor</strong>-Business-Lounge am 28. März<br />
trafen einmal mehr zahlreiche Entscheider<br />
der Region auf einen spannenden Referenten<br />
– dieses Mal auf ungewohntem Terrain:<br />
Chefdirigent Nicholas Milton (Foto links)<br />
ließ die Gäste inmitten des Göttinger Symphonie Orchesters<br />
(GSO) Platz nehmen und aus nächster Nähe erleben,<br />
was es heißt, in einer demokratischen Gruppe aus Individualisten<br />
den Ton anzugeben. Das Thema des Tages: ‚Vom<br />
Solo zur Symphonie – was Unternehmen von Orchestern<br />
lernen können‘.<br />
So hatten die Teilnehmer der Lounge im Göttinger<br />
Kulturzentrum Godehardstraße zunächst die exklusive<br />
Gelegenheit, mittendrin im Geschehen – zwischen und<br />
auf den Stühlen der Musiker – einer Probe des traditionsreichen<br />
Orchesters zu lauschen und eine ganz besondere<br />
Arbeitsatmosphäre auf sich wirken zu lassen. Mit energischen<br />
Bewegungen und Worten, kurz und bestimmt,<br />
aber stets mit einer Prise Humor, leitete Milton sein GSO<br />
an. Ein kritischer Blick, ein kleiner Fingerzeig mit dem<br />
Taktstock und jeder Einzelne weiß, was er zu tun oder zu<br />
lassen hat. Bestes Teamwork und die hohe Motivation<br />
sämtlicher Beteiligten, alles perfekt machen zu wollen,<br />
waren deutlich zu spüren.<br />
IM ANSCHLUSS AN DIE PROBE ging es nach einer kurzen<br />
Begrüßung durch den Gastgeber und GSO-Geschäftsführer<br />
Klaus Hoffman (oben rechts) – der den entscheidenden<br />
Impuls zu einer gemeinsamen <strong>faktor</strong>- Business-<br />
Lounge gegeben hatte – nahtlos in eine lockere Fragerunde<br />
über. Nicholas Milton nahm sich Zeit und ging<br />
ausführlich auf jede Frage aus dem Publikum ein, das<br />
sich so immer weiter an die Parallelen zwischen Wirtschaft<br />
und Musik herantastete.<br />
2 |<strong>2019</strong> 17
aktuelles<br />
Dabei gab der Chefdirigent wertvolle Tipps zum Umgang<br />
mit Mitarbeitern und zum Thema Motivation.<br />
Milton erklärte unter anderem, dass es ihm bei jeder<br />
Kommunikation, insbesondere aber bei Kritik, darauf<br />
ankommt, Respekt und Anerkennung auszudrücken.<br />
Auf diese Weise gebe er jedem einzelnen Musiker die<br />
Möglichkeit, sich und seine Stärken ohne Scheu in das<br />
Orchester einzubringen.<br />
ÜBERHAUPT WERDE BEIM GSO der Demokratiegedanke<br />
großgeschrieben, beispielsweise, wenn neue<br />
Stellen zu besetzen sind: Dann sichten Chefdirigent und<br />
Geschäftsführer nicht allein die Bewerber, sondern das<br />
ganze Orchester entscheidet mit. In diesem Sinne ist im<br />
vergangenen Jahr übrigens auch Milton selbst auf diesen<br />
Posten gewählt worden.<br />
„Mein Job ist es auch nicht zu diktieren, sondern die<br />
Musiker zu inspirieren, ihr Bestes geben zu wollen“, sagt<br />
der gebürtige Australier und fasst damit seine Aufgabe<br />
zusammen. Und diese Art der Führung funktioniere:<br />
„Statt nach dem Ende der Probe direkt in alle Himmelsrichtungen<br />
zu verschwinden, bleiben viele der rund<br />
50 Musiker noch da, um weiterzuüben oder sich einfach<br />
zu unterhalten. Das schafft nur eine entspannte Arbeitsatmosphäre.“<br />
UND SO GING ES DANN AUCH nach dem offiziellen Teil<br />
auf der 31. <strong>faktor</strong>-Business-Lounge weiter. Gemeinsam<br />
mit dem Orchester wurde bei Snacks und Getränken noch<br />
lange beschwingt genetzwerkt und gefeiert.<br />
Weitere Inpressionen gibt es der<br />
Bildergalerie unter:<br />
www.<strong>faktor</strong>-magazin.de/fotostrecken/<br />
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Mineralwasser, das schmeckt.<br />
<strong>faktor</strong> besuchte die Grafenquelle im Harz<br />
und ging der Sache auf den Grund.<br />
TEXT ANJA DANISEWITSCH<br />
FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
2 |<strong>2019</strong> 21
unternehmen<br />
Hineingewachsen Melanie Peinemann wuchs im Getränkehandel auf und schöpft heute aus dem Mühlteich in Förste ihren Erfolg.<br />
22 2|<strong>2019</strong>
unternehmen<br />
Damals stand hier eine Mühle. „Die<br />
Alten aus dem Örtchen können sich<br />
vielleicht noch daran erinnern, dass<br />
diese einst das Getreide der umliegenden<br />
Felder zu Mehl verarbeitete“, erzählt<br />
Melanie Peinemann, während<br />
sie forschen Schrittes in Richtung des kleinen Mühlenteichs<br />
in Förste bei Osterode läuft. Damals, das war vor<br />
dem Krieg und bevor die Mühle nach Kriegsende abbrannte.<br />
„Meine Großmutter und mein Großvater hatten<br />
aber nach dem Brand immer noch die Wasserrechte,<br />
die sie auch ohne Mühle nutzen wollten“, erklärt die<br />
heutige Geschäftsführerin des Getränkeabfüllers Grafenquelle.<br />
Der Großvater Harry Peinemann beschloss also<br />
im Jahr 1957, im angrenzenden Teich Forellen zu züchten.<br />
Es dauerte allerdings nicht lange und die Fische<br />
schwammen einer nach dem anderen mit dem Bauch<br />
nach oben. Geschockt bestellte Harry ein Gutachten<br />
über die Wasserqualität – mit unverhofftem Ergebnis:<br />
Das Wasser des Teiches entpuppte sich als Mineral- und<br />
Heilwasser.<br />
Auf diesem Quellteich, der unweit des Firmengebäudes<br />
versteckt zwischen Bäumen liegt, schwimmen heute<br />
Enten. Der aufmerksame Beobachter kann sogar bei genauem<br />
Hinsehen erkennen, wie vereinzelt kleine Blasen<br />
aufsteigen – Quellkohlensäure, die sich ihren Weg aus<br />
den unteren Gesteinsschichten an die Oberfläche bahnt.<br />
„Wenn man ordentlich auf den Boden stampft, kommen<br />
sogar noch mehr“, sagt Peinemann und springt unversehens<br />
in die Höhe. „Gegenüber von diesem Teich soll früher<br />
die Einfahrt zum Anwesen eines Barons gewesen<br />
sein“, erzählt die 47-Jährige, die in Förste geboren und<br />
aufgewachsen ist und viele Geschichten des Ortes kennt.<br />
Ihr Großvater gab seinem Mineralwasser, so erinnert<br />
sich Peinemann, daraufhin den Namen Grafenquelle,<br />
weil sich eine Baronenquelle nicht so gut vermarkten<br />
lasse. Eine schöne wahre Story über die Anfänge eines<br />
Unternehmens, die sich immer wieder gut erzählen lässt.<br />
Und ebenso, dass Harry Peinemann anfangs erst einmal<br />
ein paar Baracken bauen ließ, in denen Hausfrauen einige<br />
Jahre das Brunnenwasser in Flaschen füllten.<br />
ZWISCHEN DEN ANFANGSJAHREN und der Gründung<br />
des heutigen Familienunternehmens in zweiter Generation<br />
liegen mehr als zwei Jahrzehnte, in denen die Quelle<br />
unter anderem an einen Berliner Abfüller verpachtet<br />
wurde. Es folgte ein Rechtsstreit, bei dem Familie Peinemann<br />
gegen den ehemaligen Pächter um den Markennamen<br />
Grafenquelle kämpfen musste und schließlich<br />
gewann. Zum Ende des Prozesses hinterließ der Pächter<br />
lediglich leere Hallen. Alle Abfüllmaschinen und Anlagen<br />
hatte er mitgenommen. „1989 übernahm mein Vater<br />
schließlich das, was noch übrig war, kaufte neue Maschinen<br />
und brachte das Geschäft ins Rollen“, erzählt<br />
die Geschäftsführerin. Mit der Grenzöffnung im selben<br />
Jahr eröffnet sich für den Firmengründer zusätzlich ein<br />
ganz neuer Absatzmarkt, der in den ersten Jahren mit<br />
für den Erfolg verantwortlich war. Bevor ihr Vater die<br />
alten Hallen wieder in Betrieb nahm, hatte er einen Getränkehandel<br />
geführt und umliegende Restaurants und<br />
Hotels mit Getränken versorgt. Diese Kontakte nutzte er,<br />
um nun beim Wechsel in die Getränkeproduktion Fuß<br />
zu fassen. Bald hatte er Kunden von Eisleben bis nach<br />
Sankt Peter-Ording und Pforzheim.<br />
2 |<strong>2019</strong> 23
unternehmen<br />
»Trinkwasser aus dem Hahn ist aufbereitetes und gereinigtes<br />
Wasser und enthält keine wertvollen Mineralstoffe. Und außerdem<br />
schmeckt unser Mineralwasser ja auch anders. Besser.«<br />
INZWISCHEN IST DIE GRAFENQUELLE zu einem kleinen,<br />
soliden mittelständischen Unternehmen mit 16 Mitarbeitern<br />
und einem Jahresumsatz von einer Million<br />
heran gewachsen, das sich in der Region etabliert hat.<br />
Rund acht Millionen Flaschen verkauft Grafenquelle pro<br />
Jahr und hat sich einen Kundenstamm aufgebaut, der<br />
vom Getränkefachgroßhändler über Einzelhändler, Rewe,<br />
Edeka bis hin zu Kantinen-Firmenkunden reicht. Auch<br />
Altenheime und Krankenhäuser der Region werden<br />
mit Wasser aus der Grafenquelle versorgt. Vor fünf<br />
Jahren übernahm Melanie Peinemann nach dem Tod des<br />
Vaters die Geschäftsführung. „Ich war zwar nicht bis ins<br />
Letzte darauf vorbereitet, die gesamte Leitung zu übernehmen,<br />
aber in den vergangenen zwanzig Jahren habe<br />
ich vom Außendienst bis zum Innendienst alles mitgemacht“,<br />
sagt sie.<br />
Der Getränkemarkt sei ein umkämpfter Markt, der sich<br />
teilweise einen harten Preiskampf liefere. „Man denke nur<br />
an die Sonderangebote der Supermärkte“, sagt die Geschäftsführerin,<br />
die, dank ihrer Ausbildung zur Fi nanzkauffrau,<br />
ganz genau die Zahlen im Blick hat. „Da muss<br />
man sich manchmal überlegen, ob es sich für diese Preise<br />
lohnt, die Getränke überhaupt noch abzufüllen.“<br />
Darum unterstützt Peinemann sehr gern Bestrebungen<br />
wie die des regionalen Erzeugerverbandes Niedersachsen<br />
‚Kostbares Südniedersachsen‘, der die eigene Heimat mit<br />
regionalen und saisonalen Produkten zu stärken versucht.<br />
„Es ist in meinen Augen gut, das Bewusstsein für<br />
die Produkte und auch für Produktionsprozesse zu<br />
schärfen“, sagt sie. Und tatsächlich lässt sich im Konsumverhalten<br />
ein Wandel beobachten. In einigen Bevölkerungsschichten<br />
wächst die Nachfrage nach regionalen<br />
Erzeugnissen zusehends, und eigens gekennzeichnete<br />
Verkaufsregale in den Supermärkten machen inzwischen<br />
gezielt auf Regionales aufmerksam. „Bei unserer Produktpalette<br />
ist dies leider nicht so einfach wie bei Gemüse.<br />
Denn Getränkekisten stehen nun mal gestapelt in<br />
Reihen zum Verkauf – aber es wird auch in dieser Richtung<br />
Neues entwickelt und ausprobiert“, erklärt Peinemann<br />
und wirkt zuversichtlich, als sie zufrieden ihren<br />
Blick über ihren Quellteich steifen lässt.<br />
Aber warum sollte man überhaupt Wasser im Supermarkt<br />
kaufen, wenn es doch in jedem Haushalt permanent<br />
verfügbar ist? „Trinkwasser aus dem Hahn ist aufbereitetes<br />
und gereinigtes Wasser und enthält keine wertvollen<br />
Mineralstoffe. Und außerdem schmeckt unser Mineralwasser<br />
ja auch anders. Besser“, sagt Peinemann überzeugt.<br />
DASS WASSER JE NACH REGION anders schmeckt, ist<br />
erklärbar: Mineralwasser ist ein Naturprodukt und ein<br />
Spiegelbild der geologischen Gegebenheiten. Geschützt<br />
vor Umwelteinflüssen lagern Mineralwasservorkommen<br />
unter der Erde und werden vom langsam durchsickernden<br />
Regen gespeist. Dabei durchströmt das Wasser die<br />
unterschiedlichen Boden- und Gesteinsschichten. So<br />
wird es auf natürliche Weise gereinigt und gefiltert und<br />
nimmt außerdem wertvolle Mineralstoffe auf. Schiefervorkommen<br />
machen Wasser weicher, und vulkanische<br />
Gebiete geben eine leicht herbe Note. Die Vielfalt in<br />
Deutschland macht es einem im Übrigen nicht leicht,<br />
24 2 |<strong>2019</strong>
unternehmen<br />
Wasser marsch Bei der Grafenquelle werden pro Tag im Durchschnitt 30.000 Liter des Naturproduktes abgefüllt.<br />
2 |<strong>2019</strong> 25
unternehmen<br />
26 2 |<strong>2019</strong>
unternehmen<br />
Am laufenden Band Rund 15.000 Flaschen durchlaufen pro Stunde den Produktionsweg bei der Grafenquelle.<br />
2 |<strong>2019</strong> 27
unternehmen<br />
Voll angesagt In Deutschland gehen immer mehr Kästen Mineralwasser über die Ladentheke – Tendenz steigend.<br />
sich zu entscheiden: Um die 500 Mineralwasser und<br />
34 Heilwasser gibt es allein in Deutschland.<br />
UND DIE NACHFRAGE STEIGT. Wenn man Getränkeabfüller<br />
wie Melanie Peinemann fragt, welche Produkte<br />
im Trend liegen, kommt schnell die Antwort: Wasser.<br />
Während im Jahr 1970 der Pro-Kopf-Verbrauch von Mineral-<br />
und Heilwasser bei 12,5 Litern pro Jahr lag, erreichte<br />
er zehn Jahre später bereits rund 40 Liter. Laut<br />
des Verbandes Deutscher Mineralbrunnen lag er im vergangenen<br />
Jahr 2018 bei über 150 Litern Mineral- und<br />
Heil wasser pro Kopf. Und auch die Vorlieben für die<br />
Auf bereitung des Mineralwassers ändern sich mit der<br />
Zeit. So wie bei Grafenquelle gibt es das Wasser von den<br />
meisten Abfüllern in drei Varianten: als stilles Wasser, in<br />
Medium und in Classic mit relativ viel Kohlsäure versetzt.<br />
Aktuell geht der Trend gerade bei den unter<br />
35-Jährigen mehr und mehr zum stillen Wasser. Die<br />
Grafenquelle biete ihr Wasser außerdem in einer blauen<br />
schlanken Gourmet-Flasche an – überwiegend für die<br />
Gastronomie. „Dabei bekommen wir Rückmeldungen<br />
von Kunden, dass das Wasser aus den blauen Flaschen<br />
besser schmeckt als das aus den grünen oder weißen Flaschen,<br />
die es im normalen Handel zu kaufen gibt“, erzählt<br />
Peinemann. Sie lacht, und ergänzt: „Das Auge<br />
trinkt schließlich mit.“<br />
So auch beim Medium-Wasser: Die Verbraucher finden<br />
es häufig in grünen Flaschen abgefüllt vor. Doch<br />
grüne Flaschen waren, bevor der Medium-Boom kam,<br />
dem Heilwasser vorbehalten. So entwickelte sich im<br />
kollektiven Gedächtnis der Glaube, dass Wasser aus<br />
grünen Flaschen gesünder ist – eine Assoziation, die<br />
nun auf die grünen Medium-Wasserflaschen übertragen<br />
wird. „Wir haben neben unserem Wasser für die<br />
Grafenquelle auch noch eine Heilwasserquelle, die wir<br />
aber nicht abfüllen“, erzählt Peinemann. Bis in die<br />
1990er-Jahre wurde das Heilwasser für Kurbehandlungen<br />
in Bad Grund genutzt. Da jedoch derzeit kein<br />
Heilwasser mehr nach Bad Grund geliefert wird, ruht<br />
die Heilwasserförderung bis auf Weiteres.<br />
SIE SEI DA SO REINGEWACHSEN in den Betrieb, erzählt<br />
sie, während sie – einem schmalen Pfad folgend<br />
– hinüber zur Produktion geht. Es ist ein kurzer Weg<br />
vom kleinen Park mit dem Quellteich hinüber zum<br />
Verwaltungsgebäude der Grafenquelle und der Produktionshalle,<br />
die am Ende einer sich dahinschlängelnden<br />
Straße am Ortsausgang liegen.<br />
„Samstags, als mein Vater noch den Getränkehandel<br />
hatte, war ich immer im Geschäft, half Getränkekisten<br />
sortieren oder fuhr mit auf Auslieferung – hier eine<br />
Kiste Zitronenlimo für Frau Meyer, dort eine Kiste<br />
Apfelschorle für Herrn Müller, und so weiter. Das gehörte<br />
für mich dazu“, sagt Peinemann und erinnert<br />
sich an ihre Kindheit. Dennoch trieb es sie mit 17 Jahren<br />
erst einmal hinaus in ein anderes Leben. Sie mach-<br />
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30 2|<strong>2019</strong>
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»Samstags, als mein Vater noch<br />
den Getränkehandel hatte, war<br />
ich immer im Geschäft, half<br />
Getränkekisten sortieren oder<br />
fuhr mit auf Auslieferung – hier<br />
eine Kiste Zitronenlimo für Frau<br />
Meyer, dort eine Kiste Apfelschorle<br />
für Herrn Müller, und so weiter.<br />
Das gehörte für mich dazu.«<br />
MELANIE PEINEMANN<br />
2 |<strong>2019</strong> 31
unternehmen<br />
»Na, komm mal her, Mädchen, und verrate mir mal, warum wir<br />
gerade dein Wasser in unser Sortiment nehmen sollten.«<br />
Eine mitunter harte Schule, die ihr zeigte, wie man sich durchsetzt.<br />
te eine Ausbildung beim Arbeitsamt – kam dann aber<br />
doch wieder zurück. Mit 23 Jahren arbeitet sie bereits<br />
im Außendienst bei der Grafenquelle. Ein junges unerfahrenes<br />
Mädchen, das gestandenen Geschäftsführern,<br />
überwiegend Männern, ihre Produktpalette anbot. Da<br />
kamen dann schon mal Sprüche wie: ‚Na, komm mal her,<br />
Mädchen und verrate mir mal, warum wir gerade dein<br />
Wasser in unser Sortiment nehmen sollten?‘ Eine mitunter<br />
harte Schule, die ihr zeigte, wie man sich durchsetzt.<br />
Vielleicht geht sie heute gerade deshalb so selbstbewusst<br />
durch ihre Produktion, wirft hier und da einen<br />
prüfenden, auch mal kritischen Blick hin. Die Mutter<br />
einer inzwischen erwachsenen Tochter ist zufrieden mit<br />
dem, was sie erreicht hat.<br />
Es gibt viel zu tun. An drei Tagen in der Woche werden<br />
neben Wasser auch Zitronen- und Orangenlimonade,<br />
Apfelschorle, Sportdrinks, Cola und Cola-Mix getränke,<br />
Lemon, ACE- und Wellnessdrinks sowie kalorien arme<br />
Orangenlimo, die nach der neuesten Verordnung nicht<br />
mehr ‚Diät‘ heißen darf, abgefüllt – alles auf der Grundlage<br />
des Mineralwassers und nur zusätzlich mit unterschiedlichem<br />
Geschmack versetzt. Rund 15.000 Fla schen<br />
durchlaufen pro Stunde den Produk tionsweg von der<br />
Leergut-Spülmaschine über die Qualitätskontrolle der<br />
noch leeren Flaschen bis zu Füllung, Verschluss und Etikettierung.<br />
Im Durchschnitt werden 30.000 Liter am<br />
Tag abgefüllt.<br />
Das Wasser, das hier für sämtliche Getränke abgefüllt<br />
wird, kommt aus dem sechs Meter tiefen Brunnen gleich<br />
neben dem Gebäude. Ein Betonklotz, unscheinbar und<br />
in nichts an einen klassischen Brunnen erinnernd. Von<br />
dort gelangt das Wasser in ein Auffangbecken und dann<br />
direkt in die Flaschen. Ein kurzer Weg aus der Tiefe der<br />
Erde und direkt am Quellort abgefüllt – anders darf es<br />
auch nicht sein.<br />
DOCH WASSER IST EBEN NICHT GLEICH WASSER: So<br />
darf sich ein Wasser nur ‚natürliches Mineralwasser‘<br />
nennen, wenn es ein Anerkennungsverfahren durchlaufen<br />
hat, das über 200 geologische, hydrologische, physikalisch-chemische,<br />
mikrobiologische und hygienische<br />
Untersuchungen umfasst. Außerdem muss es mindestens<br />
1.000 Milligramm gelöster Mineralstoffe enthalten. Dies<br />
ist in der Mineral- und Tafelwasser-Verordnung geregelt.<br />
Im Gegensatz dazu wird beispielsweise Tafelwasser industriell<br />
hergestellt und kann ein Gemisch aus Wasserarten<br />
und Zutaten wie Mineralstoffen sein. Es lohnt also<br />
beim nächsten Einkauf doch einmal genauer auf das Etikett<br />
zu schauen, ob es sich beim ausgewählten, ältesten<br />
Durstlöscher der Welt tatsächlich auch um ein natürliches<br />
Mineralwasser aus der Region handelt.<br />
DER RUNDGANG ÜBER DAS GELÄNDE endet in der Verwaltung.<br />
Im Büro von Melanie Peinemann sieht es nach<br />
Arbeit aus. Der Schreibtisch, ein alter massiver Holztisch,<br />
und die dunkle Schrankwand in Eiche rustikal stammen<br />
noch vom Vater. Was jedoch keinesfalls bedeutet, dass<br />
sich hier sonst nichts geändert hätte. Im Gegenteil: Die<br />
Tochter bringt frischen Wind ins Unternehmen und trifft<br />
Entscheidungen, um die Grafenquelle zukunftsfähig zu<br />
halten. Und dazu gehört für sie auch, der Marke Grafenquelle<br />
durch ihre Person ein Gesicht zu geben: Eine sympathische,<br />
bodenständige Frau, die herzlich und offen<br />
lacht, wenn man sie fragt, warum man das Wasser aus<br />
Förste trinken sollte: weil es schmeckt.<br />
Zur Person<br />
Melanie Peinemann übernahm vor fünf Jahren die Geschäftsführung<br />
des Familienunternehmens Grafenquelle.<br />
Für die gebürtige Osteröderin war früh klar, dass sie das<br />
Geschäft übernehmen wird, während ihre jüngere<br />
Schwester andere Pläne hatte. Doch Peinemann gehört<br />
auch zu der Generation Führungskräfte, die Privatleben<br />
und Geschäft gut voneinander trennen können.<br />
An den Wochenenden liebt sie es, mit ihrer Familie und<br />
Hund Ausflüge in die Natur zu machen, Hundesport zu<br />
betreiben oder mal ins Kino oder zum Essen zu gehen.<br />
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32 2 |<strong>2019</strong>
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Gut gestartet<br />
Gründen ist angesagt. Das beweist auch die Entwicklung des Wettbewerbs der Uni Göttingen:<br />
Lift-off stärkt die akademische Gründungskultur der Region und zeigt einen<br />
alternativen Karriereweg auf.<br />
TEXT SVEN GRÜNEWALD FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
Mit dem Lift-off-Wettbewerb hat die<br />
Uni Göttingen vor zwei Jahren einen<br />
weiteren Baustein geschaffen, um den<br />
Gründungsgedanken innerhalb der<br />
Universität stärker zu verankern.<br />
Seitdem hat sich dieser Wettbewerb sehr gut entwickelt.<br />
Die Teilnehmerzahl steigt kontinuierlich – und dies<br />
insbesondere aus Kreisen der wissenschaft lichen Mitarbeiter.<br />
In diesem Jahr nahmen 17 über wiegend studentische<br />
und sechs wissenschaftliche Teams teil. Die relativ<br />
große Zahl der Wissenschaftlerteams hat sogar dazu<br />
geführt, dass diese bei der Preisverleihung Mitte Juni<br />
erstmals in einer eigenen Kategorie gegeneinander antraten<br />
(siehe Kasten rechts). „Wir wollen damit zeigen, dass<br />
eine Ausgründung mit einer Idee ein alternativer oder<br />
paralle ler Karriereweg zur Forschung sein kann“, erklärt<br />
Simon Bohn von der Gründungsförderung der Uni.<br />
„Insbesondere, wenn Forschungsergebnisse eine gewisse<br />
Anwendungsnähe haben.“<br />
EIN GENERELLER BEWUSSTSEINSWANDEL scheint<br />
stattgefunden zu haben: Gründungen gelten nicht mehr<br />
als verpönt. Die Zahl der Beratungsgespräche habe sich<br />
im Vergleich zu 2016 bereits verdoppelt, so Bohn, und<br />
auch der Lift-off-Wettbewerb sei dafür ein guter Indikator:<br />
Das zeige sich vor allem an der Vielfalt der Teams,<br />
die bereits im vergangenen Jahr aus nahezu allen Fakultäten<br />
stammten. „Farm Inspector ist da unser Musterbeispiel“,<br />
sagt Bohn. Das Agrar-Start-up landete beim<br />
Lift-off 2018 auf dem ersten Platz und befindet sich derzeit<br />
auf dem Weg zur Unternehmensgründung. An ihm<br />
lässt sich gut die ganze Bandbreite der Unterstützung<br />
zeigen, die das Beraterteam allen Uni-Angehörigen anbietet,<br />
die sich mit einer Geschäftsidee tragen.<br />
Farm Inspector, das ist ein fünfköpfiges Team aus verschiedenen<br />
Fachbereichen, das Ideengeber Andreas<br />
Heckmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung<br />
Agrartechnik, um sich versammelt hat. „Ich komme<br />
selbst aus einem landwirtschaftlichen Betrieb und<br />
war in der Beratung aktiv“, erzählt der Gründer. „Landwirte<br />
sind heute mehr denn je darauf angewiesen, zu<br />
wissen, wann, wie viel und wo man beispielsweise Dünger<br />
oder Wasser auf dem Feld braucht.“ Und genau da<br />
setzt seine Unternehmensidee an: Farm Inspector etabliert<br />
kosteneffiziente Netzwerke aus selbst entwickelten<br />
Funksensoren, die beispielsweise Bodenfeuchte und<br />
Temperatur über und im Boden messen und damit bessere<br />
Aussagen über das Geschehen auf dem Feld ermöglichen.<br />
„Zunächst war Andreas Heckmann alleine bei uns in<br />
der Beratung und hat seine Idee in einem frühen Stadium<br />
vorgestellt“, erklärt Bohn. „Wir haben ihn vor allem dahingehend<br />
unterstützt, dass wir über unser Gründungsnetzwerk<br />
entsprechende Hilfestellungen geben könnten.“<br />
Parallel zum Wettbewerb wurde gemeinsam der Antrag<br />
für ein Exist-Stipendium für Unternehmensgründer erarbeitet.<br />
Gleichzeitig besuchte das inzwischen angewachsene<br />
Team um Heckmann Workshops der Gründungsförderung,<br />
und zuletzt vermittelte Bohn ihnen auch<br />
noch einen Mentor, der den Gründungsprozess allgemein<br />
zu unterstützt. Mit dem Exist-Stipendium geht es für Farm<br />
Inspector nun weiter auf die Unternehmensgründung zu.<br />
„Wir werden jetzt stark an der Praxiseinführung und<br />
Perfek tion des Produkts arbeiten“, erklärt Heckmann.<br />
„Im Herbst testen wir dann – wie auch schon im vergangenen<br />
Jahr – unsere Prototypen im Feldversuch.“<br />
FÜR DIE UNTERSTÜTZUNG durch die Gründungsförderung<br />
hat Heckmann – wie auch alle anderen Gewinner<br />
aus dem vergangenen Jahr (siehe die folgenden Seiten) –<br />
rückblickend nur lobende Worte übrig: „Es ist schon<br />
enorm, was die Kollegen, aber auch die Uni-Leitung, da<br />
geleistet haben – und das nicht nur für uns. Es wird inzwischen<br />
an der Uni mehr darüber gesprochen, wie man<br />
eine Idee erfolgreich vermarkten kann. Das ist ein wirklich<br />
guter Prozess!“ Der nächste Wettbewerb startet<br />
dann im Herbst.<br />
Kontakt: www.uni-goettingen.de/gruendung<br />
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34 2 |<strong>2019</strong>
LIFT-OFF-GEWINNER <strong>2019</strong><br />
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1. Platz: BarBQ<br />
2. Platz: Pandamask<br />
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Mit dem richtigen Maß Gründer Andreas Heckmann kommt selbst aus einem landwirtschaftlichen Betrieb und unterstützt heute mit<br />
Farm Inspector andere Landwirte bei der effizienten Arbeit.<br />
2 |<strong>2019</strong> 35
unternehmen<br />
Plattform mit Zukunft Linguistin Jana Hosemann ist mit ihrer Idee SIGNfind beim Gründerwettbewerb der Uni auf Platz 2 gelandet.<br />
Internetplattform für Taube<br />
Die Start-up-Idee SIGNfind wurde beim Lift-off-Wettbewerb<br />
2018 mit dem zweiten Platz ausgezeichnet. Inzwischen<br />
hat die Linguistin Jana Hosemann ihr Projekt<br />
beim Verein Enactus angesiedelt, wo sich ein Team zusammen<br />
mit ihr um die weitere Umsetzung der Idee<br />
kümmert.<br />
SIGNfind will vor allem das Leben von Gehörlosen erleichtern<br />
– denn es gibt viele Lebenssituationen, in denen<br />
Gehörlose jemanden benötigen, der Deutsche Gebärdensprache<br />
beherrscht und übersetzen kann. Sei es die Kommunikation<br />
mit dem Arzt, in rechtlichen Situationen wie<br />
bei der Polizei oder mit einer Behörde, im Arbeitsalltag,<br />
in der Ausbildung oder bei Akademikern auch einmal<br />
ein Vortrag.<br />
Doch die komplette Organisation des Dolmetschers<br />
und der Kostenübernahme liegt beim Gehörlosen. Das<br />
ist mit einem hohen Aufwand verbunden: Anträge bei<br />
den ganz unterschiedlichen Ämtern und Stellen für die<br />
Kostenübernahme zu stellen, ist mühselig. Auch eine<br />
Dolmetscherin zu finden, die Zeit hat, ist nicht immer<br />
einfach, vor allem jenseits der Metropolen. Spontan ist<br />
das kaum möglich. „Wenn man den ganzen organisatorischen<br />
Aufwand zusammenrechnet, kommt man pro<br />
Dolmetschereinsatz auf zehn bis 15 Stunden reine Bürokratiezeit,<br />
und das mit sprachlichen Hürden“, sagt Jana<br />
Hosemann, die Initiatorin hinter SIGNfind.<br />
Dabei ließen sich viele dieser Schritte prinzipiell automatisieren<br />
– das ist auch das Ziel von SIGNfind. Die<br />
Internetplattform soll die Terminfindung und Dolmetschersuche<br />
erleichtern, sie soll aber noch zwei andere<br />
Gruppen einbinden: Unternehmen sowie die Behörden,<br />
um etwa auch die Finanzierung automatisch abwickeln<br />
zu können.<br />
Beim Lift-off-Wettbewerb war SIGNfind ,nur‘ eine<br />
Idee. Inzwischen hat ihre Umsetzung Fahrt aufgenommen:<br />
Im November 2018 hat der weltweit tätige<br />
Non-Profit-Verein Enactus (siehe Seite 38), der gemeinwohlförderliche<br />
Projekte zur Unternehmensgründung<br />
bringen will, das Projekt SIGNfind aufgenommen. Inzwischen<br />
arbeiten vier Studierende an dem Projekt, Jana<br />
Hosemann ist als Kooperationspartnerin assoziiert.<br />
„Momentan machen wir die Marktanalyse“, sagt Hosemann.<br />
Sie soll die Bedarfe ermitteln, die die vier Zielgruppen<br />
von SIGNfind haben. „Dann wird es mit großen<br />
Schritten weitergehen.“<br />
LIFT-OFF-WETTBEWERB<br />
36 2 |<strong>2019</strong>
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unternehmen<br />
Fassen gemeinsaem<br />
Tabuthemen an:<br />
Marla Neuschaefer<br />
und Pia Roddewig<br />
(v.l.) vom Projekt<br />
Once a Month<br />
Binden aus Bananenstauden<br />
Mit ihrem Projekt Once a Month will Enactus Frauen in<br />
Drittweltländern unterstützen und gewann beim Lift-off<br />
2018 damit den Publikumspreis.<br />
„Mit den Damenbinden vor allem für Schulmädchen verfolgen<br />
wir verschiedene Ziele“, erklärt Projektleiterin Pia<br />
Roddewig. In Afrika kosten Binden teilweise rund zehn<br />
Prozent eines Monatseinkommens – mit der Folge, dass<br />
sich viele Familien diesen Luxus nicht leisten können<br />
und die Mädchen während ihrer Periode nicht in die<br />
Schule gehen. „Das sind mehrere Tage pro Monat, darunter<br />
leidet der Abschluss und die Lebensqualität. Es ist<br />
ein Teufelskreis, der relativ weitreichende Folgen hat“,<br />
so Roddewig.<br />
Da sollen die neu entwickelten Binden ansetzen: Sie<br />
sollen kostengünstig, wiederverwendbar und biologisch<br />
abbaubar sein. Und um der Idee der Nachhaltigkeit noch<br />
gerechter zu werden, soll die Produktion und der Vertrieb<br />
in den Nutzerländern stattfinden. Damit sollen zudem<br />
Arbeitsplätze vor Ort entstehen, die dann wieder<br />
Frauen zugutekommen und ihnen so zu einem Stückchen<br />
Selbstständigkeit verhelfen.<br />
Genutzt werden für die Binde die biologischen Reste,<br />
die nach der Ernte von der Bananenstaude übrigbleiben.<br />
Daraus werden Fasern extrahiert, die zu einem saugfähigen<br />
Schwamm weiterverarbeitet und dann in Stoff eingenäht<br />
werden. „Da sind wir noch am Rumtüfteln“, sagt<br />
Roddewig – privat in der Küche. Doch das Produkt ist<br />
schon so weit fortgeschritten, dass sich das siebenköpfige<br />
Projektteam inzwischen um Kooperationspartner bemüht.<br />
Das Pilotprojekt soll zunächst in Indien stattfinden, und<br />
auf diesen Markt soll das Produkt – etwa in Farbe und<br />
Form – noch genauer ausgerichtet werden, um die Akzeptanz<br />
zu erhöhen.<br />
Denn gleichzeitig geht es bei dem Projekt auch um<br />
Aufklärung. „In vielen Ländern ist Menstruation noch<br />
ein extremes Tabuthema. Daher wollen wir auch mit<br />
Schulen zusammenarbeiten, damit die Lehrer das Prinzip<br />
so gut wie möglich erklären.“ So sollen sowohl Mädchen<br />
als auch Jungen möglichst früh über das Thema aufgeklärt<br />
und die kulturellen Hürden nachhaltig überwunden<br />
werden.<br />
Wer ist Enactus e. V.?<br />
Enactus ist eine weltweite Organisation, in den USA gegründet<br />
und inzwischen in 36 Ländern aktiv. In Göttingen<br />
gibt es den Verein seit 2015. Der Verein ist sowohl<br />
für Mitglieder als auch für Studierende offen, die an der<br />
Realisierung von Start-up-Projekten arbeiten. Deren Fokus<br />
liegt auf Social Entrepreneurship – es sollen Unternehmen<br />
gegründet werden, die soziale Probleme aufgreifen.<br />
Die Unternehmen sollen dabei wirtschaftlich, sozial<br />
verantwortlich und nachhaltig arbeiten, um die Umsetzung<br />
der Projektideen langfristig von Spenden unabhängig<br />
zu machen. Enactus hat in Göttingen derzeit 55 aktiven<br />
Mitglieder und betreut vier Projekte: SIGNfind,<br />
Once a Month, Gö to go (eine Smartphone-App für die<br />
Göttinger Einzelhändler) sowie das Magazin Zatar<br />
(Kochen als Brücke zwischen Geflüchteten und einheimischen<br />
Göttingern).<br />
www.enactus.de<br />
LIFT-OFF-WETTBEWERB<br />
38 2 |<strong>2019</strong>
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40 2 |<strong>2019</strong>
unternehmen<br />
Ab ins Beet!<br />
Ideen, die bewegen: Carsten Marhold wird mit seinem Hochbeet Magic Green Bed<br />
zum Selbstversorger und schafft damit die Grundlage für eine nachhaltige Lebensweise.<br />
Dafür wird er jetzt mit der Urkunde Gute Gründe(r) ausgezeichnet.<br />
TEXT STEFAN LIEBIG FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
Bevor es vor zwei Jahren zum Burnout<br />
kommt, zieht Carsten Marhold (Foto) die<br />
Reißleine. Bis zu 16-stündige Arbeitstage<br />
in unangenehmem Arbeitsklima bringen<br />
den gelernten Kfz-Mechaniker an den<br />
Rand seiner Kräfte. Der heute 42-Jährige,<br />
der sich in einigen Berufsstationen zum Staatlich geprüften<br />
Techniker und Kfz-Sachverständigen weiterqualifiziert<br />
hatte, nimmt sich genau im richtigen Moment eine<br />
Auszeit. „Und schon nach einiger Zeit spürte ich, wie ich<br />
wieder zu mir kam. Plötzlich konnte ich auch wieder<br />
kreativ werden“, erzählt der naturverbundene gebürtige<br />
Nordhäuser vom seinem Start in die Gründerszene.<br />
MARHOLD BESITZT NUR EIN KLEINES GRUNDSTÜCK,<br />
das er aber sowohl seinem Sohn als Spielfläche zur Verfügung<br />
stellen möchte als auch zum Anbau von eigenem<br />
Gemüse nutzen will. Die Lösung: Ein Hochbeet muss her.<br />
Schnell wird jedoch klar, dass der Markt seine Ansprüche<br />
nicht erfüllt: Es sollte ein sich selbst bewässerndes Hochbeet<br />
sein, das längere Abwesenheiten des Besitzers überstehen<br />
kann. Außerdem sollte es aus nachhaltigen Komponenten<br />
bestehen, einfach aufzubauen und ergonomisch<br />
zu bewirtschaften sein. „Eines Morgens wachte ich dann<br />
auf und hatte meine Erfindung geträumt – ich musste sie<br />
nur noch zu Papier bringen“, berichtet der Fan des urbanen<br />
Gartenbaus von seinem Innovationsprozess.<br />
Viele Wünsche gilt es nun auf einmal umzusetzen –<br />
aber Marholds technischer Sachverstand, gepaart mit<br />
dem handwerklichen Geschick seines Bruders Steffen,<br />
lassen schnell erste Prototypen entstehen. Als diese nicht<br />
nur die Familie beeindrucken, fällt der Entschluss: Die<br />
agabeco GbR soll gegründet werden. Mit einem detaillierten<br />
Businessplan geht es zur Bank. Das Konzept<br />
überzeugt auch hier, doch nun kommen Bruder Steffen<br />
an dem risikoreichen Schritt in die Selbstständigkeit<br />
Zweifel. Er zieht sich aus der GbR zurück, bleibt aber<br />
weiter für den handwerklichen Bereich zuständig.<br />
Carsten Marhold aber lässt sich von seinem Plan nicht<br />
abbringen und macht als Einzelunternehmer weiter –<br />
wenn auch mit etwas weniger Schwung. Denn der Bankkredit<br />
wird unter diesen neuen Bedingungen nicht bewilligt,<br />
und der Gründer muss parallel an vier Tagen in der<br />
Woche beim TÜV in Kassel arbeiten. Ein mutiger Anruf<br />
bei Birgitt Witter-Wirsam, der Geschäftsführerin von<br />
Holzland Hasselbach in Rosdorf, eröffnete dann schließlich<br />
überraschend schnell den ersten Schritt in den<br />
Markt: Marhold darf dort ausstellen und sein neues<br />
Hochbeet Magic Green Bed anbieten – und auch auf<br />
dem Messestand des Holzfachhandels auf einer regionalen<br />
Baumesse ist er nur kurze Zeit später mit seinem Unternehmen<br />
agabeco vertreten. Heute führt er sein eigenständiges<br />
Geschäft mit Sitz in Rhumspringe und Ausstellungsbeeten<br />
in Groß Schneen.<br />
Immer wieder nutzt der wissbegierige Marhold Möglichkeiten,<br />
sich neue Kenntnisse anzueignen und ein<br />
Netzwerk aufzubauen. So wendet er sich im vergangenen<br />
Jahr an die Ideenbeweger – ein Angebot am Zentrum<br />
für Entrepreneurship an der PFH Private Hochschule<br />
Göttingen. Die helfen, damit gute Ideen weder am<br />
Finanziellen noch am ebenso nötigen, häufig aber nicht<br />
vorhandenen Marketingwissen scheitern. In zweimonatigen<br />
Vorbereitungskursen erhalten Start-ups hier umfassende<br />
Coaching-Angebote. Durch den Zugang zum<br />
Ideenbeweger-Projekt ,Crowdfunding für Südniedersachsen‘<br />
erhalten sie zudem im Falle einer erfolgreichen<br />
Crowdfunding-Kampagne Geld für ihr Projekt. Damit<br />
können sie ihre Ideen realisieren und potenzielle Partner<br />
und Kunden ansprechen.<br />
Auch Carsten Marhold kann damit erfolgreich sein<br />
junges Unternehmen marktgerecht weiterentwickeln.<br />
2|<strong>2019</strong> 41
unternehmen<br />
Hoch gelobt: Im Mai verliehen <strong>faktor</strong>-Herausgeber Marco Böhme, GWGGeschäftsführerin Ursula Haufe, Oberbürgermeister RolfGeorg Köhler,<br />
Landrat Bernhard Reuter und WRGGeschäftsführer Detlev Barth (v. l.) die GuteGründe(r)Urkunde an Carsten Marhold (3. v. r.).<br />
„Gemeinsam mit 30 anderen Jungunternehmern bekamen<br />
wir ein super Coaching. Wir stellten noch einmal<br />
alles kritisch auf den Prüfstand und merzten Schwachstellen<br />
aus“, erklärt Marhold den Prozess. „Zwar haben<br />
wir am Ende mit dem Crowdfunding die gewünschte<br />
Summe nicht erreicht, aber ich habe extrem viel gelernt<br />
und konnte auch wertvolle Kontakte knüpfen“, erzählt<br />
der Gründer alles andere als enttäuscht.<br />
HEUTE – EINIGE MONATE SPÄTER – tüftelt er bereits an<br />
kleineren Versionen seines Hochbeets, die auch auf städtische<br />
Balkone passen. Was dem immer noch beim TÜV<br />
angestellten Erfinder neben Zeit allerdings weiterhin<br />
fehlt, ist das nötige Investitionskapital und die PR. Da<br />
kommt es gerade recht, dass Marhold zu Beginn der Gartensaison<br />
zum Gewinner der Auszeichnung Gute Gründe(r)<br />
erklärt wurde. Ein Preis, den die WRG Wirtschaftsförderung<br />
Region Göttingen gemeinsam mit der GWG<br />
Wirtschaftsförderung Stadtentwicklung Göttingen und<br />
<strong>faktor</strong> als Medienpartner zweimal im Jahr verleiht. „Das<br />
war natürlich eine unglaublich schöne und hilfreiche<br />
Überraschung“, sagt der Ideenfinder zufrieden.<br />
Für die Juroren war die Mischung aus überzeugendem<br />
Konzept und Hartnäckigkeit ausschlaggebend. „Durch<br />
das ergonomische Hochbeet mit automatischer Bewässerung<br />
hat Carsten Marhold ein innovatives Produkt auf<br />
den Markt gebracht, das es Menschen jeder Altersgruppe<br />
ermöglicht – egal, ob in der Stadt oder auf dem Land lebend<br />
und unabhängig von einer Gartenfläche –, eigenes<br />
Gemüse anzubauen“, erklärt Wirtschaftsförderin Karin<br />
Friese von der WRG. „Als Reaktion auf den zunehmenden<br />
Wunsch der Bevölkerung nach einer gesunden und<br />
nachhaltigen Lebensweise ist dies eine Idee, die in jedem<br />
Fall Zukunft hat.“<br />
Gute Gründe(r)<br />
Die Auszeichnung Gute Gründe(r) wird zweimal im Jahr<br />
an jung gegründete Unternehmen vergeben. Damit<br />
werden neue, vielversprechende und tragfähige Geschäftsideen<br />
geehrt, die in besonderer Weise geeignet sind,<br />
ein positives Gründungsklima in der Region zu fördern,<br />
und die Mut machen, den Schritt in die Selbstständigkeit<br />
zu wagen. Die erste Urkunde im Jahr <strong>2019</strong> erhält<br />
Carsten Marhold für seine HochbeetManufaktur<br />
agabeco GbR.<br />
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42 2 |<strong>2019</strong>
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Auswertbarkeit • ständige Verfügbarkeit.<br />
Jegliche Korrespondenz, durch die ein Geschäft vorbereitet, abgewickelt, abgeschlossen oder rückgängig<br />
gemacht wird, muss urschriftlich aufbewahrt werden. Beispiele sind Rechnungen, Aufträge,<br />
Reklamationsschreiben, Zahlungsbelege und Verträge. Dies gilt auch dann, wenn diese per E-Mail<br />
versendet werden.<br />
Was ist zu tun?<br />
Eine rechtssichere Lösung für die<br />
E-Mail-Archivierung muss vorhanden<br />
sein – in Abstimmung mit den betrieblichen<br />
Anforderungen, dem Datenschutz<br />
und einem eventuellen Betriebsrat<br />
– und sie muss im Fall einer<br />
behördlichen Prüfung zuverlässig<br />
funktionieren.<br />
Benötigte Speichermengen sind zu<br />
planen und doppelte Datenhaltung<br />
zu vermeiden.<br />
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PROFIL<br />
Potenzialraum an der<br />
Entwicklungsachse A 7<br />
Die fünfte Logistiktagung der GWG widmete sich einem hochaktuellen Thema: Logistik 4.0.<br />
Steigende Teilnehmerzahlen zeigen, dass der Logistikstandort Göttingen gefragt ist.<br />
Die Potenziale sind vielversprechend, und die regionale Zusammenarbeit klappt reibungslos.<br />
„Über Industrie 4.0 spricht<br />
jeder, für die Logistik ist das<br />
Thema aber noch nicht so stark<br />
im Fokus, obwohl Produktion<br />
und Logistik sehr eng<br />
zusammenhängen.“<br />
CHRISTINE KROSS<br />
Logistik wird in Göttingen großgeschrieben,<br />
und entsprechend vielfältig sind<br />
inzwischen die Foren, mit denen das<br />
Thema vorangetrieben wird. Einer der etablierten<br />
Events im Veranstaltungskalender ist<br />
die jährliche Logistiktagung, organisiert vom<br />
LMC Logistik und MobilitätsCluster Göttingen<br />
der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung<br />
und Stadtentwicklung Göttingen mbH (GWG),<br />
die Ende Mai <strong>2019</strong> zum fünften Mal stattfand.<br />
Die Tagung hat einen stark über regionalen Bezug<br />
– sowohl in der Auswahl der Referenten<br />
als auch der Herkunft der Teilnehmer. Etwa<br />
die Hälfte der Teilnehmer kommt aus dem<br />
ganzen Bundesgebiet, von Emden bis München.<br />
Die Tagung erfreut sich zudem einer steigenden<br />
Teilnehmerzahl.<br />
DIESES JAHR IM FOKUS: smarte Logistik.<br />
„Über Industrie 4.0 spricht jeder, für die Logistik<br />
ist das Thema aber noch nicht so stark<br />
im Fokus, obwohl Produktion und Logistik<br />
sehr eng zusammenhängen“, sagt Christine<br />
Kroß, Managerin des MobilitätsClusters Göttingen.<br />
Ein Problem bestehe – insbesondere<br />
für kleine und mittlere Unternehmen – in der<br />
schwierigen Umsetzung. „Man muss sich mit<br />
den Kunden vernetzen. Und das ist schon<br />
eine Herausforderung, weil viele verschiedene<br />
Plattformen und Softwaresysteme genutzt<br />
werden. Gleichzeitig ist damit der Austausch<br />
von eigenem Wissen, Daten, Waren- und Kundenströmen<br />
– durchaus sensible Größen –<br />
verbunden“, so Kroß.<br />
Für die GWG ist Logistik eines der Themen,<br />
die sie mit Nachdruck vorantreibt. So ist die<br />
GWG Mitglied in der Landesinitiative Logistikportal<br />
Niedersachsen, in dessen Vorstand zudem<br />
GWG- Geschäftsführerin Ursula Haufe die<br />
Interessen der Region vertritt. Die GWG ist auf<br />
den Messen Transportlogistik und Expo Real<br />
präsent und aktuell auch dem ITS Mobility e. V.<br />
beigetreten – einem Mobilitätsnetzwerk in der<br />
Region Braunschweig Wolfsburg. Vor Ort in<br />
Göttingen heißt das neueste Projekt Dialog<br />
Schienengüterverkehr. An der Auftaktveranstaltung<br />
im März <strong>2019</strong> tauschten sich rund<br />
60 Teilnehmer über das Thema Schienentransport<br />
aus. Aus dem Projekt soll ein regelmäßiger<br />
Arbeitskreis entstehen.
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FOTO: ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
Zufriedene Blicke in eine Zukunft ,smarter‘ Logistik: die Akteure der LogistikTagung Göttingen <strong>2019</strong><br />
GROSSES HIGHLIGHT IN SACHEN Logistik<br />
ist der Abschluss der Entwicklung des GVZ<br />
Siekanger, dem interkommunalen Projekt von<br />
Göttingen und Rosdorf. Hier hat die VGP Industriebau<br />
GmbH kräftig investiert und die verbliebenen<br />
freien Flächen der Gemeinde Rosdorf<br />
und der Stadt Göttingen mit je 80.000 Quadratmetern<br />
aufgekauft und für Logistik betreiber<br />
entwickelt. Der Teilbereich auf Göttin ger Seite<br />
ist bereits fertiggestellt und vermietet. „An dieser<br />
Entwicklung haben wir viele Jahre gearbeitet,<br />
und sie hat sich als der richtige Weg herausgestellt“,<br />
so Ursula Haufe. „Die vertrauens volle<br />
Zusammenarbeit mit den Kommunalverwaltungen<br />
hat uns überzeugt“, sagt dazu Darius<br />
Scheible, Geschäftsführer der VGP.<br />
RUND UM DEN SIEKANGER und das benachbarte<br />
Gewerbegebiet Siekhöhe ist die GWG<br />
zudem dabei, mit den Göttinger Verkehrsbetrieben<br />
zusammenzuarbeiten, um eine Anbindung<br />
an den ÖPNV zu ermöglichen. Derzeit<br />
arbeiten rund 1.100 Menschen in beiden<br />
Gebieten, hinzu kommt perspektivisch noch<br />
die Rosdorfer Seite.<br />
Das Interesse an Göttingen als Logistikstandort<br />
ist nach wie vor groß. Einer seiner<br />
Vorteile ist, dass es im Warenumschlag noch<br />
freie Kapazitäten gibt. Perspektivisch wird zur<br />
Attraktivität auch beitragen, dass die Rosdorfer<br />
Autobahnabfahrt Mengershausen, bislang<br />
nur als Schleichweg bekannt, zu einer vollwertigen<br />
Abfahrt ausgebaut werden soll. „Entlang<br />
der A 7 sehen Projektentwickler auf jeden Fall<br />
weiteres Potenzial“, erklärt Haufe. „Das ist<br />
eine Entwicklungsachse, die in Verbindung<br />
mit dem Autobahnkreuz A 38 zunehmend an<br />
Bedeutung gewinnt. Das sind Entwicklungen,<br />
auf die zu reagieren sein wird.“ Die Nachfrage<br />
nach freien Flächen besteht weiterhin.<br />
Das Wachsen der Logistikbranche in Göttingen<br />
veranschaulichen auch die Beschäftigtenzahlen.<br />
Laut Arbeitsagentur stieg die Zahl der<br />
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im<br />
Bereich Verkehr und Lageristik im Zeitraum<br />
von 2014 bis 2018 um 9,8 Prozent, während<br />
die Gesamtzahl der Beschäftigungsverhältnisse<br />
in diesem Zeitraum um 6 Prozent stieg.<br />
TEXT SVEN GRÜNEWALD<br />
KONTAKT<br />
GWG Gesellschaft für Wirtschaftsförderung<br />
und Stadtentwicklung Göttingen mbH<br />
L|MC Logistik und MobilitätsCluster<br />
Göttingen |Südniedersachsen<br />
Tel. 0551 54743-16<br />
christine.kross@lmc-goettingen.de<br />
www.lmc-goettingen.de
unternehmen<br />
Die Gunst der Lage<br />
Der Wirtschaftsstandort Northeim und das unmittelbare Umfeld der Stadt profitieren vor allem von der<br />
Lage an den Verkehrsadern A7 und der ICE-Trasse sowie den hohen Immobilienpreisen in den Zentren.<br />
Städtische Baustellen gibt es dennoch.<br />
TEXT SVEN GRÜNEWALD FOTO BEISERT & HINZ<br />
46 2 |<strong>2019</strong>
unternehmen<br />
Dieser Tage wirkt Northeim – wenn<br />
man sich von der A7 her nähert – wie<br />
eine große Baustelle. Der dreispurige<br />
Ausbau lässt grüßen. Die Baumaßnahmen<br />
an Straßen und die damit verbundenen<br />
Einschränkungen sind allerdings<br />
in den vergangenen Jahren auch im Stadtgebiet ein<br />
Dauerthema. Was die Geduld strapaziert, kann man auch<br />
symbolisch betrachten: Northeim wächst und kratzt bei<br />
der Einwohnerzahl stark an der 30.000er-Marke. Man<br />
merkt einen deutlichen Zuzug aus anderen Teilen der<br />
Region und darüber hinaus – südlich der Kernstadt<br />
Northeims sowie in den Ortschaften werden neue Wohngebiete<br />
erschlossen, die infrastrukturell gut angebunden<br />
sind. „Die Nachfrage ist da, auch gerade von jungen<br />
Familien“, erklärt Bürgermeister Simon Hartmann.<br />
DIE STADT ERLEBT EINEN AUFWÄRTSTREND: Der städtische<br />
Haushalt ist ausgeglichen, es werden Jahresüberschüsse<br />
erwirtschaftet, die Gewerbesteuern sind stabil.<br />
Altlasten, die es abzuarbeiten gilt, gibt es allerdings genügend,<br />
der Investitionsstau hat auch vor Northeim nicht<br />
haltgemacht – vor allem im Bereich der Straßen und<br />
öffentlichen Gebäude. Die Infrastruktur in Northeim<br />
kennt einige Sorgenkinder: den Ausbau der Kita- und<br />
Krippenplätze, die Förderung des Radverkehrs, die Umsetzung<br />
des Klimaschutzplans der Stadt und vor allem ein<br />
Konzept, wie die Innenstadt wiederbelebt werden kann.<br />
„Ein wichtiges Thema ist für uns ganz klar die Kinderbetreuung“,<br />
sagt Nina Peilert, Geschäftsführerin des<br />
Northeimer Agrarunternehmens Tribodyn. „Bei uns<br />
arbeiten viele Mütter mit kleinen Kindern, ich selbst<br />
bin alleinerziehend und wohne auf dem Dorf. Da sind<br />
die Kinderbetreuungsmöglichkeiten miserabel – hätte<br />
ich meine Mutter nicht oder die Möglichkeit, dass ich<br />
gelegentlich vom Homeoffice aus arbeite, ginge das<br />
nicht.“ Verbesserungen in der Kinderbetreuung mahnt<br />
auch Andreas Wolf, einer der beiden Geschäftsführer<br />
des Modeunternehmens Wilvorst an – da der Northeimer<br />
Traditionsbetrieb einen hohen Frauenanteil hat.<br />
„Gerade, wenn Frauen nach dem Mutterschutz wieder<br />
anfangen wollen zu arbeiten, brauchen sie diese Infrastruktur.<br />
Wir versuchen natürlich, das mit flexiblen<br />
Arbeitszeitangeboten zu unterstützen, aber die Stadt<br />
ist hier auch ganz klar gefordert.“ Insbesondere fehlten<br />
Betreuungsangebote, die über 14 Uhr hinausgehen,<br />
so Peilert. „Dass es hier an Angeboten mangelt, ist<br />
zum einen nicht arbeitnehmerfreundlich, zum anderen<br />
erschwert es uns zusätzlich, gute Leute in die Region<br />
zu bekommen.“<br />
Bei der Zahl der Kita- und Krippenplätze sei die Stadt<br />
zwar gut gerüstet, sagt Bürgermeister Hartmann, einen<br />
Nachholbedarf sehe er aber auch, vor allem bei der Erweiterung<br />
der Betreuungszeiten – wohl wissend, dass<br />
auch der Markt für Erzieherinnen nahezu leergefegt ist.<br />
Und nicht nur der.<br />
2 |<strong>2019</strong> 47
unternehmen<br />
„Grundsätzlich ist der Standort nicht dafür prädestiniert,<br />
junge, trendige ITler anzuziehen“, erklärt Mark Berke,<br />
Geschäftsführer des Büro- und IT-Dienstleisters<br />
bueroboss.de/Kassebeer. „Die haben teils ganz andere<br />
Lebensvorstellungen und sind relativ flexibel. Auf zehn<br />
Jahre kann man nicht mehr planen.“ Entsprechend intensiviert<br />
bueroboss.de/Kassebeer seine Ausbildungsbemühungen,<br />
doch auch da wird es schwieriger, den<br />
Bedarf lokal zu decken. „Wir bekommen das noch hin,<br />
aber sehen auch den Rückgang der Bewerberzahlen.“<br />
Noch schwieriger ist es im Vertrieb. „Qualifizierte Vertriebler,<br />
vor allem im IT-Bereich, in die Region zu bekommen,<br />
wird immer schwerer und teilweise haben wir<br />
auch schon Vakanzen“, so Berke.<br />
»Grundsätzlich ist der Standort nicht<br />
dafür prädestiniert, junge, trendige<br />
ITler anzuziehen. Die haben teils ganz<br />
andere Lebensvorstellungen und sind<br />
relativ flexibel. «<br />
MARK BERKE<br />
Den allgemeinen Trend zu der Schwierigkeit, Ausbildungsplätze<br />
zu besetzen, sieht auch Bernd Wiese, Geschäftsführer<br />
der Henke-Sass, Wolf Mikrooptik GmbH in der<br />
Area 3 in Nörten-Hardenberg, in unmittelbarer Nähe<br />
zur Stadt Northeim. Gleichzeitig hat die Firma inzwischen<br />
auch mit der Arbeitgeberkonkurrenz zu Göttingen<br />
zu kämpfen. „In den letzten zwei, drei Jahren gab es einzelne<br />
Abwerbungen im Bereich der Feinoptiker, weil der<br />
Fachkräftemangel an sich zunimmt“, sagt Wiese.<br />
DOCH IM WESENTLICHEN, da sind sich Politik und<br />
Wirtschaft einig, ist die Nähe zu Göttingen eher eine<br />
Chance und ein Standortvorteil, den man beim Werben<br />
um Fachkräfte und auch generell um Einwohner ins Feld<br />
führen kann. Mit rund 20 Minuten Fahrzeit ist Göttingen<br />
mit seinen ganzen kulturellen und Bildungsangeboten<br />
quasi direkt nebenan, während es sich in Northeim<br />
selbst günstig leben lässt.<br />
Und dank des schnellen Autobahnzugangs verfügt<br />
Northeim auch über dieselben infrastrukturellen Voraussetzungen<br />
wie der große Nachbar – und damit ein<br />
riesiges Standortplus. Bueroboss.de/Kassebeer hat etwa<br />
die Zentrallogistik für das bundesweite ,bueroboss.de-<br />
Netzwerk‘ in Northeim mit aufgebaut – für Wilvorst ist<br />
die Lage mitten in Deutschland und an der Autobahn<br />
„unheimlich wichtig“, wie Andreas Wolf betont, um<br />
den schnellen Zugriff auf die Ware in den Produktionsstandorten<br />
in Osteuropa zu haben – angesichts extrem<br />
enger Lieferzeiten ein Muss.<br />
Henke-Sass, Wolf Mikrooptik schätzt die Infra struktur<br />
– wenn auch die Mobilfunkabdeckung in der Area 3 zu<br />
wünschen übrig lässt – ebenfalls, aber auch die Flexibilität<br />
des öffentlichen Personennah verkehrs. In Absprache<br />
mit dem Unternehmen wurde direkt vor der Eingangstür<br />
eine Bushaltestelle eingerichtet, und die Verbindung<br />
wird von den Mitarbeitern auch gut genutzt.<br />
Auch einer der ganz großen in Northeim, die ContiTech<br />
AG, bewertet die „geografische Lage des Continental-Standortes<br />
aufgrund seiner Nähe zu relevanten Verkehrsadern<br />
und -knotenpunkten zu Land, Luft und<br />
Wasser als sehr positiv“, sagt Pressesprecher Jochen<br />
Vennemann. Bei Conti hat man Vertrauen in den Standort<br />
und investiert kontinuierlich in die Modernisierung<br />
und den Ausbau des Standortes.<br />
DER LOGISTISCHE LEBENSNERV A7 ist für die HKS<br />
Sicherheitsservice GmbH aus Hardegsen im Landkreis<br />
Northeim ebenfalls ein großes Standortplus – das Unternehmen<br />
ist aufgrund von Verbandsvorgaben darauf angewiesen,<br />
bestimmte Kunden innerhalb von 20 Minuten<br />
erreichen zu können. „Das können wir durch unsere<br />
Stützpunkte in Göttingen und Hardegsen sicherstellen“,<br />
erzählt Heiko Keilholz, Geschäftsführer von HKS. „Von<br />
Hardegsen sind Sie in wenigen Minuten in Einbeck,<br />
Northeim oder Göttingen, ebenso in Uslar. Selbst in Duderstadt<br />
sind Sie unter optimalen Bedingungen in 25<br />
Minuten. Von daher liegen wir hier hervorragend.“ Für<br />
HKS ist diese regionale Orientierung auch ein starker<br />
Wachstumsgrund, allein durch die Kreisfusion und das<br />
regionale Bemühen, die Wirtschaft stärker zusammenzubringen,<br />
habe man etwa gute Kontakte nach Osterode<br />
entwickelt. Daher befindet sich derzeit auch ein zweiter<br />
Stützpunkt in Göttingen im Aufbau.<br />
Kurzum: Grund zur Klage über die Rahmenbedingungen<br />
am Standort Northeim wird wenig gesehen. Und<br />
auch der Kontakt zur und die Abstimmung mit der Politik<br />
wird in Wirtschaftskreisen als sehr gut wahrgenommen.<br />
IN NORTHEIM STEHT DERWEIL die städtische Wirtschaftsförderung<br />
vor einer Reorganisation. „Wir hatten<br />
hierfür eine Stelle ausgeschrieben“, so der Bürgermeister.<br />
„Diese wird im Herbst besetzt sein, sodass der ganze<br />
Bereich professionalisiert und strategisch neu ausgerichtet<br />
werden kann.“ Zu den Schwerpunkten der Wirt-<br />
48 2 |<strong>2019</strong>
Wir sind dabei
unternehmen<br />
Ort mit Potenzial: Um die Northeimer Innenstadt zu stärken, soll in Zukunft auch rund um den Münsterplatz,<br />
den zentralen Veranstaltungsort, noch einiges passieren,<br />
schaftsförderung soll neben dem klassischen Aufbau<br />
von Netzwerken das Thema Fördermittelakquise und<br />
-management stärker in den Vordergrund rücken. „Ich<br />
stelle mir eine zentrale Stelle vor, die die Abteilungen bei<br />
uns im Haus, aber auch in den Unternehmen berät, in<br />
welchen Projekten Fördermittel von Bund, EU und anderen<br />
Gebern denkbar sind“, sagt Hartmann. „Das haben<br />
wir in dieser Form noch nicht.“ Auch sollen unter<br />
dem Aspekt der Fachkräftesicherung zielgruppenorientierte<br />
Veranstaltungen angeboten werden, wozu auch<br />
zählt, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie die<br />
familienfreundliche Stadt unter dem Gesichtspunkt der<br />
Wirtschaftsförderung zu betrachten.<br />
DEN GRÖSSTEN HANDLUNGSBEDARF sieht der Bürgermeister<br />
allerdings in der Innenstadtverschönerung<br />
und -aufwertung, um letztlich die Attraktivität der Stadt<br />
und des Lebensortes zu erhöhen. Denn die Innenstadt<br />
leidet nicht nur unter dem weit verbreiteten Problem des<br />
Frequenzrückgangs und Leerstands, mit dem CityCenter<br />
Northeim gibt es auch ein großes Einkaufszentrum in<br />
der Innenstadt, das noch einmal zusätzlichen Druck entfaltet.<br />
„Wir sind 2017 in das Programm ,Aktive Stadtund<br />
Ortsteilzentren‘ aufgenommen worden“, erklärt<br />
das Stadtoberhaupt. Damit verbinde sich eine große<br />
Chance für die Innenstadtsanierung. Die Stadt selbst hat<br />
inzwischen ein Leerstandsmanagement beauftragt und<br />
arbeitet eng mit der Standortgemeinschaft in der Innenstadt<br />
zusammen – also mit den Eigentümern von<br />
Innenstadt immobilien, mit denen zusammen beispielsweise<br />
eine Struktur- und Potenzialanalyse der Innenstadt<br />
finanziert wurde. Stärken werden vor allem im Bereich<br />
der Mode gesehen sowie ein großes Potenzial im Dienstleistungsbereich.<br />
Auch gastronomische Ansiedlungen<br />
sollen vor allem rund um den Münsterplatz, den zentralen<br />
Veranstaltungsort in der Innenstadt, gefördert<br />
werden.<br />
„Wir wollen zur Neugestaltung des Platzes einen Wettbewerb<br />
auf den Weg bringen und damit eine Zukunftsvision<br />
entwickeln“, sagt Hartmann. Auch geplant: ein<br />
Verkehrskonzept für die Innenstadt, verbunden mit der<br />
Frage, ob die Fußgängerzone nicht auf einen Kernbereich<br />
konzentriert werden könnte. „Die Bereitschaft<br />
seitens der Standortgemeinschaft, in die Innenstadt zu<br />
investieren, ist auf jeden Fall da“, so der Bürgermeister,<br />
der die Entwicklung als sehr positiv einschätzt. „Es gibt<br />
ein ganz großes Interesse an der Entwicklung der Innenstadt,<br />
und ich bin sehr optimistisch, dass Konzepte und<br />
Ideen nicht in der Schublade verschwinden werden –<br />
einfach, weil es das gute Zusammenspiel gibt, das den<br />
Handlungsdruck für Politik und Verwaltung aufrechterhalten<br />
kann.“<br />
50 2 |<strong>2019</strong>
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unternehmen<br />
„Wir sind Northeimer, und<br />
wir möchten bleiben“<br />
Nina Peilert, Geschäftsführerin von Tribodyn, und Bürgermeister Simon Hartmann sprechen über den<br />
Wirtschaftsstandort Northeim sowie die positiven Auswirkungen der Nähe zu Göttingen.<br />
Beide freuen sich auf die S-Bahn, die künftig die zwei Städte verbinden soll.<br />
INTERVIEW SVEN GRÜNEWALD FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
Frau Peilert, Herr Hartmann, was sehen Sie als die Stärken<br />
und Schwächen des Wirtschaftsstandorts Northeim an?<br />
Peilert: Für uns als Agrarunternehmen ist bedeutsam,<br />
dass wir hier einen starken Agrarstandort haben. Dazu<br />
zählt unter anderem die Universität mit der Agrarfakultät<br />
hier und in Witzenhausen, die Nähe zu KWS, die<br />
landwirtschaftlichen Flächen. Schwierig ist der Standort,<br />
wenn man nach Fachkräften – zum Beispiel im Vertrieb<br />
– sucht. Da sitzen die hochkarätigen Leute in den Ballungszentren,<br />
und die gewinnt man in der Regel nicht für<br />
einen kleinen Standort wie Northeim. Der Ort hat viele<br />
Vorteile, aber wir merken auch die Nachteile. Ansonsten<br />
ist die Lage verkehrstechnisch optimal.<br />
Hartmann: Ich sehe die Infrastruktur und die Lage mitten<br />
in Deutschland ebenfalls als den größten Vorteil. Wir<br />
haben beste Anbindungen durch die A7 und die A38,<br />
aber auch die Bahnstrecke hilft uns sehr, da wir inzwischen<br />
ein echter ICE-Halt sind – zweimal morgens und<br />
einmal abends. Bevor ich hier Bürgermeister wurde, bin<br />
ich täglich mit dem IC von Northeim nach Hannover<br />
gependelt. Auch die Nähe zu Göttingen ist ein absoluter<br />
Standortvorteil.<br />
Frau Peilert, ihr Unternehmen Tribodyn wurde erst 2014 gegründet<br />
– gab es Überlegungen, sich auch woanders als in<br />
Northeim anzusiedeln?<br />
Peilert: Wir kommen zwar aus Northeim, hatten aber tatsächlich<br />
zuerst ein Grundstück in der Area 3 in Bovenden<br />
gekauft. Dann hat sich jedoch der frühere Bürgermeister<br />
Hans-Erich Tannhäuser eingeschaltet und mit uns in der<br />
Stadt, in der wir eigentlich keine geeignete Größe gefunden<br />
hatten, eine Rundschau der Möglichkeiten gemacht.<br />
Letztlich wurde ein Teil der Fläche von Privateigentümern<br />
verkauft, die gar nicht inseriert hatten und an die<br />
wir ohne die Vermittlung nicht herangekommen wären.<br />
Dann haben wir das Grundstück in Bovenden wieder<br />
verkauft und hier gebaut, auch wenn hier die Gewerbesteuer<br />
etwas höher ist. Aber wir haben gesagt, wir sind<br />
Northeimer, und wir möchten hierbleiben.<br />
Herr Hartmann, welche Wachstumsmöglichkeiten hat die<br />
Stadt noch?<br />
Hartmann: Grundsätzlich müssen wir die topografischen<br />
Bedingungen mit Leine, Rhume, Seenplatte und<br />
dem Höhenzug Wieter akzeptieren. Aber im Bereich der<br />
Südstadt gibt es noch Gewerbeflächen. Konkret entwickeln<br />
wir derzeit auch das Industriegebiet West neu,<br />
das wird Unternehmen aus Northeim und der Region<br />
weitere Entwicklungsmöglichkeiten verschaffen. Im Bereich<br />
Mittelweg Richtung Einbeck gibt es noch ein Industriegebiet,<br />
für das wir gerade die Umwandlung in<br />
ein Gewerbegebiet prüfen, um auch andere Nutzungen<br />
zu ermöglichen.<br />
52 2 |<strong>2019</strong>
unternehmen<br />
Simon Hartmann<br />
Geboren 1977 in Northeim. Nach<br />
der Ausbildung zum Verwaltungsfachwirt,<br />
einem VWA-Studium zum<br />
Betriebswirt (VWA) und dem B. A. in<br />
Betriebswirtschaftslehre war er<br />
zuletzt von 2016 bis 2018 als Leiter<br />
des Büros des Ministers im Niedersächsischen<br />
Kultusministerium tätig.<br />
Im März 2018 wurde er zum Bürgermeister<br />
Northeims gewählt.<br />
Und wie beurteilen Sie die Wachstumsdynamik vor Ort?<br />
Hartmann: Unser Gradmesser ist die Gewerbesteuer, und<br />
da sind wir auf einem konstanten, guten Level. Die<br />
Unternehmen haben in der Regel Wachstumsbedarfe,<br />
was sich in zusätzlichem Personal sowie in Flächenerweiterungen<br />
bemerkbar macht. Auch deswegen müssen<br />
wir alle das Thema Fachkräfte stärker in den Blick<br />
nehmen.<br />
Wie wirkt sich bei der Fachkräftegewinnung die Nähe zu<br />
Göttingen aus – positiv oder als zusätzliche Konkurrenz?<br />
Peilert: Ich denke, dass sich Göttingen und Northeim<br />
nicht viel nehmen, es ist hier alles sehr ländlich. Die Unterschiede<br />
bestehen viel eher zu den großen Ballungszentren.<br />
Die Anbindung zwischen beiden Städten ist auch zu<br />
nah für Konkurrenz – für jeden, der mal in einer Großstadt<br />
gearbeitet hat, ist 20 Minuten zu pendeln gar<br />
nichts. Es ist vielmehr die gesamte Region Südniedersachsen,<br />
die es uns schwer macht, im hochkarätigen Bereich<br />
Fachkräfte aus Ballungszentren abzuziehen. Wir<br />
suchen beispielsweise seit einem halben Jahr mit Headhunter<br />
hände ringend einen Vertriebsleiter – und wir suchen<br />
immer noch. Im Agrarbereich gibt es hingegen mit<br />
der Fachkräftegewinnung kein Problem.<br />
Hartmann: Northeim wächst und profitiert dabei vom<br />
Gefälle der Immobilienpreise nördlich von Göttingen. Die<br />
Preise sind in Bovenden, Angerstein, Nörten- Hardenberg<br />
stark gestiegen, und man merkt, dass die Leute deswegen<br />
jetzt verstärkt nach Northeim kommen. Daher empfinde<br />
ich Göttingen nicht als Konkurrenz, sondern auf<br />
verschiedenen Ebenen als Impulsgeberin. Die ganzen<br />
Möglichkeiten der Stadt lassen sich auch sehr schnell<br />
mit Bus und Bahn erreichen. Daher wollen wir künftig<br />
auch ganz gezielt Studierende ansprechen, bei uns zu<br />
wohnen, und sie mit unseren Unternehmen zusammenbringen,<br />
um die Fachkräftebindung zu verbessern.<br />
Peilert: Das funktioniert sehr gut. Durch unseren engen<br />
Kontakt zu den Agrarstandorten Göttingen und Witzenhausen<br />
arbeiten wir bereits eng mit Studierenden zusammen,<br />
indem sie bei uns beispielsweise Bachelor- und<br />
Masterarbeiten schreiben und wir es so leichter haben,<br />
Nachwuchs zu rekrutieren.<br />
Stichwort Shuttleverbindung zwischen Göttingen und<br />
Northeim – die Idee gibt es ja schon länger, um die Räume<br />
noch enger zu verbinden.<br />
Hartmann: Tagsüber kann man bereits mehrmals stündlich<br />
nach Göttingen kommen, und am Wochenende gibt<br />
es den Nachtbus, dessen Angebot sehr gut angenommen<br />
wird. Mein Traum, und das verbindet mich mit vielen<br />
Kollegen, ist aber ein S-Bahn-System in Südniedersachsen.<br />
Im Zuge der Expo wurde ein solches System in der<br />
2 |<strong>2019</strong> 53
unternehmen<br />
Nina Peilert<br />
Geboren 1978 in Northeim.<br />
Nach dem Studium zur Sozialmanagerin<br />
hat sie in verschiedenen<br />
Projekten mit Langzeitarbeitslosen<br />
gearbeitet, unter anderem auch als<br />
Leitung. Seit 2014 ist sie im Familienunternehmen<br />
tätig, seit 2017 im<br />
Vorstand der Tribodyn AG.<br />
Region Hannover etabliert, man kommt etwa im Halbstundentakt<br />
bis nach Hameln. Davon profitiert eine ganze<br />
Region, weil die Menschen relativ schnell in das Ballungszentrum<br />
kommen. Das wäre eine Idee für die Zukunft<br />
von Südniedersachsens. Es ist aber ein Langfristprojekt.<br />
Ein erster Schritt ist sicherlich, dass das Land<br />
alte Haltestellen und Strecken wieder reaktiviert.<br />
Peilert: So etwas wäre auf jeden Fall fantastisch. Insbesondere<br />
vor dem Hintergrund des Klimawandels, um<br />
regional die Weichen zu stellen, etwa den Individualverkehr<br />
zurückzufahren. Wir beschäftigen uns im Unternehmen<br />
auch viel mit Klimawandel und Ökologie,<br />
machen uns Gedanken, wie wir künftig unsere Flotte<br />
ausstatten.<br />
In unserer Belegschaft stellen wir fest, dass die Bereitschaft,<br />
Dinge zu verändern, auch im persön lichen Konsum,<br />
zunimmt. Aber die Angebote fehlen bislang. Ich<br />
sehe in so einem S-Bahn-System daher absolute Vorteile<br />
– und irgendwo umdenken müssen wir.<br />
Der Landkreis Northeim hat sich damals aus den<br />
Kreisfusionsverhandlungen herausgezogen. Bedauern Sie,<br />
dass diese Entscheidung getroffen wurde?<br />
Hartmann: Dass der Landkreis sich aus den Verhandlungen<br />
verabschiedet hat, hatte gute Gründe. Es war ein<br />
sehr emotionales Thema, es ging um den Standort der<br />
Feuerwehrleitstelle, um Verwaltungsstandorte. Und dennoch<br />
hat sich die Region nicht auseinanderdividiert. Im<br />
Gegenteil. Wir haben es geschafft, uns auf die Gemeinsamkeiten<br />
in der Region zu verständigen. Ich denke da<br />
beispielsweise auch an das Fachwerkfünfeck. Wenn ich<br />
heute irgendwo in Deutschland unterwegs bin, ist Südniedersachsen<br />
ein Begriff. Das hat sich grundlegend gewandelt.<br />
Peilert: Ich persönlich finde es schade, weil ich denke,<br />
dass eine große Fusion eine ganze Menge mehr Synergien<br />
geschaffen hätte – für alle Beteiligten.<br />
Um den vorherigen Bürgermeister Hans-Erich Tannhäuser<br />
hat es enormen Wirbel gegeben, unter anderem im Zusammenhang<br />
mit einem Ermittlungsverfahren. Hatte das<br />
Folgen für den Wirtschaftsstandort?<br />
Peilert: Aus unserer Perspektive überhaupt nicht. Die<br />
Zusammenarbeit mit den Bürgermeistern war immer<br />
extrem gut, schnell und zielführend. Als beispielsweise<br />
unsere riesigen Silos zu uns unterwegs waren, war die<br />
Abfahrt Northeim West gesperrt, aber die Ausweichstrecke<br />
noch nicht genehmigt. Da wurde von allen Seiten<br />
wahnsinnig schnell reagiert.<br />
Hartmann: Ich glaube, Kommunen, Unternehmen, Verbände<br />
haben ihre erfolgreichsten Zeiten immer dann,<br />
wenn es Kontinuität an der Spitze gibt. Daher kann ich<br />
nur an alle appellieren, dass wir nun über Jahre an einem<br />
Strang ziehen. Dass es in der Sache unterschiedliche<br />
Auffassungen gibt, gehört einfach dazu. Es wäre auch<br />
langweilig, wenn es nicht so wäre. Aber Kontinuität ist<br />
etwas ganz Entscheidendes, was diese Stadt braucht. Mit<br />
Blick auf die allgemeine Dynamik können wir uns auch<br />
in der Lokalpolitik einen Zeitverlust nicht mehr leisten.<br />
Vielen Dank für das Gespräch!<br />
54 2 |<strong>2019</strong>
Best Ager möchten gut abgesichert sein,<br />
um das Leben aktiv zu genießen<br />
„finanzielle Sicherheit und vor allem gesund<br />
bleiben“ – sind das nicht auch Ihre Wünsche?<br />
Mit der steigenden Lebenserwartung steigt leider<br />
auch die Möglichkeit, pflegebedürftig zu werden.<br />
Deshalb ist es besonders wichtig, auch hier über<br />
eine Absicherung nachzudenken.<br />
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kann es zur Pflegebedürftigkeit kommen und<br />
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PROFIL<br />
„Wir haben keine Maschinen,<br />
wir haben Köpfe“<br />
Die Göttinger Architekten Brune+Brune (ab+b) und die Kasseler RSE Planungsgesellschaft mbh<br />
haben sich entschlossen, ihre beiden Büros zu verschmelzen: Seit Januar <strong>2019</strong> sind die drei bisherigen<br />
RSE-Gesellschafter Mitinhaber von ab+b und Gregor Brune ist vierter Gesellschafter bei RSE.<br />
Starke Fusion Stefan Stiegel und Gregor Brune<br />
(Foto unten, l.) arbeiten künftig Hand in Hand.<br />
Keine Übernahme, sondern ein partnerschaftliches<br />
Zusammengehen mit einer<br />
nachhaltigen Integration – so skizzieren<br />
Stefan Stiegel von der Kasseler RSE Planungsgesellschaft<br />
mbh und Gregor Brune von den<br />
Göttinger Architekten Brune+Brune (ab+b) die<br />
mittelfristig geplante Fusion der Standorte.<br />
Die seit fast 50 Jahren am Markt tätige RSE<br />
hat in Kassel rund 65 Beschäftigte, am Standort<br />
Stuttgart sowie in der autarken RSE Fabrik-/<br />
Logistik-Planungsgesellschaft noch je weils weitere<br />
15 Mitarbeiter und ist bundesweit vorrangig<br />
im Bereich Industrie-, Gewerbe- und<br />
Sonderbauten tätig. ab+b, seit fast 40 Jahren<br />
tätig, beschäftigt heute 15 Mitarbeiter, ist stark<br />
regional tätig und hat seine Schwerpunkte im<br />
Wohnungsbau sowie im Bau von Bürogebäuden<br />
und Laboren.<br />
„Wir haben keine Maschinen, wir haben<br />
Köpfe“, sagt Stefan Stiegel und macht damit<br />
deutlich, was für die Fusion trotz Größenunterschied<br />
zählt – das Know-how der Mitarbeiter<br />
und dass die Chemie stimmt. Gregor<br />
Brune und Stefan Stiegel kennen sich bereits<br />
seit 2005, als Gregor Brune bei RSE begann.<br />
Auch nachdem er 2010 RSE verlassen hatte<br />
und in das Göttinger Architekturbüro seines<br />
Vaters eingestiegen war, riss der gute Kontakt<br />
nicht ab, da weiterhin gemeinsame Projekte<br />
realisiert wurden.<br />
Daran knüpfte RSE an, als es darum ging,<br />
die Unternehmensführung von seinerzeit zwei<br />
Geschäftsführern breiter aufzustellen. Vereinbart<br />
wurde ein gleichberechtigtes Zusammengehen<br />
der Gesellschaften: Zum 1. Januar <strong>2019</strong><br />
beteiligten sich die zu diesem Zeitpunkt drei<br />
geschäftsführenden Gesellschafter der RSE,<br />
Thomas Frauenkron, Stefan Stiegel und Lukas<br />
Holzinger, an ab+b, aus der gleichzeitig<br />
Brunes Vater ausstieg – und Gregor Brune<br />
stieg als vierter Gesellschafter bei RSE ein. Im<br />
Laufe der kommenden zwei Jahre sollen die<br />
beiden Büros dann vollständig fusionieren.<br />
Wie soll das gemeinsame Unternehmen nach<br />
der Übergangszeit aussehen?<br />
Gregor Brune: Kassel und Göttingen sind zwei<br />
eigenständige Büros mit eigenen Strukturen,<br />
die wir im Hintergrund bereits intensiv harmonisieren<br />
– einheitliche Software, Serverarchitektur,<br />
Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen.<br />
Am Ende wird der Standort Göttingen bestehen<br />
bleiben, aber wir werden voraussichtlich<br />
mit unserem Namen verschwinden, auch<br />
wenn das noch nicht in Stein gemeißelt ist.<br />
Es könnte genauso gut sein, dass wir in zwei<br />
FOTOS: ALCIRO THEODORO DA SILVA
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ab+b- Labor Friedle Tegernheim<br />
RSE- Zentrallabor B. Braun Melsungen<br />
ab+b-Aqua Institut Göttingen<br />
Jahren alles zunächst so belassen, denn es<br />
hat sich mittlerweile gezeigt, dass die Situation<br />
mit unterschiedlichen Bürogrößen in der<br />
Projektbearbeitung durchaus ihren Reiz hat.<br />
Es ist letztlich ein offener Prozess.<br />
Inwiefern ergänzen sich die zumindest in der<br />
Größe sehr unterschiedlichen Büros?<br />
Stefan Stiegel: Mit den unterschiedlichen<br />
Bürogrößen können wir zudem bei der Projektauswahl<br />
flexibler Teams clustern. Damit<br />
gehen wir auch offensiv um, und die Kunden<br />
finden das spannend, weil sie sehen, dass wir<br />
uns weiterentwickeln. Synergien entstehen dadurch,<br />
dass wir hinsichtlich der Projekt größen<br />
und -arten mit beiden Büros einen sehr großen<br />
Bereich abdecken können – außer namhaften<br />
Industriekunden zum Beispiel aus dem<br />
Auto mobil- oder Pharmabereich können das<br />
öffentliche Bauvorhaben sein sowie Schulsanierungen,<br />
ein Feuerwehrumbau oder eine<br />
Passivhaussiedlung. Das hilft uns, nicht von<br />
einer Branche abhängig zu werden.<br />
Ist die Fusion auch eine Reaktion auf die Veränderung<br />
des Marktes?<br />
Gregor Brune: Wir beobachten im Bereich<br />
der Generalplanung eine zunehmende Anglifizierung<br />
der Planungsprozesse. Dies bedeutet<br />
oftmals eine immer stärkere Trennung der<br />
Projekte in einen reinen Designprozess und<br />
einen Umsetzungsprozess zum Beispiel unter<br />
Führung eines großen Bauunternehmens. Wir<br />
verfolgen diese Entwicklung aufmerksam und<br />
denken, dass wir mit unserer neuen Bürostruktur<br />
für zukünftige Herausforderungen<br />
des sich wandelnden Marktes gut gewappnet<br />
sind. Um Qualität und Gestaltung hochzuhalten,<br />
werden wir bei unseren Kunden immer<br />
dafür werben, die Kontrolle über das Projekt<br />
beim Bauherren und seinem Generalplaner<br />
zu belassen.<br />
Stefan Stiegel: Weitere Veränderungen kommen<br />
aus den Bereichen der Software und Arbeitsorganisation,<br />
dem 3D-Planen. Es gibt das<br />
Bestreben, dass alle an einem Projekt beteiligten<br />
Firmen – Architekten, Statiker, Haustechniker,<br />
Bauunternehmen – ihre Informationen<br />
in nur noch ein gemeinsames Datenmodell<br />
einfügen, mit dem jeder arbeitet. Gleichzeitig<br />
wird der Anbietermarkt in der Planung immer<br />
globalisierter, sodass unser Marktumfeld sich<br />
deutlich verändern wird. Durch die Fusion der<br />
beiden Büros sind wir dafür sehr gut aufgestellt.<br />
INTERVIEW SVEN GRÜNEWALD<br />
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60 2 |<strong>2019</strong>
wissen<br />
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<strong>faktor</strong> ist gemeinsam mit Coach Astrid Böttger zu Gast in<br />
Berlin bei Peter Bostelmann, der bei SAP weltweit für<br />
Achtsamkeit und das Google-Erfolgsprogramm Search<br />
Inside Yourself (SIY) zuständig ist.<br />
Bostelmann erzählt, wie er das Programm aus dem Silicon<br />
Valley gegen Widerstände nach Deutschland brachte,<br />
wie der Tennisspieler Novak Djokovic mit Meditation<br />
kritische Situationen meistert und wie die richtige<br />
Schuhwahl im Dornenfeld hilft.<br />
INTERVIEW MARCO BÖHME & ASTRID BÖTTGER<br />
FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
2 |<strong>2019</strong> 61
wissen<br />
Zur Person<br />
Peter Bostelmann ist seit 20 Jahren bei SAP und lebt seit zehn<br />
Jahren im Silicon Valley. Zum Meditieren kam der Wirtschaftsingenieur<br />
über seine damalige Lebensgefährtin, die meditierte<br />
und Yoga machte. Er selbst belächelte das zu Anfang.<br />
Als er jedoch ein paarmal erlebte, wie sich seine Freundin<br />
verändert hat, nachdem sie tief in die Stille gegangen war, begann<br />
seine Neugier. So fing Bostelmann an, ein bisschen zu<br />
meditieren. In den ersten Jahren zunächst im stillen<br />
Kämmerlein und später dann auch öffentlich. Unter seiner<br />
Leitung werden bei SAP seit 2012 weltweit achtsamkeitsbasierte<br />
Trainings wie das SIY-Programm ausgerollt.<br />
Herr Bostelmann, Sie sind bei SAP weltweit für das Thema<br />
Achtsamkeit verantwortlich. Wie sind Sie zum Meditieren<br />
gekommen?<br />
Meine damalige Freundin hat meditiert, was ich zunächst<br />
belächelt habe. Irgendwann habe auch ich es<br />
ausprobiert und gemerkt: Das hilft ja! 2007 bin ich für<br />
SAP in die USA gegangen. Damals habe ich ein bisschen<br />
meditiert, so 15 bis 20 Minuten am Tag. Dann bin ich<br />
in eine persönliche Krise geschliddert. Ich fühlte mich<br />
orientierungslos. Ich war wie ein Farb-TV auf Schwarz-<br />
Weiß – ohne Ton.<br />
Was haben Sie daraufhin gemacht?<br />
2008 bin ich dann in ein zehntägiges Schweige-Retreat<br />
ins Kloster gegangen. Das war wie bei einer Schneekugel.<br />
Als sich der Schnee gelegt hatte, war mein Geist viel<br />
ruhiger und klarer. Wenn man das einmal erlebt hat,<br />
entwickelt sich ein Gefühl von Ruhe, Klarheit und Freiheit.<br />
Ich empfand das als Riesengeschenk und habe da<br />
weitergemacht. Jedes Jahr gehe ich für zehn Tage zum<br />
Schweigen ins Kloster und meditiere mittlerweile täglich<br />
eine Stunde. Am Anfang war das für mich etwas<br />
sehr Privates, was ich versteckt habe.<br />
Wann hat sich das verändert?<br />
Das war 2010/2011. Ich arbeitete für SAP im Silicon<br />
Valley und hatte von Mindfulness bei Google gehört.<br />
Anfang 2012 habe ich Chade-Meng Tan kennengelernt,<br />
der bei Google das Selbstentwicklungsprogramm<br />
Search Inside Yourself (SIY) entwickelt hat. Im Herbst<br />
2012 wurde das Programm von Google freigegeben<br />
und in das non-profit siyli.org überführt. Im Dezember<br />
darauf habe ich dann am ersten öffentlichen SIY-Programm<br />
in San Francisco teilgenommen und war<br />
begeistert! Dass es bei uns so groß wird, war überhaupt<br />
nicht absehbar. Eigentlich war ich sogar unsicher, ob<br />
SIY bei SAP überhaupt großen Anklang findet oder ob<br />
ich einfach ein Exotenhobby habe, was eigentlich nur<br />
mich und fünf andere begeistert.<br />
Wie ging es dann weiter?<br />
Ich habe mich gefragt, wie ich ein Budget finde und<br />
zeigen kann, dass es auch bei SAP eine Nachfrage für so<br />
ein Programm gibt. Anfangs wollte niemand Geld in die<br />
Hand nehmen. Ich musste also zunächst eine kritische<br />
Masse vernünftiger Leute finden, die sagen, dass sie es<br />
mit anschieben. Dann habe ich im Mai 2013 Meng als<br />
Gastredner für uns in Palo Alto gewinnen können. Das<br />
Interesse war groß, und unsere Veranstaltung war voll.<br />
Und da hatte ich sie: meine kritische Liste von Menschen,<br />
die ich adressieren konnte. ,Guck mal hier, ich<br />
mache so ein Pilotprojekt, würdet ihr kommen? Würdet<br />
ihr das aus eurem Kostenstellenbudget bezahlen?‘<br />
Die Trainings wurden sehr, sehr gut angenommen –<br />
viel besser, als wir das erwartet hatten.<br />
Im Anschluss habe ich dann Feedback eingesammelt,<br />
unter anderem auch von einem deutschen Vice President,<br />
der ebenfalls im Silicon Valley lebt. Und der sagte, dass<br />
er in seinen 30 Jahren als Manager – bei der Deutschen<br />
Bank und später bei SAP – bereits an vielen Trainings<br />
teilgenommen hätte. Dies jedoch sei eines der Programme<br />
gewesen, die ihn echt beeindruckt hätten: „Das<br />
kann lebensverändernd sein.“<br />
Mit diesem Rückenwind haben Sie es dann nach<br />
Deutschland getragen?<br />
Zunächst gab es noch einige skeptische Stimmen: ,Dass<br />
ihr da im Silicon Valley meditiert, verstehen wir. Das<br />
funktioniert hier bei den Mitarbeitern in Deutschland<br />
aber nicht.‘ Doch glücklicherweise hat uns damals der<br />
deutsche Personalchef Dr. Fassnacht unterstützt, der<br />
selbst seit 30 Jahren autogenes Training macht – was ja<br />
62 2 |<strong>2019</strong>
wissen<br />
ebenfalls eine Form einer Achtsamskeitsübung ist. Der<br />
Mann hat eine Präsenz wie ein Fels. Dann haben wir<br />
2014 die ersten drei Pilotprojekte in Deutschland gestartet.<br />
Sie wurden noch besser bewertet als die in den<br />
USA. Für deutsche Verhältnisse extrem hoch.<br />
Wie ging es weiter?<br />
Wir haben relativ früh begonnen, Wartelisten aufzumachen,<br />
weil ich nicht sicher war, wie hoch der Bedarf<br />
tatsächlich ist. Wir wollten erst ein paar handfeste<br />
Zahlen haben, damit die Daten auch vernünftig sind –<br />
bevor ich mich zu weit aus dem Fenster lehne und dann<br />
keiner kommt. Wir haben dann bei allen artverwandten<br />
Trainings gesagt: ,Guckt mal hier rein. Wir pilotieren<br />
dieses neue SIY-Programm aus den USA. Wenn ihr<br />
wissen wollt, wann es losgeht, dann tragt euch hier ein.‘<br />
Die Warteliste wuchs auf 500 Leute. Das hat uns<br />
Rückenwind gegeben. Insgesamt haben wir davon<br />
210 Leute für die drei Piloten eingeladen. Ich wollte die<br />
anziehen, die das wirklich gut finden, ein positives<br />
Momentum schaffen.<br />
Und dann gab es sehr positives Feedback – nach dem<br />
Motto: ,Das ist ja ein tolles Programm, aber warum<br />
kommt das erst jetzt? Und warum so langsam?‘ [lacht]<br />
Ein halbes Jahr später war die Warteliste bereits bei<br />
1.500.<br />
Im Anschluss wurden Sie Director of Mindfulness bei SAP,<br />
was später noch umbenannt wurde in Director of SAP<br />
Global Mindfulness Practice. Was waren für Sie die<br />
Erfolgs<strong>faktor</strong>en, dass es losging?<br />
Die Warteliste war ein ganz elementarer Punkt. Dann,<br />
dass wir das Programm immer als Geschenk angeboten<br />
haben, also so nach dem Motto: ,Wir haben hier was.‘<br />
Zu der Zeit stiegen die Anfragen, und ich stellte mir die<br />
Frage: Wie kann ich das denn in der Breite ausrollen?<br />
Ich kann ja nicht 80.000 SAP-Mitarbeiter alleine<br />
trainieren. Da bin ich relativ lange unterwegs, und es<br />
wird vielleicht auch irgendwann mal langweilig. Somit<br />
habe ich sehr früh darüber nachgedacht, Trainer<br />
aus zubilden. Also haben wir zusammen mit siyli.org<br />
noch im Jahr 2014 ein Teacher Training entwickelt<br />
und in der ersten Welle gleich zehn Trainer bei SAP<br />
aus gebildet.<br />
Wie viele sind es jetzt?<br />
Mittlerweile haben wir 42. Und die nächste Welle<br />
kommt.<br />
»Jedes Jahr gehe ich für zehn Tage zum<br />
Schweigen ins Kloster und meditiere mittlerweile<br />
täglich eine Stunde. Am Anfang war<br />
das für mich etwas sehr Privates, was ich<br />
versteckt habe.«<br />
Wie viele Menschen haben das Programm mittlerweile<br />
durchlaufen?<br />
9.000 haben das Programm absolviert, und 8.000<br />
stehen derzeit auf der Warteliste.<br />
Sind das alles noch die eigenen Mitarbeiter, oder sind da<br />
auch schon die Kunden mit dabei?<br />
Unsere Kunden fragen uns, ob wir ihnen helfen können:<br />
Siemens, Procter & Gamble, die Deutsche Post, DHL<br />
und die Deutsche Telekom. Und das hat dann wiederum<br />
2 |<strong>2019</strong> 63
wissen<br />
wenn ein externer Trainer reinkommt, der sagt: ,Ich<br />
weiß, es ist hart in einem großen Unternehmen. Ich<br />
habe hier was, damit es nicht ganz so hart ist.‘<br />
Das ist eine Botschaft, die wir vermeiden wollen. Wir<br />
möchten Menschen anziehen, die ihren Job mögen und<br />
in praktischen Beispielen erklären können, wie diese<br />
Trainings sie noch besser machen.<br />
Astrid Böttger ist Trainerin und Coach in Göttingen und wurde vom Search<br />
Inside Yourself Leadership Institut (SIYLI) in San Francisco als SIY-Teacher<br />
zertifiziert. Über SIY kennt sie Peter Bostelmann und hat für das Gespräch<br />
den Kontakt hergestellt.<br />
Astrid Böttger: Ich habe eben bis zum Schluss immer noch<br />
Zweifel bei dir gehört. Deinen Zweifel, ob das wirklich gebraucht<br />
wird. Hast du mal einen Punkt erlebt, an dem du<br />
gemerkt hast, dass es wirklich läuft?<br />
Das ist eine spannende Frage. Und ich könnte das mit<br />
einer Gegenfrage beantworten. Wann weiß man, dass<br />
man es geschafft hat? Du kannst die Latte immer noch<br />
eins höher stecken. Am Anfang war ich noch unsicher<br />
in meinem Tun. Ergibt das Sinn? Glaube ich da selber<br />
so sehr daran, dass ich mich damit auch so exponiere?<br />
Ich habe mich damit ja sehr öffentlich gemacht. Das<br />
war sehr persönlich. Irgendwann habe ich dann gesagt:<br />
Ich kann darüber reden.<br />
bei uns geholfen, Resonanz auszulösen. Wir haben ein<br />
Thema besetzt, das ernst zu nehmen ist. Schon in den<br />
ersten Jahren haben wir in den Medien großes Interesse<br />
geweckt.<br />
Bildlich gesprochen habe ich in unserer Überzeugungsarbeit<br />
immer darauf geachtet, nicht geschlossene Türen<br />
aufzubrechen. Ich habe mir die Frage gestellt: Wo ist<br />
eine Tür vielleicht schon offen?<br />
Was hat die Türen weiter geöffnet?<br />
Wir haben weiter Trainer ausgebildet. Wir hatten drei<br />
Mal so viele Bewerber wie angebotene Plätze. Und wir<br />
schauen mit wirklich großer Sorgfalt, wer sich bewirbt.<br />
Wie ist der persönliche Reifegrad? Was ist der Motivator?<br />
Warum will die Person das machen? Wir versuchen,<br />
die Menschen anzuziehen und ins Team zu holen, für die<br />
Achtsamkeit selbst ein Riesenthema ist. Die sagen: ,Das<br />
hat bei mir echt was verändert, und ich würde das gern<br />
weitergeben.‘ Wir wollen nicht diejenigen, die aus der<br />
Intention kommen: ,Ich mag meinen Job nicht und dort<br />
sind lauter nette Leute. Da geht es mir vielleicht besser.‘<br />
Wir wollen Menschen, die geben, nicht nehmen.<br />
Sind die Lehrer für das Programm abgestellt?<br />
Nein, die meisten unserer Lehrer sind keine Hauptberuflichen,<br />
sondern machen das – bis auf drei in meinem<br />
Kernteam – neben ihrem Hauptjob. Das ist ein<br />
wichtiger Punkt. Weil es einfach ein Unterschied ist, ob<br />
da jemand vorne steht und beispielsweise sagt: ,Ich bin<br />
im Controlling, und ich habe Achtsamkeit für mich<br />
entdeckt. Und es hilft mir, mit mehr Gelassenheit und<br />
Freude erfolgreich zu sein.‘ Das ist was anderes, als<br />
Astrid Böttger: Das ist auch super mutig.<br />
Das fand ich damals auch. Und dann habe ich mir<br />
gesagt, ich biete ein Geschenk an. Wenn das jemand<br />
nicht gut findet, ist es sein Thema, nicht meins.<br />
Hat Ihnen diese Haltung geholfen, durchzuhalten und nicht<br />
aufzugeben?<br />
Ein wichtiger Punkt auf dieser Reise war, dass ich<br />
wusste, dass ich wirklich daran glaube. Für mich<br />
persönlich ist Meditation ein unglaubliches Geschenk,<br />
dass ich gerade in diesen langen Retreats eine innere<br />
Ruhe erfahre und eine Verbindung, die ich so nicht<br />
kannte und nirgendwo anders erlebe. Und auch eine<br />
Klarheit, mich in meinen inneren Mustern besser zu<br />
erkennen.<br />
Und das hilft auch SAP?<br />
Achtsamkeit ist heute Teil der DNA der SAP. Das<br />
Unternehmen wäre mit Sicherheit nicht besser ohne<br />
uns. Wir helfen vielen Menschen, weil sie lernen, wie<br />
man innere Ruhe, Klarheit und Frieden herstellen kann.<br />
Und darüber kann mehr äußerer Frieden herrschen.<br />
Darüber entsteht eine stärkere innere Verbindung, ein<br />
stärkeres Wir-hängen-alle-zusammen-Gefühl. Das heißt,<br />
ich sehe die Welt nicht mehr als Ressource, die ich endlos<br />
ausschöpfen kann. Ich sehe Menschen nicht mehr<br />
als Ressourcen. Wenn ich hingegen mich und das Leben<br />
als Ressource sehe, dann nutze ich alles aus und schaue<br />
beim Optimieren, wo ich noch was rausquetschen kann.<br />
Gibt es auch betriebswirtschaftliche Effekte?<br />
Die Datenerhebung zeigt uns, dass SIY eines der erfolgreichsten<br />
Programme bei SAP ist. Und dass wir auf<br />
breiter Fläche sehen, dass wir das Mitarbeiterengagement<br />
steigern. Das ist zwar prozentual letztlich ein eher<br />
64 2 |<strong>2019</strong>
Individuelle<br />
Gebäudetechnik.<br />
Unsere Leistungen –<br />
so individuell, wie die Ansprüche<br />
unserer Kunden.<br />
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unseren gewerblichen, öffentlichen und<br />
privaten Kunden das gesamte Spektrum der<br />
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M.A.), Angewandte Psychologie für die Wirtschaft (M.A.)<br />
Unternehmensrecht (LL.M.), Arbeitsrecht und Personalmanagement<br />
(LL.M.)<br />
Wirtschaftsingenieur (B.Eng.)
wissen<br />
kleiner Wert, aber wir wissen, dass über die gesamte Belegschaft<br />
von SAP ein Prozent Employee Engagement<br />
60 bis 80 Millionen Dollar Umsatz wert ist.<br />
Eine genaue Datenanalyse von 4.800 Teilnehmern<br />
zeigt, dass wir – sehr konservativ betrachtet – mehr als<br />
200 Prozent ROI machen. Wir tragen deutlich mehr<br />
zum finanziellen Unternehmenserfolg bei, als wir selber<br />
kosten. Das ist schon phänomenal.<br />
Was bringt das Programm konkret für die Teilnehmer?<br />
Die Menschen, die das Programm durchlaufen, werden<br />
in ihrer mentalen Klarheit stärker. Sie können Beziehungen<br />
besser gestalten. Sie empfinden subjektiv weniger<br />
Stress und erleben mehr Freude und Wohlbefinden. Diese<br />
Menschen fragen sich erst einmal, was sie sinnhaft finden<br />
und können sich dann noch mehr darauf ausrichten.<br />
Ich lerne, weniger reaktiv zu sein. Achtsamkeit ist<br />
Nichtreaktivität. Es gibt ein Zitat von Viktor Frankl,<br />
was das einfach sehr schön zusammenfasst. ,Zwischen<br />
Reiz und Reaktion liegt ein Raum.‘ Und in diesem<br />
Raum gibt es Freiheit und Wachstumsmöglichkeiten für<br />
uns. Wenn Reaktion direkt auf Reiz folgt, dann ist das<br />
ein Automatismus. Wenn ich aber lerne, das aufzuweiten,<br />
komme ich in eine Reaktionsflexibiliät. Und ich<br />
merke: Da ist eine Reaktion, aber ich habe genug<br />
Raum. Es geht nicht darum, dass man bei Achtsamkeit<br />
alles wegmeditiert und jetzt nur noch total high ist,<br />
sondern darum, dass man mit allem, was ist, in Kontakt<br />
steht. Man kann auch wahrnehmen: Ich empfinde gerade<br />
starken Ärger. Es gibt so populäre Mythen, dass<br />
Achtsamkeit bedeutet: ,Ich werde nicht mehr ärgerlich.’<br />
Good luck with that. Es geht vielmehr darum, dass ich<br />
wahrnehme, dass ich gerade ärgerlich werde – ich nehme<br />
es früher wahr.<br />
Astrid Böttger: Bewusster?<br />
Ja, sich selbst kennenzulernen. Wo passiert es bei mir?<br />
Bauch, Brust, Hals, Arme, Gesicht. Atmung ist eigentlich<br />
das Stärkste, weil die Atmung bei jedem flacher<br />
wird. Und dann zu sehen: Oh, der Ärger steigt auf, und<br />
zu wissen, das macht was mit mir. In der Evolution war<br />
es von Vorteil, neurotisch und hyperreaktiv zu sein.<br />
Heute ist es beim Umgang mit Kollegen und Kunden<br />
eher hinderlich. [lacht]<br />
Und das funktioniert?<br />
Novak Djokovic ist hier ein sehr schönes Beispiel. Einer<br />
der besten Tennisspieler der Welt, der auch sehr, sehr<br />
offen ist und in vielen Interviews darüber spricht, dass<br />
er meditiert. Und Tennis ist ja ein mentales Spiel. Ich<br />
versuche, den Gegner in seine rote Zone zu bringen, ihn<br />
also so unter Druck zu setzen, dass er anfängt, reaktiv<br />
zu werden – dass die Amygdala anfängt zu steuern, sodass<br />
er überreagiert. Und Djokovic nimmt das halt<br />
durch seine lange Praxis relativ früh wahr – seine<br />
Selbstwahrnehmung ist gesteigert. ,Oh, ich fange an,<br />
griffig zu werden.“ Und was er dann macht, ist, sich<br />
durch seine Atemtechnik wieder zu beruhigen und sich<br />
sehr schnell wieder zu erden. Und dann wieder mit einem<br />
ruhigen, kühlen Kopf sein Spiel zu machen. Man<br />
kennt das, wenn man ihn beobachtet – dass er bei den<br />
Aufschlägen den Ball immer mehrmals auftippt.<br />
Wir wissen, dass wir unter Druck keine guten Entscheidungen<br />
fällen. Wie schaffe ich es, wahrzunehmen,<br />
wo Druck ist, und ihn zu regulieren? Oder auch wahrzunehmen:<br />
Jetzt ist gerade Druck, lass uns eine Pause<br />
machen und nicht im Autopiloten weitermarschieren.<br />
Astrid Böttger: Es geht im Grunde um innere Entwicklung?<br />
Ja, wir alle versuchen permanent, die Welt im Außen zu<br />
optimieren, damit wir uns gut fühlen. Das ist so, als ob<br />
ich über ein Feld mit vielen Dornen gehe und sage: Das<br />
ist mir zu dornig hier, ich lege mal das ganze Feld mit<br />
Leder aus. Ich möchte das Feld ändern, damit es gut für<br />
mich ist. Es wäre vielleicht einfacher, meine Haltung<br />
zum Feld zu ändern, sprich, mir einfach Schuhe anzuziehen,<br />
die Ledersohlen haben. Dann kann ich über das<br />
Feld gehen. Es ist viel schwerer, die Welt so zu drehen,<br />
dass ich sie aushalte, und viel einfacher, meine Reaktion<br />
auf sie wahrzunehmen und gegebenenfalls zu ändern.<br />
Achtsamkeit ist die Selbstregulierung der Aufmerksamkeit<br />
– mit einer Haltung der Offenheit, der Neugierde<br />
und des Wohlwollens.<br />
Vielen Dank für das Gespräch!<br />
ENTSPANNT ERFOLGREICH MIT SIY<br />
Im Rahmen der <strong>faktor</strong>Akademie wird Astrid Böttger am<br />
22. August <strong>2019</strong> einen Vortrag zum Erfolgsprogramm<br />
Search Inside Yourself (SIY) halten, das bei Google gestartet<br />
wurde.<br />
Wann? 18 bis 21 Uhr.<br />
Wo? In der Privaten Hochschule Göttingen (PFH)<br />
Astrid Böttger ist Trainerin und Coach in Göttingen und<br />
wurde vom Search Inside Yourself Leadership Institut<br />
(SIYLI) in San Francisco als ‚Search Inside Yourself<br />
certified teacher‘ zertifiziert.<br />
Weitere Infos zu den Themen Achtsamkeit, Meditation &<br />
SIY gibt es hier: www.<strong>faktor</strong>events.de<br />
66 2 |<strong>2019</strong>
PROFIL<br />
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Neubau auf dem Leineberg<br />
FOTO: MEHLE-HUNDERTMARK FOTOGRAFIE<br />
Holtenser Berg: Die ersten Pflanzen blühen bereits auf den neuen Balkonen.<br />
FOTO: P.O.S. KRESIN DESIGN<br />
Neubau, Modernisierung und viele Balkone<br />
Volksheimstätte eG: günstiges Wohnen in einem angenehmen und modernen Umfeld<br />
Das Mieterfest am 28. Juni steht für einen<br />
großen Erfolg der Göttinger Volksheimstätte<br />
eG: Nach der erfolg reichen<br />
Sanierung der Häuser Weser straße 15, 17, 19<br />
können sich nun auch die Bewohner der Hausnummer<br />
43 über die Fertigstellung des Neubaus<br />
und ihren Einzug freuen. 14 neue Mietparteien<br />
genießen nun modernes Wohnen auf<br />
dem Leineberg. „Wir freuen uns, dass wir die<br />
Schlüssel für diese hoch wertigen und dennoch<br />
kostengünstigen Wohnungen in einem sehr<br />
lebenswerten Stadt viertel an glückliche Mieter<br />
übergeben konnten“, sagt Heike Klankwarth,<br />
Vorstandsvorsitzende der Volksheimstätte eG.<br />
Auch Vorstandskollege Thorsten May zeigt<br />
sich zufrieden, dass alles gemäß der Planungen<br />
verlief und der Entwurf der bmp-Architekten<br />
entsprechend dem Kosten- und Zeitbudget<br />
umgesetzt wurde.<br />
EIN WEITERES MAMMUTPROJEKT leiten<br />
die beiden Vorstände mit ihrem Team zurzeit<br />
auf dem Holtenser Berg. In vier Bauabschnitten<br />
erhalten 320 Wohneinheiten innerhalb von vier<br />
Jahren insgesamt 301 neue, mit der bestehenden<br />
Architektur harmonierende Balkone und<br />
16 Terrassen. „Nach einem etwas holprigen<br />
Start sind die Bauteams jetzt gut koordiniert<br />
und kommen zügig voran“, sagt Thorsten May<br />
und bringt damit die kleinen Anfangsschwierigkeiten<br />
auf den Punkt. Die überraschen allerdings<br />
kaum, denn die Balkone müssen von den<br />
Wänden abgetrennt und die neuen Balkone<br />
eingepasst werden – und das bei Häusern mit<br />
bis zu neun Stockwerken. 3,2 Millionen Euro<br />
sind für diese aufwertenden, bis 2020 dauernden<br />
Maßnahmen veranschlagt.<br />
IN KLEINERER KATEGORIE bewegt sich die<br />
Modernisierungsmaßnahme an einem Bestandsobjekt<br />
in der Lenglerner Straße 68 im<br />
Ortsteil Holtensen. Auch dieses 1963 erbaute<br />
Haus mit sieben Wohnungen wird umfassend<br />
saniert und modernisiert. Den heutigen Ansprüchen<br />
angepasst werden das Dach und<br />
die Garage erneuert und mehrere Stellplätze<br />
gebaut. Auch den Wunsch nach einer größeren<br />
Wohnung konnte die Wohnungsbaugenossenschaft<br />
einer Familie, die im Dachgeschoss<br />
wohnt, erfüllen. Die Familie erwartet Nachwuchs,<br />
und ein Umzug war bereits in Planung,<br />
doch im Zuge der Sanierungsmaßnahmen<br />
konnte die Volksheimstätte den zweiten Teil<br />
des Dachgeschosses ausbauen. „Die Freude<br />
unserer Mieter war natürlich riesig“, erzählt<br />
Heike Klankwarth und erinnert sich an den<br />
Moment, als sie die Nachricht zum Dachgeschossausbau<br />
überbringen konnte.<br />
Für die beiden Vorstände folgen alle diese<br />
erfolgreichen Projekte dem Ziel der Volksheimstätte,<br />
in Göttingen preiswerten und zugleich<br />
modernen Wohnraum in lebenswerten und grünen<br />
sowie innenstadtnahen Mietanlagen zur<br />
Verfügung zu stellen. Mit einer durchschnittlichen<br />
Unternehmensmiete von 5,53 Euro pro<br />
Quadratmeter sorgt man damit für etwas Ent -<br />
lastung auf dem angespannten Wohnungsmarkt.<br />
TEXT STEFAN LIEBIG<br />
KONTAKT<br />
Volksheimstätte eG<br />
Wohnungsbaugenossenschaft<br />
Godehardstraße 26<br />
37081 Göttingen<br />
Tel. 0551 50674-14<br />
vh@volksheimstaette.de<br />
www.volksheimstaette.de
wissen<br />
68 2 |<strong>2019</strong>
wissen<br />
Working Out Loud<br />
Daniella Cunha Teichert hat eine neue Form des Netzwerkens entdeckt, die sie<br />
leidenschaftlich teilt: Working Out Loud. Diese weltweit angesagte Methode für produktives<br />
Netzwerken möchte die Wahl-Duderstädterin jetzt auch in ihrer Heimat etablieren.<br />
TEXT CAROLIN SCHÄUFELE FOTO ALCIRO THEODORO DA SILVA ILLUSTRATIONEN STOCK.ADOBE.COM<br />
Die Begeisterung ist groß. Seit Daniella<br />
Cunha Teichert vor drei Jahren<br />
während des Mittagessens mit<br />
einer Kollegin von der Arbeitsund<br />
Netzkwerkmethode ,Working<br />
Out Loud‘, kurz WOL, gehört hat,<br />
ist sie fasziniert. Die Elektroingenieurin<br />
arbeitet bei Bosch in Hildesheim. Sie liebt ihre<br />
Arbeit als Projektleiterin bei Car Multimedia, ihr Arbeitsfeld<br />
,Car-to-X-Kommunikation‘.<br />
Als typisch introvertierte Ingenieurin fand Cunha<br />
Teichert Vernetzungen außerhalb ihres Tätigkeitsbereichs<br />
immer schwer. Doch mit der neuen Methode und dem<br />
entsprechenden Mindset änderte sich dies von einem<br />
Tag auf den anderen grundlegend. Heute ist der Austausch<br />
mit Kollegen ein wichtiger Part geworden, der ihr<br />
ein zielgerichtetes und vernetztes Arbeiten an einem<br />
Thema ermöglicht. Was die gebürtige Brasilianerin daran<br />
besonders schätzt, ist die gegenseitige Unterstützung<br />
durch die schnell vertraut werdenden Kollegen und die<br />
damit verbundene freigesetzte kreative Kraft. Heute ist<br />
sie zertifizierte WOL-Mentorin, die den WOL-Circles<br />
bei Bosch weltweit für Fragen bei der operativen Umsetzung<br />
beratend zur Seite steht. Zusammen mit weiteren<br />
Mentoren und Ambassadoren unterstützt sie neben ihrer<br />
Tätigkeit als Projektleiterin das zentrale WOL-Co-<br />
Creation-Team, um die Methode an weiteren Standorten<br />
zu verbreiten.<br />
WORKING OUT LOUD – was klingt wie eine trendige<br />
Abkürzung aus dem Internet, ist vielmehr eine innere<br />
Haltung und Arbeitsweise. Die dazugehörende WOL-<br />
Circle-Methode befähigt Mitarbeiter, virtuell und transparent<br />
in Netzwerken zusammenzuarbeiten, von anderen<br />
zu lernen sowie das eigene Wissen zu teilen, um<br />
schnellere und bessere Antworten auf Fragen zu finden,<br />
die allein nicht mehr lösbar sind.<br />
„Viele Mitarbeiter behalten ihr Wissen für sich, sie teilen<br />
es nicht rechtzeitig mit anderen Stakeholdern und generieren<br />
dadurch teilweise doppelte Arbeit und damit auch<br />
einen Verlust an Produktivität“, erklärt Cunha Teichert.<br />
WOL bricht dieses Silodenken auf, macht die Arbeit des<br />
Einzelnen sichtbar und verständlich, Abteilungen arbeiten<br />
plötzlich viel enger und intensiver zusammen.<br />
2 |<strong>2019</strong> 69
wissen<br />
Die 5 Prinzipien von Working Out Loud<br />
BEZIEHUNGEN PFLEGEN<br />
Wir lernen im Austausch mit anderen.<br />
DIE EIGENE ARBEIT SICHTBAR MACHEN<br />
Wer sein Wissen teilt,<br />
erhöht seine Wirkung und Reichweite.<br />
MITEINANDER WACHSEN<br />
Offenheit, Neugier und die Bereitschaft, die<br />
Komfortzone zu verlassen, sind unverzichtbar.<br />
DER BEGRIFF WORKING OUT LOUD wurde zum ersten<br />
Mal 2010 in einem Blogbeitrag von Bryce Williams, einem<br />
US-amerikanischen IT-Berater, genutzt: „When will<br />
we start to Work Out Loud? Soon!“ Es dauerte weitere<br />
fünf Jahre, bis John Stepper, ein studierter Informatiker,<br />
der bis 2016 bei der Deutschen Bank in New York arbeitete,<br />
die Idee so weit entwickelt hatte, um daraus eine<br />
Methode abzuleiten und ein Buch zu veröffent lichen:<br />
,Working Out Loud: For a better career and life.‘<br />
Als eines der ersten Großunternehmen weltweit nutzt<br />
Bosch seit 2015 das WOL-Programm, um Mitarbeiter<br />
zu vernetzen und ihre Fähigkeiten zur digitalen Zusammenarbeit<br />
weiterzuentwickeln. Damit will Bosch seine<br />
Innovationskraft im digitalen Wandel stärken und ist<br />
bereits mit knapp 600 Circles in 52 Ländern und mehr<br />
als 4.500 Mitarbeitern dabei – seit 2016 auch der Standort<br />
in Hildesheim.<br />
Über zwölf Wochen lernen die Teilnehmer die<br />
WOL-Prinzipien, die Arbeitsmethoden und Tools kennen<br />
und können so WOL nicht nur erlernen, sondern<br />
verinnerlichen. Die Interessierten schließen sich zu sogenannten<br />
Circles von drei bis fünf Personen zusammen.<br />
Jeder Teilnehmer sucht sich ein intrinsisch motiviertes<br />
persönliches Ziel, das er anhand der WOL-Methode<br />
innerhalb der zwölf Wochen gemeinsam mit seinem<br />
Circle erreichen möchte. Ob es sich um ein berufliches<br />
Problem handelt, um ein unerreichtes Arbeitsziel, die<br />
Gründung eines Start-ups oder die Lösung für ein Entwicklungsproblem<br />
– „bei dieser Lösungsmethode sind<br />
keine Grenzen gesetzt“, erklärt Cunha Teichert.<br />
Der Circle trifft sich jede Woche mindestens einmal und<br />
tauscht sich aus. Jede Woche hat einen eigenen Fokus. Am<br />
Ende steht nicht nur die Zielerreichung, sondern auch die<br />
Herangehensweise an die täglichen Aufgaben hin zu funktionsübergreifendem<br />
Denken, mehr Kooperation und Wertschätzung,<br />
effektivem Netzwerken, besseren Arbeitsergebnissen<br />
und im Ganzen zu mehr Arbeitsfreude und Sinn.<br />
„Wichtig ist, sich hier mit Vertrauen und Respekt zu<br />
begegnen, eine Teilnahme muss absolut freiwillig erfolgen“,<br />
erklärt Cunha Teichert. WOL zwinge jeden Teilnehmer<br />
dazu, die eigene Komfortzone zu verlassen und<br />
sich mit etwas Neuem auseinanderzusetzen. „Eine wichtige<br />
Überlebensstrategie für jeden von uns und für jedes<br />
Unternehmen im Rahmen der digitalen Transformation“,<br />
so die gebürtige Brasilianerin.<br />
Ihre Aufgabe als Projektleiterin verlangt es, dass der<br />
Wissenstransfer zwischen den jeweiligen Standorten und<br />
den Projektmitgliedern gelingt. WOL hilft ihr dabei. Aus<br />
ihrem ersten Circle entstand beispielsweise eine globale<br />
Entwicklungs-Community auf der konzerninternen Collaboration-Plattform,<br />
in der Projektwissen trans parent<br />
gemacht und geteilt wird.<br />
„Die Methode hat von unserer Konzernzentrale in<br />
Stuttgart unseren Geschäftsbereich in Hildesheim erreicht<br />
und verbreitet sich bei uns organisch, von Mitarbeiter<br />
zu Mitarbeiter.“ Der Funke ist jetzt auch auf die<br />
Geschäftsleitung übergesprungen, die sich über das<br />
,WOL4Leaders Reverse Mentoring Programm‘ Digital-<br />
Leadership-Fähigkeiten aneignet und die Verbreitung<br />
der Methode weiter unterstützt.<br />
70 2 |<strong>2019</strong>
wissen<br />
GROSSZÜGIG TEILEN<br />
Freigiebigkeit ist die Basis solider<br />
persönlicher Vernetzung.<br />
SICH ZIELGERICHTET WEITERENTWICKELN<br />
Wer weiterkommen will, braucht einen<br />
persönlichen Fokus.<br />
IM RAHMEN IHRER AUSBILDUNG zur WOL-Mentorin,<br />
unter anderem auch bei Stepper selbst, und ihrer<br />
aktiven Teilnahme an mehreren Circles innerhalb und<br />
außerhalb von Bosch hat sich Cunha Teichert ein Netzwerk<br />
aufgebaut, das weit über das Unternehmen und<br />
Hildesheim hinausgeht. „Ich bin mit Menschen auf der<br />
ganzen Welt vernetzt.“ Bei bestimmten Fragestellungen<br />
zu ihren Fokusthemen könne sie auf dieses Netzwerk<br />
zurückgreifen. „Ich habe ein Problem, und wenn ich<br />
überlege, wie ich es lösen kann, fallen mir mittlerweile<br />
viele tolle Menschen ein, die ich in den vergangenen<br />
Jahren durch WOL kennengelernt habe. Die kann ich<br />
kontaktieren, mich mit ihnen austauschen und mir<br />
frühzeitig Feedback holen – und komme schneller zu<br />
besseren Lösungen.“<br />
Seit einiger Zeit baut Cunha Teichert, die seit 2000 in<br />
Deutschland lebt und ihre Wahlheimat in Duderstadt gefunden<br />
hat, auch in Göttingen und Umgebung eine<br />
WOL-Community auf. „Ich möchte die Methode in der<br />
Region bekannter machen und auch hier ein Netzwerk<br />
installieren, über Unternehmensgrenzen hinweg“, sagt<br />
die 46-Jährige. Ihr Vorbild für Südniedersachsen: die<br />
WOL-Community in Hannover, mit der sie in intensivem<br />
Austausch steht. Hier tauschen sich Konzerne und<br />
Unternehmen wie Bosch, Continental, Deutsche Messe,<br />
Sennheiser oder Nord LB intensiv aus, um andere Perspektiven<br />
und Erfahrungen zu gewinnen, zum Beispiel<br />
hinsichtlich ihrer gemeinsamen Herausforderung, die<br />
digitale Transformation zu meistern. Nun möchte Cunha<br />
Teichert also auch die Zusammenarbeit in der Region<br />
WOL in Südniedersachsen<br />
Die Arbeitsmethode Working Out Loud, kurz WOL, ist<br />
momentan in aller Munde. WOL ist geeignet, offener,<br />
selbstorganisierter und vernetzter zu arbeiten und zu<br />
leben. Praktisch umgesetzt wird die Methode in sogenannten<br />
WorkingOutLoudCircles mit drei bis fünf<br />
Teilnehmern. Diese treffen sich über zwölf Wochen<br />
jede Woche mindestens ein Mal und bearbeiten die<br />
von ihnen gesetzten Ziele. Das können betriebliche,<br />
aber auch private Ziele sein. Durch die Anwendung<br />
von WOL in Unternehmen werden die Arbeiten ein zelner<br />
Mitarbeiter und Abteilungen sichtbarer, es findet<br />
ein Austausch statt, der die Produktivität sowie die<br />
Innovation steigern kann.<br />
Seit Februar dieses Jahres etabliert sich auch in<br />
Göttingen ein WOLCircle. Interessierte finden die<br />
regionalen WOLVeranstaltungen unter:<br />
www.meetup.com<br />
2 |<strong>2019</strong> 71
wissen<br />
Frau mit Ambitionen Daniella Cunha Teichert möchte Working Out Loud auch in Südniedersachsen verbreiten, um so gemeinschaftlich<br />
leichter Ziele zu erreichen.<br />
verbessern und die digitalen Kompetenzen stärken. Dazu<br />
gründete sie im Februar <strong>2019</strong> das monatliche WOL-<br />
Meetup Göttingen. „Unser erstes Event fand bereits Ende<br />
Mai – zusammen mit der New Work Eichsfeld Meet up –<br />
in der Sparkasse Duder stadt statt, und ab Juni treffen<br />
wir uns dann immer am vierten Donnerstag im Monat<br />
beim StartRaum CoWorkingSpace in Göttingen“, erklärt<br />
die Initiatorin.<br />
Auf der Tagesordnung stehen dann Impulsvorträge,<br />
die sich mit Working Out Loud im Allgemeinen auseinandersetzen<br />
und Einblicke in die Arbeitsbereiche verschiedener<br />
Betriebe geben, die sich bereits mit WOL beschäftigen<br />
oder überlegen, die Methode im Betrieb einzuführen.<br />
Dann werden in kleinen Gruppen die Themen<br />
der einzelnen Mitglieder besprochen und diskutiert. Immer<br />
im Fokus: vernetzen, gemeinsam lernen und digitale<br />
Kompetenzen stärken – für Cunha Teichert ohnehin ein<br />
fortwährender Prozess.<br />
Zur Person<br />
Daniella Cunha Teichert lebt seit 2000 in Deutschland.<br />
In ihrer Heimat Brasilien hat sie zunächst Elektrotechnik<br />
studiert, bevor sie nach Magdeburg zog, um hier ein Aufbaustudium<br />
zum Thema Integrierte Management Systeme<br />
zu absolvieren. Nach dem Abschluss arbeitete sie<br />
zuerst bei Conti, um dann 2003 erst zu Blaupunkt und anschließend<br />
zu Bosch in Hildesheim zu wechseln. Heute<br />
arbeitet sie als Projektleiterin bei der Robert Bosch Car<br />
Multimedia GmbH. Seit 2012 lebt Cunha Teichert mit<br />
ihrem Mann, ihrer elfjährigen Tochter und ihrem sechs<br />
Jahre alten Sohn in Duderstadt.<br />
Neben ihrem starken Engagement für die Arbeitsmethode<br />
WOL bei Bosch selbst hat sie einen WOLCircle gegründet,<br />
der die Arbeitsmethode und das Mindset auch in<br />
Südniedersachsen bekannt macht.<br />
72 2 |<strong>2019</strong>
Bild: © grandfailure – stock.adobe.com<br />
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als normaler Bürostuhl mit 3D-Beweglichkeit<br />
nutzen, aber eben auch auf bis zu 62 cm Sitzhöhe<br />
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verwandelt sich der Bürostuhl in der aufrechten<br />
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wissen<br />
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Nachmachen<br />
Franchise ist angesagt, auch bei Gebern und Nehmern in Südniedersachsen.<br />
Für das Mutterhaus bedeutet dieses Konzept ein schnelles Wachstum mit hoch motivierten<br />
Selbstständigen – diese profitieren von einer großen Sicherheit und erprobten Rezepten.<br />
<strong>faktor</strong> fragt regionale Akteure auf beiden Seiten nach ihren Erfahrungen.<br />
TEXT SVEN GRÜNEWALD FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA ILLUSTRATIONEN STOCK.ADOBE.COM<br />
74 2 |<strong>2019</strong>
wissen<br />
In Deutschland sind derzeit rund 1.000 Unternehmen<br />
in Form eines Franchise systems organisiert<br />
– die Zahl ist konstant, allerdings nehmen nach<br />
Auskunft des Deutschen Franchiseverbands die<br />
Zahl der Franchisenehmer und auch deren Umsätze<br />
zu. Entsprechend gibt es auch Konzepte,<br />
die aus unserer Heimat stammen und ihren Weg über die<br />
Stadtgrenze hinaus gemacht haben. Das Aushängeschild<br />
der lokalen Franchisegeber war lange Zeit Contigo, bis<br />
sich das Fair-Trade-Unternehmen jedoch aus verschiedenen<br />
Gründen vom Franchise abgewandt hat und heute<br />
auf Filialen setzt – aber dazu später mehr.<br />
Filialen oder Franchises – was steckt hinter den verschiedenen<br />
Unternehmenskonzepten? Von außen ist der<br />
Unterschied kaum zu erkennen, denn beide arbeiten mit<br />
einer einheitlichen Coporate Identity. Der Unterschied<br />
wird erst hinter den Kulissen sichtbar: Filialen gehören<br />
zum Mutterunternehmen, die Mitarbeiter und Geschäftsführer<br />
sind dort als Angestellte tätig. Das Franchise<br />
hingegen stellt eine Form der Selbstständigkeit dar,<br />
der Franchisenehmer ist auf eigenes Risiko tätig, operiert<br />
aber unter teils engen, teils lockeren Vorgaben des<br />
Mutterunternehmens, das wiederum eine Umsatzbeteiligung<br />
erhält.<br />
„In seiner Ausgestaltung hat jedes Franchisesystem eine<br />
eigene Philosophie, und entsprechend groß ist die Vielfalt“,<br />
erklärt Torben Leif Brodersen, Hauptgeschäftsführer<br />
des Deutschen Franchiseverbands. Doch zwei<br />
Dinge haben alle gemein: „Einen einheitlichen Markenauftritt<br />
und die Arbeitsteilung – der Geber unterstützt<br />
bei der Weiterentwicklung des Unternehmens, schult, ist<br />
Ansprechpartner bei Fragen und Problemen, während<br />
der Nehmer dafür zuständig ist, den Markt vor Ort auszurollen.“<br />
Entsprechend langfristig können die vertraglichen<br />
Beziehungen zwischen beiden Seiten sein. Die Verträge<br />
laufen häufig über fünf, zehn oder in der Gastronomie<br />
auch über 20 Jahre. „In diesem Zeitraum vereinbaren<br />
die Parteien eine Arbeitsteilung“, so Brodersen.<br />
„Für die Unterstützung des Franchisegebers zahlt der<br />
Nehmer eine anteilige Gebühr. Die bewegt sich je nach<br />
Branche zwischen ein bis zehn Prozent vom Nettoumsatz.“<br />
Aus Unternehmenssicht spreche für ein Franchise,<br />
dass durch den hoch motivierten Selbstständigen, der<br />
sich vor Ort auskennt, eine schnelle Ausbreitung und<br />
Bekanntheit der Marke und eine gute lokale Platzierung<br />
möglich werden. Anders ist es insbesondere im Einzelhandel.<br />
Aufgrund der Verschiebung von Marktanteilen<br />
zwischen dem stationären Handel hin zum Onlinehandel<br />
stellt sich für viele Franchisenehmer die Frage der<br />
Rentabilität, da die Kunden wegbleiben. „Diese Frage<br />
muss vom Franchisegeber dahingehend geklärt werden,<br />
den Nehmer an den Onlineumsätzen partizipieren zu<br />
lassen. Sonst gefährdet das letztlich dessen Existenz“, erklärt<br />
der Experte.<br />
Ganz besonders stark sind Franchises im Dienstleistungsbereich,<br />
wie etwa Fitnessstudios, Nachhilfeinstitute,<br />
Reisebüros oder in der Physiotherapie. Stark vertreten<br />
sind natürlich auch Gastronomieunternehmen. Aber auch<br />
im Handwerksbereich tummeln sich schon einige Franchisekonzepte.<br />
„Bekannte Marken sind beispielsweise Portas<br />
oder Treppenmeister“, sagt Brodersen, der gerade viel<br />
künftiges Potenzial sieht, „wenn man kleine Unternehmen<br />
zusammenschließt, eine professionelle Struktur einzieht<br />
und Dienstleistungsstandards gegenüber dem Kunden vereinheitlicht.<br />
Man kann über solche Kooperationen den<br />
Anforderungen der heutigen Märkte besser begegnen.“<br />
Natürlich ist das Prinzip von Copy und Paste auch im<br />
Südniedersächsischen in Vielfalt vorhanden: vom jungen<br />
Start-up direkt von der Hochschule bis hin zu alten<br />
Hasen im Geschäft. Von Franchisegebern – getrieben<br />
vom schnelleren Expansionsgedanken und Markenstärkung<br />
– und Franchisenehmern, die die andere Seite der<br />
Medaille vertreten – mit anderen Ansichten. Was sie alle<br />
eint? Ein starker Unternehmergeist.<br />
2 |<strong>2019</strong> 75
wissen<br />
Vollblutunternehmer Thomas Kemner hat kein Problem damit, sich für seinen Traum vom Timberjacks von seiner Work-Life- Balance zu verabschieden.<br />
76 2|<strong>2019</strong>
wissen<br />
Das Franchise im Anfangsstadium –<br />
Timberjacks<br />
Das jüngste Mitglied der Franchisefamilie ist das Steakund<br />
Grill-Restaurant Timberjacks von Thomas Kemner.<br />
Das riesige Blockhaus an der Kasseler Landstraße kurz<br />
vor der Autobahn wurde vor gut drei Jahren eröffnet.<br />
Als Alternative zu seiner Tätigkeit im Modevertrieb<br />
suchte Kemner nach einem Plan B. Den fand er zunächst<br />
als Franchisenehmer im Gastobetrieb Vapiano. „Irgendwann<br />
habe ich aber den Drang verspürt, etwas Eigenes<br />
zu machen“, erzählt Kemner. Das heutige Timberjacks-Konzept<br />
geht komplett auf seine eigenen Ideen zurück:<br />
Ein Blockhaus sollte es werden. Rustikal sollte es<br />
aussehen. Es sollte sich thematisch alles um Barbecue<br />
und eine Bullriding- Maschine drehen. „Für das eigene<br />
Wachstum gab es dann nur zwei Optionen“, so Kemner.<br />
„Entweder das Konzept funktioniert mittel mäßig, dann<br />
bleibt es bei einem Betrieb. Oder es funktio niert ziemlich<br />
gut. Dann muss man sich entscheiden, ob und wie man<br />
weitermacht.“<br />
ES LÄUFT GUT, UND KEMNER IST MOTIVIERT – gerade<br />
hat ein zweites Restaurant in Kassel eröffnet. Allerdings<br />
zunächst als eine klassische Filiale. „Bei mir ist ein starker<br />
Partner eingestiegen, der ein Drittel der Gesellschaft<br />
übernommen hat. Gemeinsam wollen wir das Konzept<br />
über eigene Betriebe in die Breite tragen.“ Gleichzeitig<br />
soll das Wachstum auch über Franchisebetriebe vorangetrieben<br />
werden – aber passiv. „Wenn ich jemanden proaktiv<br />
überzeugen muss, habe ich den Falschen“, erklärt<br />
der Gastronom. Kommunikation sei da ein wichtiges<br />
Stichwort: „Eine Franchise beziehung ist eine Partnerschaft<br />
für 20 Jahre. Da muss die Chemie stimmen, aber<br />
vor allem auch die sachliche Konfliktlösungsfähigkeit.<br />
Zu viele Leute sind nicht ergebnisorientiert.“ Mit drei<br />
Franchiseinteressenten ist Kemner schon seit rund einem<br />
Jahr im Gespräch, um neue Standorte zu eröffnen. Allerdings<br />
gestalten sich die Standortsuche und auch die<br />
Höhe der Investitionen noch schwierig. Die Vorgaben<br />
für die Franchisenehmer werden eng sein: Natürlich ist<br />
da der Name, die über zwei Jahre durchoptimierte Karte,<br />
die Architektur, die Innenausstattung. „Aber mit Holz<br />
kann man anders arbeiten, das gibt einem Spielräume.<br />
Außerdem möchte ich, dass nicht jedes Timberjacks<br />
gleich aussieht“, sagt Kemner. Auch wenn ein Franchisenehmer<br />
ein Special anbieten möchte, und sei es mit<br />
Straußenfleisch oder mit lokalen Spezialitäten, solle er<br />
die Freiräume dazu haben.<br />
Den Seitenwechsel vom Franchisenehmer zum baldigen<br />
Franchise geber bereut er nicht, auch wenn der<br />
Unterschied brutal sei. „Man hat niemanden, den man<br />
fragen kann. Da muss man sich schon von seiner Work-<br />
Life- Balance verabschieden.“<br />
2 |<strong>2019</strong> 77
wissen<br />
Das Start-up-Franchise – YourCar<br />
Anfang 2015 gründeten Andreas Behrens und Boris Hillmann<br />
in Göttingen einen neuen Carsharing-Anbieter, der<br />
ökologisch orientiert und vor allem hoch flexibel sein<br />
sollte: YourCar. Die Autos können in weiten Teilen der<br />
Stadt überall abgestellt werden. Aufgrund der einfachen<br />
Bedienung über eine maßgeschneiderte Software lässt<br />
sich das YourCar-Prinzip beliebig auf andere Städte<br />
übertragen. Daher gab es auch schnell die Überlegung,<br />
YourCar als Franchisesystem weiterzuentwickeln – aber<br />
nur passiv, man will schließlich nur motivierte Nehmer,<br />
wie Boris Hillmann betont.<br />
Inzwischen hat sich YourCar in Göttingen etabliert.<br />
Die Gründer sind zufrieden mit dem, was sie sich aufgebaut<br />
haben, und darüber, dass es läuft. „Wir konzentrieren<br />
uns vor allem darauf, die Prozesse weiter zu optimieren“,<br />
sagt Hillmann. „Wenn ein Geldgeber mit uns eine<br />
Erweiterung machen möchte, würden wir nicht Nein sagen,<br />
aber wir suchen nicht auf Biegen und Brechen Geld<br />
dafür. Das wollen wir nicht, das brauchen wir nicht.“<br />
UND DENNOCH GIBT ES BEREITS seit 2017 ein Your-<br />
Car-Franchise in Rostock – betrieben von einem ehemaligen<br />
Praktikanten des Göttinger Unternehmens. „Wir<br />
geben den Zugang zur Corporate Identity, die Software,<br />
unser Know-how – damit kann man eigentlich sofort<br />
starten“, erklärt Hillmann. Zusammen mit einem Freund<br />
begann der Ex-Praktikant, inzwischen Student in Rostock,<br />
neben dem Studium mit lediglich zwei Wagen das Geschäft<br />
aufzubauen. Heute sind es 20.<br />
„Wir sind bei der Ausgestaltung des Unternehmens völlig<br />
locker“, sagt Hillmann. „Das einzige, worauf wir<br />
Wert legen, ist die CI und die Klimaneutralität. Wie man<br />
die abbildet, ist dem anderen Part überlassen.“ Das Verhältnis<br />
zwischen ,Mutter und Tochter‘ ist gut – wenn es<br />
mal Fragen gibt, wird kurzerhand angerufen.<br />
„Aber wir lernen auch von den Rostockern“, betont<br />
Hillmann, zum Beispiel bei der Prozessoptimierung. „Sie<br />
haben das Anmeldeverfahren komplett digitalisiert. Und<br />
wir haben das dann übernommen.“ Dieser Spielraum für<br />
Franchise nehmer ist ihm sehr wichtig. „Nur, wenn man<br />
Freiheiten hat, kann man etwas Neues, Innovatives ausprobieren.<br />
Das ist zu unser beider Vorteil.“ Im Gegenzug<br />
erwarte Hillmann – trotz sicherer, klarer Vorgaben – auf<br />
jeden Fall auch eigene Agilität, eine Start-up- Mentalität:<br />
„Man muss ein Macher sein und dafür brennen. Sich zurückzulehnen<br />
und erwarten, dass das Franchisekonzept<br />
von alleine läuft, so funktioniert das nicht.“<br />
78 2 |<strong>2019</strong>
wissen<br />
Auf dem besten Weg Franchisegeber Boris Hillmann ist ein echter Macher und gibt alles, um neue Kunden für YourCar zu gewinnen.<br />
2 |<strong>2019</strong> 79
wissen<br />
Reich an Erfahrung Für Ingo Herbst hat sich Franchise nicht bewährt – heute setzt Contigo auf Filialen.<br />
Das Franchise wird durch Filialen ersetzt –<br />
Contigo<br />
Als der Fair-Trade-Händler Contigo vor 25 Jahren gegründet<br />
wurde, sollte das Göttinger Muttergeschäft ein<br />
Pilotprojekt werden, um es als Franchise kopieren zu<br />
können. „Unser Konzept hat mit sozial- und entwicklungspolitischem<br />
Engagement zu tun. Hinter diesem Gedanken<br />
müssen die Mitarbeiter und Franchisenehmer<br />
stehen“, erklärt Unternehmensgründer Ingo Herbst. Das<br />
habe anfangs auch gut funktioniert – bis die Finanzkrise<br />
kam. Danach sei der Einzelhandel für Banken nicht<br />
mehr so interessant gewesen. Entsprechend schwieriger<br />
wurde es für potenzielle Franchisenehmer, Kredite für<br />
eine Gründung zu erhalten. Gleichzeitig gab es aber<br />
auch ausgerechnet an Orten, die für Contigo sehr interessant<br />
waren, keine Interessenten. Und die, die Interesse<br />
hatten, scheiterten manches Mal an anderer Stelle. „Auf<br />
den Franchisegeber und seine Erfahrungen hören, ist ein<br />
wichtiger Punkt für den Erfolg“, so Herbst. „Manche<br />
Nehmer haben zum Beispiel gegen unseren Rat zu kurzfristige<br />
Mietverträge abgeschlossen. Nach fünf Jahren<br />
funktionierte das Konzept dann nicht mehr, weil der<br />
Vermieter plötzlich ein paar Tausend Euro mehr haben<br />
wollte.“ Am Ende fiel dann der Entschluss, eigene Filialen<br />
zu er öffnen – das führte zu einer Umkehr in der<br />
Wachstumsstrategie: Seit zehn Jahren bietet Contigo das<br />
Unternehmenskonzept nicht mehr als Franchise an.<br />
Heute ist Contigo an 23 Standorten präsent, von denen<br />
nur noch Dresden und Oldenburg als alte Franchise-<br />
Betriebe weitergeführt werden, die auch bereits zum<br />
zweiten Mal ihren Franchisevertrag verlängert haben –<br />
der jeweils über zehn Jahre läuft. „Damals war Franchise<br />
alternativlos“, betont Herbst, weil dem frisch gegründeten<br />
Unternehmen das Kapital für die Filialen fehlte. Das<br />
ist inzwischen anders.<br />
„UNSERE ERFAHRUNG MIT DEM RÜCKZUG aus dem<br />
Franchisesystem ist gut“, sagt Herbst. Die Befürchtung,<br />
dass Angestellte weniger engagiert seien als selbstständige<br />
Unternehmer, habe sich als unbegründet herausgestellt.<br />
Zudem lasse sich ein Filialsystem besser steuern,<br />
so Herbst, „da Selbstständige sehr auf ihre Individualität<br />
Wert legen.“ Es habe sehr viel Energie und Überzeugungskraft<br />
gekostet, eine gemeinsame Linie zu halten.<br />
„Unterm Strich bleibt für mich die Erkenntnis, dass sich<br />
Unternehmenskonzepte mit einem sehr hohen Anspruch<br />
und mit hohen Wissensanforderungen an die Mitarbeiter<br />
nicht als Franchisesystem eignen.“ Der Aufwand für<br />
den Franchise geber sei zu hoch, meint Herbst.<br />
80 2 |<strong>2019</strong>
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wissen<br />
Die andere Seite: Franchisenehmer –<br />
McDonald’s<br />
Natürlich gibt es auch noch die andere Seite des Franchisekonzepts:<br />
den Franchisenehmer, den Unternehmer auf<br />
eigene Rechnung im Korsett des Gebers. Eine der regional<br />
erfolgreichsten Franchisenehmerinnen ist Petra Hebig,<br />
die von Nörten-Hardenberg über Göttingen bis Mühlhausen<br />
inzwischen fünf McDonald’s- Filialen betreibt.<br />
1984 begann sie in der Göttinger Innenstadt mit dem ersten<br />
Restaurant, 2018 kam die fünfte Filiale dazu. Hebig<br />
hat sich bewusst für dieses Konzept entschieden. „Mc-<br />
Donald’s ist ein gastronomischer Markt führer und hat<br />
ein sehr starkes System, das dem Franchisenehmer Wurzeln<br />
und Flügel geben kann.“<br />
Sie erlebt ihren Franchisegeber als stark unterstützend,<br />
etwa indem auf Krisen schnell reagiert wird. Gleichzeitig<br />
ist man natürlich beim Produktangebot festgelegt, eigene<br />
Kreationen sind nicht möglich, und ebenso dürfte die<br />
Unternehmerin nicht in eine andere Gastronomie investieren.<br />
„Die Frage ist immer: Will man diese Vorgaben<br />
akzeptieren? Aber für mich selbst als Nehmer sehe ich<br />
die klar überwiegenden Vorteile.“ Dazu zählen andere<br />
Expansionsmöglichkeiten, die von der Zentrale begleitet<br />
und unterstützt werden, ein strukturierter Einkauf, feste<br />
Lieferanten, Softwaresysteme für alle Bereiche und im<br />
Fall von Problemen ein kurzer Weg zu Ansprechpartnern<br />
im Mutterunternehmen.<br />
UND ES GIBT JEDE MENGE FREIHEITEN. Zum Beispiel<br />
schreibt McDonald’s nicht vor, wie die Einrichtungskonzepte<br />
auszusehen haben. „Das können wir aus einem,<br />
allerdings vorgegebenen, Katalog selbst aus suchen“, erzählt<br />
Hebig. Und so unterscheiden sich ihre Filialen: In<br />
Nörten- Hardenberg durfte sie, erstmalig in Europa, sogar<br />
ein Konzept ausprobieren, das bis dato nur in Japan<br />
existierte. Auch bei den Öffnungszeiten und den Preisen<br />
sind die Partner frei, diese selbst zu gestalten. McDonald’s<br />
sucht sich seine Franchisenehmer sehr gut aus –<br />
der Selektionsprozess, bestehend aus Ausbildung im Unternehmen<br />
und anschließender Prüfung, kann bis zu einem<br />
halben Jahr dauern. Und danach stehe der schwierigste<br />
Part im Franchise-Business erst noch aus, so Hebig:<br />
„Ein Interessent muss sich immer klarmachen, dass<br />
auch Franchising eine vollgültige Selbstständigkeit ist:<br />
Ungeachtet der Bereitschaft, die Vorgaben von oben zu<br />
akzeptieren, träg man immer die Verantwortung für das<br />
eigene Personal und gegenüber den Banken.“<br />
82 2 |<strong>2019</strong>
wissen<br />
Klare Sache Petra Hebig hat ihr Glück in der Fast-Food-Welt bei McDonald’s und der absoluten Selbstständigkeit gefunden.<br />
2 |<strong>2019</strong> 83
wissen<br />
Begeistert am Werk Für ,vom-Fass‘-Inhaber Thomas Rausch steht hinter dem Erfolg in erster Linie die Qualität der Franchise-Produkte.<br />
84 2|<strong>2019</strong>
wissen<br />
Der Quereinsteiger – vom Fass<br />
Entspannter ging es bei Thomas Rausch zu, der seit rund<br />
einem Jahr Inhaber der Göttinger Niederlassung von<br />
,vom Fass‘ ist, die in der Innenstadt unter anderem hochwertige<br />
Weine, Whiskeys und Öle verkauft. Der Mittfünfziger<br />
war lange Zeit in der IT-Branche tätig, zuletzt<br />
für SAP. Als das Unternehmen vor zwei Jahren seinen<br />
Göttinger Standort schloss, stellte sich für Rausch die<br />
Frage nach der weiteren Karriere.<br />
DER ZUFALL BRACHTE IHN ZU VOM FASS, weil seine<br />
Vorgängerin einen Nachfolger suchte. Er bewarb sich<br />
beim Mutterunternehmen, wurde eingeladen und absolvierte<br />
eine einwöchige Schulung mit anschließender Prüfung<br />
– und erhielt den Zuschlag. „Hätte ich ein paar<br />
Sachen vor der Selbstständigkeit gewusst, hätte ich mir<br />
diesen Schritt vielleicht noch einmal überlegt“, sagt<br />
Rausch, was aber nichts mit dem Franchisekonzept an<br />
sich oder dem Mutterunternehmen zu habe. „Wenn man<br />
zum Beispiel jahrzehntelang als Angestellter ge arbeitet<br />
hat, ahnt man nicht, wie bequem dieses Leben ist.“ Die<br />
Anfangsinvestitionen sind sehr hoch, man muss gut kalkulieren,<br />
die Kontakte zu Ämtern und Organisationen<br />
seien mitunter „tricky“, wie er sagt. „Das erste Jahr war<br />
schon ein Brett.“ Im Wochendurchschnitt habe er 60 bis<br />
70 Stunden gearbeitet. „Das ist viel für einen älteren Herren“,<br />
ergänzt er augenzwinkernd. Doch inzwischen ist etwas<br />
Routine eingekehrt. Von Vorteil war natürlich auch,<br />
dass es durch seine Vorgängerin bereits einen Kundenstamm<br />
gab.<br />
Auch Rausch ist mit den Vorgaben des Mutterunternehmens<br />
konfrontiert. „Ich habe keine Wahl, aber eigentlich<br />
sehe ich das alles als Sachen, um die ich mich<br />
nicht kümmern muss“, so der Franchisenehmer. Auf der<br />
anderen Seite profitiert er wie andere auch von der<br />
Unter stützung des Gebers und dem Erfahrungsaustausch<br />
mit Kollegen. Gerade das erleichtert Neueinsteigern, das<br />
Kundenverhalten einzuschätzen. Gestaltungsmöglichkeiten<br />
gibt es vor allem im Marketing – wie etwa Verkostungen<br />
durchzuführen. Denn die große Herausforderung<br />
bleibt auch beim Franchise, bekannter zu werden<br />
und neue Kunden zu gewinnen. „Unsere Gin-Verkostung<br />
beispielsweise war sehr angenehm, abwechslungsreich<br />
und kam gut an.“ Weitere Abende werden folgen.<br />
Bereut hat Rausch seinen Schritt nicht. „Franchise ist<br />
entspannter, man muss sich nicht ganz so viele Sorgen<br />
machen, und es fällt ein Brocken Arbeit weg, besser, als<br />
wenn man komplett selbst neu anfangen würde.“ Letzten<br />
Endes müsse man nur begeistert sein – von dem<br />
Gedanken der Selbstständigkeit und der Qualität der<br />
Produkte, die man verkauft.<br />
2 |<strong>2019</strong> 85
wissen<br />
Franchising in Zahlen<br />
Einstiegsgebühren:<br />
Vor Beginn der Geschäftstätigkeit als Franchisenehmer ist<br />
an den Geber eine einmalige Lizenzgebühr zu zahlen.<br />
bis 5.000 Euro: 38 %<br />
5.000 bis 10.000: 19 %<br />
10.000 bis 50.000: 38 %<br />
über 50.000: 5 %<br />
Start-Investitionssummen:<br />
Reguläre Investitionen in sein Geschäft kommen auf den<br />
Franchisenehmer noch in Gestalt von Anfangsinvestitionen<br />
zu, etwa für die Ladeneinrichtung, Waren etc.<br />
bis 50.000 Euro: 45 %<br />
50.000 bis 100.000: 21 %<br />
100.000 bis 200.000: 14 %<br />
200.000 bis 1 Million: 15 %<br />
über 1 Mio: 5 %<br />
Erforderliche Eigenkapitalquote:<br />
Je nach System und Kredithöhe und muss der Franchisenehmer<br />
für die Investitionen eine minimale Menge an<br />
Eigenkapital mitbringen (in Prozent der Kredithöhe).<br />
nichts: 9 %<br />
1 bis 10 %: 12 %<br />
11 bis 25%: 50 %<br />
26 bis 50 %: 18 %<br />
über 50 %: 11 %<br />
Erfolgsrezept für die Franchisegründung<br />
1. Auf Seriosität des Franchisegebers achten. Mitglieder im<br />
Deutschen Franchiseverband werden regelmäßig überprüft,<br />
was eine gewisse Sicherheit geben kann.<br />
2. Seriöse Franchisegeber verhindern einen örtlichen Wettbewerb<br />
und geben in der Regel exklusive Vertriebsrechte in einem<br />
definierten Gebiet.<br />
3. Franchisesysteme vergleichen, um überhöhte Gebühren zu<br />
umgehen. Vorsicht vor Versprechungen wie einer überdurchschnittlich<br />
hohen Rendite oder einem garantierten Umsatz.<br />
Darauf achten, wie und wie schnell der Franchisegeber auf<br />
Anfragen reagiert und wie die Informationen aufbereitet sind.<br />
4. Eigene Eindrücke verschaffen: einen Franchisebetrieb besuchen,<br />
Eindrücke sammeln, mit dem Inhaber über seine Erfahrungen<br />
austauschen.<br />
5. Ein Franchisebetrieb ist immer noch ein eigenes Unternehmen.<br />
Die starke Marke ersetzt nicht die eigene unternehmerische<br />
Anstrengung.<br />
6. Eigenkapital hilft bei den Verhandlungen mit der Bank über<br />
Kredite.<br />
7. Erst, wenn die Finanzierung sicher ist, den Franchisevertrag<br />
unterschreiben, weil dieser bindend ist.<br />
Die Optionen – Franchise in Kürze<br />
Quelle: Deutscher Franchiseverband<br />
Franchisegebühren fixer Betrag:<br />
Monatlich fallen für den Franchisenehmer noch zusätzliche<br />
Gebühren an, die an den Geber abzuführen sind. Manche<br />
Franchisegeber verlangen einen festen Betrag.<br />
bis 500 Euro monatlich: 64 %<br />
über 500 Euro: 36 %<br />
Franchisegebühr umsatzabhängig:<br />
Bei anderen Franchisegebern richtet sich die Gebühr<br />
nach der Höhe der Umsätze. Manche Geber lassen dem<br />
Nehmer auch die Wahl, ob er einen fixen oder einen<br />
umsatzabhängigen Betrag bezahlt.<br />
bis 5 %: 43 %<br />
5 bis 10 %: 46%<br />
über 10 %: 11 %<br />
Quelle: Franchisestatistik 2018<br />
Franchising als Wachstumskonzept für Unternehmen:<br />
Franchising bietet für die Weiterentwicklung eines Unternehmens<br />
verschiedene Vorteile. Da das Kapital für die<br />
Investitionen in einen Standort vom Franchisenehmer geleistet<br />
wird, lässt sich gerade für junge Unternehmen<br />
theoretisch ein schnelleres Wachstum in die Fläche<br />
ermöglichen – wenn man gute Franchisenehmer findet.<br />
Dadurch, dass der Nehmer das wirtschaftliche Risiko<br />
trägt, hat er auch eine sehr hohe Motivation, am<br />
Geschäftserfolg zu arbeiten. Der Nutzen für das Mutterunternehmen<br />
jenseits der Umsatzbeteiligung liegt an<br />
einem starken Markenauftritt durch die weite Verbreitung.<br />
Franchising als Option für die eigene Selbstständigkeit:<br />
Der Franchisenehmer profitiert von einer starken Marke,<br />
zumindest aber von einem etablierten Konzept, das sich<br />
in der Praxis bewährt hat. Auch sind viele Entscheidungen<br />
nicht mehr zu treffen – es gibt einen Support vom Mutterunternehmen,<br />
und Lieferwege sowie Corporate Identity sind<br />
vorgegeben. Das nimmt einem viel Arbeit ab. Gleichzeitig<br />
schränkt dies den Nehmer aber auch stark darin ein, sein<br />
Geschäft nach eigenen Vorstellungen weiterzuentwickeln.<br />
86 2 |<strong>2019</strong>
Blackbit<br />
DR. MATTHIAS REICHART<br />
NOTAR UND FACHANWALT FÜR BAU- UND<br />
ARCHITEKTENRECHT UND MIET- UND WEG-RECHT<br />
KARL-HEINZ MÜGGE<br />
FACHANWALT FÜR<br />
STRAFRECHT UND STEUERRECHT<br />
DINAH STOLLWERCK-BAUER<br />
FACHANWÄLTIN FÜR VERWALTUNGSRECHT<br />
UND VERKEHRSRECHT<br />
MARCO ENGELHARDT<br />
FACHANWALT FÜR VERKEHRSRECHT<br />
UND MIET- UND WEG-RECHT<br />
ROBERT CARL<br />
FACHANWALT FÜR<br />
BAU- UND ARCHITEKTENRECHT<br />
GERO GEIßLREITER<br />
RECHTSANWALT<br />
VERWALTUNGSRECHT<br />
YVONNE WAUKER<br />
RECHTSANWÄLTIN<br />
MIETRECHT<br />
BERNHARD DAAMEN<br />
NOTAR a.D. UND FACHANWALT FÜR VERSICHERUNGS-<br />
RECHT UND ARBEITSRECHT<br />
WALTER STURM<br />
FACHANWALT FÜR<br />
VERKEHRSRECHT<br />
In Kooperation mit<br />
Kanzlei Dr. Reichart, Kriesten, Mügge<br />
Bertha-von-Suttner-Straße 9 • 37085 Göttingen<br />
Tel.: (0551) 707 28-0 • www.rkm-goettingen.de
PROFIL<br />
Gips – wertvoll und regional<br />
Ein bedeutendes Mineral, welches für den Menschen und die Gesellschaft in vielen individuellen<br />
Anwendungsbereichen unverzichtbar geworden ist.<br />
Die Zukunft in sicheren Händen<br />
Carsten Ketteler und Andreas Hübner (r.)<br />
Rohstoffe sind das Herz einer jeden<br />
Existenz. Fossile Rohstoffe sorgen für<br />
Mobilität, Wärme und Strom und sind<br />
Basis für vielfältige chemische Produkte. Die<br />
agrarischen Rohstoffe sichern unsere Ernährung.<br />
Holz gestaltet die Welt. Hoch begehrt<br />
sind auch die mineralischen Rohstoffe, also<br />
Salze, Erze und Gesteine, mit denen wir unser<br />
Leben eingerichtet haben und die es erträglich<br />
oder gar bequem machen: vom Hausbau über<br />
die vielfältigen Produkte der technischen Welt.<br />
Der überwiegende Teil des deutschen Bauwesens<br />
ist von mineralischen Rohstoffen abhängig.<br />
Zu den Bemühungen, diesen Bedarf zu<br />
decken, trägt auch der Südharz bei und liefert<br />
unter anderem den Rohstoff Gips, der ein nur<br />
schwer ersetzbarer Baustoff ist, muss er doch<br />
ressourcen effizient sein, brandsicher, wohnökologisch<br />
von hoher Qualität, flexibel in der Nutzung<br />
– und energieeffizient. Ohne moderne<br />
Trocken und Leichtbauweisen mit Gipsprodukten<br />
geht das nicht. Nur mithilfe von Gips lässt<br />
sich auch der dringend benötigte Wohnraum in<br />
Ballungszentren schaffen, durch Aufstockungen<br />
und Nachverdichtungen. „Aber nicht nur<br />
hier findet man Gips im Einsatz, auch in der<br />
Dünge, Lebens und Futtermittelindustrie<br />
genauso wie in der Dentalindustrie oder als<br />
Formengips für die keramische Industrie oder<br />
zur Herstellung von Tondachziegeln. Ein universell<br />
einsetzbarer Rohstoff“, erklärt Carsten<br />
Ketteler, kaufmännischer Geschäftsführer der<br />
CASEA GmbH. An vier Standorten in Deutschland<br />
betreibt die CASEA GmbH die Produktion<br />
von hochwertigen Produkten aus Gips<br />
und Anhydrit. „An drei Standorten betreiben<br />
wir einen eigenen Abbau“, so der technische<br />
Geschäftsführer Andreas Hübner. Im Südharz<br />
gibt es neben dem Werk in Dorste bei Osterode<br />
auch ein Werk im thüringischen Ellrich.<br />
Jeder im Südharz weiß: Gips wird abgebaut.<br />
Das aber ist, im Sinne des Wortes, nur die<br />
halbe Wahrheit. Denn von den etwa 10 Millionen<br />
Tonnen Gips, die in Deutschland jährlich<br />
gebraucht werden, stammt gegenwärtig noch<br />
mehr als die Hälfte aus den Rauchgasentschwefelungsanlagen<br />
der Kohlekraftwerke – der sogenannte<br />
,REA‘Gips. Nur 45 Prozent des Gipsbedarfs<br />
werden derzeit aus Naturgips gedeckt.<br />
Durch die Energiewende sollen die Kohlekraftwerke<br />
in den nächsten 20 Jahren komplett<br />
stillgelegt werden. Damit würde mehr als die<br />
Hälfte des heutigen Gipsaufkommens fehlen.<br />
„Der Naturgips als Rohstoff wird damit an Bedeutung<br />
gewinnen“, sagt Hübner.<br />
Auch GipsRecycling ist dabei ein Teil der<br />
Lösung. „Als nachhaltig wirtschaftendes Unternehmen<br />
und als Teil der REMONDISGruppe<br />
haben wir natürlich auch ein großes Interesse,<br />
RecyclingGips zu etablieren“, erklärt Ketteler.<br />
„Wir unterstützen daher als Unternehmen aktiv<br />
das WIR! Projekt, welches den Wandel durch<br />
Innovationen in der Region Thüringen fördern<br />
soll.“ Zusammen mit der Fachhochschule Nord<br />
FOTO: ALCIRO THEODORO DA SILVA
ANZEIGE<br />
hausen und der Uni Weimar wird das Projekt<br />
,Gipsrecycling als Chance für den Südharz‘<br />
durchgeführt und durch das Bundesministerium<br />
für Bildung und Forschung gefördert. Allerdings<br />
ist auch dies noch ein weiter Weg, denn<br />
zum einen fehlt es an entsprechend aufbereitungsfähigem<br />
Abbruchmaterial, zum anderen<br />
eignen sich nur geringe Mengen davon zur<br />
Ver wertung, an deren Ende ein wieder zulassungs<br />
und damit marktfähiges, ökologisch<br />
einwandfreies Produkt ohne Fremdstoffe steht.<br />
„Hier einen besseren Weg zu finden, ist das<br />
Ziel des Projektes“, sagt Hübner und ergänzt:<br />
„Gips aus dem Ausland zu importieren, ist im<br />
Hinblick auf den Klimawandel keine grundsätzliche<br />
Lösung, denn unnötige Transporte erzeugen<br />
Emissionen an klimaschädlichen Gasen.“<br />
Heimische Rohstoffe sind deshalb auch ein<br />
wichtiger Bestandteil der Wirtschaftskraft in<br />
Deutschland. „Auch der Abbau hat sich verändert“,<br />
erklärt Ketteler. Die Art der Abbauführung<br />
wird so ausgewählt, dass Emissionen verringert<br />
und gesetzliche Auflagen eingehalten<br />
werden. Außerdem wird der Abbau so geplant,<br />
dass die hinterlassene Landschaft eine naturgünstige<br />
Morphologie aufweist, also leicht<br />
wiederbepflanzt und von Tieren besiedelt werden<br />
kann. In diese – schon während des Abbaus<br />
sukzessiv begonnene – Renaturierung<br />
fließen sehr viel Fachwissen, Aufmerksamkeit<br />
und Aufwand, damit eine Rückgabe an die<br />
Natur in einer gegenüber dem Ursprungszustand<br />
möglichst aufgewerteten Form gesichert<br />
ist. Zahlreiche heutige Biotope in ehemaligen<br />
GipsSteinbrüchen sind ein Zeugnis dafür,<br />
dass so etwas gut gelingen kann.<br />
„Wir wollen ein Freund und Förderer dieser Region<br />
sein, die ja auch unsere Heimat ist“, sagt<br />
Andreas Hübner. „Deshalb führen wir auch<br />
kontinuierlich Gespräche mit allen Gruppen<br />
der Gesellschaft, um den naturfreundlichen<br />
Abbau zu erklären und die Menschen an den<br />
Planungen zu beteiligen. Jeder ist eingeladen,<br />
sich anzusehen, was wir tun.“<br />
„Wir dürfen ruhig auch ein wenig stolz darauf<br />
sein, dass unsere Region nicht nur aus anderen<br />
Teilen Deutschlands und der Welt Rohstoffe bezieht,<br />
sondern selbst auch etwas dazu beiträgt“,<br />
findet Carsten Ketteler. „Und der Südharz tut<br />
das mit einem wohngesunden Produkt, das<br />
weder Luft noch Grundwasser belastet und<br />
dessen Abbaufelder an die Natur zurückgegeben<br />
werden können – als gesunder Lebensraum<br />
für Menschen, Fauna und Flora.“<br />
Mit Stolz am Werk: CASEA bietet beste<br />
Qualität und überwacht die Produktion aller<br />
hochwertigen Rohstoffe vom Steinbruch bis<br />
zum fertigen Produkt.<br />
KONTAKT<br />
CASEA GmbH<br />
Pontelstraße 3, 99755 Ellrich<br />
Tel. 036332 890<br />
info@casea-gips.de<br />
casea-gips.de
Jetzt sind wir<br />
wieder drei Notare.<br />
Eliane Krüger<br />
Rechtsanwältin und Notarin<br />
Betriebswirtin (IWW)<br />
Fachanwältin für Erbrecht<br />
Fachanwältin für Familienrecht<br />
Die Wirtschaftskanzlei.<br />
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Bahnhofsallee 6<br />
37081 Göttingen<br />
Tel. 0551 | 547 49 – 21<br />
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präsentiert:<br />
Erfolgreiche<br />
Entscheiderinnen<br />
der Region<br />
2 |<strong>2019</strong> 91
PROFIL<br />
TOPENTSCHEIDERIN<br />
„Vertrauen Sie uns!“<br />
Anna-Lena Keilholz ist in das größte Unternehmen ihres Vaters hineingewachsen. Seit 2017 leiten sie es gemeinsam.<br />
Vertrauen Sie uns“, lautet der Schlusssatz<br />
der HKS-Unternehmensphilosophie –<br />
und das Vertrauen spürt man tatsächlich<br />
in der international tätigen HKS-Gruppe.<br />
Anna-Lena Keilholz (Foto) kennt es seit ihrer<br />
Kindheit: Schon als Schülerin half sie im Betrieb<br />
aus. „Schnell war mir klar: Ich möchte<br />
später ins Unternehmen einsteigen“, erzählt<br />
die 29-Jährige. Von Jahr zu Jahr übertrug ihr<br />
Vater Heiko S. Keilholz ihr mehr Verantwortung,<br />
und sie verschaffte sich intensive Einblicke<br />
in die einzelnen Verwaltungs- und Dienstleistungsbereiche.<br />
IN DER SICHERHEITSBRANCHE SPIELT<br />
Vertrauen eine zentrale Rolle. Denn die inzwischen<br />
rund 350 beschäftigten Mitarbeiter<br />
des 1995 in Hardegsen gegründeten Unternehmens<br />
haben häufig intensive Einblicke<br />
in die Abläufe der Kunden unternehmen. Daher<br />
sieht die seit zwölf Jahren im Familienunternehmen<br />
tätige General-Management-<br />
Absolventin der PFH Göttingen mittlerweile<br />
die größte Herausforderung in der Einstellung<br />
zuverlässiger Mitarbeiter. Jede zur Einstellung<br />
vorgesehene Person muss vorab behördlich<br />
überprüft und schriftlich genehmigt werden.<br />
92 2 |<strong>2019</strong><br />
Für den Sicherheitsdienst HKS, der alle personellen<br />
und technischen Sicherheitsbereiche<br />
außer Geld- und Werttransport anbietet, gelten<br />
strenge gesetzliche Auflagen. Mit übertariflicher<br />
Bezahlung und umfassenden Fortbildungs-<br />
und Aufstiegsmöglichkeiten möchte<br />
HKS, das mittlerweile zu einem der führenden<br />
deutschen Unternehmen der Sicherheitsbranche<br />
angewachsen ist, neue Mitarbeiter gewinnen.<br />
„Wir sind stolz auf die Zertifizierung<br />
als Top-Arbeitgeber Südniedersachsen, kurz<br />
TOPAS, und auf die attraktiven Arbeitsplätze,<br />
die wir bieten“, sagt Anna-Lena Keilholz, die<br />
selbst seit Kurzem Mutter ist.<br />
DIE GERINGE FLUKTUATION steht für das<br />
Vertrauen der Mitarbeiter in ihre zukunftsfähigen<br />
Arbeitsplätze. Dabei können die<br />
Beschäftigten auch auf die nächste Generation<br />
setzen. Seit 2017 ist Anna-Lena Keilholz<br />
nämlich Geschäftsführerin und leitet HKS<br />
gemeinsam mit ihrem 58-jährigen Vater. „Wir<br />
haben die Unternehmensnachfolge früh<br />
eingeleitet und bieten unseren Mitarbeitern<br />
und Kunden damit langfristige Planungssicherheit“,<br />
sagt die Geschäftsfrau. Sie setzt<br />
Schwerpunkte auf den Ausbau moderner<br />
Strukturen und neue Angebote im Bereich<br />
Ausbildung, so zum Beispiel im Brandschutz<br />
– hier bietet HKS seinen Kunden inzwischen<br />
diverse Ausbildungskurse an. „Wir sind besonders<br />
stolz auf die intensive Zusammenarbeit<br />
mit Polizei und Feuerwehr, die es in<br />
jedem Fall zu pflegen gilt“, sagt Anna-Lena<br />
Keilholz und vertraut in die zukunftssichere<br />
Aufstellung des Familienunternehmens.<br />
KONTAKT<br />
HKS Sicherheitsservice GmbH<br />
Am Gladeberg 10<br />
37181 Hardegsen<br />
Tel. 05505 5095170<br />
www.HKS-Gruppe.de<br />
TEXT STEFAN LIEBIG
PROFIL<br />
TOPENTSCHEIDERIN<br />
Stadtentwicklerin mit Traumjob<br />
Claudia Leuner-Haverich schätzt die Themenvielfalt und die Herausforderung, zukunftsfähigen<br />
Wohnraum für Göttingen zu schaffen.<br />
Es ist ein Geschenk, so ein Quartier gestalten<br />
zu dürfen“, schwärmt Claudia<br />
Leuner-Haverich (Foto), wenn sie von<br />
den Planungen für die ,Grüne Mitte Ebertal‘<br />
spricht. Die Geschäftsführerin der Städtischen<br />
Wohnungsbau GmbH Göttingen (SWB) führte<br />
Ende April den symbolischen ersten Spatenstich<br />
aus. 120 Millionen Euro fließen in den<br />
kommenden zehn Jahren in die Neugestaltung<br />
des Viertels am südlichen Rand des Ostviertels.<br />
Als Stadtentwicklerin ist dies das bisher<br />
bedeutendste Projekt, das sie gemeinsam<br />
mit den 40 SWB-MitarbeiterInnen umsetzt.<br />
„Die Themenvielfalt ist die große Herausforderung:<br />
Wir kümmern uns um zukunftsorientierte<br />
Lösungen für moderne, barrierefreie Wohnungen,<br />
die zugehörigen Grünflächen und<br />
Begegnungsorte sowie ausreichende Parkmöglichkeiten“,<br />
sagt Leuner-Haverich und<br />
skizziert damit einen Ausschnitt aus den anstehenden<br />
Aufgaben.<br />
BESONDEREN WERT LEGT die seit Beginn<br />
der 1990er-Jahre für die Stadt Göttingen<br />
tätige Wohnungsbauexpertin auf klimagerechte<br />
Bauweise. Wohl wissend, dass sich<br />
Rahmen bedingungen und Anforderungen in<br />
den kommenden Jahren schnell ändern können.<br />
„Aber gerade diese Flexibilität und die Gestaltungsmöglichkeiten<br />
sind es, die den Reiz<br />
eines solchen Zukunftsprojekts aus machen“,<br />
erklärt sie. Als Beleg für die verantwortungsvolle<br />
Umsetzung des Großprojekts nennt sie<br />
die Tat sache, dass alle jetzigen Bewohner<br />
die Möglichkeit erhalten, im Ebertal wohnen<br />
zu bleiben. Die Umsetzung der Maßnahmen<br />
wurde in einem umfangreichen Bürgerbeteiligungsprozess<br />
strukturiert. Schließlich wohnen<br />
viele Menschen hier seit Jahrzehnten, und<br />
sie sollen sich in ihrem Quartier auch künftig<br />
wohlfühlen. Nach Fertigstellung gehören dann<br />
600 Wohnungen sowie mehrere Gewerbeflächen<br />
zum Quartier – 150 mehr als vor Beginn<br />
der Neubau- und Sanierungsmaßnahmen.<br />
50 BIS 100 JAHRE IM VORAUS ZU DENKEN,<br />
ist nicht einfach. Leuner-Haverich sieht dies<br />
aber als ihre Aufgabe an, denn die Häuser<br />
sollen viele Jahrzehnte genutzt werden. Es gilt<br />
hier, wie in den anderen rund 4700 Wohnungen<br />
der SWB, perspektivisch zu denken und<br />
Spielraum für Umgestaltungen einzuplanen.<br />
Gemeinsam mit externen PlanerInnen und<br />
Bauunternehmen setzt die kommunale Städtische<br />
Wohnungsbau erfolgreich Bauprojekte<br />
im Stadtgebiet um. Claudia Leuner-Haverich<br />
fasst ihre Philosophie zusammen: „Wir haben<br />
einen sozialen Anspruch, für bezahlbares<br />
und qualitativ hochwertiges Wohnen zu sorgen.<br />
Dies ist auch in Zukunft ein wesentliches<br />
Instrument für ein friedliches Miteinander unserer<br />
Gesellschaft.“<br />
KONTAKT<br />
TEXT STEFAN LIEBIG<br />
Städtische Wohnungsbau GmbH Göttingen<br />
Reinhäuser Landstr. 66<br />
37083 Göttingen<br />
Tel. 0551 49670<br />
www.swb-goettingen.de<br />
2 |<strong>2019</strong> 93<br />
FOTO ALCIRO THEODORO DA SILVA
PROFIL<br />
TOPENTSCHEIDERIN<br />
Mutige Entscheidungen<br />
Seit dem Tod ihres Mannes Lothar leitet Elke Deppe-Stark das Sanitätshaus Deppe in Northeim –<br />
trotz anfänglicher Bedenken.<br />
Das kann ich nicht! Das will ich nicht!<br />
Das mach' ich nicht!“ Dies war Elke<br />
Deppe-Starks erste Reaktion, als sie<br />
nach dem Tod ihres Mannes Lothar im Jahr<br />
2000 auf die Weiterführung des Sanitätshauses<br />
Deppe in Northeim angesprochen wurde.<br />
Zwar sagte ihr damals siebenjähriger Sohn<br />
Philipp: „Ich übernehme das, wenn ich groß<br />
bin!“, doch reichte diese Zusage verständlicherweise<br />
nicht ganz aus, um die heute 61-jährige<br />
gelernte Einzelhandelskauffrau umzustimmen.<br />
Doch schließlich stellte sie sich der Aufgabe,<br />
das Familienunternehmen weiter zuführen.<br />
MIT DER ERFAHRUNG EINER Filial- und Bezirksleiterin<br />
in zwei Unternehmen der Textilbranche<br />
stellte sich Elke Deppe-Stark, die sich<br />
zudem mit einem Gesundheits- und Sonnenstudio<br />
selbstständig gemacht hatte, dieser immensen<br />
Herausforderung. Glücklicherweise<br />
übernahm sie ein gesundes Unternehmen<br />
und brachte viele frische Ideen ein: „Sobald<br />
ich etwas kann und es läuft, suche ich die neue<br />
Herausforderung.“ Ein Motto, mit dem sie<br />
das Unternehmen auf inzwischen fünf Standorte<br />
ausbaute – drei in Northeim und je eines<br />
in Bad Gandersheim und Hann. Münden.<br />
43 Mitarbeiter, darunter fünf Meister, sorgen<br />
für zufriedene Kunden.<br />
ALS EINE IHRER WICHTIGSTEN Aufgaben<br />
sieht die von ihren früheren Bossen stets für<br />
eine ,geborene‘ Managerin gehaltene Unternehmerin<br />
die Förderung der Mitarbeiterzufriedenheit.<br />
„In Zeiten des Fachkräftemangels<br />
müssen wir attraktive Arbeitsplätze<br />
bieten“, sagt sie und unterstreicht damit ihre<br />
Ambition, qualifizierte Mitarbeiter in den<br />
ländlichen Raum zu locken.<br />
Damit dies in der Region auch bekannt wird,<br />
warf Elke Deppe-Stark vor wenigen Jahren einen<br />
ihrer Grundsätze über Bord und beteiligt<br />
sich seither an Networking-Veranstaltungen.<br />
Sie ist im Beirat der Regionalgruppe des<br />
BVMW, und in Vorständen der Gesundheitsregion<br />
Göttingen und des von der Koordinierungsstelle<br />
Frauen und Wirtschaft im<br />
Landkreis Northeim initiierten Netzwerks<br />
„Wirtschaft & Familie“, welches sich Themen<br />
wie Familienfreundlichkeit im Betrieb und<br />
dem Fachkräftemangel widmet. Gerade hier<br />
engagiert sie sich sehr. Chancengleichheit ist<br />
ein Wirtschaftsthema und ein handfester Wettbewerbs<strong>faktor</strong>.<br />
Ohne die Leistung von Frauen<br />
wäre der Wirtschaftsstandort Deutschland<br />
nicht Weltspitze. Mehrfach reiste sie mit der<br />
Initiative „Starke Frauen – starke Wirtschaft“<br />
ins Bundesministerium für Wirtschaft „Es gibt<br />
viele taffe Frauen in der Wirtschaft, aber auch<br />
viele, die sich trotz guter Ideen nicht trauen“,<br />
sagt die, die sich getraut hat.<br />
Mutig steuert sie selbst auf einen neuen<br />
Lebensabschnitt zu: Ihr Sohn, der inzwischen<br />
selbst Orthopädietechnikermeister ist, wird<br />
sein Versprechen wahr machen und nach und<br />
nach die Unternehmensleitung übernehmen.<br />
Ziele haben beide: Der Fachkräftemangel bleibt<br />
ein Problem, und in puncto Nachhaltigkeit setzen<br />
sie bereits auf Müllvermeidung und neue<br />
biologische Produkte zur Desinfektion. Elke<br />
Deppe-Stark stellt sich also nach wie vor neuen<br />
Herausforderungen.<br />
Deppe GmbH<br />
Sanitätshaus<br />
Rehatechnik<br />
Orthopädietechnik<br />
Orthopädieschuhtechnik<br />
KONTAKT<br />
Sanitätshaus Deppe GmbH<br />
Teichstraße 5–7<br />
37154 Northeim<br />
Tel. 05551 3114<br />
www.sanitaetshaus-deppe.de<br />
TEXT STEFAN LIEBIG<br />
FOTO LUKA GORJUP<br />
94 2 |<strong>2019</strong>
PROFIL<br />
Perfektion nach Maß<br />
Für Menschen, die Wert auf passende Kleidung legen<br />
Viel zu oft lassen sich die Menschen von<br />
der Modeindustrie diktieren, was sie<br />
in der kommenden Saison für Schnitte,<br />
Formen und Stoffe tragen. „Ich ermutige<br />
meine Kundschaft stattdessen, ihren individuellen<br />
Stil zu finden und sich nicht mit Kompromissen<br />
zufriedenzugeben. Denn es gibt<br />
für jeden die passende Kleidung“, sagt Nadja<br />
Gilhaus (Foto), seit 2009 Inhaberin des Kleiderkontors.<br />
Sowohl Frauen als auch Männer neigen oft<br />
dazu, sich mit den Größenangaben der Hersteller<br />
zu identifizieren, und fühlen sich zu<br />
groß, zu klein, zu dick oder zu dünn. Doch, so<br />
die Schneidermeisterin: „Maßtabellen bilden<br />
lediglich einen Querschnitt aus der Individualität<br />
der Menschen ab und können gar nicht<br />
mehr als eine Annäherung sein.“ In der Maßkonfektion<br />
hingegen gibt es keine zu kurzen<br />
oder zu langen Arme. Jedes Kleidungsstück<br />
ist so individuell wie die Kunden selbst.<br />
WER ALSO TÄGLICH HEMD, HOSE und<br />
Sakko trägt, für den ist die Maßkonfektion die<br />
perfekte Lösung. Einmal professionell Maß<br />
genommen, genügt ein Anruf, um ein neues<br />
Hemd nachzubestellen. So können Mann und<br />
auch Frau mit dem morgendlichen Griff in<br />
den Kleiderschrank ein gutes Gefühl für den<br />
Tag anziehen. TEXT ANJA DANISEWITSCH<br />
KONTAKT<br />
Meisteratelier KLEIDERKONTOR<br />
Reinhard-Rube-Str. 4<br />
37077 Göttingen<br />
Tel. 0551 70769313 | Mobil: 0151 22197561<br />
gilhaus@kleiderkontor.de<br />
www.kleiderkontor.de<br />
Mehr Leichtigkeit im<br />
Arbeitsalltag<br />
Führungskräfte-Coach Neda Mohagheghi weiß, wie sich<br />
Konflikte im Arbeitsalltag spielerisch lösen lassen.<br />
Dafür nutzt sie ein innovatives Planspiel.<br />
Mit dem Code<br />
<strong>faktor</strong><strong>2019</strong> erhalten<br />
Sie 20% Ermäßigung am<br />
Planspiel-Event „Führen<br />
im Alltag“ am 6.9. unter<br />
http://bit.ly/<br />
fuehrenimalltag<br />
Es gibt nur Fähigkeiten, keine Defizite“,<br />
ist Neda Mohagheghis Philosophie.<br />
Die 36-Jährige ist systemische Beraterin<br />
und Therapeutin und verhilft Mitarbeitern<br />
und Führungskräften zu mehr Leichtigkeit im<br />
Arbeitsalltag. Dafür nutzt sie ein innovatives<br />
Brettspiel. Die Teilnehmenden erlernen dabei<br />
neue Formen der Führung, können diese mit<br />
ihren Mitarbeitern spielerisch ausprobieren<br />
und sich mit Führungskräften anderer Unternehmen<br />
austauschen. „Im Fokus steht, mehr<br />
Menschlichkeit in den Arbeitsalltag zu integrieren<br />
und zu zeigen, wie Mitarbeiter und Unternehmen<br />
gleichermaßen davon profitieren“,<br />
sagt die Göttingerin, die zuvor ihren Ansatz<br />
in einer Firma für onlinebasierte Gesundheitsprogramme,<br />
an der Universität Göttingen und<br />
in ihrer eigenen Privatpraxis erprobt hat. Interessierten<br />
bietet Mohagheghi am 6. September<br />
in der Seminarheimat Alte Brauerei die Chance,<br />
das neue Trainingstool zu testen, neue Aspekte<br />
der Unternehmenskultur kennenzulernen und<br />
eigene Ressourcen neu zu entdecken.<br />
TEXT STEFAN LIEBIG<br />
KONTAKT<br />
Neda Mohagheghi<br />
Düstere-Eichen-Weg 22<br />
37073 Göttingen<br />
Tel. 0170 4579055<br />
hallo@neda-mohagheghi.de<br />
www.neda-mohagheghi.de<br />
FOTO LUKA GORJUP<br />
2 |<strong>2019</strong> 95
PROFIL<br />
TOPENTSCHEIDERIN<br />
Sie denken mit und noch viel weiter<br />
Die beclever Werbeagentur ist nach über 14 Jahren umgezogen und sitzt jetzt im Rasepark in Rosdorf.<br />
Hinter der Fassade des Industriebaus<br />
aus dem 19. Jahrhundert hat beclever<br />
einen neuen Standort gefunden.<br />
Öffnet man die Tür zur Agentur, steht der Besucher<br />
in einem Industrieloft, der an typisch<br />
amerikanische Filme wie ,Was Frauen wollen‘<br />
aus dem Jahr 2000 erinnert. „Ein Agenturloft<br />
ist natürlich ein Traum für eine Werbeagentur.<br />
Und den haben wir im Raseweg gefunden“,<br />
sagt Kirsten Winkelbach (Foto) mit einem Lächeln.<br />
Sie ist Inhaberin und Geschäfts führerin<br />
von beclever.<br />
„Es war Zeit für etwas Neues und Größeres.<br />
Unseren alten Mietvertrag habe ich bereits<br />
letztes Jahr gekündigt und mich nach neuen<br />
Räumlichkeiten umgesehen.“<br />
BEGONNEN HATTE BECLEVER vor 14 Jahren<br />
mit der Spezialisierung auf Finanzkommunikation,<br />
heute bietet die Agentur einen<br />
breiten Marketing-Mix an, der klassische Werbung,<br />
Website-Entwicklung, Programmierung,<br />
Onlineshops, Corporate Design, Event-Marketing,<br />
Social Media, Online-Marketing etc.<br />
umfasst. Einen besonderen Schwerpunkt hat<br />
beclever allerdings nach wie vor: das Automobil-<br />
Marke ting. „Wir entwickeln Werbestrategien<br />
96 2 |<strong>2019</strong><br />
für Autohändler.“ Seit 2011 erarbeiten Winkelbach<br />
und ihr Team für Automotive-Kunden<br />
Werbemaßnahmen, und seit 2017 betreuen sie<br />
einen großen Automobilhändler mit 14 Standorten<br />
in und um München. „Wir sind mehr<br />
oder minder der verlängerte Arm der Marketingabteilung<br />
unserer Autohaus-Kunden.“<br />
AUTENTHISCH, EHRLICH & SCHNELL!<br />
Für die Businessfrau ist es wichtig, auf dem<br />
Boden zu bleiben, autark zu sein: „Unsere<br />
Kunden schätzen den persönlichen Kontakt,<br />
auch zu mir, und sie schätzen unser kurzfristiges<br />
Agieren und zügiges Bearbeiten der Projekte.“<br />
Sie als Agentur sind schließlich die Experten,<br />
für deren Leistung bezahlt werde. Und<br />
so versucht sie mit ihrem Team, alles möglich<br />
zu machen, was gewünscht wird – und noch<br />
mehr. „Wir bieten ein Rundum-Paket, schauen<br />
für die Kunden über den Tellerand hinaus<br />
und stellen nicht gleich jeden kleinen Arbeitsschritt<br />
in Rechnung.“ Ihr geht es nicht um das<br />
schnelle Geld, sondern um eine langfristige<br />
und produktive Zusammenarbeit mit den Geschäftspartnern.<br />
„Sie denken mit und noch<br />
viel weiter.“ Dieses Lob eines Kunden ist ihr<br />
unglaublich wichtig.<br />
ÜBER 14 JAHRE GIBT ES BECLEVER JETZT.<br />
14 Jahre mit Höhen und Tiefen, aber immer<br />
mit dem Willen, weiterzumachen: „Ich wollte<br />
schon sehr früh in der Werbung arbeiten,<br />
und mein Traum ging sogar mit einer eigenen<br />
Agentur in Erfüllung“, sagt die gebürtige<br />
Witzenhäuserin.<br />
Mit ihrer Art, Ideen und Ziele durchdacht<br />
voranzutreiben, ist Winkelbach auf dem Wer be -<br />
markt sehr erfolgreich. „Ich denke positiv und<br />
versuche, alle Gegebenheiten zu nutzen und<br />
immer das Beste daraus zu machen.“<br />
KONTAKT<br />
beclever werbeagentur AG<br />
Raseweg 4<br />
37124 Rosdorf<br />
Tel. 0551 38421010<br />
info@be-clever-ag.de<br />
www.be-clever-ag.de<br />
TEXT CAROLIN SCHÄUFELE<br />
FOTO LUKA GORJUP
PROFIL<br />
„ChefInnen denken an alles –<br />
sogar an sich selbst!“<br />
Ist Ihre Praxis- oder Betriebsrente fit für<br />
das neue Betriebsrentenstärkungsgesetz<br />
(BRSG)? Haftungssicher, renditeorientiert,<br />
verwaltungsarm? Nutzen Sie Ihre Steuer- und<br />
Sozial versicherungsvorteile für Ihre MitarbeiterInnen<br />
und für SICH selbst optimal aus?<br />
Wir, als Spezialagentur für Ärzte und Heilberufe,<br />
analysieren, diagnostizieren und erstellen<br />
ein kostenloses Konzept für Ihre haftungssichere<br />
Versorgungsordnung – nicht nur<br />
für Arztpraxen, Pflegeheime und Kliniken, sondern<br />
für alle Branchen und Selbstständigen.<br />
Endlich für alle die rentable Betriebs- oder<br />
Praxisrente, die für Großkonzerne seit Jahren<br />
die Regel ist.<br />
Seit Anfang <strong>2019</strong> unterstützen mich bei der<br />
Arbeitnehmerberatung Jennifer Klaus, Master<br />
of Arts International Economics, und Izabela<br />
Sok, ehemalige Agenturistin der Allianz Ärzte<br />
und Heilberufe Hamburg. Herzlich willkommen!<br />
Wir freuen uns auf Sie!<br />
Damit Sie auch finan ziell gesund bleiben!<br />
KONTAKT<br />
Inh. Ines Freiboth<br />
Reinhäuser Landstr. 34<br />
37083 Göttingen<br />
Tel. 0551 77073666<br />
Ludwig-Thoma-Str. 41<br />
82031 Grünwald bei München<br />
Tel. 089 21561505<br />
Mobil 0162 2789586<br />
ines.freiboth@allianz.de<br />
www.allianz-freiboth.de<br />
Sich behaupten in einer<br />
Männerdomäne<br />
Karolin Seeger, Teamleiterin beim IT-Unternehmen SerNet, erlebt nach<br />
20 Jahren Berufspraxis noch immer Vorurteile gegenüber Frauen in der Informatik.<br />
Der Technikbezug kam durch ihren Vater, der<br />
Chemieingenieur ist, erzählt Karolin Seeger.<br />
Daher absolvierte die Herzbergerin nach dem<br />
Abitur eine Ausbildung zur Fachinformatikerin<br />
Systemintegration. Nach dem Abschluss wechselte<br />
sie 2005 zu ihrem heutigen Arbeitgeber:<br />
der SerNet GmbH in Göttingen, wo sie sich<br />
um Beratung und Support rund um die Open-<br />
Source- Software Samba kümmerte.<br />
Nebenher begann Seeger, im internationalen<br />
Samba-Entwicklerteam mitzuarbeiten, das<br />
Samba weiterentwickelt. Bei SerNet übernahm<br />
sie nach der Elternzeit im Oktober 2015 die<br />
Teamleitung der Samba-Abteilung. „Das war<br />
nicht so einfach, wenn man vorher mit den Leuten<br />
als Kollegen zusammengearbeitet hat. Man<br />
muss leider auch irgendwann mal unangenehme<br />
Entscheidungen treffen.“<br />
Und wie sieht es in der Männerbranche Informatik<br />
mit Akzeptanzproblemen aus? „Die gibt<br />
es auf jeden Fall“, so Seeger. „Gerade in der<br />
Anfangszeit muss man als Frau immer mehr<br />
leisten als ein Mann.“ Und auch heute noch<br />
gebe es Aussagen, wie etwa die hübsche Kollegin<br />
zur Konferenz zu schicken, weil sie Interessenten<br />
an den Stand zieht. „Manchmal lassen<br />
Leute auch noch erkennen, dass sie eine Frau<br />
für nicht so kompetent halten oder ihnen kein<br />
technisches Know-how zutrauen. Aber tatsächlich<br />
haben die meisten Kunden damit überhaupt<br />
kein Problem.“<br />
TEXT SVEN GRÜNEWALD<br />
KONTAKT<br />
SerNet GmbH<br />
Bahnhofsallee 1b, 37081 Göttingen<br />
Tel. 0551 3700000<br />
kontakt@sernet.de<br />
FOTO ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
2 |<strong>2019</strong> 97
PROFIL<br />
TOPENTSCHEIDERIN<br />
Einfach und bequem – Steuerunterlagen per Klick<br />
concepta schenkt Zeit und befreit vom unliebsamen Aufwand.<br />
98 2 |<strong>2019</strong><br />
Stellen Sie sich vor, Sie fotografieren<br />
Ihren Bewirtungsbeleg noch im<br />
Restau rant und übermitteln ihn per<br />
App ans Steuerbüro, wo er sofort erfasst und<br />
hinterlegt wird. Und während Sie noch den<br />
Espresso trinken, laden Sie Ihr Kassenbuch<br />
aufs Display. Klingt bequem? Für concepta-<br />
Mandanten ist dies die zeitgemäße Form der<br />
Buchhaltung.<br />
Je nach Unternehmensgröße konfigurieren<br />
wir unser modulares System auf Ihre individuellen<br />
Erfordernisse: Angefangen von der<br />
digitalen Belegsammlung bis hin zu ‚MOBILE<br />
Reports‘, einer App, mit der Sie Ihre monatliche<br />
Gewinnrechnung, steuerliche Auswertungen<br />
und finanzielle Analysen einsehen<br />
kön nen. Sie haben jederzeit transparente<br />
Planungs sicherheit und können schnell Entscheidungen<br />
fällen. Auch im Café.<br />
Von der Finanz- und Lohnbuchhaltung bis<br />
hin zur Jahresabschluss- und Gewinnermittlung<br />
bieten wir einen vereinfachten Informations-,<br />
Daten- und Dokumentenaustausch.<br />
Zum Beispiel mit Schnittstellen zu verschiedenen<br />
Online-Portalen zur automatisierten<br />
Erfassung von Rechnungen. Eingangsrechnungen<br />
erfassen, wiederfinden und an Dritte<br />
versenden – diese zeitraubende Arbeit ersparen<br />
wir Ihnen.<br />
Vielleicht arbeiten Sie noch mit Akten oder<br />
sind teilweise digital aufgestellt: Wir beraten<br />
Sie auch vor Ort in Ihrem Unternehmen.<br />
Schritt für Schritt führen wir Sie an die digitalen<br />
Prozesse heran, sodass der Workflow effizient<br />
und endlich kein unliebsamer Aufwand<br />
mehr ist.<br />
SOLCHE ERLEICHTERUNGEN GEBEN Ihnen<br />
mehr Zeit für strategische Überlegungen.<br />
Vielleicht wollen Sie betriebswirtschaftliche<br />
Abläufe optimieren, wie zum Beispiel die Materialbeschaffung,<br />
die Lagerdauer, den effektiven<br />
Einsatz der Mitarbeiter, die Schnelligkeit<br />
bei Fakturierungs- und Mahnverfahren oder<br />
die Stundensatzkalkulation? Wir unterstützen<br />
und beraten Sie! Auf manche Fragen geben<br />
Ihnen kurze Videos auf unserer Webseite eine<br />
kompakte Antwort, für andere bieten wir das<br />
vertrauliche Gespräch.<br />
Geht es um Fragen zur Unternehmensführung,<br />
steht Ihnen Sonja Radisch (Foto),<br />
Partnerin der Kanzlei, zur Seite. Als Steuerberaterin<br />
und Business-Coach ist sie Ihre<br />
Ansprechpartnerin zu Themen wie Mitarbeiterführung,<br />
Arbeitsorganisation, Veränderungsprozesse,<br />
Gründung oder Betriebsübergabe<br />
bzw. -übernahme. Gemeinsam werden Sachverhalte<br />
analysiert und Strategien entwickelt,<br />
damit Sie Ihre Ziele erreichen. Wir sind einfach<br />
für Sie da!<br />
TEXT CLAUDIA KLAFT<br />
KONTAKT<br />
concepta Steuerberatung<br />
Wedekind Henniges Radisch Partnerschaft mbB<br />
Willi-Eichler-Straße 11<br />
37079 Göttingen<br />
Tel. 0551 99 73 90<br />
info@concepta.eu<br />
www.concepta.eu
PROFIL<br />
Aus Gedanken und Gefühlen<br />
entstehen Bilder<br />
Vom Polaroid zum digitalen Fotostudio: Katrin Benary lebt die Fotografie.<br />
Das Unplanbare reizt Katrin Benary<br />
(Foto). Die Fotografin liebt es, sich mit<br />
ihrer Kamera in neue Szenarien einzufühlen.<br />
„Sagen Sie mir Ihre Gedanken, Wünsche,<br />
Vorstellungen – ich mache ein Bild daraus",<br />
beschreibt sie ihre Arbeitsweise. Schon<br />
im Kindesalter entbrannte ihre Leidenschaft für<br />
die Fotografie: Sie assistierte und beobachtete,<br />
wenn ihr Vater Friedrich Benary die Blumen<br />
für seinen Samenzuchtbetrieb fotografierte.<br />
In zwischen fängt sie mit ihrer eige nen Kamera<br />
eindrucksvolle Landschaften, zwi schenmensch<br />
liche Atmosphäre oder besondere<br />
archi tek to nische Aspekte ein. So gewann sie<br />
bereits grenzübergreifend Preise. Teils be ein -<br />
druckt sie mit weitgehend unbearbeiteten<br />
Fotos, teils mit Doppel- bzw. Langzeitbelichtung<br />
und Montagearbeiten.<br />
Eine ihrer Lieblingsreihen ist die Fotoserie<br />
,Metamorphosen‘ zum Brandenburger Tor.<br />
In dieser kombiniert die berlinbegeisterte<br />
Fotografin aktuelle Aufnahmen mit historischen<br />
Postkartenmotiven. Wer vor der<br />
Auftragserteilung einen Überblick über die<br />
Werke von Katrin Benary bekommen möchte,<br />
kann dies in ihrer Ausstellung ,Stille‘ tun,<br />
die bis zum 1. September in der Göttinger<br />
Jakobikirche zu sehen ist.<br />
TEXT STEFAN LIEBIG<br />
KONTAKT<br />
katrinbenary photography<br />
Herzberger Landstr.40<br />
37085 Göttingen<br />
Tel. 0551 5316480<br />
ky.katrinbenary@icloud.com<br />
www.katrinbenary.com<br />
Wunderbar Unverpackt –<br />
Zurück zu den Wurzeln<br />
Mit Wunderbar Unverpackt hat die<br />
Jungunternehmerin Denise Gunkelmann<br />
(Foto) die ersten Unverpackt-<br />
Läden Braunschweigs und Göttingens eröffnet<br />
und damit eine Möglichkeit für die Bürger<br />
geschaffen, auf einfachem Wege Plastik und<br />
Ressourcen einzusparen. Bei Wunderbar Unverpackt<br />
können Kunden mit ihren eigenen<br />
Gläsern, Dosen oder Beuteln qualitativ hochwertige<br />
Bio-Lebensmittel bedarfsgerecht abfüllen<br />
und somit Plastik gleichermaßen wie<br />
Lebensmittelverschwendung vermeiden.<br />
Zusätzlich können viele weitere Artikel erworben<br />
werden, die das Bad, die Küche und<br />
den Alltag plastikfreier gestalten. „Auch wenn<br />
ich alleinige Gründerin und Geschäftsführerin<br />
bin, so konnten wir diese beiden tollen Läden<br />
nur gemeinsam aufbauen – dank der tatkräftigen<br />
Unterstützung und dem Einbringen<br />
individueller Fähigkeiten meiner Familie, meiner<br />
Freunde und Mitarbeiter wurde und wird<br />
Wunderbar Unverpackt erst lebendig.“<br />
Und auch das steckt in dem Slogan des<br />
jungen Unternehmens – es geht darum, wieder<br />
eine ehrliche und nachhaltige Beziehung<br />
zu guten Lebensmitteln, den Mitmenschen<br />
und unserer Natur aufzubauen und zu leben,<br />
ohne dabei auf etwas verzichten zu müssen.<br />
KONTAKT<br />
Wunderbar Unverpackt GmbH<br />
Groner-Tor-Straße 22<br />
37073 Göttingen<br />
wunderbar-unverpackt.de<br />
2 |<strong>2019</strong> 99
PROFIL<br />
TOPENTSCHEIDERIN<br />
Individuell. Persönlich. Anders.<br />
Immobilienkultur heißt in Göttingen seit 15 Jahren: Baum Beyer Immobilien.<br />
Frau Baum-Beyer, Sie sind jetzt seit fünfzehn<br />
Jahren mit wachsendem Erfolg in der Immobilienvermittlung<br />
in Göttingen tätig. Wie erklären<br />
Sie sich Ihren Erfolg?<br />
Es ist mir sehr wichtig, mit einem einfühlsamen<br />
und sehr persönlichen Service auf die<br />
individuellen Wünsche, Ansprüche und Bedürfnisse<br />
einzugehen. Mein Erfolg erklärt sich auch<br />
dadurch, dass ich kein austauschbares, anonymes<br />
Franchiseunternehmen, sondern eine inhabergeführte<br />
Einzelfirma bin. Mit Herz und<br />
Gefühl für Menschen biete ich einen Immobilienservice<br />
an, der über die Tätigkeiten einer<br />
klassischen Maklerin hinausgeht – und das hat<br />
sich in Göttingen positiv herum gesprochen.<br />
100 2 |<strong>2019</strong><br />
Sie sind gebürtige Göttingerin und leben mit<br />
Ihrem Mann, dem Rechtsanwalt Jürgen Beyer,<br />
und Ihren vier Kindern im Ostviertel. Wie wirkt<br />
sich Ihr familiäres Umfeld auf Ihren Beruf aus?<br />
Ich bin eine leidenschaftliche Mutter und<br />
kenne Göttingen wie meine Westentasche.<br />
So kann ich bei Haus- und Wohnungsbesichtigungen<br />
gleich praktische Tipps zur Infrastruktur<br />
geben: wo ein guter Arzt, der nächste<br />
Supermarkt, eine passende Schule oder eine<br />
Kita ist. Gerade Neubürger wissen meine<br />
Erfahrungen zu schätzen, z. B. bei Umzügen,<br />
Behörden, Winterdiensten oder Babysitting.<br />
Ich offeriere ein sehr persönliches, individuelles<br />
Serviceangebot, das sich auch auf die<br />
Empfehlung von Handwerkern oder Architekten<br />
und sehr gern auch auf Freizeit- und Kulturtipps<br />
bezieht. Ich kenne die Terminsorgen<br />
meiner Kunden und bin daher (fast) immer<br />
erreichbar – auch an Wochenenden – und<br />
richte mich bei Immobilienbesichtigungen<br />
nach dem Zeitplan der Kunden.<br />
Frau Baum-Beyer, wie sieht Ihre Marketingstrategie<br />
und Ihre Perspektive aus?<br />
Ich werde auch zukünftig auf Klasse statt auf<br />
Masse setzen. Ich werde potenzielle Kunden<br />
weder unaufgefordert anrufen noch ihnen<br />
Werbebriefe zusenden oder Rückantwortkarten<br />
in den Briefkasten stecken. Meine<br />
Immobilienvermittlung und -beratung wird<br />
direkt und diskret, seriös und persönlich individuell<br />
bleiben. Das ist meine Stärke und<br />
erklärt meinen Erfolg. Anstelle von Quantität<br />
biete ich Qualität, gepaart mit Kompetenz,<br />
Professionalität und Einfühlungsvermögen.<br />
Ich baue auf langjährige Erfahrung und bin<br />
auch DEKRA-zertifizierte Sachverständige für<br />
Immobilienbewertung D1. Ich biete also zu<br />
meinem Wohlfühlservice auch die Sicherheit<br />
eines fundierten Immobiliengutachtens.<br />
Es gibt Immobilienmakler<br />
… und es gibt<br />
Baum Beyer Immobilien<br />
KONTAKT<br />
Baum Beyer Immobilien<br />
Tel. 0551 205 25 75<br />
www.baum-beyer.de
PROFIL<br />
Ihr Firmenjubiläum darf<br />
etwas Besonderes werden –<br />
besonders nachhaltig !<br />
Wenn der Vorlauf schon Neugierde<br />
weckt, die Feier mit einem gewissen<br />
Extra begeistert und der Rückblick<br />
im Nachgang die Erinnerungen festigt – dann<br />
bekommt Ihr Unternehmen langfristig positive<br />
Aufmerksamkeit. Eine, die dem Anlass<br />
gerecht wird und von Kundenvertrauen und<br />
Mitarbeiterstolz zeugt.<br />
Für solch eine Nachhaltigkeit bieten wir<br />
Ihnen unsere gebündelten Kompetenzen –<br />
Marketing, Kommunikation und Event.<br />
Hand in Hand erstellen wir ein ganzheitliches<br />
Konzept, entlasten von Zeit- und Personalaufwand,<br />
kümmern uns um Organisation,<br />
Koordination, Durchführung bis hin zur Dokumentation<br />
mit Langzeiteffekt.<br />
Ihnen fehlen die personellen und zeitlichen<br />
Ressourcen, ein Jubiläum zu planen, auszurichten<br />
und öffentlichkeitswirksam zu vermarkten?<br />
Ihre Agentur ist mit den jährlichen<br />
Marketingaktivitäten ausgelastet? Sie wünschen<br />
sich den Blick für das Besondere?<br />
Bei Firmenjubiläum37 können Sie bis hin<br />
zum Rund-Um-Sorglos-Paket viele Leistungen<br />
für Ihr ganz spezielles Ereignis wählen.<br />
WIR STEHEN DAFÜR, dass Ihr Firmenjubiläum<br />
besonders wird – besonders nachhaltig!<br />
v.l.n.r. Claudia Klaft, „Worte für Ihren Erfolg / Monika Schulze,<br />
IWK Events / Kerstin Dudley, Managed-MARKETING<br />
KONTAKT<br />
Claudia Klaft | Monika Schulze |<br />
Kerstin Dudley<br />
mail@firmenjubilaeum37.de<br />
www.Firmenjubilaeum37.de<br />
FLUX steht für „alles fließt“<br />
Alles verändert sich. Ständig.<br />
Das FLUX Biohotel ist das erste klimaneutrale<br />
Biohotel in Deutschland,<br />
direkt an der Werra, an der südlichen<br />
Grenze Niedersachsens. Annette Rothweiler<br />
managt das Tagungs- und Veranstaltungshotel<br />
mit ihrem sympathischen Team. Hotel und<br />
Restau rant sind seit zehn Jahren biozertifiziert.<br />
Bereits seit den 1990er-Jahren hat sich<br />
die Fami lie dem Ökogedanken verpflichtet. In<br />
der Küche werden 100 Prozent Bio-Produkte,<br />
möglichst aus der Region, verarbeitet. Die kreative<br />
Tagungs- und Eventküche gibt es je nach<br />
Wunsch mit Fleisch, ohne Fleisch oder vegan.<br />
Annette und ihr Team haben für das FLUX<br />
im Laufe der letzten Jahre ein kluges und nachhaltiges<br />
Unternehmenskonzept entwickelt.<br />
Ökostrom ist selbstverständlich, genauso wie<br />
die Reinigungs- und Waschmittel sowie die<br />
Büro materialien natürlich umweltschonend<br />
sind. In den Zimmern steht für die Gäste<br />
Naturkosmetik bereit. Viele Umbaumaßnahmen<br />
der letzten Jahre wurden mit Naturbaustoffen<br />
sehr ansprechend umgesetzt. Das<br />
FLUX-Leitbild lautet: „Wir sind sparsam mit<br />
den Ressourcen, aber nicht mit der Qualität!“<br />
Das konsequent nachhaltige Wirtschaften<br />
im FLUX setzt bei Gästen und Team positive<br />
Energie frei. Das FLUX ist ein Wohlfühlort, an<br />
dem jeder Mensch herzlich und aufmerksam<br />
empfangen wird.<br />
KONTAKT<br />
FLUX – Biohotel im Werratal<br />
Inh. Annette Rothweiler<br />
Buschweg 40<br />
34346 Hann. Münden<br />
Tel. 05541 998-0<br />
info@flux-biohotel.de<br />
www.flux-biohotel.de<br />
2 |<strong>2019</strong> 101
PROFIL<br />
TOPENTSCHEIDERIN<br />
„Auch in Zeiten der Digitalisierung<br />
entscheidet immer noch das<br />
Know-How des Technikers über die<br />
Qualität der Arbeit.“<br />
Heike Goebel<br />
Zahntechnik: Berufung statt nur Beruf<br />
Heike Goebel hat nach dem Tod ihres Mannes die Leitung von IDS Dentaltechnik in Hedemünden übernommen.<br />
Qualität – das ist DER allumfassende<br />
Anspruch, den Heike Goebel (Foto)<br />
zusammen mit ihrem Mann konstant<br />
verfolgt, seit sie 1989 IDS Dentaltechnik gegründet<br />
haben. „Mein Mann und ich sind davor<br />
für drei Jahre nach Stuttgart gezogen, er<br />
besuchte die Meisterschule, und ich lernte in<br />
einem Labor sehr viel über hochwertige Technik“,<br />
erklärt Heike Goebel. „Das war ein guter<br />
Startschuss für unsere Selbstständigkeit, wir<br />
liefern beste Qualität, und das hat uns gute<br />
und langjährige Kunden gebracht.“<br />
Heike Goebel arbeitete neben ihrem Mann<br />
als Angestellte im eigenen Betrieb, bis sie im<br />
vergangenen Jahr nach dem Tod ihres Mannes<br />
die Leitung des Labors übernahm.<br />
Dass sie das Labor trotz dieses Schicksalsschlages<br />
und der Schieflage, in der es sich befand,<br />
weiterführt, war für sie sofort klar. „Ich<br />
hatte bei meiner Entscheidung das absolut<br />
sichere Gefühl, dass ich das Richtige tue.“<br />
Und auch die langjährigen Mitarbeiter stehen<br />
komplett hinter ihrer neuen Chefin. Mit einem<br />
Schmunzeln sagt sie: „Wir sind ein kompetentes<br />
Team mit ganz viel Herz, Hirn und Humor.“<br />
Das Leistungsangebot der IDS Dentaltechnik<br />
umfasst bis auf die Kieferorthopädie<br />
das gesamte Spektrum der modernen<br />
Zahntechnik. Durch gezielte Fortbildungen<br />
und das DIR-System ist die Versorgung von<br />
Patienten mit CMD zu einem Schwerpunkt<br />
geworden. Ein weiterer ist die Frontzahnästhetik.<br />
„Ein Patient, der mit seinen neuen<br />
Zähnen glücklich ist und gerne wieder lacht,<br />
ist das schönste Geschenk für uns. Uns ist<br />
wichtig, dass der Patient nicht nur irgendwie,<br />
sondern bestmöglich versorgt wird“,<br />
betont sie.<br />
DER AUSTAUSCH MIT ZAHNÄRZTEN hilft<br />
dabei. „Es gibt Kunden, die mit uns im Vorfeld<br />
die Behandlung besprechen. Da kommt dann<br />
das Know-how aus dem zahntechnischen mit<br />
dem aus dem medizinischen Bereich zusammen<br />
– das ergibt eine perfekte Synergie.“<br />
Und diese möchte sie weiter ausbauen. In<br />
den vergangenen Jahren besuchte sie verschiedene<br />
Seminare zur Persönlichkeitsentwicklung,<br />
darunter NLP, Wingwave und Hypnose.<br />
„Wenn ich jetzt mal so in die Zukunft<br />
denke, ist es eine Überlegung, ob ich Praxen<br />
anbiete, mit Angstpatienten zu arbeiten und<br />
ihnen so einen stressfreien Besuch beim<br />
Zahnarzt ermögliche.“<br />
Eines wird deutlich: Heike Goebel liebt ihren<br />
Beruf, mit allem, was dazugehört – das<br />
spürt man!<br />
GIBT ES AUSSER ZAHNTECHNIK auch<br />
noch etwas anderes in ihrem Leben? Sie lacht.<br />
„Oh ja, ich habe drei wundervolle Kinder! Sie<br />
sind das schönste Geschenk von meinem<br />
Mann und das definitiv Wichtigste in meinem<br />
Leben. Außerdem genieße ich es, draußen in<br />
der Natur zu sein, zu lesen, Seminare zu besuchen<br />
und mit Freunden zusammenzusein.“<br />
KONTAKT<br />
TEXT CAROLIN SCHÄUFELE<br />
IDS Dentaltechnik<br />
Theodor-Heuss-Straße 8<br />
34346 Hann. Münden / Hedemünden<br />
Tel. 05545 1818<br />
info@ids-dentaltechnik.de<br />
FOTO LUKA GORJUP<br />
102 2 |<strong>2019</strong>
PROFIL<br />
Kunden und Mitarbeiter –<br />
die Schlüssel zum Erfolg<br />
reimanndirect marketing überzeugt seit 1991 durch<br />
Flexibilität und Zuverlässigkeit.<br />
Ich bin stolz auf unsere langjährigen treuen<br />
Kunden und auf meine Mitarbeiter, die<br />
mich teilweise bereits seit der Firmengründung<br />
begleiten“, sagt Petra Reimann. Und<br />
tatsächlich hat die Inhaberin von reimanndirect<br />
marketing allen Grund dazu, denn ihr<br />
Unternehmen existiert seit 1991. Die Einbecker<br />
Dienstleisterin und ihr Team sind Experten für<br />
Dialogmarketing-Maßnahmen. Auf einem sich<br />
schnell wandelnden Markt bleibt reimanndirect<br />
marketing immer auf dem neuesten Stand der<br />
Entwicklung.<br />
Das Portfolio reicht vom manuellen Verpacken<br />
und Versenden von Werbesendungen<br />
und Warenproben über Werbemitteldistribution<br />
bis hin zur Onlineshop-Betreuung und<br />
Geschäftsabwicklung für einen branchenübergreifenden<br />
Kundenstamm.<br />
reimanndirect marketing betreut Groß- und<br />
Kleinkunden und ist in der Auftragsabwicklung<br />
sehr flexibel. „Weil es bei uns keine Hierarchien<br />
gibt, handeln wir schnell und zuverlässig, das<br />
schätzen unsere Kunden“, erläutert Petra Reimann.<br />
Sie weiß, was Kunden heutzutage wünschen,<br />
und ist sich bewusst, dass zu einer erfolgreichen<br />
Entscheiderin immer zwei wesentliche<br />
Faktoren gehören: „Das sind die zufriedenen<br />
Kunden und die engagierten Mitarbeiter. Ohne<br />
diese beiden wäre ein Erfolg überhaupt nicht<br />
möglich.“<br />
TEXT STEFAN LIEBIG<br />
KONTAKT<br />
reimanndirect marketing<br />
Kapellenstraße 43<br />
37574 Einbeck<br />
Tel. 05561 93210<br />
www.reimanndirect.de<br />
Aufstiegschancen und<br />
Familienfreundlichkeit<br />
Christina Höch und Andrea Hungerland blicken für die<br />
Mandanten auch über den Tellerrand hinaus.<br />
Diplom-Kauffrau Christina Höch (r.) und<br />
Andrea Hungerland ergänzen seit Anfang<br />
<strong>2019</strong> die Geschäfts führung von<br />
HSP STEUER Göttingen. Seitdem leiten die beiden<br />
mittlerweile sechs Jahre im Unternehmen<br />
tätigen Steuerexpertinnen gemeinsam mit Mario<br />
Renneberg und Dr. Marco Scheuchzer die<br />
vor allem für den Mittelstand tätige Kanzlei.<br />
Als Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin<br />
befasst sich die 40-jährige Christina Höch<br />
schwerpunktmäßig mit der Prüfung größerer<br />
Unternehmen, während die 39-jährige Steuerberaterin<br />
Andrea Hungerland als Allrounderin<br />
ihre Spezialität im Bereich der Jahresabschlussbetreuung<br />
sieht. Beiden gemeinsam<br />
ist die Philosophie, über den Tellerrand<br />
zu schauen und nachhaltige Tipps auch abseits<br />
der Zahlen zu geben.<br />
„Der gesunde Menschenverstand bringt uns<br />
oft entscheidend weiter“, sagt Höch. Für sie<br />
und Hungerland stellt der Fachkräftemangel<br />
eine Herausforderung der Zukunft dar und<br />
das nicht nur für die Mandanten: Denn auch<br />
HSP STEUER Göttingen sucht nach qualifizierten<br />
Fachleuten. „Aufstiegschancen und<br />
Vereinbarkeit mit der Familie sind charakteristisch<br />
für unsere Kanzlei“, schätzt Hungerland<br />
als zweifache Mutter die Möglichkeit, im<br />
Home office zu arbeiten besonders.<br />
TEXT STEFAN LIEBIG<br />
KONTAKT<br />
HSP STEUER Göttingen GmbH<br />
Steuerberatungsgesellschaft<br />
Stresemannstraße 28c<br />
37079 Göttingen<br />
Tel. 0551 8208070<br />
www.hsp-steuer.de/goettingen<br />
2 |<strong>2019</strong> 103
PROFIL<br />
TOPENTSCHEIDERIN<br />
Individuelle Förderung ist alles<br />
Eine Frau an der Spitze eines führenden<br />
IT-Unternehmens – in Deutschland<br />
noch die Ausnahme. Für Dr. Martina<br />
Städtler- Schumann (Foto) seit über 20 Jahren<br />
gelebte Normalität. „Von Beginn an führe ich<br />
dieses Familienunternehmen, das inzwischen<br />
auf über 130 Mitarbeiter gewachsen ist, erklärt<br />
die Geschäftsführerin des Göttinger Softwareund<br />
Beratungsunternehmens SCHUMANN.<br />
Das Unternehmen entwickelt in einem<br />
Nischenmarkt Softwarelösungen für internationale<br />
Unternehmen. Städtler-Schumann<br />
empfindet Frauen gerade in diesem Beratungsund<br />
Software-Umfeld als Bereicherung. „Frauen<br />
sind für unsere Projektarbeit unverzichtbar,<br />
sie führen anders und bringen andere Aspekte<br />
in die Projektdiskussionen ein.“ Schon länger<br />
sorgt das Unternehmen auch selbst für Nachwuchs<br />
und bildet gern Frauen zur Fachinformatikerin<br />
für Anwendungs entwicklung aus.<br />
„Gerade erst wurde eine junge Frau mit ihrer<br />
Ausbildung fertig und ist schon jetzt ein unverzichtbarer<br />
Teil des Teams“, sagt Städtler-<br />
Schumann zufrieden.<br />
104 2 |<strong>2019</strong><br />
Direkte Maßnahmen zur Frauenförderung<br />
betreibt das Unternehmen jedoch nicht. „Zu<br />
unterschiedlich sind die persönlichen Lebenswege<br />
und Bedürfnisse, wir versuchen<br />
daher einfach, flexible Arbeitsbedingungen<br />
zu schaffen und fördern jeden individuell<br />
anhand seiner Persönlichkeit, seinen Kompetenzen<br />
und Erfahrungen. Und das natürlich<br />
un abhängig vom Geschlecht“, betont<br />
Städtler- Schumann. Doch natürlich ist gerade<br />
für Frauen die Vereinbarkeit von Familie<br />
und Beruf ein Thema.<br />
Städtler-Schumann berichtet: „Als Mutter<br />
zweier inzwischen erwachsener Söhne weiß<br />
ich, wie wichtig Flexibilität ist. Wenn es zum<br />
Beispiel möglich ist, auch mal zum Mittagessen<br />
zu Hause zu sein und stattdessen<br />
abends länger zu arbeiten, macht das vieles<br />
einfacher.“ Flexible Arbeitszeiten, die Möglichkeit<br />
der Arbeitszeitreduzierung oder von<br />
Home office-Tagen sind da nur einige Stichworte,<br />
die es vereinfachen, die Herausforderungen<br />
von Familie und Berufsleben bei<br />
SCHUMANN glücklich zu meistern.<br />
Als erfolgreiche Unternehmerin verfügt<br />
Städtler-Schumann über einen reichen Erfahrungsschatz.<br />
Flexibilität und die Berücksichtigung<br />
der Individualität jedes Einzelnen sind<br />
die wichtigsten Förderungsaspekte, da ist sie<br />
sich sicher. „Unsere Mitarbeiter danken es<br />
mit großem Einsatz und langjähriger Firmenzugehörigkeit.<br />
Frauen und Männer“, fügt sie<br />
lächelnd hinzu.<br />
KONTAKT<br />
Prof. Schumann GmbH<br />
Weender Landstraße 23<br />
37073 Göttingen<br />
Tel. 0551 383150<br />
info@prof-schumann.de<br />
www.prof-schumann.de
PROFIL<br />
„Wir kümmern uns um<br />
Ihre Werte“<br />
Expertin für Bank- und Kapitalmarktrecht:<br />
Angelika Jackwerth<br />
Die Göttinger Fachanwältin Angelika<br />
Jackwerth zählt zu den wenigen Frauen,<br />
die sich in eigener Kanzlei auf<br />
Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisiert haben.<br />
„Wir kümmern uns um Ihre Werte“, verspricht<br />
die Göttingerin und verweist darauf,<br />
dass sie sich seit über 20 Jahren erfolgreich<br />
in allen Fragen rund um Geldanlagen für ihre<br />
Mandanten einsetzt.<br />
Dabei überzeugt ihre Kanzlei mit fundierter<br />
Prozesserfahrung bei Gerichten in der gesamten<br />
Bundesrepublik. „Mir ist die persönliche<br />
Beratung der Mandanten wichtig“, erklärt<br />
Jackwerth, die auch für die Verbraucherzentrale<br />
tätig ist. Das beginnt schon mit einer<br />
recht lichen Prüfung vor der Unterschrift<br />
unter einen Vertrag für eine Geldanlage und<br />
ist essenziell, wenn es bereits Probleme zum<br />
Beispiel mit einem geschlossenen Fonds oder<br />
einem Darlehensvertrag gibt. Gemeinsam mit<br />
den Mandanten wird eine individuelle Lösung<br />
gesucht, um deren Recht und Ansprüche<br />
außer gerichtlich oder – wenn erforderlich – vor<br />
Gericht durchzusetzen. Ein weiteres Spezialgebiet<br />
der Kanzlei sind faire Geldanlagen.<br />
KONTAKT<br />
Angelika Jackwerth<br />
Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht<br />
Thomas-Mann-Straße 3<br />
37075 Göttingen<br />
Tel. 0551 29176220<br />
kanzlei@ra-jackwerth.de<br />
www.ra-jackwerth.de<br />
Eine Scheune voller Ideen<br />
Margitta Beckens Eldorado für Dekofans<br />
seit fast zehn Jahren.<br />
Gartenfestivals waren für die Gärtnereibesitzer<br />
Margitta Becken und ihren<br />
Ehemann schon immer faszinierend.<br />
Als sie mit ihrem außergewöhnlichen Pflanzenangebot<br />
2009 erstmalig an einem Gartenmarkt<br />
teilnahmen, legte dies den Grundstein für einen<br />
ganz neuen Geschäftszweig.<br />
Um ihre Pflanzen optimal zu präsentieren,<br />
dekorierte Becken den Stand mit ausgefallenen<br />
Accessoires. Das Konzept schlug ein, die Besucher<br />
des Standes wollten mehr: Sie wollten sehen,<br />
woher diese ungewöhnlichen Deko stücke<br />
kommen. Die Nachfrage führte dazu, dass das<br />
Nachbargrundstück gekauft, ein dort stehendes<br />
Wohnhaus abgerissen und eine Scheune<br />
renoviert wurde. So entstand die Scheune<br />
der schönen Dinge mit 1.600 Quadratmetern<br />
Ausstellungsfläche, zum Eintauchen in die<br />
Welt der Dekorationen für Haus und Garten.<br />
Gerne gibt die Dekorationsexpertin auch Anregungen,<br />
wie sich die gekauften Gegenstände<br />
dekorieren lassen – DIY-Tipps gehören ebenso<br />
zum Programm wie verschiedene Spezialevents<br />
zu jahreszeitlichen Themen. Besonders beliebt<br />
ist die LadiesNight im November bei romantischem<br />
Kerzenlicht und Prosecco. Insidertipp<br />
für diese Nacht: der Freundinnenrabatt auf<br />
ausgewählte Artikel! TEXT CAROLIN KÖPP<br />
KONTAKT<br />
Scheune der schönen Dinge<br />
Oberdorf 11<br />
37124 Rosdorf-Volkerode<br />
Tel. 05509 1893<br />
Mobil 0160 99386791<br />
www.scheune-der-schönen-dinge.de<br />
FOTO LUKA GORJUP<br />
2 |<strong>2019</strong> 105
PROFIL<br />
TOPENTSCHEIDERIN<br />
Da stand ich dann, am ersten Tag<br />
Mit Know-how und Herz leitet Nadine Ewald heute als Filialleiterin die Apotheke am Theater.<br />
Mit konzentriertem Blick erklärt sie<br />
der Kundin die Wirkung des Medikaments,<br />
hat dabei aber immer<br />
auch einen Blick in den Apothekenraum.<br />
Nadine Ewald (Foto) ist Filialleiterin der<br />
Apotheke am Theater: „Ich bin zu dieser Aufgabe<br />
ein wenig wie die Jungfrau zum Kinde<br />
gekommen“, erklärt sie. Als sie vor zehn Jahren<br />
in der Apotheke anfing, sollte sie erst eine<br />
Ein arbeitung bekommen: „Doch mein ‚Anlerner’<br />
wurde krank, und ich musste mit ein bisschen<br />
Praktikumserfahrung selbst entscheiden.<br />
Da stand ich dann, am ersten Tag.“ Ursprünglich<br />
wollte die gebürtige Bitterfelderin Chemie<br />
studieren, entschied sich jedoch dagegen, da<br />
ihr das Studium zu einseitig erschien. Die<br />
Wahl der Pharmazie war sehr bewusst und<br />
durchdacht.<br />
DIE 37-JÄHRIGE LIEBT IHRE ARBEIT, ist der<br />
Pharmazie mit Haut und Haar verschrieben.<br />
In ,ihrer‘ Apotheke hat sie neben den klassischen<br />
Medikamenten auch der Homöopathie<br />
und Naturheilkunde einen großen<br />
Bereich eingeräumt. „Wir stellen homöopathische<br />
Mittel auch selbst her – damit sind wir<br />
106 2 |<strong>2019</strong><br />
auch noch mal ein ganzes Stückchen näher<br />
an dem ursprünglichen Apothekerberuf dran,<br />
der früher ein Handwerk war.“ Das Know-how<br />
für die Herstellung der homöopathischen<br />
Medikamente sei durch die Übernahme der<br />
Löwen-Apotheke gekommen.<br />
Heute bestünde der Apothekerberuf aus<br />
viel Theorie. „Ich muss als Apothekerin genau<br />
wissen, welches Insulin für welchen Diabetes-<br />
Typ geeignet ist, ob sich ein bestimmtes<br />
Blutdruckmedikament mit anderen verschriebenen<br />
Tabletten verträgt und was auf keinen<br />
Fall miteinander kombiniert werden darf.“<br />
EWALD SCHÄTZT VOR ALLEM den Kontakt<br />
zu den Kunden, steht neben ihrem Team im<br />
Verkaufsraum der Apotheke und berät. Natürlich<br />
seien Internet-Apotheken eine Konkurrenz,<br />
doch man müsse mit der Zeit gehen<br />
– etwa mit eigenem Online-Shop. Ewald sagt,<br />
manche Kunden bekommt man – auch im Bereich<br />
Homöopathie – sonst einfach nicht, die<br />
erreicht man nicht. Und so hat die Apotheke<br />
am Theater im März auch das erste Mal eine<br />
Ladys Night veranstaltet, um Naturkosmetik<br />
zu präsentieren.<br />
Wichtig in ihrem Job sei es, auf dem Laufenden<br />
zu bleiben, Fortbildungen und Schulungen<br />
zu besuchen und Fachartikel zu lesen.<br />
„Ich muss einfach mein ganzes Wissen<br />
demjenigen zur Verfügung stellen, der vor mir<br />
steht“, so Ewald. Das gelte für alle, die in der<br />
Apotheke arbeiten. Wichtig sei auch vor allem:<br />
„Ein Team muss funktionieren, Kunden merken<br />
sofort, wenn da die Chemie nicht stimmt,<br />
aber das passt hier alles.“<br />
KONTAKT<br />
Apotheke am Theater<br />
Theaterstr. 17<br />
Tel. 0551 58411<br />
apothekeamtheater@t-online.de<br />
www.apothekeamtheater.de<br />
TEXT CAROLIN SCHÄUFELE<br />
FOTO LUKA GORJUP
PROFIL<br />
Von Mensch zu Mensch<br />
Pollok und Wiesemann, Rechtsanwälte und Notar in<br />
Bürogemeinschaft mit Karen Pollok LL.M., Rechtsanwältin<br />
Seit 60 Jahren stehen wir Ihnen mit unserer<br />
Kanzlei in Northeim als kompetente<br />
Rechtsberater im Raum Südniedersachsen<br />
zur Verfügung.<br />
Sie haben ein Problem mit Ihrem Mieter<br />
oder Vermieter? Sie benötigen einen Rechtsbeistand<br />
in einem strafrechtlichen Verfahren?<br />
Sie haben einen Verkehrsunfall erlitten oder<br />
einen Bußgeldbescheid erhalten? Fordern Sie<br />
unsere Erfahrung und Kompetenz! Umfassenden<br />
Rechtsbeistand geben wir Ihnen im<br />
Mietrecht, Familien-, Straf- und Verkehrsrecht<br />
sowie in allen notariellen Angelegenheiten wie<br />
beispielsweise Grundstückskauf, Vorsorgeund<br />
Nachlassangelegenheiten.<br />
Seit 2014 arbeiten wir erfolgreich in Bürogemeinschaft<br />
mit der Rechtsanwältin Karen<br />
Pollok zusammen, wodurch wir Ihnen zusätzlich<br />
fundierte Beratung im Sozial-, Arbeitsund<br />
Betreuungsrecht anbieten können. Zögern<br />
Sie nicht, uns anzusprechen. Wir helfen<br />
Ihnen gerne weiter!<br />
KONTAKT<br />
Pollok & Wiesemann<br />
Eichstätte 10–12<br />
37154 Northeim<br />
Tel. 05551 62036<br />
info@pollok-wiesemann.de<br />
www.pollok-wiesemann.de<br />
Eigensinn macht Spaß !<br />
Und ich erlaub’ mir das !<br />
Im besten Sinne ,Eigen-Sinn‘ – ein Eigensein mit Eigenart,<br />
schenkt eigenwilligen Gewinn: dem, der heiter drauf beharrt.<br />
Eigensinn macht Spaß ! Und ich erlaub’ mir das !<br />
KONTAKT<br />
Und diese Art von ,Eigen-Sinn‘ wächst eher leise, eher zart;<br />
stellt sich für ihre Werte hin: begründet Tun auf Sein apart.<br />
Eigensinn macht Spaß ! – Erlauben Sie sich das ?<br />
© GISELHEID SCHULZ-ËBERLIN<br />
Giselheid Schulz-Ëberlin<br />
Autorin & Eigen-Sinn-Coach<br />
Weender Straße 22<br />
37073 Göttingen<br />
brief@giselheid-schulz-eberlin.de<br />
www.giselheid-schulz-eberlin.de<br />
FOTO SYLKE GALL<br />
2 |<strong>2019</strong> 107
PROFIL<br />
TOPENTSCHEIDERIN<br />
Kurzvita<br />
Frau Dr. Simone Krieger arbeitet im Team der<br />
Demes Consulting, sie ist Systemischer Coach<br />
(DCV) und Personenzentrierte Beraterin<br />
(GwG), Autorin und arbeitet analytisch.<br />
Frau Krieger ist verheiratet und hat zwei Kinder.<br />
150 persönliche Facebook-Likes – oder der<br />
Algorithmus wo jeder mit muss ?<br />
Nur 150 persönliche Facebook-Likes<br />
genügen dem Computer, um eine<br />
erstaunlich präzise Analyse Ihrer<br />
persönlichen Verhaltensmuster zu erstellen.<br />
Genauer, als ihre Familie und vielleicht sogar<br />
ihr eigener Partner sie beschreiben könnten!<br />
Grundlage dieser Analysen sind die Daten<br />
von mehr als 80.000 Facebook-Nutzern, die<br />
freiwillig ihre Likes zur Untersuchung frei gegeben<br />
haben!<br />
Heerscharen von Psychologen und Hirnforschern<br />
sind heute damit beschäftigt, unser<br />
Verhalten zu erkennen und wir liefern mehr<br />
oder weniger freiwillig alle unsere ganz persönlichen<br />
Interessen und Vorlieben im Netz<br />
ab. Ob nun bei Facebook oder beim Shoppen<br />
im Internet, der Gesichtserkennung oder dem<br />
Fingerprint-Sensor am Smartphone spielt dabei<br />
keine Rolle!<br />
DIE SO GEWONNEN ERKENNTNISSE gehören<br />
leider nicht uns sondern werden von<br />
denen genutzt, die sie in Auftrag gegeben<br />
haben und wenn wir uns nicht ab sofort eine<br />
völlige Internetabstinenz verordnen, werden<br />
wir das kaum verhindern können. Für uns war<br />
der Gedanke reizvoll, „wenn eh alle alles über<br />
mich wissen, dann will ich auch wissen, was<br />
schon längst bekannt zu sein scheint“. Wir<br />
haben daraufhin jegliche Theorie „zu Hause“<br />
gelassen und mit unseren Kunden in Management<br />
& Führung diskutiert, welche Informationen<br />
im Unternehmensalltag von Interesse<br />
sind und wie diese Daten bereitgestellt werden<br />
könnten. Die Resonanz war hoch und<br />
kaum ein Unternehmen, das nicht schon Erfahrungen<br />
damit gesammelt hatte, um ihre<br />
Mitarbeiter z.B. in farbige Klassen einzuordnen<br />
und ihnen über rote, gelbe, grüne oder<br />
blaue Erkennungsmerkmale gewisse Verhaltenstendenzen<br />
zuzuordnen.<br />
WIR HABEN DIE ERFAHRUNG GEMACHT,<br />
dass bei den Leistungsträgern im Unternehmen<br />
ein großes Interesse vorhanden ist, mehr<br />
über sich und die eigenen Verhaltensweisen besonders<br />
auch im Grenzbereich zu erfahren. Im<br />
normalen Tagesgeschäft läuft alles rund aber<br />
wenn im Team der Stresslevel steigt kommen<br />
manche schneller an ihre Grenzen als andere.<br />
Dann entstehen zwangsläufig Frust und Konflikte,<br />
die die eigene Leistung und auch die<br />
eines Teams beeinflussen können. Aus einem<br />
Topteam wird dann schnell ein Flopteam!<br />
HIER SETZT DIE DEMES CONSULTING an<br />
und konfiguriert Analysen zielorientiert gemeinsam<br />
mit dem Management - bei Bedarf<br />
Weltweit in 19 Sprachen. Mit den Ergebnissen<br />
lassen sich die Dynamiken in Teams sichtbar<br />
machen. In schwierigen Zeiten handlungsfähig<br />
zu bleiben und ergebnisorientiert zu<br />
arbeiten ist hier das Ziel. Leadership-Alignment,<br />
also den Schulterschluss im Management-Team<br />
gemeinsam zu erreichen und z.B.<br />
über eine Agile-Teamvernetzung das Wissen<br />
in den Köpfen aller nutzbar zu machen, birgt<br />
oft ungeahnte Wachstumspotenziale.<br />
KONTAKT<br />
Demes Consulting<br />
Dr. Simone Krieger<br />
Kapitän-Lehman-Str. 2<br />
37083 Göttingen<br />
Tel. 0551 7709-803<br />
Mobil: 0176/82324167<br />
Simone.Krieger@demes-consulting.de<br />
www.demes-consulting.de<br />
FOTO LUKA GORJUP<br />
108 2 |<strong>2019</strong>
PROFIL<br />
Zurück in den Beruf<br />
Angebote für Wiedereinsteigerinnen und Unternehmen<br />
Die Wirtschaft klagt über Fachkräftemangel<br />
– und viele gut qualifizierte<br />
Frauen erstreben einen beruflichen<br />
Wieder einstieg, der mit der Familie vereinbar<br />
ist. „Unser Beratungs- und Bildungsangebot<br />
bietet Frauen und Elternzeitlern die Möglichkeit,<br />
sich zu orientieren und gemeinsam einen<br />
individuellen Weg zu entwickeln. Langjährige<br />
Erfahrungen zeigen, dass der Wiedereinstieg<br />
mithilfe einer qualifizierten Unterstützung<br />
ge lingen kann“, sagt Dr. Natalia Hefele und<br />
beschreibt damit das Anliegen der Koordinierungsstelle<br />
‚Frauenförderung in der privaten<br />
Wirtschaft‘. Die Koordinierungsstelle, gefördert<br />
von der EU, dem Land Niedersachsen,<br />
der Stadt und dem Landkreis Göttingen, versteht<br />
sich als Bindeglied zwischen der regionalen<br />
Wirtschaft, dem Arbeitsmarkt und den<br />
hier lebenden Frauen.<br />
„In unserem Verbund ‚Frau und Betrieb e. V.‘<br />
haben sich Unternehmen aus unterschiedlichen<br />
Branchen vernetzt und engagieren sich<br />
für eine lebensphasenorientierte Personalpolitik“,<br />
so Dr. Hefele. „Ich unterstütze Arbeitgeberinnen<br />
und Arbeitgeber gerne dabei, familienfreundliche<br />
Maßnahmen zu erarbeiten.“<br />
KONTAKT<br />
Koordinierungsstelle ,Frauenförderung in<br />
der privaten Wirtschaft‘ / Geschäftsstelle<br />
Verbund ,Frau und Betrieb e.V.‘<br />
Dr. Natalia Hefele<br />
Stadt Göttingen<br />
Hiroshimaplatz 1–4, 37083 Göttingen<br />
Tel. 0551 400 2860<br />
www.frauen-wirtschaft.de<br />
FOTO LUKA GORJUP<br />
Zeit für Entscheidungen<br />
Im Mittelpunkt von Mutter und Tochter steht<br />
immer die gesamte Familie.<br />
Das Behandlungsspektrum der Göttinger<br />
Zahnärztinnen Kremer umfasst<br />
nahezu alle Bereiche der modernen<br />
Zahnheilkunde, Zahnersatz, Wurzelkanal- und<br />
Zahnfleischbehandlungen sowie hochwertige<br />
Füllungen. Für die Kleinsten sind über den<br />
Behandlungsstühlen Bildschirme montiert.<br />
Bei Bedarf kann eine Behandlung auch unter<br />
Lachgas oder Vollnarkose stattfinden.<br />
IHRE ERSTE PRAXIS eröffnete Dr. Barbara<br />
Kremer im April 1991 auf dem Mittelberg. Neun<br />
Jahre später beschloss sie, sich im Bereich<br />
Kinder- und Jugendzahnheilkunde fortzubilden.<br />
Damit war sie die erste Kinderzahn ärztin<br />
in Göttingen und Umgebung – und der Zulauf<br />
war enorm.<br />
ENDE 2006 kam Tochter Dr. Kristina Kremer<br />
in die Praxis dazu, und die Räume auf dem<br />
Mittel berg waren schnell zu klein. Eine Entscheidung<br />
musste her: „Wir ziehen um!“ Es folgte<br />
ein aufwendiger Ausbau der Praxisräume im<br />
Alfred-Delp-Weg, bevor diese im Mai 2012<br />
bezogen werden konnten. Aber das war noch<br />
nicht das Ende, denn 2015 stand für die Kremers<br />
bereits die nächste Entscheidung und<br />
damit eine neue Baumaßnahme an: die Erweiterung<br />
der Praxis. Hier sind Mutter und Tochter<br />
mit ihrem Team stets für ihre Patienten da.<br />
KONTAKT<br />
Zahnärzte auf den Terrassen<br />
Dr. Barbara Kremer<br />
Dr. Kristina Kremer<br />
Alfred-Delp-Weg 6<br />
37085 Göttingen<br />
Tel: 0551 795323<br />
info@familienzahnarzt-kremer.de<br />
www.familienzahnarzt-kremer.de<br />
2 |<strong>2019</strong> 109
mensch<br />
Klare Worte<br />
gegen die Quote<br />
Die Frauenquote ist ein äußerst umstrittenes Thema: Sie legt fest, dass in bestimmten Großunternehmen<br />
die Aufsichtsräte zu mindestens 30 Prozent von weiblichen Mitarbeitern besetzt werden.<br />
<strong>faktor</strong> hat Top-Entscheiderinnen in Südniedersachsen dazu nach ihrer ganz persönlichen Meinung gefragt –<br />
und eindeutige Antworten erhalten.<br />
110 2 |<strong>2019</strong>
mensch<br />
KIRSTEN WEBER<br />
Hauptgeschäftsführerin des Arbeitgeberverbands<br />
Mitte e. V.<br />
„Jede Frau, die das Können hat, kann auf eine<br />
Frauenquote verzichten – die Einführung bzw.<br />
Ausweitung einer Frauenquote ist der falsche<br />
Weg! Das besonders häufig bemühte Argument<br />
für die Frauenquote ist, dass eine Frau bei gleicher<br />
Eignung die gleiche Chance haben soll wie<br />
ein männlicher Bewerber. Dumm nur, dass eine<br />
Quotenregelung genau dem (Leistungsprinzip)<br />
widerspricht. Die Entscheidung für oder gegen<br />
einen Bewerber darf sich nur nach objektiven<br />
Kriterien – Eignung hinsichtlich Stellen- und<br />
Persönlichkeitsprofil, Befähigung hinsichtlich<br />
Leistung und Qualifikation – richten.<br />
Zu befürchten ist zudem, dass viele Unternehmen<br />
eine Auseinandersetzung um die Quote<br />
dadurch zu vermeiden suchen, dass sie –<br />
auch bei vielleicht nicht gleicher Eignung –<br />
die Bewerberin einstellen. Ich bin der festen<br />
Überzeugung, dass eine Frauenquote nicht hilft,<br />
sondern es nur schlimmer macht. Jede Frau,<br />
die Jahre gebraucht hat, um sich ihre Führungsposition<br />
und den zugehörigen Respekt zu<br />
erarbeiten, darf sich dann wieder den Stempel<br />
,Quotenfrau‘ aufdrücken lassen. “<br />
»Frauen, die aufgrund einer Quotenregelung in eine<br />
Führungsposition gelangen, werden es schwer haben,<br />
sich durchzusetzen und sich den Respekt und die<br />
Wertschätzung der Kollegen zu verschaffen.«<br />
SUSANNE HELLER<br />
Inhaberin Betten Heller<br />
„Natürlich bin ich dafür, dass Frauen bei gleicher<br />
Qualifikation auch die gleichen Chancen auf<br />
Führungspositionen haben wie Männer. Allerdings<br />
glaube ich nicht, dass eine Frauenquote<br />
das geeignete Instrument ist, dies durchzusetzen.<br />
Frauen, die aufgrund einer Quotenregelung in<br />
eine Führungsposition gelangen, werden es<br />
schwer haben, sich durchzusetzen und sich den<br />
Respekt und die Wertschätzung der Kollegen zu<br />
verschaffen. Ich möchte keine Quotenfrau sein!<br />
Vielmehr müssen die Hindernisse beseitigt<br />
werden, die Frauen bisher davon abhalten, Führungspositionen<br />
zu übernehmen: Flexible<br />
Kinder betreuung, Karrierechancen auch in Teilzeit,<br />
weibliche Vorbilder, starke berufliche Netzwerke,<br />
die Anerkennung der Qualifikation von<br />
Frauen und das Wissen, dass heterogene Teams<br />
in der Regel bessere Entscheidungen treffen,<br />
können Frauen ermutigen und ermächtigen,<br />
auch im Beruf mehr Verantwortung zu<br />
übernehmen. “<br />
SUSANNE HELLER<br />
2 |<strong>2019</strong> 111
mensch<br />
ANNA-LENA KEILHOLZ<br />
Geschäftsführerin der HKS Sicherheitsservice<br />
GmbH<br />
DANIELA RUHSTRAT<br />
Geschäftsführerin Ruhstrat Haus und<br />
Versorgungstechnik GmbH<br />
„Die Besetzung von Führungspositionen<br />
sollte sich meines Erachtens nicht<br />
strikt nach einer Quotenregelung richten.<br />
Stattdessen müssen seitens Politik und<br />
Wirtschaft Rahmenbedingungen geschaffen<br />
werden, die ein Umdenken<br />
der deutschen Unternehmenslandschaft<br />
bewirken. Frauen muss es ermöglicht<br />
werden, das Familien- und Berufsleben<br />
so zu vereinbaren, dass diese doppelte<br />
Verantwortung kein Hindernis in der<br />
beruflichen Laufbahn und der Übernahme<br />
einer zeitintensiven Führungsposition<br />
darstellt.<br />
Entscheidend für die Besetzung einer<br />
Leitungsfunktion und den beruflichen<br />
Erfolg sind doch vor allem Faktoren<br />
wie fachliches Können, Engagement,<br />
Ehrgeiz und Willensstärke – egal ob<br />
bei Frauen oder Männern. Was nutzt<br />
die Quote, wenn diese Faktoren<br />
fehlen? “<br />
„Als Unternehmerin halte ich nichts<br />
von staatlichen Eingriffen in betriebliche<br />
Entscheidungen. Ich vertrete bei der<br />
Bewerberauswahl immer die Ansicht,<br />
die am besten Geeignete oder den am<br />
besten Geeigneten für die zu besetzende<br />
Stelle zu finden, unabhängig von Geschlecht,<br />
Nationalität, Religion oder<br />
Ähnlichem. Bei uns im Handwerk bewerben<br />
sich häufig gar keine Frauen.<br />
Man muss das Problem eher auf<br />
gesellschaftlicher Ebene lösen mit<br />
,geschlechtsneutraler‘ Erziehung und<br />
Verbesserung der Vereinbarkeit von<br />
Beruf und Familie – für Mann und Frau.<br />
Häufig sind wir Frauen schon jetzt<br />
besser qualifiziert als die Männer, arbeiten<br />
aber in Teilzeit für weniger Geld<br />
und organisieren ,nebenbei‘ Haushalt<br />
und Kinder. Daran können wir nur<br />
selbst etwas ändern, indem wir uns für<br />
unsere persönlichen Ziele einsetzen. “<br />
»Ich glaube, dass wir langfristig keine Frauenquote<br />
benötigen, die Wirtschaft aber aktuell noch nicht die<br />
entsprechende Reife hat. «<br />
BIANCA HOLLER<br />
BIANCA HOLLER<br />
Head of Global Human Resources<br />
Ottobock<br />
„Ich glaube, dass wir langfristig keine<br />
Frauenquote benötigen, die Wirtschaft<br />
aber aktuell noch nicht die entsprechende<br />
Reife hat. Unter anderem fehlt<br />
es an Flexibilität in der Ausgestaltung<br />
von Führungsrollen. Ich bin jedoch<br />
überzeugt, dass sich die Rolle von<br />
Führungskräften künftig stärker in<br />
Richtung einer koordinierenden<br />
,Enabler‘- Funktion entwickeln wird.<br />
Dadurch entstehen Möglichkeiten<br />
für Job-Sharing und flexiblere Arbeitsmodelle,<br />
um Beruf und Familie in<br />
Einklang zu bringen. Zusätzlich ist die<br />
Politik gefragt, individuelle Betreuungsangebote<br />
zu schaffen.<br />
Mit Blick auf die demografische<br />
Entwicklung und die Vorteile, die<br />
Diversität – die Vielfalt und Vielfältigkeit<br />
von Mitarbeitern – mit sich bringt,<br />
dürfen wir das Potenzial motivierter,<br />
gut ausgebildeter Frauen nicht ungenutzt<br />
lassen. Bei Ottobock wollen wir<br />
deshalb Frauen nach Kräften fördern. “<br />
112 2 |<strong>2019</strong>
mensch<br />
BIRGITT WITTER-WIRSAM<br />
geschäftsführende Gesellschafterin HolzLand Hasselbach,<br />
Vizepräsidentin der IHK Hannover, Vorsitzende<br />
des Wirtschaftsausschusses Göttingen sowie Präsidentin<br />
des Arbeitgeberverbands Mitte e.V.<br />
»Ob in der Forschung oder in Unternehmen<br />
– wir sollten eine ausgewogene<br />
Mischung aus Frauen und Männern<br />
anstreben, die das Beste aus beiden Kulturen<br />
vereint. Wenn wir dieses Ziel erreichen,<br />
wäre dies wohl einer der bedeutendsten<br />
Kultur wandel der vergangenen 50 Jahre.«<br />
„Für mich persönlich ist das Thema ein rotes<br />
Tuch. Sie ist nicht nötig! Warum? Ehrlicherweise<br />
gibt es einfach noch zu wenig erfahrene<br />
Frauen, die es wirklich wollen.<br />
Den meisten ist der Preis einfach zu hoch.<br />
Denn dieser lautet häufig: fast kein Familienleben<br />
und/oder keine Kinder, und der Partner<br />
bleibt meistens auch noch auf der Strecke.<br />
Zudem sind in den Führungspositionen noch<br />
immer Machtspielchen und Ellenbogen gefragt.<br />
Frauen mit zu viel Herz – und Verstand – haben<br />
es da schwer und müssten ihr Verhalten anpassen.<br />
Denn letzten Endes sollte immer der oder<br />
die Geeignetste für den Job gewinnen.<br />
Dass dies auch ohne Quote funktioniert,<br />
dafür ist die IHK selbst das beste Beispiel:<br />
Im September 2020 tritt Maike Bielfeldt ihren<br />
Posten als Hauptgeschäftsführerin der IHK<br />
Hannover an. Sie hat sich aus 120 Bewerbern<br />
durchgesetzt, weil sie einfach die besten Qualifikationen<br />
hat und damit alle überzeugen konnte!<br />
In Zukunft werden sich die Führungspositionen<br />
auch automatisch weiter unter den<br />
Geschlechtern aufteilen. Denn inzwischen<br />
studieren ebenso viele Mädchen wie Jungen<br />
und haben damit die gleichen Voraussetzungen.<br />
Noch ein Beweis, dass wir die Quote nicht<br />
brauchen? Aus dem Titel ,Frauenbeauftragte‘<br />
ist inzwischen der ,Gleichstellungsbeauftragte‘<br />
geworden. Die Zeiten haben sich geändert.<br />
Und welche Frau möchte nur wegen der Quote<br />
schon einen Posten haben! “<br />
ULRIKE BEISIEGEL<br />
Präsidentin der GeorgAugustUniversität Göttingen<br />
„Ich glaube nicht, dass die Frauenquote eine<br />
adäquate Lösung darstellt – vielmehr brauchen wir<br />
einen echten Kulturwandel im Wissenschaftssystem.<br />
Die Diskussionskultur in Männerkreisen ist eine<br />
andere als unter Frauen, es herrschen andere Spielregeln<br />
und Codes. Diese gegenseitig zu erkennen<br />
und anzuerkennen, ist wichtig. Und dazu müssen<br />
wir uns alle unserer unbewussten geschlechtsspezifischen<br />
Vorurteile im Kopf bewusst werden und diese<br />
abbauen.<br />
Ob in der Forschung oder in Unternehmen –<br />
wir sollten eine ausgewogene Mischung aus Frauen<br />
und Männern anstreben, die das Beste aus beiden<br />
Kulturen vereint. Wenn wir dieses Ziel erreichen,<br />
wäre dies wohl einer der bedeutendsten Kulturwandel<br />
der vergangenen 50 Jahre. “<br />
ULRIKE BEISIEGEL<br />
2 |<strong>2019</strong> 113
mensch<br />
Die vier ,Mütter des Grundgesetzes‘ im Jahr 1948: Elisabeth Selbert (r.) mit Helene Wessel, Helene Weber, Friederike Nadig (v.l.)<br />
FOTO: BESTAND ERNA WAGNER-HEHMKE, HAUS DER GESCHICHTE, BONN<br />
114 2|<strong>2019</strong><br />
»In meinen kühnsten Träumen habe ich nicht erwartet, dass der Antrag<br />
abgelehnt werden würde. Die Frau (…) muss auf allen Rechtsgebieten<br />
dem Manne gleichgestellt werden! «
mensch<br />
Die Sternstunde<br />
ihres Lebens<br />
Elisabeth Selbert ist eine der ,Mütter des Grundgesetzes‘, das vor 70 Jahren verabschiedete wurde.<br />
Dass es in Artikel 3 heißt, „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“, ist vor allem ihr – deren Weg<br />
sie für eine prägende Zeit nach Göttingen führte – und ihren Mitstreiterinnen zu verdanken.<br />
TEXT NORMAN LIPPERT<br />
Am 22. September 1896 wird Martha<br />
Elisabeth Rohde als zweites von vier<br />
Kindern eines Justizoberwachtmeisters<br />
in Niederzwehren bei Kassel geboren.<br />
Weil ihr der Weg zu einer Lehrerausbildung<br />
verwehrt blieb, absolviert<br />
sie die Höhere Handelsschule und beginnt 1913 als Auslandskorrespondentin<br />
bei einem Kasseler Unternehmen.<br />
Im Jahr 1918 lernt sie Adam Selbert kennen, den damaligen<br />
Vorsitzenden des Arbeiter- und Soldatenrates in<br />
Niederzwehren. Von ihm für das politische Engagement<br />
begeistert, tritt sie in die SPD ein und wird kurz darauf<br />
zur Gemeindeverordneten gewählt.<br />
Zwei Jahre später heiratet das Paar, 1921 kommt der<br />
erste Sohn zur Welt, und im Jahr 1922 folgt der zweite. In<br />
einer klassischen Ehe der damaligen Zeit wäre damit die<br />
berufliche Karriere der Ehefrau – ganz zu schweigen von<br />
ihrem politischen Engagement – beendet gewesen. Doch<br />
die Selberts führen eine partnerschaftliche, gleichberechtigte<br />
Ehe. Anstatt sich allein um den Haushalt und die<br />
Kinder zu kümmern, behält Elisabeth Selbert ihre politischen<br />
Ämter, holt mit 30 Jahren das Abitur nach und<br />
nimmt anschließend ein Studium der Rechtswissenschaften<br />
auf – bestärkt von ihrem Ehemann und der Familie.<br />
Im Jahr 1926 beginnt Elisabeth Selbert ihr Studium an<br />
der Marburger Universität. Auch wenn Frauen zu dieser<br />
Zeit teilweise mehr als 20 Prozent der Studierenden ausmachen,<br />
werden sie im männlich geprägten Universitätsbetrieb<br />
häufig als Fremdkörper angesehen. Elisabeth<br />
Selbert sticht zusätzlich hervor, denn sie ist deutlich älter<br />
als ihre Kommilitoninnen, dazu noch Mutter von zwei<br />
Kindern, politisch engagiert und äußerst zielstrebig.<br />
EIN SCHNELLSTMÖGLICHER ABSCHLUSS ihres Studiums<br />
ist aus finanziellen Gründen unumgänglich: Die<br />
Studiengebühren von 250 Mark pro Semester und die<br />
monatlichen Fahrtkosten von rund 40 Mark – an ein<br />
Zimmer ist nicht zu denken – übersteigen die finanziellen<br />
Möglichkeiten der Selberts. Ohne familiäre Unterstützung<br />
wären diese Anstrengungen nicht zu meistern<br />
gewesen. Während Adam Selbert den Lebensunterhalt<br />
bestreitet und Elisabeth täglich zur Universität pendelt,<br />
kümmern sich die Großeltern um die beiden Enkel und<br />
eine Schwester um den Haushalt.<br />
2|<strong>2019</strong> 115
mensch<br />
Im Wintersemester 1927 schreibt sich Elisabeth Selbert<br />
schließlich unter der Matrikelnummer 111 an der<br />
Juristischen Fakultät der Georg-August-Universität in<br />
Göttingen ein. Sie ist eine von fünf Frauen unter 350 Studierenden.<br />
Der Wechsel nach Göttingen wurde notwendig,<br />
weil sie in Marburg keinen Doktorvater findet. Am<br />
täglichen Pendeln ändert sich zuweilen ebenso wenig wie<br />
an ihrer Zielstrebigkeit.<br />
ÜBER IHREN STUDENTISCHEN ALLTAG in Göttingen<br />
ist nur wenig bekannt. Elisabeth Selbert steht für gewöhnlich<br />
um sechs Uhr auf, bereitet das Frühstück für<br />
die Familie vor und legt ihren Söhnen die Kleider zurecht.<br />
Anschließend macht sie sich auf den Weg nach<br />
Göttingen, besucht ihre juristischen Veranstaltungen im<br />
Auditorium und kehrt abends nach Kassel zurück. An<br />
ein ausgelassenes Studentenleben, Ausflüge mit den<br />
Kommilitonen oder Konzert- und Theaterbesuche ist in<br />
all den Jahren nicht zu denken, weder finanziell noch<br />
zeitlich. Das Studium geht vor. Im Oktober 1929 besteht<br />
sie das 1. Staatsexamen beim Oberlandesgericht Kassel.<br />
Noch im selben Jahr reicht sie ihre fertige Dissertation<br />
zur ,Ehezerrüttung als Scheidungsgrund‘ ein und wird<br />
nach Bestehen der mündlichen Prüfung im Juli 1930 zur<br />
Doktorin der Rechtswissenschaften promoviert. Doch<br />
die jahrelange Dauerbelastung fordert während des anschließenden<br />
Referen dariats ihren Tribut: Elisabeth Selbert<br />
erleidet einen Nervenzusammenbruch. Es dauert ein<br />
halbes Jahr, bis sie das Referendariat fortführen kann.<br />
Im Jahr 1934 wird sie als eine der letzten Anwältinnen<br />
in Deutschland zugelassen, bevor die Nationalsozialisten<br />
diesen Berufsweg für Frauen verschließen. Im Jahr zuvor<br />
hatten die Nationalsozialisten im Zuge der Machtübernahme<br />
mehrere Tausend Gewerkschafter, Kommunisten<br />
und Sozialdemokraten aus dem Staatsdienst entlassen,<br />
teilweise verhaftet und interniert. Auch Adam Selbert ist<br />
hiervon als sozialdemokratischer Kommunalpolitiker<br />
betroffen. Er wird zwar nach einigen Wochen aus der<br />
Haft entlassen, muss aber fortwährend auf seine früheren<br />
Beamtenbezüge verzichten. Bis zum Kriegsende 1945<br />
gelingt es der Anwältin Selbert, die Familie zu ernähren.<br />
NACH ENDE DES ZWEITEN WELTKRIEGS wird Dr. Elisabeth<br />
Selbert in den Kasseler Stadtrat, zum Mitglied der<br />
verfassunggebenden Landesversammlung Hessens und<br />
in den SPD-Parteivorstand gewählt. Im <strong>Sommer</strong> 1948<br />
verfügen die Westalliierten die Bildung des Parlamentarischen<br />
Rates, welcher der zukünftigen Bundesrepublik<br />
eine demokratische Verfassung geben soll. Die hoch qualifizierte<br />
Juristin wird in ihrer hessischen Heimat jedoch<br />
nicht nominiert. Es ist der Fürsprache des SPD-Vorsitzenden<br />
Kurt Schumacher und der Frauenbeauftragten<br />
im SPD-Vorstand, Herta Gotthelf, zu verdanken, dass<br />
der niedersächsische Landtag die in Göttingen ausgebildete<br />
Doktorin der Rechtswissenschaften schließlich in<br />
den Parlamentarischen Rat entsendet.<br />
BIS DER MÄNNER UND FRAUEN gleichstellende Satz<br />
jedoch in das Grundgesetz aufgenommen wird, liegt ein<br />
steiniger Weg vor Elisabeth Selbert und ihren Mitstreiterinnen.<br />
Im September 1948 lehnt der Ausschuss für<br />
Grundsatzfragen die von Elisabeth Selberts Parteikollegin<br />
Friederike Nadig eingebrachte Formulierung ,Männer<br />
und Frauen sind gleichberechtigt‘ ab. Nachdem<br />
Selbert mit einem gleichlautenden Vorschlag im Dezember<br />
1948 ein zweites Mal im Hauptausschuss scheitert<br />
– wohlgemerkt auch am Widerstand der beiden Vertreterinnen<br />
der bürgerlichen Parteien –, startet sie zusammen<br />
mit Herta Gotthelf eine deutschlandweite Protestkampagne.<br />
Während die rhetorisch erfahrene Selbert das daraus<br />
resultierende „Trommelfeuer von Petitionen, Resolutionen<br />
und Telegrammen“ öffentlichkeitswirksam einzusetzen<br />
weiß, kritisiert es der damalige FDP-Vertreter und<br />
spätere Bundespräsident, Theodor Heuss, als „Quasistürmlein“.<br />
TATSÄCHLICH ERREICHEN DEN Parlamentarischen Rat<br />
weniger als 50 Eingaben, viele davon erst nach der Abstimmung.<br />
Noch Jahrzehnte später wird es Dr. Elisabeth<br />
Selbert als ihre persönliche Sternstunde bezeichnen, dass<br />
der Hauptausschuss des Parlamentarischen Rates am<br />
18. Januar 1949 den Artikel 3, Absatz 2 annimmt und es<br />
seitdem im Grundgesetz heißt: „Männer und Frauen<br />
sind gleichberechtigt.“<br />
Auf den großen persönlichen wie politischen Triumph<br />
folgt allerdings – im Gegensatz zu vielen männlichen<br />
Mitgliedern des Parlamentarischen Rates – keine politische<br />
Karriere. Obwohl sie bei den Wahlen zum ersten<br />
Bundestag im Jahr 1949 auf dem vielversprechenden<br />
zweiten Listenplatz der hessischen SPD steht, fehlen ihr<br />
schlussendlich 200 Stimmen zum Bundestagsmandat.<br />
Ein hohes politisches Amt bleibt ihr später genauso verwehrt<br />
wie eine Position am Bundesverfassungsgericht.<br />
Bis Ende der 1950er-Jahre zieht sich Selbert von allen<br />
politischen Ämtern zurück und konzentriert sich fortan<br />
auf ihre Kanzlei. Am 9. Juni 1986 verstirbt Dr. Elisabeth<br />
Selbert im Alter von 89 Jahren in Kassel.<br />
WER SICH HEUTE IN GÖTTINGEN auf die Suche nach<br />
Selberts Spuren begibt, wird schnell feststellen: Kein<br />
Denkmal, keine Gedenktafel und auch kein Straßenname<br />
erinnert an die Mutter des Grundgesetzes.<br />
Doch gänzlich vergessen ist sie nicht: Im Jahr 2015 hat<br />
die Göttinger Kriminologieprofessorin Katrin Höffler an<br />
der Juristischen Fakultät das Elisabeth-Selbert-Mentoring-Programm<br />
ins Leben gerufen. Dieses soll juristische<br />
Wissenschaftlerinnen durch Seminare und Workshops<br />
fördern und miteinander vernetzen. Darüber hinaus<br />
wurde im Rahmen eines Stadtrundganges zum 100.<br />
Jubiläum des Frauenwahlrechts erst kürzlich an Elisabeth<br />
Selberts Beitrag zur Gleichberechtigung und ihre<br />
kurze Zeit in Göttingen erinnert.<br />
116 2 |<strong>2019</strong>
mensch<br />
BILDRECHTE: STIFTUNG ARCHIV DER DEUTSCHEN FRAUENBEWEGUNG<br />
Ein Stück Zeitgeschichte: Elisabeth Selberts handschriftlich bearbeitetes Grundgesetz<br />
2|<strong>2019</strong> 117
mensch<br />
Im Internet zu Hause<br />
Die Göttingerin Luana Theodoro da Silva hat aus ihrem Privatleben einen Job gemacht und gründete<br />
als erfolgreiche Social-Media-Influencerin ihr eigenes Unternehmen.<br />
TEXT RUPERT FABIG FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
118 2 |<strong>2019</strong>
mensch<br />
2 |<strong>2019</strong> 119
mensch<br />
FOTOS: LUANA DA SILVA<br />
Ihr ganzes Leben auf Social Media:<br />
Instagram @luana Silva<br />
Youtube youtu.be/SDp5JNLZ-c8<br />
www.luana-silva.com<br />
www.lookfamed.de<br />
120 2 |<strong>2019</strong>
mensch<br />
»Entschuldige bitte,<br />
ich muss kurz eine Story machen.«<br />
Geschlagene 50 Minuten widersteht Luana<br />
Theodoro da Silva der Versuchung, ihr<br />
brandneues Smartphone auch nur eines<br />
Blickes zu würdigen. Dabei ploppen<br />
minütlich Benachrichtigungen für<br />
sie auf. Ton aus, Vibration deaktiviert.<br />
Beim Stand von Lookfamed beim Festival der Online-<br />
Marketing-Rockstars (OMR) Mitte Mai in Hamburg, der<br />
weltweit größten Messe für digitale Vermarktung sowie<br />
Technologie, ist es wuselig. Ständig ist die Unternehmensgründerin<br />
gefragt. Doch sie bleibt fokussiert. Jetzt zählt<br />
nur das Interview für diesen Artikel. Erst einer Kollegin<br />
aus der sogenannten Influencer-Szene gelingt es schließlich,<br />
die Chefin aus dem Gespräch zu reißen. Man sieht sich<br />
nun mal nicht alle Tage. Vor einer riesenhaften Blütenwand,<br />
die den Messestand der Gründerin ziert, werden Herzlichkeiten<br />
und Umarmungen ausgetauscht, dann der<br />
Griff zum Handy. „Entschuldige bitte, ich muss kurz<br />
eine Story machen“, sagt die Göttingerin, ihre achtmonatige<br />
Tochter L ucia auf dem Arm haltend. Selfie-Modus<br />
an, kurzer Bericht an die Fans, wen sie hier gerade zufällig<br />
getroffen hat, ehe die Kollegin den Zuschauern berichtet,<br />
wie gerne sie ihre „Chanel-Tasche gegen das Baby<br />
tauschen“ würde. Thema erledigt, ein Leben im Akkord.<br />
DA SILVA IST ALSO EINE dieser berüchtigten Influencerinnen,<br />
die auf der sozialen Plattform Instagram unterwegs<br />
sind. Äußerst erfolgreich sogar. Mehr als 500.000<br />
Menschen folgen der 28-Jährigen dort. Also, was genau<br />
tut sie da? Wer sich in puncto Social Media bestens auskennt<br />
und mit dem Schlagwort Influencer etwas anfangen<br />
kann, darf die folgende Passage gerne überspringen<br />
wie ein lästiges Lied auf der Spotify- Playlist. Aber erst<br />
nach dem nächsten Satz, denn der ist wichtig fürs weitere<br />
Verständnis: @luanasilva, so ihr Instagram-Name, ist<br />
alles andere als ein Modepüppchen – kein Maserati, der<br />
beim Blick unter die Motorhaube ein fehlendes Getriebe<br />
offenbart.<br />
So, nun weiterlesen oder beim nächsten Absatz wieder<br />
einsteigen. Für die Dabeigebliebenen: Instagram ist<br />
eine inzwischen gigantisch gewachsene Online-Plattform,<br />
die weltweit rund eine Milliarde Menschen<br />
nutzen. Dort können Fotos und Videos hochgeladen<br />
werden, die denjenigen angezeigt werden, die dem eigenen<br />
Profil folgen. Influencer (Beeinflusser) wiederum<br />
sind, um es vereinfacht zu formulieren, Werbefiguren,<br />
von denen einige zu Ikonen mutieren, die Insta gram<br />
nutzen, um unter anderem Produkte an ihre Fan-Schar<br />
zu vermarkten.<br />
2|<strong>2019</strong> 121
mensch<br />
» Im Optimalfall findet mit<br />
den Followern sogar ein direkter<br />
kommunikativer Austausch statt.<br />
Das hat eine Art Freundschaftscharakter. «<br />
VOR FÜNF ODER SECHS JAHREN, so genau weiß sie<br />
das selbst nicht mehr, habe sie sich ein Instagram-Profil<br />
angelegt, erinnert sich die Tochter des stadtbekannten<br />
<strong>faktor</strong>-Fotografen Alciro Theodoro da Silva. Damals<br />
studierte sie Betriebswirtschaftslehre an der PFH in Göttingen.<br />
„Ich war schon immer ein künstlerisch veranlagter<br />
Mensch“, erklärt die Deutsch-Brasilianerin, deren<br />
Beiträge zunächst überwiegend das Thema Mode behandelten.<br />
Sie analysiert erfolgreiche Profile und bemerkt:<br />
Wer kontinuierlich Bilder hochlädt und regelmäßig aktiv<br />
ist – was der Instagram-Algorithmus verlangt – erhöht<br />
seine Reichweite um ein Vielfaches. Zu diesem Thema,<br />
dem Influencer- Marketing, verfasst die junge Mutter<br />
eine Hausarbeit. „Mit der ich durchgefallen bin“,<br />
berichtet da Silva und lacht herzlich. Der Karriere hat es<br />
nicht geschadet, die nahm bald Fahrt auf. Zunächst eröffnete<br />
sie in Eigenregie einen Online-Shop für Anziehsachen.<br />
Produktkauf, -fotografie und -versand lagen komplett<br />
in ihrer Hand. „Ich habe schon im Stu dium gemerkt,<br />
dass ich gerne selbstständig arbeite.“ Von Anfang<br />
an erhielt sie große Unterstützung von ihrem Ehemann<br />
Philip. Was sich auch auf der Messe beobachten lässt,<br />
denn während seine Frau von einem Termin zum nächsten<br />
hetzt, hält er Töchterchen Lucia liebevoll auf dem<br />
Arm und bespaßt sie.<br />
Gegenüber herkömmlicher Werbung hat die über die<br />
sozialen Medien einen gewaltigen Vorteil: Sie besitzt einen<br />
persönlichen Bezug. Kaum einer der Influencer eröffnete<br />
sein Profil mit der Intention, zur Werbefigur zu<br />
werden. Oft ist es anfänglich nur ein Austausch mit Bekannten<br />
und Freunden. „Im Optimalfall findet mit den<br />
Followern sogar ein direkter kommunikativer Austausch<br />
statt. Das hat eine Art Freundschaftscharakter“, so da<br />
Silva. Ein Quantensprung im Vergleich zur unpersönlichen<br />
TV- oder Online-Werbung. Die Darstellung auf der<br />
Plattform zeigt dann mitunter auch keine Hochglanzwelt,<br />
sondern „das reale Leben ganz normaler anderer<br />
Personen“, betont die Lookfamed-Gründerin, die bei der<br />
Messe lässig im grauen Kapuzenpulli aufläuft. „Es sind<br />
Inhalte, die schnell zu fassen sind, keine 50-Seiten-Texte.“<br />
Die Bandbreite ist riesig, es geht um Handwerk,<br />
Musik; selbst Zahnärzte präsentieren mittlerweile ihre<br />
Arbeit via Social Media.<br />
WER WIRKLICH GELD VERDIENT, ist davon abhängig,<br />
welche Reichweite er besitzt. Den jenigen bitten Unternehmen<br />
dann gezielt, für ihre Produkte zu werben. Angefangen<br />
vor drei bis vier Jahren mit zugesandten Bikinis,<br />
die im Austausch für fünf gepostete Bilder behalten<br />
werden dürfen. Neben Mode hat sich da Silva auf Beauty<br />
spezialisiert. Die Haarpflegemarke Pantene ist seit zwei<br />
Jahren ihr größter und bekanntester Partner. Hierfür ist<br />
sie Model in Werbespots im Internet und zudem in<br />
Zeitschriften abgebildet. Passend, denn die Haare der<br />
Göttingerin sind eines der auffälligsten Merkmale ihres<br />
nahezu makellosen Äußeren, das mit einem scharfen Verstand<br />
und einer sympathischen Natür lichkeit gepaart ist.<br />
ABER KANN JEDER INFLUENCER? Lassen wir die Expertin<br />
selbst sprechen, die vor zwei Jahren zusammen<br />
mit den PFH-Absolventen Daniel Hartmann, Sebastian<br />
Röske und Anton Ha mit Lookfamed eine Agentur gegründet<br />
hat, die unter anderem 25 Influencer exklusiv<br />
betreut. „Man muss sich schon erstmal eine eigene Community<br />
aufgebaut haben. Niemand kann erwarten, aus<br />
dem Nichts Angebote zu bekommen.“ Und in erster<br />
Linie sei Instagram ja auch keine Werbeplattform, sondern<br />
eine zum privaten Austausch via Fotos, Storys und<br />
kleineren Texten. Einige von denjenigen, die es trotzdem<br />
geschafft haben, betreut Lookfamed. „Wir unterstützen<br />
bei der kreativen Entwicklung von Inhalten und fungieren<br />
als Schutzschild, damit sich niemand ausnehmen<br />
lässt. Uns ist wichtig, in unserer Arbeit super transparent<br />
zu sein“, unterstreicht da Silva. Influencer- Marketing,<br />
davon ist sie überzeugt, wird es so lange geben, wie das<br />
Internet existiert. Es verschiebe sich lediglich auf andere<br />
Plattformen. Das Fernsehen werde mehr und mehr als<br />
Werbeplattform Nummer eins abgelöst, Jugendliche haben<br />
inzwischen mehr Interesse an Online-Angeboten,<br />
sagt sie. Lookfamed berät zudem Firmen, beispielsweise<br />
die Sparkasse Göttingen, hinsichtlich deren Social- Media-<br />
Strategie. Es gibt individuelle Unterstützung, von der<br />
Strategieentwicklung bis zur Produktion von Inhalten,<br />
sei es durch Workshops, die Erstellung von Plänen oder<br />
die regelmäßige Begleitung. Um sämtliche Partner, mit<br />
denen Lookfamed bereits zusammengearbeitet hat, zu<br />
erfassen, benötigt es auf der Unternehmenswebsite mindestens<br />
drei kräftige Zeigefinger-Scrolls mit der Maus.<br />
122 2 |<strong>2019</strong>
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Gelistet sind auch richtige Hausnummern wie Nike, der<br />
FC Bayern München und Mercedes-Benz.<br />
Ansässig im Wagenstieg 12, beschäftigt ihr Start-up<br />
nun mehr fast 30 Mitarbeiter, viele davon sind Studenten,<br />
die in Teilzeit angestellt sind. Als das Büro gegründet<br />
wurde, waren die Räumlichkeiten nahe des Real-Markts<br />
in Weende etwas zu groß, weswegen der Südniedersächsin,<br />
die extrem an ihrer Heimatstadt hängt, die nächste<br />
Geschäftsidee kam: die Gründung eines Co-Working-<br />
Spaces, genannt W12 (von Wagenstieg 12, über die mangelnde<br />
Kreativität schauen wir hinweg). Inzwischen sind<br />
die Arbeitsplätze fast ausschließlich von eigenen Kollegen<br />
besetzt.<br />
DA ZWEI STANDBEINE sowie das Mutterdasein da Silva<br />
bei Weitem nicht auslastet, vertreibt sie über die Lookfamed<br />
Handels GmbH außerdem noch Kunstblumen und<br />
seit Kurzem die vegane Naturkosmetik- Pflegeserie Elvielle.<br />
Und während ihre stets freundlichen Angestellten bei<br />
der Messe auf Lookfamed aufmerksam machen, wirft da<br />
Silva einen kurzen Blick auf Lucia – die selbst schon ein<br />
kleiner Internetstar geworden ist, taucht sie doch regelmäßig<br />
auf den Bildern ihrer Mama auf. Am Anfang wollte<br />
sie ihre Kleine dort nicht zeigen, aber irgendwann habe<br />
sie das etwas lockerer ge sehen, und die Rückmeldungen<br />
seien total positiv. „Ein Kinderlachen kann eben die ganze<br />
Welt erhellen.“<br />
Von ihren Followern erhalte sie zahlreiche Erziehungsratschläge<br />
und stehe in regem Austausch. „Ich bekomme<br />
bezüglich des Zeigens von Lucia so gut wie gar keine<br />
Kritik. Ich versuche, sie nicht zum Fokus zu machen, verstecke<br />
sie aber auch nicht.“ Ein finanzieller Nutzen ergibt<br />
sich aus den Baby-Impressionen nicht. Nur ein noch<br />
exakteres Bild der Realität, das eine glückliche dreiköpfige<br />
Familie zeigt.<br />
GLÜCKLICH ZU SEIN, ist das Motiv bei der Arbeit von<br />
da Silva: „Es ist mein Leitmotto und die Philo sophie<br />
meines Unternehmens.“ Entscheidend dabei sei aber,<br />
auch Raum für Unzufriedenheit zu lassen, da dies als<br />
Motor dienen könne. „Glücklichsein ist ein Prozess, eine<br />
Grundzufriedenheit bleibt länger bestehen“, erklärt die<br />
Influencerin zum Schluss ein wenig nachdenklich und<br />
fügt dann noch etwas hinzu, das nahezu durch die Bank<br />
sämtliche erfolgreichen Menschen sagen: „Du darfst<br />
keine Angst davor haben zu scheitern, sondern musst<br />
deine Träume verfolgen. Nur dann können sie wahr werden.“<br />
Luana Theodoro da Silva ist das beste Beispiel dafür,<br />
wie viel Wahrheit in diesem Satz steckt.<br />
124 2 |<strong>2019</strong><br />
ERFOLGSREZEPT VON DER EXPERTIN<br />
Was macht einen erfolgreichen Instagram-Account aus?<br />
Leidenschaft: Wähle Themen, die du mit Leidenschaft<br />
verfolgst und über die du gerne sprichst und dich austauschst.<br />
Wer etwas liebt, wird gut darin.<br />
Kontinuität: Nicht nur in den Sozialen Medien sind Regelmäßigkeit<br />
und Kontinuität ein extrem großer Erfolgs<strong>faktor</strong>.<br />
Wer diesen Faktor mit Qualität kombiniert, hebt sich<br />
von allem ab.<br />
Authentizität: Die Menschen wollen Geschichten von realen<br />
Menschen, sie wollen Emotionen, Unterhaltung und<br />
spannende Informationen. Dies, basierend auf großer<br />
Authentizität, reißt die Menschen mit.<br />
FOTO LUANA SILVA
„Es besteht keinerlei Chance, dass<br />
das iPhone einen signifikanten<br />
Marktanteil erreicht. Keine Chance.“<br />
Steve Ballmer (Microsoft CEO), 2007<br />
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Ein Rheinländer<br />
kommt an<br />
Michael Birlin ist neues Vorstandsmitglied der Sparkasse Göttingen.<br />
Nach vielen Stationen in ganz Deutschland sucht er jetzt hier seine neue Heimat.<br />
Weil es nicht nur am Rhein so schön ist.<br />
TEXT ANJA DANISEWITSCH FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
Als Michael Birlin vor rund 35 Jahren sammeln.“ Der 53Jährige muss schmunzeln, wenn er an<br />
seine Ausbildung bei der Deutschen die Anfänge seiner Karriere zurückdenkt, entschied er<br />
Bank in Köln begann, sah seine erste sich doch unter anderem auch deshalb für eine Bankausbildung,<br />
weil er seinen älteren Bruder, ebenfalls ein Ban<br />
Aufgabe jeden Morgen so aus: hinter<br />
dem Schalter niederknien, eine Box ker, so bewunderte: immer Anzug, immer Krawatte – immer<br />
schick.<br />
herausziehen und von Hand einen<br />
Stapel Kontoauszüge einsortieren – Seit dem 1. April besetzt Birlin nun seinen Posten in der<br />
einzeln für jeden Kunden. Da scheint es kaum mehr verwunderlich,<br />
dass sein damaliger Filialleiter auch erwartener<br />
Tor. Aus seinem Büro kann er über die Dächer der<br />
Vorstandsetage des neuen SparkassenForums am Grote,<br />
dass die Angestellten nicht nur die Namen ihrer Kunden<br />
kannten, wenn sie in die Bank kamen, sondern auch am Rande der Stadt. Doch viel Zeit hat er dafür nicht.<br />
Göttinger Südstadt blicken und sieht die grünen Hügel<br />
deren Kontonummer auswendig wussten. „Ich bin immer<br />
als Erster auf die Kunden zugegangen, weil ich schon sächlich damit, mir einen Überblick zu verschaffen. Und<br />
„Die ersten Tage in meinem Amt verbrachte ich haupt<br />
damals so viel Freude hatte am Vertrieb, am Bankgeschäft<br />
und an der Kundenbetreuung“, erzählt Birlin, gebürtige Kölner, der ab sofort neben dem Vorstandschef<br />
das ist auch heute noch Teil meiner Arbeit“, erklärt der<br />
der neue stellvertretende Vorsitzende des Vorstands der Rainer Hald innerhalb des Geschäftsgebiets das Gesicht<br />
Sparkasse Göttingen. „Nur wenige Jahre danach entdeckte der Sparkasse sein wird. „Denn um die Sparkasse hier<br />
ich meine Liebe für das Wertpapiergeschäft – und habe weiter voranzubringen, muss ich ihre DNA verstehen<br />
selbst früh angefangen, in diesem Metier Erfahrungen zu und die Region besser kennenlernen.“<br />
126 2 |<strong>2019</strong>
mensch<br />
2 |<strong>2019</strong> 127
mensch<br />
» Was mich an dem Vorstandsposten gereizt hat, ist vor allem,<br />
dass die Sparkasse auf Wachstumskurs und Digitalisierung setzt und nicht<br />
ausschließlich auf: Kosten sparen, Kosten sparen, Kosten sparen. «<br />
Im Auswahlverfahren für den Vorstandsposten setzte<br />
sich Birlin auch deshalb gegen insgesamt 50 Mitbewerber<br />
durch, weil er über die Jahre besonders im Vertrieb<br />
und in der Mitarbeiterführung wertvolle Erfahrungen<br />
gesammelt hatte und seine Kompetenz unter Beweis<br />
stellen konnte. „Mein Motto ist: In Chancen denken<br />
anstatt in Risiken – auch wenn man als Banker natürlich<br />
immer das unternehmerische Risiko mit im Blick hat“,<br />
sagt Birlin.<br />
IN CHANCEN ZU DENKEN, hat ihm schon oft geholfen,<br />
gute Entscheidungen für seinen weiteren Karriereweg zu<br />
treffen. Wie damals als er, 24 Jahre alt, nach New York<br />
flog, um Urlaub zu machen. Er hatte seine Ausbildung<br />
abgeschlossen und ein BWLStudium begonnen, um seinem<br />
beruflichen Ziel, dem Private Banking und Wertpapierhandel,<br />
näher zu kommen. „Ich war an der Wallstreet<br />
und kam an der Commerzbank vorbei. Da ging<br />
ich kurzentschlossen hinein und fragte, ob sie nicht zufällig<br />
einen Praktikanten suchten …, und ich bekam tatsächlich<br />
diesen heiß begehrten Job“, erzählt Birlin sichtlich<br />
zufrieden.<br />
Auch als er nach dem Studium bei der HypoVereinsbank<br />
in München als Trainee anfing, fragte man ihn dort<br />
nach kurzer Zeit, ob er sich vorstellen könne, für diese<br />
Bank auch in Dresden zu arbeiten. Er sagte sofort Ja. Es<br />
war das Jahr 1993 – die erste Euphorie der Grenzöffnung<br />
verflüchtigte sich, aber es war dennoch eine<br />
Zeit, in welcher sich in den neuen Bundesländern vieles<br />
bewegte. Heute sagt Birlin, dies sei eine der besten Entscheidungen<br />
seines Lebens gewesen. „Da hat niemand<br />
gefragt, wie viel Erfahrung man hat. Man hat einfach<br />
alles gemacht: Ob Sanierungsfälle, junge Existenzgründer<br />
– auch eine riesige Finanzierung über 2,7 Milliarden<br />
für den Bau eines ComputerchipWerkes habe ich mitarrangiert.<br />
Für einen jungen Menschen waren die<br />
eigenen Entscheidungs und Verantwortungsräume unvorstellbar“,<br />
sagt er und erinnert sich an die Zeit, als er<br />
noch nicht einmal dreißig Jahre alt war.<br />
MICHAEL BIRLIN BLICKT BEREITS AUF EIN – im wahrsten<br />
Sinne des Wortes – bewegtes Leben zurück. Immer<br />
mit an seiner Seite: seine Frau Andrea. Sie folgte ihrem<br />
Mann von Köln nach Dresden und von dort nach Berlin,<br />
wo Michael Birlin Großkundenberater und Leiter der<br />
Firmenkundenabteilung bei der HypoVereinsbank wurde.<br />
Dann zog sie mit ihm und den drei Töchtern weiter<br />
nach Hannover, wo er zehn Jahre für die HSH Nordbank<br />
die Region Nordost verantwortete, im Anschluss<br />
nach Mainz, wo er 2014 Verhinderungsvertreter des<br />
Vorstandes der Sparkasse wurde und das FirmenImmobilien<br />
und gehobene Privatkundengeschäft übernahm,<br />
und zu guter Letzt nach Göttingen. Hier zeigt sich der<br />
Familienmensch Birlin. „Ich bin meiner Frau unendlich<br />
dankbar dafür“, so der dreifache Vater, der weiß, dass dies<br />
keine Selbstverständlichkeit ist. „Meine Frau hatte von<br />
Anfang an gesagt, ich kann überall hingegen, aber sie<br />
möchte keine Wochenendehe.“ Neben der Familie, die an<br />
den freien Tagen immer im Mittelpunkt steht, interessiert<br />
er sich für Sport und im Besonderen für den FC Köln.<br />
Aber auch für kulturelle Themen ist er zu begeistern.<br />
HEUTE SITZT DER MANN aus dem Rheinland zwar im<br />
SparkassenForum an einem Besprechungstisch, sein humorvolles<br />
und geselliges Naturell verliert er aber auch<br />
hier nicht. Kompetenz, Glaubwürdigkeit und Vertrauen<br />
entstehen schließlich nicht dadurch, dass man den Krawattenknoten<br />
geraderückt. „Was mich an dem Vorstandsposten<br />
gereizt hat, ist vor allem, dass die Sparkasse auf<br />
Wachstumskurs und Digitalisierung setzt und nicht ausschließlich<br />
auf: Kosten sparen, Kosten sparen, Kosten<br />
sparen.“<br />
Er erzählt, ist interessiert und aufgeschlossen, möchte<br />
mehr über die Erfahrungen seines Gegenübers wissen.<br />
Authentisch ist er und eben auch glaubwürdig, wenn er<br />
sagt: „Ich stehe hier für Offenheit und Klarheit.“ Dabei<br />
bezieht er seinen Standpunkt nicht nur auf die Kundenbetreuung,<br />
sondern ebenso auf das Verhältnis zu den<br />
rund 620 Angestellten der Sparkasse Göttingen. „Jeder,<br />
der hier arbeitet, trägt zum Erfolg und zur Gestaltung<br />
der Sparkasse mit bei“, sagt er. Das ist seine Vorstellung,<br />
aber auch seine Erwartungshaltung. „Wenn ein Teil der<br />
Mitarbeiter sich auf dem Spielfeld tummelt und andere<br />
sich bereits auf die Tribüne oder die Zuschauerplätze gesetzt<br />
haben – da habe ich ein Thema mit.“[Anm. d. Red.<br />
Rheinländisch für: Damit habe ich ein Problem.] Er<br />
scheint ein echter Teamplayer zu sein, der an der richtigen<br />
Stelle aber durchaus ein – wie er es nennt – „stotterfreies<br />
Nein“ aussprechen kann. Klare Worte und ein<br />
klarer Blick in die Zukunft.<br />
128 2 |<strong>2019</strong>
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Wertschöpfung für die Region<br />
Das VersicherungsKontor Osterode engagiert sich seit über 15 Jahren für seine Mandanten –<br />
aber nicht nur: Auch für die Region macht sich der Inhaber Rainer Giese seit Jahren stark.<br />
„Mir geht es bei meiner Arbeit<br />
nicht darum, das günstigste<br />
Angebot herauszufischen.<br />
In erster Linie geht es mir<br />
immer darum, dass der<br />
Versicherungsschutz stimmt.<br />
Das Unternehmen muss<br />
richtig versichert sein – wenn<br />
dann noch die Prämie stimmt,<br />
ist alles gut.“<br />
Als am 9. November 1989 am Brandenburger<br />
Tor die Grenz öffnung gefeiert<br />
wurde, war Rainer Giese bereits<br />
seit einem Monat im Westen. Denn geahnt<br />
hatte niemand, dass eine Wiedervereinigung<br />
möglich sei. Nachdem dem in Ludwigslust<br />
geborenen Giese das Studium in der DDR<br />
verwehrt wurde – wer politisch unbequem war<br />
und der Neuapostolischen Kirche angehörte,<br />
konnte schnell Teil staatlicher Repressionen<br />
werden –, sah er nur einen Ausweg. „Für mich<br />
blieb nur die Flucht in den Westen“, sagt Giese,<br />
der inzwischen in Osterode seine zweite<br />
Heimat gefunden hat. Doch die Erfahrung,<br />
wie es Menschen ergeht, denen Unrecht oder<br />
Willkür widerfährt, prägte seinen weiteren<br />
Werde gang. Heute gehört es zu seinem Leben<br />
einfach dazu, dass er sich für die Menschen<br />
in der Region, und besonders für Kinder und<br />
Jugendliche, engagiert.<br />
Mit dem VersicherungsKontor Osterode<br />
wagte Giese 2005 als Versicherungsmakler<br />
den Schritt in die Selbstständigkeit. Mit Erfolg.<br />
Nachdem er zuvor bei den Großen der<br />
Versicherungsbranche, AXA und Allianz, Erfahrungen<br />
gesammelt hatte, wusste er auch,<br />
wo die Grenzen einzelner Versicherungen liegen.<br />
„Ich möchte meine Mandanten mit ihren<br />
Unternehmen vollumfänglich beraten und betreuen<br />
können – und das kann ich nur, wenn<br />
ich unabhängig als Sachwalter der Kunden<br />
und nicht als Sachwalter der Versicherungen<br />
agiere“, sagt der 49-Jährige. Und dabei schätzen<br />
seine Mandanten vor allem die persönlichen<br />
Beziehungen vor Ort: dass sie schnell<br />
den Chef am Telefon haben und dass dieser<br />
sich bei Problemen sofort ins Auto setzt und<br />
vorbeikommt.<br />
„MIR GEHT ES BEI MEINER ARBEIT nicht darum,<br />
das günstigste Angebot herauszufischen.<br />
In erster Linie geht es mir immer darum, dass<br />
der Versicherungsschutz stimmt. Das Unternehmen<br />
muss richtig versichert sein – wenn<br />
dann noch die Prämie stimmt, ist alles gut“,<br />
sagt Giese, der an seinem papiervollen Schreibtisch<br />
sitzt. Draußen vor seinem Fenster ist auf<br />
dem Kornmarkt gerade Markttag. Hier treffen<br />
sich die Menschen nicht nur zum Einkaufen,<br />
man kennt sich und ist im Gespräch. Das ist<br />
auch für den Versicherungsmakler ein wesentlicher<br />
Aspekt, warum er mit seiner Frau hier<br />
lebt und das kleinstädtische Leben genießt. Ein<br />
Geben und Nehmen. „Auch im Versicherungsgeschäft<br />
liegt mein Fokus darauf, eine gute<br />
Balance zwischen Mandant und Versicherer zu<br />
FOTO: ALCIRO THEODORO DA SILVA
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FOTO: ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
schaffen. „Nur diese wirklich partnerschaft liche<br />
Vorgehensweise führt zu nachhaltigem und<br />
langfristigem Erfolg“, sagt der Wahl-Osteroder<br />
überzeugt.<br />
DASS DIE MAXIME DER BALANCE sich tatsächlich<br />
im wahrsten Sinne des Wortes für alle<br />
Seiten auszahlt, zeigt ein Versicherungsschaden,<br />
den das VersicherungsKontor zu einem<br />
guten Ende bringen konnte: Ein Unternehmen<br />
ver ursachte einen Haftpflichtschaden in Höhe<br />
von einer Million Euro. Womit die Versicherungssumme<br />
voll ausgeschöpft war. Die Kommunikation<br />
lief auf mehreren Ebenen zwischen<br />
Mandant, Versicherer und Makler. „In solchen<br />
besonderen Fällen geht es darum, auf der einen<br />
Seite eine schnelle Schadenregulierung zu erwirken,<br />
aber auch meinem Mandanten mental zur<br />
Seite zu stehen“, erzählt Giese und denkt an diesen<br />
wirklich komplizierten Fall zurück, der glücklicherweise<br />
ein Einzelfall blieb.<br />
Nachdem die Versicherung gezahlt hatte, wollte<br />
sie jedoch den Versicherungsvertrag kündigen<br />
– und hier zahlte es sich wiederum aus, dass<br />
Giese stets auf ein Miteinander und genau die<br />
Balance zwischen allen Partnern setzt. Denn mit<br />
einer solchen Schadensbilanz wäre es für seinen<br />
Mandanten fast aussichtslos, einen neuen Versicherer<br />
zu finden. „Ohne genau diese langfristigen,<br />
loyalen und partnerschaftlichen Beziehungen<br />
zwischen Mandant, Versicherer und mir als<br />
Makler wäre eine Weiterversicherung nicht möglich<br />
geworden“, sagt Giese sichtlich zufrieden.<br />
DOCH AUCH ÜBER DAS VERSICHERUNGS-<br />
GESCHÄFT hinaus lebt Rainer Giese den regionalen<br />
und sozialen Gedanken. „Leistung führt<br />
zu Erfolg, Erfolg eröffnet Chancen und diese<br />
Chancen führen zu Verantwortung“, erklärt er<br />
sein stetes Engagement. Sein Versicherungs-<br />
Kontor ist einer von zwei Hauptsponsoren der<br />
KinderSportStiftung Harz e. V. und dem jährlich<br />
auf dem Kornmarkt stattfindenden OHA-<br />
City- BeachCup, der sich in der norddeutschen<br />
Beach volleyball-Cup-Szene als ein Highlight etabliert<br />
hat. Damit diese Veranstaltung zu einem<br />
solchen Erfolg werden kann, mobilisiert Giese<br />
zusammen mit seinem Partner Sven Vogt von<br />
der KKT Gruppe bereits über Jahre hinweg über<br />
50 Unternehmen, die die KinderSportStiftung<br />
durch Spenden unterstützen. „Jedes Kind, das<br />
bei uns mitmacht, bekommt auch etwas, und<br />
zusätzlich werden die Vereinskassen der Gewinner<br />
gefüllt“, sagt Giese. „Es gibt für mich nichts<br />
Schöneres als Kinder augen, die strahlen.“<br />
TEXT ANJA DANISEWITSCH<br />
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leben<br />
It’s GIN<br />
o’clock<br />
Ein Getränk erobert die Welt –<br />
und jede Region, die etwas auf sich hält, kann heute ihren eigenen Gin ausschenken.<br />
Mit Von Hallers Gin kommt jetzt auch in Südniedersachsen der Trend ins Glas.<br />
TEXT ANJA DANISEWITSCH<br />
FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
Samstagabend. Ein warmer Wind treibt die<br />
Hitze des Tages aus den Straßen und lockt die<br />
Menschen aus ihren Häusern. Göttingens<br />
Kneipen und Bars erwachen zum Leben. Auf<br />
der Dachterrasse des Hotel FREIgeist drängen<br />
sich bereits die Partygäste und genießen<br />
die Aussicht. Vier Stockwerke tiefer in der Herbarium Bar<br />
werden Cocktails gemixt, und es wird zu aufgelegter<br />
Club-Music des DJs getanzt. Es ist <strong>Sommer</strong>. Zeit für eisgekühlte<br />
Drinks und einen <strong>Sommer</strong>-Gin-Tonic.<br />
Früher ging man abends in die Kneipe an der Ecke.<br />
Man durfte noch überall rauchen, an der Theke bestellte<br />
man ein ‚Männergedeck‘ – Bier und Korn. Diese Kneipen<br />
gibt es vereinzelt noch immer, doch der Trend einer<br />
neuen, gelebten Barkultur prägt nicht mehr nur das<br />
Stadtbild der Großstädte. Durchgestylte Bars mit dem<br />
Flair vergangener Epochen, gepaart mit Designelementen<br />
schaffen eine Atmosphäre, die mit einem modernen<br />
Lebensgefühl korrespondiert. Lifestyle und das Leben<br />
genießen: Menschen, die an Orten wie diesen zusammenkommen,<br />
genießen gern, sind weltoffen und lieben<br />
Gin. Denn Gin passt zu ihnen.<br />
134 2|<strong>2019</strong>
leben<br />
FOTO: STOCK.ADOBE.COM<br />
2 |<strong>2019</strong> 135
leben<br />
GIN WAR SCHON IMMER EIN KREATIVES GETRÄNK,<br />
das seine Hersteller zum Experimentieren mit Kräutern<br />
und Gewürzen anregte, da außer bei der Zugabe des<br />
Wacholders der Kreativität keine Grenzen gesetzt sind.<br />
Wobei, wenn man die Geschichte des Gins bis ins<br />
17. Jahrhundert zurückverfolgt, zeigt sich, dass gerade<br />
auch diese Kreativität ungeahnte negative Folgen hatte:<br />
Nachdem der holländische Arzt Franciscus Sylvius de la<br />
Boe den Genever (Wacholderschnaps niederländischer<br />
Herkunft) als Medizin zur Bekämpfung von Fieber entwickelte,<br />
erfreute er sich schon recht bald allgemeiner<br />
Beliebtheit. Englische Soldaten brachten im 17. Jahrhundert<br />
den Genever mit nach England, wo er einfach zu<br />
‚Gin‘ abgekürzt wurde. Seine kostengünstige und relativ<br />
einfache Herstellung machten ihn zu einem erschwinglichen<br />
alkoholischen Getränk vor allem der armen Bevölkerung.<br />
In Folge des ständigen Konsums und des Rausches<br />
arbeiteten sie allerdings nicht mehr, sondern waren<br />
stattdessen permanent betrunken, erblindeten zum Teil<br />
an selbst gebranntem Fusel und wurden somit zu einem<br />
gesellschaftlichen Problem. Erst ein Erlass im Jahr 1751<br />
brachte eine spürbare Verbesserung der Lage, da von nun<br />
an die Qualität des Gins reguliert wurde und eine steigende<br />
Qualität folglich zu erhöhten Preisen führte.<br />
„Wir haben derzeit 57 Gin-Sorten zusammengetragen,<br />
von fruchtig bis zitronig, leichte und auch stärkere Sorten“,<br />
erzählt der Barchef Yannick Bertram, der zu den<br />
besten Barkeepern Deutschlands zählt, während er lässig<br />
am Tresen der Herbarium Bar lehnt. Im vorigen Jahr<br />
schaffte er es mit einer seiner Eigenkreationen ins Halbfinale<br />
der World Class Bartender Competition. Und gerade<br />
erst im April dieses Jahres holte er bei der Westdeutschen<br />
Cocktailmeisterschaft der Deutschen Barkeeper Union<br />
für Niedersachsen den Sieg. Sein Siegercocktail ,Don’t<br />
call it Ceviche‘ wurde vom Ceviche, einem Gericht aus<br />
rohem Fisch inspiriert. „Für mich spielt Kreativität eine<br />
entscheidende Rolle“, sagt Bertram. „Wenn ich einen<br />
neuen Cocktail kreiere, ist das eine Mischung aus Knowhow<br />
und Spontanität – dabei habe ich immer eine Geschichte<br />
im Kopf.“ So wie an dem Abend, als die Gin-<br />
Hersteller von G&J bei ihm an der Theke saßen und<br />
nach einem besonderen Cocktail fragten. „Auf dem Weg<br />
in den Keller, um Zutaten zu holen, kam ich an der<br />
136 2 |<strong>2019</strong>
leben<br />
Die Qual der Wahl: Über 50 Gin-Sorten füllen bereits die Regale hinter Barkeeper Yannick Bertram in der Herbarium Bar.<br />
2 |<strong>2019</strong> 137
leben<br />
Wer war Albrecht von Haller?<br />
Albrecht von Haller war Botaniker,<br />
Mediziner und Poet. Den Botanischen<br />
Garten gründete er 1736 als reinen<br />
Medizinalpflanzengarten, in dem er<br />
zunächst primär Beete mit Heilkräutern<br />
anlegte. In einer schriftlichen Sammlung<br />
aus der Anfangszeit führt er 1.500 Pflanzenarten<br />
auf. Eine beachtliche Zahl an Pflanzen,<br />
die er bereits in den ersten sieben Jahren für<br />
seinen Garten zusammentrug. Von Haller<br />
war mit vielen Gelehrten seiner Zeit im<br />
regen Austausch von Samen, Stecklingen<br />
und Pflanzen. Einer seiner Tauschpartner war<br />
Baron von Münchhausen – allerdings nicht<br />
der Lügenbaron, sondern sein Vetter.<br />
Küche vorbei und sah die Tagesempfehlung: Ceviche“,<br />
erzählt der Barkeeper. „Da macht es klick, und ich ließ<br />
mich von diesem Gericht inspirieren, holte Limetten,<br />
Chili, Babykorinander und grüne Tomaten aus dem Keller,<br />
nahm ein Eiweiß und Gin und entwickelte spontan<br />
ein neues Rezept.“<br />
Eigentlich gäbe es für jeden Menschen den passenden<br />
Gin, so Bertram, der sich schon mal zu skeptischen Gästen<br />
an den Tisch setzt und eine kleine Gin-Verkostung<br />
durchführt, um dann die Leute immer wieder in Erstaunen<br />
zu versetzen. Allein in Deutschland schätzt der Blogbetreiber<br />
Christian Kopp von GINspiration die Zahl auf<br />
über 1.000 Gins. „Das macht den Gin auch so besonders,<br />
und wenn man ihn dann mit den unterschiedlichen<br />
Tonic-Sorten, die inzwischen auf dem Markt sind, kombiniert,<br />
entstehen wieder neue Geschmackserlebnisse“,<br />
sagt Bertram – und erzählt auch, dass die fruchtigen und<br />
zitronigen Aromen ganz besonders gut in den <strong>Sommer</strong><br />
passen. Und wie steht es um die regionale Kreation, den<br />
Von Hallers Gin? „Mit Von Hallers Gin haben wir einen<br />
klassischen Gin ohne viel Schnickschnack, der mir zu<br />
jeder Jahreszeit schmeckt. Es ist nicht allein das geschmackliche<br />
Erlebnis, sondern auch die gute Balance<br />
zwischen den Botanicals und den wunderbaren Zitrusnoten<br />
in der Nase.“<br />
DOCH AUCH EIN EHRLICHER GIN – ohne viel Schnickschnack,<br />
erfrischend, leicht, ein wenig ölig und mit einer<br />
leichten Schärfe – braucht eine gute Story, um sich von<br />
der Vielfalt auf dem Markt abzuheben. Und Von Hallers<br />
Gin kann mit einer solchen aufwarten. Um der Frage<br />
nachzugehen, ob es denn tatsächlich stimme, dass ‚hand<br />
picked botanicals‘ verwendet werden, wie es auf der Flasche<br />
steht, führt der Weg zu Michael Schwerdtfeger. „Es<br />
sind sogar ,from curators hand picked botanicals‘“, erzählt<br />
der Leiter des Alten Botanischen Gartens in Göttingen<br />
lachend. „Eine Besonderheit ist auf alle Fälle die<br />
Halleria lucidia, die ursprünglich aus Südafrika stammt.<br />
1737 erhielt sie Albert von Haller zu Ehren ihren botanischen<br />
Namen“, so der Kurator, der, während er durch<br />
den Garten geht, immer wieder stehen bleibt und an Blüten<br />
riecht und die Natur genießt.<br />
Seit inzwischen 25 Jahren arbeitet Schwerdtfeger im<br />
Botanischen Garten, seit er sein Studium in Göttingen begann.<br />
Er kennt nicht nur jede der 10.000 Arten hier, sondern<br />
weiß auch Geschichten zu erzählen über den Entdeckergeist<br />
der Menschen zu der Zeit, als Albrecht von<br />
Haller 1736 den Botanischen Garten zunächst mit<br />
Kräuterbeeten zu medizinischen Zwecken anlegte. Eine<br />
aufregende Zeit, als auf Segelbooten von überall auf der<br />
Welt spannende Dinge nach Europa gelangten. „Die Seeleute<br />
brachten alle möglichen Besonderheiten mit, von<br />
Schrumpfköpfen bis hin zu exotischen Pflanzen, die allerdings<br />
meist die langen Seereisen gar nicht überstanden.<br />
Aber ein paar Samen reichten manchmal schon aus“, erzählt<br />
der Botaniker. Und so wuchs in über 250 Jahren der<br />
Garten und musste mehrfach erweitert werden.<br />
138 2 |<strong>2019</strong>
leben<br />
Grüner Daumen in Person Keiner kennt den Alten Botanischen Garten in Göttingen besser als Kurator Michael Schwerdtfeger.<br />
2|<strong>2019</strong> 139
leben<br />
140 2 |<strong>2019</strong>
leben<br />
Erfolgsrezept Mit Kalmus Halleria, Lucidia und Zitronenverbene (v.l.) kommen die wichtigsten Zutaten aus dem Botanischen Garten.<br />
FÜR DEN VON HALLERS GIN werden einmal pro Jahr<br />
drei Pflanzen von hier verwendet – Halleria lucidia,<br />
Zitronenverbene und Kalmus, auch deutscher Ingwer<br />
genannt, obwohl seine Ursprünge in Asien liegen – und<br />
von Carl Graf von Hardenberg jr., dem Initiator und<br />
Director International Business Development der Hardenberg-Wilthen<br />
AG, die unter anderem Von Hallers<br />
Gin produziert und vertreibt, persönlich abgeholt. „Die<br />
Halleria ist eine Rarität und wird nur hier bei uns für<br />
den Gin geerntet“, sagt Schwerdtfeger. Es ist im Vergleich<br />
zur Zitronenverbene und dem Kalmus zwar die<br />
Pflanze mit dem geringsten Aroma, aber dafür die mit<br />
der stärksten Story.<br />
2|<strong>2019</strong> 141
leben<br />
Wie entsteht Gin?<br />
Gin besteht als Ausgangsprodukt aus einem Neutralalkohol<br />
– entweder aus Korn oder Wodka. Dieser Alkohol<br />
kann nun auf unterschiedliche Weise mit Wacholder und<br />
anderen Gewürzen versetzt werden. Dabei muss der Anteil<br />
des Wacholders mindestens 50 Prozent betragen.<br />
Der Kreativität der anderen Zutaten sind keine Grenzen<br />
gesetzt. Beeren, Kräuter, Gewürze – sie werden bei der<br />
Mazeration in ein Alkohol-Wasser-Gemisch eingelegt,<br />
damit sie ihre Aromen abgeben.<br />
Durch Erwärmen, der Digestion, kann dieser Prozess<br />
verkürzt werden, was jedoch die Qualität mindert und<br />
eher in der Massenproduktion zu finden ist.<br />
Dann wird dieses Aroma-Gemisch im richtigen<br />
Misch verhältnis dem Neutralalkohol zugefügt.<br />
Wer welche Kräuter und in welchem Verhältnis verwendet,<br />
bleibt dabei das Geheimnis der Brennmeister.<br />
Gin Tonic Asian Style<br />
4 cl Von Hallers Gin<br />
Eiswürfel<br />
mit Matcha-Tonic von<br />
Schweppes auffüllen<br />
142 2 |<strong>2019</strong><br />
Gin Mule<br />
4cl Von Hallers Gin<br />
2 cl Zitronen- oder Limettensaft<br />
Eiswürfel<br />
mit Spicy Ginger auffüllen und mit<br />
einem Strauß Minze umrühren<br />
„GIN KANN IM GRUNDE JEDER BRENNEN. Die Kunst<br />
besteht darin, die Kräuter zu vermählen“, sagt Graf von<br />
Hardenberg jr. Nicht alle Kräuter harmonieren miteinander,<br />
und manchmal reagieren sie sogar aufeinander,<br />
sodass sich nicht klar vorhersagen lässt, welches Geschmackserlebnis<br />
– positiv oder negativ – auf einen wartet.<br />
„Bei unserem Von Hallers Gin hatten wir eine recht<br />
genaue Vorstellung, wie er schmecken sollte, und doch<br />
brauchte es circa 30 Versuche, bis wir mit dem Ergebnis<br />
zufrieden waren“, so der Graf, der seit 2016 Director<br />
Business Development sowie Director der Hardenberg<br />
Distillery der Hardenberg-Wilthen AG mit Sitz in<br />
Nörten- Hardenberg ist. Nach seinem dreijährigen Studium<br />
in England ging er für anderthalb Jahre nach Irland<br />
und baute in Drumshanbo als Projektmanager die The<br />
Shed Distillery mit auf, eine kleine Brennerei im irischen<br />
Hinterland, die überwiegend Whisky herstellt.<br />
Zu jener Zeit wurde die Idee eines deutsch-irischen<br />
Gins geboren, der ursprünglich als kleine, exklusive Marke<br />
nur für die FREIgeist-Hotels geplant war. „Der zunehmende<br />
Gin-Trend, aber auch das gezielte Marketing<br />
haben Von Hallers Gin langsam, aber stetig am Markt<br />
wachsen lassen. Obwohl auch ein Teil des Erfolgs dem<br />
Zufall geschuldet ist, so wie die Idee mit den Kräutern<br />
aus dem Alten Botanischen Garten“, sagt der Von-<br />
Hallers- Gin-Initiator. Als Verantwortlicher für das operative<br />
Geschäft von Hardenberg-Wilthen führte er den<br />
FOTO: HARDENBERG-WILTHEN AG
leben<br />
Der richtige Riecher Carl Graf von Hardenberg jr. hat ein Näschen für Erfolgsstorys – wie er mit seinem Von Hallers Gin bewiesen hat.<br />
2 |<strong>2019</strong> 143
leben<br />
Goettinger <strong>Sommer</strong><br />
5 cl Von Hallers Gin<br />
1 TL Himbeermarmelade<br />
3cl Zitronensaft<br />
mischen und durch ein feines Sieb<br />
geben, mit Prosecco auffüllen<br />
Die Gin-Cocktails sind<br />
Kreationen von<br />
Yannick Bertram.<br />
144 2 |<strong>2019</strong><br />
Gin in der blauen Flasche zu einem globalen Erfolg. Die<br />
Absätze liegen mittlerweile im mittleren fünfstelligen<br />
Bereich. Hauptabsatzland ist weiterhin Deutschland, aber<br />
er ist längst weit über die Grenzen Südniedersachsens hinaus<br />
bekannt und wird bis nach Irland, England, Namibia,<br />
Malaysia, Australien, Neuseeland und China exportiert.<br />
OB DER ZENIT DES GIN-BOOMS BEREITS erreicht ist<br />
oder ob Barkeeper Yannick Bertram recht hat, wenn er<br />
sagt: „Gin hat auf dem Markt ein so konstantes Niveau<br />
erreicht, dass man eigentlich nicht mehr von einem Hype<br />
sprechen kann. Er hat sich als fester Bestandteil in der<br />
Barkultur etabliert.“ Für Bertam gehört donnerstagabends<br />
zur After Work Party auf der Dachterrasse des<br />
Hotels ein Gin unbedingt dazu. Fest steht außerdem:<br />
Dank des Revivals des Gins werden auch Cocktail-Klassiker<br />
neu belebt. Als Wodka-Klassiker ,Cosmo‘ bekannt,<br />
hat sich eine Gin- Variante aus dem Buch ‚Traveling<br />
Mixologist on Gin‘ aus dem Jahr 1934 als ‚Cosmopolitain<br />
1934‘ den Weg in die Szenebars verschafft – im<br />
FREIgeist ist der 1934er sogar die Standard-Rezeptur.<br />
Es lohnt sich, sich der Vielfalt und Kreativität der<br />
Brennmeister zu öffnen und in eine faszinierende Welt<br />
der Kräuter und Aromen einzutauchen. Es gibt für<br />
Gin-Liebhaber und die, die es in diesem <strong>Sommer</strong> noch<br />
werden wollen, noch viel zu entdecken.
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leben<br />
Die Vorführerin<br />
Telke Reeck hat sich bereits früh dem Film verschrieben.<br />
Bei einem Besuch im Lumière erzählt die Geschäftsführerin, warum Kino nie<br />
aussterben wird und wie sie nostalgische Erlebnisse im neuen<br />
Lichtspielhaus in der Baptistenkirche schaffen will.<br />
TEXT ANJA DANISEWITSCH FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
Kurze Haare, selbstbewusstes Auftreten<br />
und eine gute Stimmung verbreitend<br />
– das ist Telke Reeck. Sie sitzt im<br />
Büro in der ersten Etage über dem<br />
Lumière hinter einem voll gepackten<br />
Schreibtisch. Es herrscht einiger Betrieb.<br />
Das Telefon klingelt, eine Mitarbeiterin<br />
betritt das Büro, jemand anderes sucht etwas<br />
zwischen den Papieren auf dem Schreibtisch. Es gibt viel<br />
zu organisieren und zu planen. Zumal das Projekt Baptistenkirche,<br />
in welcher im Herbst ein Kino und Bistro – ganz<br />
anders als das Lumière – aber unter derselben Leitung,<br />
seine Türen öffnen wird. Lange diskutiert und geplant,<br />
geht es mit dem Umbau der über Jahre leer stehenden Kirche<br />
nun in die letzten Runden der Baumaßnahmen. Am<br />
4. Mai wurde Bergfest gefeiert. Und im Büro läuft bereits<br />
die Planung für die Bespielung der Spielstätten. „Kino machen,<br />
heißt Programm machen, aber eben nicht nur das“,<br />
sagt Reeck, die als Geschäftsführerin ihre Aufgabe auch<br />
darin sieht, eine gute Atmosphäre zu schaffen und neben<br />
Geschäftsberichten vor allem den Gestaltungspielraum<br />
ihrer neuen Position zu nutzen.<br />
FÜR DAS INTERVIEW ziehen wir uns in den Kinosaal des<br />
Lumière zurück. Hier ist es ruhig. Die samtroten Sitze<br />
scheinen die Hektik des Alltags einfach in sich aufzunehmen<br />
und geben stattdessen eine wohltuende Ruhe ab.<br />
Hier setzen sich die Besucher nicht einfach hin und<br />
schauen sich bei überteuertem Bier und Popcorn einen<br />
Hollywood-Blockbuster an. Nein, das hier ist das Lumière.<br />
Hierher kommen Menschen, die eine andere Art von<br />
Filmen mögen, Arthouse-Filme, die auf süßes Popcorn<br />
verzichten können und die nach dem Filmeschauen miteinander<br />
reden. Über den Film. „Wir haben hier die<br />
Möglichkeit, auch Werke zu zeigen, die eben nicht<br />
kommer ziell erfolgreich sind, sondern von denen wir<br />
sagen: Die sind inhaltlich wichtig“, sagt Reeck mit einem<br />
gewissen Nachdruck, aber nicht dogmatisch. Es gilt, die<br />
Waage zwischen Kommerz- und Programmkino zu halten.<br />
Das Lumière ist zwar kein kommunales Kino,<br />
146 2 |<strong>2019</strong>
leben<br />
2 |<strong>2019</strong> 147
leben<br />
Zur Person<br />
Bereits lange bevor sie Geschäftsführerin des Lumière<br />
wurde, hat Telke Reeck ihre Leidenschaft fürs Kino<br />
entdeckt. Ob als Kartenabreißerin und Filmvorführerin<br />
während ihres Studiums der Kultur- und Medienwissenschaften<br />
oder bei ihrer Arbeit im medienpädagogischen<br />
Verein Blickwechsel – sie hat sich der Arbeit rund um den<br />
Film verschrieben. Dabei spielt für die 54-Jährige immer<br />
auch die soziale Integration eine wesent liche Rolle.<br />
Zwei von ihr konzipierte und geleitete Integrationsprojekte<br />
bekamen 2012 und 2016 den Dieter-Baake-Preis verliehen,<br />
die bundesweite Auszeichnung für medienpädagogische<br />
Projekte. 2016 übernahm Reeck die Geschäftsführung des<br />
integrativen Unternehmens Handweberei Rosenwinkel<br />
in Besenhausen bis sie im vergangenen Jahr<br />
zum Lumière wechselte.<br />
aber es kommt auch nicht ohne öffentliche Gelder aus.<br />
Der Gründungsverein, die Film- und Kinoinitiative Göttingen<br />
e. V., ist Träger des Kinos. Finanziert wird es zu<br />
etwa 35 Prozent durch öffentliche Zuschüsse von der<br />
Stadt Göttingen, dem Land (nordmedia), dem Bund<br />
(FFA) und Europa (Europa Cinemas). Der Löwenanteil<br />
der Kosten muss jedoch selbst erwirtschaftet werden.<br />
Es ist ein Spagat, der jedes Jahr aufs Neue zu vollbringen<br />
ist. Telke Reeck hat sich dieser Aufgabe gestellt. Obwohl<br />
sie eine langjährige Verbundenheit zum Lumière<br />
empfindet, war es für sie dennoch eine Überraschung,<br />
dass man sich bei über 40 Bewerbungen letztlich für sie<br />
als Nachfolgerin von Willi Arnold entschieden hat.<br />
Arnold kann man ohne Zögern als ein Ur gestein des<br />
Lumière bezeichnen – seit sich 1986 zum ersten Mal der<br />
Vorhang öffnete, war das Kino unter seiner Regie. Nun<br />
148 2 |<strong>2019</strong>
leben<br />
»Ich glaube, Kino wird es in der alten Form immer geben. Weil es toll ist.<br />
Weil es spannend ist. Weil es seinen Reiz auch nach über 100 Jahren noch<br />
nicht verloren hat. Aber ich glaube eben auch, es muss sich den neuen<br />
Sehgewohnheiten, den neuen Bedürfnissen anpassen.«<br />
wurde es im vergangenen Jahr in die Hände jener Frau<br />
übergeben, der es vor 32 Jahren als Studentin nicht ausreichte,<br />
den Einlass zu betreuen. „Ich hatte schon mit 18<br />
Jahren an der Kasse eines Kinos in Hildesheim ge arbeitet<br />
und mich eigentlich immer geärgert, dass Frauen nicht in<br />
die Vorführkabinen gelassen wurden“, erinnert sich die<br />
heutige Geschäftsführerin. Es scheint, als sei sie nie jemand<br />
gewesen, der sich mit einem Das-geht-nicht zufrieden<br />
gibt. Eine Frau, die Veränderungen anstoßen kann<br />
und auch umsetzt.<br />
1987 fing sie neben ihrem Studium der Kultur- und<br />
Medienwissenschaften an, im Lumière zu arbeiten, und<br />
musste dasselbe erleben wie im vorherigen Kino: Frauen<br />
als Vorführerin waren ein No-Go. Doch sie blieb hartnäckig<br />
und bewies schließlich, dass sie sowohl das technische<br />
Verständnis besaß als auch die 30 Kilo schweren<br />
Filmkisten hochheben und die nicht ganz so schweren<br />
Filmrollen einlegen konnte. Heute hat sie andere Dinge<br />
zu stemmen, solche, die mit Verantwortung zu tun haben,<br />
aber manches Mal ebenso schwer wiegen – zumindest<br />
im metaphorischen Sinn. Schwere Filmrollen hingegen<br />
sind durch die Digitalisierung zu einer Seltenheit<br />
geworden. Zum Stummfilmfestival oder anderen Vorführreihen<br />
von Klassikern wie von Werner Herzog oder<br />
Rainer Werner Fassbinder kommen wie eh und je Filmrollen<br />
vom Verleih – und das Flimmern auf der Leinwand<br />
wird wieder lebendig.<br />
REECK SITZT ENTSPANNT AUF DER BÜHNE des Vorführraums,<br />
die Beine im Schneidersitz übergeschlagen,<br />
und erzählt, wie sie letztlich doch als Filmvorführerin<br />
arbeitete, wie sie sich zwischen Männern auf den Kurzfilmtagen<br />
in Oberhausen behauptete und dass einen<br />
Film abzuspielen eben nicht nur bedeutet, auf ‚play‘ zu<br />
drücken. „Gerade bei älteren Filmen dürfen die einzelnen<br />
Filmrollen nicht aneinandergeklebt werden – das<br />
heißt, beim Abspielen muss man das Ende der einen mit<br />
dem Anfang der nächsten Rolle überblenden. Und dieses<br />
Überblenden ist so eine kleine Kunst. Das braucht Feingefühl<br />
– und da braucht man ein Auge“, erklärt Reeck.<br />
Das Leuchten in ihren Augen macht klar, warum es sie<br />
damals dorthin getrieben hat. Es ist die Art, die einzelnen<br />
Sequenzen und Bilder eines Films zu betrachten,<br />
nein, genauestens zu beobachten und den richtigen Moment<br />
zu erkennen. Das heißt: viel aufmerksamer auf die<br />
Zwischentöne zu hören und zu spüren, wann man als<br />
Vorführer eingreifen muss. „Ein Gespür für Performance“<br />
nennt es Reeck, wenn sie von den Festivals erzählt,<br />
wo Filmvorführung noch eine Kunst ist.<br />
SO ÄHNLICH LÄSST SICH IM ÜBRIGEN auch das Leben<br />
von Telke Reeck lesen. Bild für Bild reiht sich aneinander,<br />
sodass sich die einzelnen Episoden zu einem Ganzen<br />
fügen. Nach ihrem Studium arbeitete sie am IWF, dem<br />
Institut für den Wissenschaftlichen Film in Göttingen,<br />
und später für den medien pädagogischen Verein Blickwechsel.<br />
Dabei lag ihr die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen<br />
mit und ohne Förderbedarf besonders am<br />
Herzen. Im Rahmen dieser Kinder- und Jugendarbeit<br />
wurde zwei der von ihr konzipierten und geleiteten Projekten<br />
der Dieter-Baacke-Preis verliehen – ein medienpädagogischer<br />
Preis, der innovative und weitreichende<br />
Projekte, die zur Förderung einer pädagogisch orientierten<br />
Medienkompetenz beitragen, auszeichnet. „Mir war<br />
es wichtig, Berührungsängste abzubauen“, erzählt sie,<br />
„denn Förderschulen befinden sich meist am Stadtrand,<br />
und diese Kinder tauchen nie im Stadtbild auf. Ich wollte,<br />
dass Kinder aus verschiedenen Schulen miteinander<br />
in Kontakt kommen – und das hat funktioniert.“ Über<br />
das Ergebnis dieser Arbeit freut sie sich noch immer –<br />
und integrative Arbeit bleibt ihr ein Anliegen, auch weiterhin.<br />
Denn Kino, als Ort der Medienbildung, liegt Reeck<br />
sehr am Herzen. Daher wird es auch zukünftig die<br />
Zusammenarbeit mit Schulen geben, und ebenso möchte<br />
sie das Kinderkino weiter ausbauen. Die „Erklärung der<br />
Vielen“ gegen Rassismus zu unterstützen, ist eine weitere<br />
Initiative, die auch für die Positionierung des Lumière<br />
steht, für Offenheit und Toleranz.<br />
DOCH DERZEIT TREIBEN DIE GEBÜRTIGE STADERIN<br />
andere Dinge um: das neue Kino in der Baptistenkirche.<br />
„Man hat mich ja auch für diese Stelle ausgewählt, um<br />
Dinge vielleicht anders oder neu zu machen. Wahrscheinlich<br />
hätte ich es weniger reizvoll gefunden,<br />
2 |<strong>2019</strong> 149
leben<br />
wenn nicht die Baptistenkirche im Raum gestanden hätte“,<br />
sagt die Norddeutsche. Der neue Spielort eröffnet<br />
ganz neue Möglichkeiten, sodass sich auch das bestehende<br />
Konzept wandeln wird. Schnell drängt sich die Frage<br />
auf, ob der Charme des Lumière unter Umständen verloren<br />
gehen wird? „Nein, das Lumière wird kein Hochglanzkino,<br />
es wird allein schon wegen des alternativen<br />
Umfelds des ‚Kabale‘ und des ‚Theaterkellers‘ sein Flair<br />
behalten“, Reeck lächelt, denn sie weiß nur zu gut, wie<br />
sensibel und nostalgisch die Göttinger bei dieser Frage<br />
reagieren. „Doch eine Sanierung der Toiletten zum Beispiel<br />
tut dem ja keinen Abbruch.“<br />
IM NEUEN SPIELHAUS an der Bürgerstraße (Foto) hingegen<br />
wird natürlich alles modern – es wird ein ganz<br />
anderes Kino als seine Schwester in der Geismarlandstraße.<br />
Vorfreude und die Lust auf Gestaltung beleben<br />
erneut das Gespräch. Das Kino der Zukunft wird, da ist<br />
sich Reeck sicher, immer stärker ein Eventkino sein. Die<br />
Bedürfnisse ändern sich, und das Kino muss sich neu erfinden.<br />
„Was ist denn Kino?“, fragt die Filmbegeisterte.<br />
Kino ist ein Raum, in dem Menschen etwas Visuelles<br />
und Auditives miteinander teilen. Auf das Miteinander<br />
kommt es an. Das Open-Air-Kino im Freibad ist bereits<br />
eine Eventisierung des Kinos, indem Menschen nebenbei<br />
Picknick machen oder schwimmen gehen. „Ich glaube,<br />
Kino wird es in der alten Form immer geben. Weil es toll<br />
ist. Weil es spannend ist. Weil es seinen Reiz auch nach<br />
über 100 Jahren noch nicht verloren hat. Aber ich glaube<br />
eben auch, es muss sich den neuen Sehgewohnheiten,<br />
den neuen Bedürfnissen anpassen.“ Vielleicht werden in<br />
naher Zukunft Serien ins Kino geholt und zu einem gemeinsamen<br />
Erlebnis, statt dass wir sie allein am heimischen<br />
Fernseher sehen.<br />
Sie ist offen für das, was in den nächsten Jahren an Entwicklungen<br />
zu erwarten ist. Offen und begeistert, weil<br />
letztlich der Film als solches nie aussterben wird. Denn<br />
Filme schaffen Erinnerungen an besondere Momente.<br />
So wie es einst der kleinen Telke erging, als sie heimlich<br />
auf Knien in das Wohnzimmer der Eltern schlich, um<br />
einen Film zu sehen, den sie nicht schauen durfte. „Es<br />
war ‚Tanz der Vampire‘ und ich erinnere mich noch genau,<br />
wie sehr ich mich gefürchtet habe, aber ich durfte<br />
nichts sagen“, erzählt sie heute lachend. Trotz der folgenden<br />
Albträume blieb sie dem Film treu und kaufte<br />
sich mit 13 Jahren von ihrem Konfirmationsgeld einen<br />
ersten eigenen Fernseher. Von da ab sah sie sich alles an,<br />
was gut gemacht ist. Das ist bis heute so geblieben: „Ich<br />
habe keinen Lieblingsfilm oder Regisseur. Ich will nicht<br />
sagen, ich bin wahllos, vielmehr finde ich alle Genres<br />
spannend – ob Horrorfilm oder Action, ob Liebes- oder<br />
Tanzfilm“, resümiert sie. Eine gute Voraussetzung, um<br />
unvoreingenommen ein abwechslungsreiches Programm<br />
zu gestalten und zukünftig zwei Kinos in Göttingen zu<br />
bereichern.<br />
Das neue Spielhaus<br />
Im Jahr 1902 erbaut, wurde die Baptistenkirche in der<br />
Bürgerstraße bis 1984 als Kirche der Göttinger Baptisten<br />
genutzt und ging danach in den Besitz der Stadt über.<br />
Einige Jahre diente sie als Jugendzentrum und Probe bühne<br />
des Jungen Theaters, stand dann leer, bis im November<br />
2018 die Umbau arbeiten für die neue Nutzung begannen:<br />
Anfang 2020 wird hier ein Programmkino eröffnen, das sich<br />
in Konzept und Finanzierung vom Lumière unterscheidet,<br />
auch wenn es vom gleichen Träger betrieben wird.<br />
Neben dem Kino für 110 Gäste wird es noch ein Café<br />
geben, das sich vom alten Gebäude bis in einen neuen<br />
Anbau erstreckt. In der Baptistenkirche bleibt im Übrigen<br />
die Empore für die Besucher erhalten und schafft ein<br />
besonderes Kinoerlebnis. In den darüberliegenden<br />
Stockwerken entstehen Studentenwohnungen.<br />
150 2 |<strong>2019</strong>
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leben<br />
Zeichnen im Auftrag<br />
Marion Vina machte bereits auf vielfältige Weise auf sich aufmerksam – ohne dass die Künstlerin<br />
so ins Blickfeld der Öffentlichkeit rutschen wollte. Die ,Stallzeichnerin‘ des Satirepreises Göttinger<br />
Elch ist eine Persönlichkeit mit vielerlei Facetten, die von sich selbst behauptet, trotz zahlreicher<br />
Rückschläge ein wahres Glückskind zu sein.<br />
TEXT ANJA DANISEWITSCH FOTOGRAFIE ALCIRO THEODORO DA SILVA<br />
152 2 |<strong>2019</strong>
leben<br />
2 |<strong>2019</strong> 153
leben<br />
»Plötzlich finde ich überall Worte,<br />
im Alltag, wenn ich unterwegs bin – und dann<br />
geht bildlich gesprochen eine Tür in mir auf und<br />
ein Bild zeigt sich. Das zeichne ich dann.«<br />
Mit 14 Jahren hat Marion<br />
Vina bereits eine Größe<br />
von 1,75 Meter erreicht<br />
– ein hochgeschossener,<br />
schlaksiger Teenager mit<br />
längsgestreiften, zu kurzen<br />
Hosen, die sie von<br />
ihrer zwei Jahre älteren<br />
Schwester auftrug. „Ich war schon ein wenig ulkig“, erzählt<br />
Vina heute herzlich lachend, während sie als Kind<br />
eher schwer mit sich selbst zurechtkam. Ihr fehlte das<br />
Selbstbewusstsein, stattdessen durchlebte sie ihre Pubertät<br />
mit unzähligen Zweifeln. Gezeichnet hat die heute<br />
58- jährige, in Sprockhövel – einem Ort im Ruhrgebiet –<br />
geborene Künstlerin bereits damals schon. Allerdings<br />
waren diese Bilder weniger Ausdruck ihrer inneren Persönlichkeit,<br />
als dass sie einfach Lust hatte zu zeichnen.<br />
Und das macht sie ziemlich gut. Mit elf Jahren nimmt<br />
sie an einem Zeichenwettbewerb teil, belegt den ersten<br />
Platz und gewinnt ein Fahrrad. Aber zuvor muss Vina<br />
vor der Jury ihr Talent beweisen, denn man will ungesehen<br />
nicht glauben, dass sie die eingereichten Bilder<br />
selbst gezeichnet hat. Durch ihren ersten Erfolg ermutigt,<br />
versucht sie zwei Jahre später erneut ihr Glück –<br />
dieses Mal bei einem Wettbewerb, den der Süßigkeitenhersteller<br />
Storck ausschreibt. Hier werden ihre Bilder<br />
abgelehnt. Die Begründung: ‚Das ist ein Wettbewerb<br />
für Kinder, da haben nicht die Eltern die Zeichnungen<br />
zu malen.‘<br />
EIN SPRUNG IN DAS JAHR 2017. Vierzig Jahre später<br />
hängen Bilder der inzwischen anerkannten Satirezeichnerin<br />
in einer Sammelausstellung in der Zentralmensa<br />
der Göttinger Universität, unter dem Titel ‚Geschmackssache‘.<br />
Doch auch dieses Mal muss sie einen Rückschlag<br />
hinnehmen. Vina gehörte zur Künstlergemeinschaft ‚Das<br />
KomiTee‘, die mit dieser Ausstellung im Herbst Aufsehen<br />
erregen sollte: Das Plakat zur Ausstellung von der<br />
Künstlerin Ulrike Martens zeigte einen Albert Einstein<br />
mit Schweineohren und wurde von der Jüdischen Gemeinde<br />
als antisemitisch verurteilt, die Bilder von Marion<br />
Vina wurden von der Gleichstellungsbeauftragten der<br />
Universität als sexistisch eingestuft. „Damals war gerade<br />
die #metoo-Debatte groß in den Medien. Meine Zeichnungen<br />
und Wortspiele, die durchaus eine Auseinandersetzung<br />
mit dem Thema darstellen, wurden völlig falsch<br />
interpretiert“, sagt Vina. Bis heute haben die Verantwortlichen<br />
nur bedingt den Dialog mit ihr gesucht, was<br />
sie sehr bedauert.<br />
Anders der Jurist Alexander Thiele, der zusammen mit<br />
Göttinger Studierenden eine offene Diskussion mit der<br />
Künstlerin führte. Das war eine gute Gelegenheit, dieses<br />
Thema anzugehen. Zumal sie vor einer Öffentlichkeit<br />
den Vorwurf entkräften konnte, da sie selbst mit 13 Jahren<br />
Opfer eines Missbrauchs geworden war und Zeichnungen<br />
wie diese in der Ausstellung ein Teil des Verarbeitungsprozesses<br />
darstellen. „Erotische Zeichnungen<br />
waren für mich auch ein Weg zur Selbstfindung – auch<br />
um meinen eigenen Körper wiederzufinden“, sagt die<br />
Künstlerin. Im November 2017 wurde die Ausstellung<br />
vorzeitig beendet, und alle acht Künstler nahmen ihre<br />
Bilder von den Wänden. Die Wogen der Debatte drangen<br />
damals sogar bis in die FAZ und Die WELT vor. In der<br />
WELT vom 08.11.2017 wurde auf den Deutschen Kulturrat,<br />
dem Spitzenverband der Bundeskulturverbände,<br />
verwiesen. Der Kulturrat-Geschäftsführer Olaf Zim-<br />
154 2 |<strong>2019</strong>
leben<br />
,Anita Berber‘, Illustration aus dem Buch<br />
,20 Abwege zum Glück‘, Marion VINA, 2010<br />
2 |<strong>2019</strong> 155
leben<br />
Illustration ,Der TrumPeter‘ Marion VINA, 2017<br />
Illustration anlässlich des Attentats auf den Weihnachtsmarkt<br />
am Breitscheidplatz/Berlin Marion VINA, 2016<br />
mermann äußerte sich hier besorgt darüber, „dass die<br />
Kunstfreiheit infrage gestellt werde. Hochschulen seien<br />
öffentliche Räume, in denen die grundgesetzlich verbriefte<br />
Kunstfreiheit gelte“. Er fordere deshalb diejenigen<br />
auf, die das Abhängen der Bilder durchgesetzt haben,<br />
ihre Haltung zu überdenken. „Debattieren, ja. Zensieren,<br />
nein!», so Zimmermann.<br />
VINA IST KÜNSTLERIN. Aber sie ist auch Grafikerin,<br />
Illustratorin, Wandzeichnerin, Satirezeichnerin und<br />
Schauspielerin. Bis zur Geburt ihres Sohnes vor 23 Jahren<br />
arbeitete sie als Art-Direktorin in einer großen Agentur<br />
in Halle/Westfalen und betreute Kampagnen der<br />
Storck-Marken wie Knoppers, Super Dickmann’s, Schokoladen<br />
Riesen, Campino und andere. Als alleinerziehende<br />
Mutter änderte sich ihr Leben komplett – eine<br />
halbtags angestellte Art-Direktorin mit einem Kleinkind<br />
zu Hause? „Ich bin eher aus der Not heraus in die Selbstständigkeit<br />
gegangen. Es war nicht einfach, aber ich denke<br />
heute, dass dieser Weg notwendig war, damit ich werden<br />
konnte, was ich heute bin.“<br />
Große Dankbarkeit schwingt mit, während sie das<br />
sagt. Vina ist eine lebensfrohe Frau, heute selbstbewusst<br />
und zufrieden. Sie wohnt, nachdem sie 2016 von Norderstedt<br />
nach Göttingen zog, in einer kleinen Wohnung<br />
am Stadtrand, die Atelier, Büro und Lebensraum gleichermaßen<br />
ist. Wohl auch, weil sich für sie als kreativer<br />
Mensch das eine nicht von dem anderen trennen lässt.<br />
Durch die große Fensterfront lässt sie ihren Blick immer<br />
wieder über die Felder direkt vor ihrer Haustür schweifen.<br />
„Ich brauche diesen Blick in die Natur“, erklärt sie<br />
und schenkt grünen Tee nach. Ihre Wände sind voll mit<br />
Skizzen und Sekundenzeichnungen, wie sie sie nennt.<br />
„Solche Zeichnungen entstehen zum Beispiel, wenn ich<br />
fernsehe und Dinge auf mich einströmen, die mich bewegen.<br />
Das muss dann einfach raus“, sagt die Wahl-Göttingerin<br />
und zeigt auf eine Zeichnung mit einem Totenkopf<br />
Diese entstand, als sie von dem Anschlag auf dem Berliner<br />
Weihnachtsmarkt 2016 erfuhr. Oder eine Zeichnung:<br />
Sie ist eine Satire auf Donald Trump als Trompete.<br />
„Es gibt viele Beispiele, da bin ich sehr politisch. Ich habe<br />
eine starke Meinung zu Trump und Erdoğan“, sagt sie,<br />
„und die tue ich auch kund, ob die Menschen es hören<br />
wollen oder nicht.“<br />
IN DIE SATIRE IST DIE STUDIERTE GRAFIKDESIGNERIN<br />
eher reingerutscht. Erst kam 2012 die Anfrage von dem<br />
Göttinger Ausstellungsmacher, Kurator und Gründer des<br />
,Göttinger Elch‘ W.P. Fahrenberg zu dem Lichtenberg-<br />
Zeichenzyklus, der stetig wächst und inzwischen auf über<br />
156 2 |<strong>2019</strong>
leben<br />
SOWA PerlHuhnManschettenHundElch<br />
Illustration Marion VINA, 2013<br />
,warte Schleife‘ Illustration Marion VINA, 2015 <br />
warte Schleife<br />
200 Zeichnungen mit Aphorismen angewachsen ist. In<br />
Vinascher Manier lädt sie die Betrachter ein, Lichtenberg<br />
neu und ein wenig anders zu lesen. Ein schier unerschöpflicher<br />
Fundus wartet wohl in den nächsten Jahren noch<br />
auf Umsetzung. Zu Lichtenberg gesellte sich der Göttinger<br />
Elch. „Ich habe 2012 als ,Stallzeichnerin‘ für den<br />
Göttinger Elch mit einer ‚Darstellung‘ der von Michael<br />
Sowa und seinen gezeichneten Bilder Perlhuhn und Hund<br />
mit Manschette aus dem Film Die fabelhafte Welt der<br />
Amélie angefangen. Sowa bildete insofern eine Ausnahme,<br />
da ich danach ausschließlich Porträts der Satirepreisträger<br />
zeichnete“, erzählt sie, wobei in ihrer Stimme Stolz<br />
mitschwingt. Etwas Besonderes bei ihr. Denn eigentlich<br />
hält sie sich mit der Einschätzung über ihre Werke sehr<br />
zurück. „Ich möchte nichts über die Wertigkeit meiner<br />
Bilder sagen, ob sie gut sind oder schlecht. Ich zeichne in<br />
erster Linie für mich. Aber es freut mich, wenn Betrachter<br />
da sind und es ihnen gefällt.“<br />
Ihre Zeichnungen in Kombination mit Wortspielen<br />
zwingen die Betrachter regelrecht zu einem zweiten Blick<br />
der Erkenntnis, wie bei ‚warte Schleife‘. Wortspiele sind<br />
eine riesige Herausforderung für Vina und haben für die<br />
Künstlerin fast Suchtcharakter. „Plötzlich finde ich überall<br />
Worte, im Alltag, wenn ich unterwegs bin – und dann<br />
geht bildlich gesprochen eine Tür in mir auf und ein Bild<br />
zeigt sich, das zeichne ich dann“, erklärt sie ihren Schaffensprozess.<br />
Meist sei es erst das Wort und dann das Bild.<br />
Wenn sie hingegen ein Bild vor Augen hat und einen Begriff<br />
dafür sucht, funktioniere es in den seltensten Fällen.<br />
Sie zeichnet immer von Hand und scannt dann ihre ‚SekundenSkizzen‘-Zeichnung<br />
ein, um sie zu vervollkommnen.<br />
Ihre Linien führung, der Schwung, an dem ihre Fans<br />
ihre Bilder immer wiedererkennen und sie deshalb mögen,<br />
bleiben dabei erhalten. Vinas Werke zeichnen sich vor<br />
allem dadurch aus, dass sie mit wenigen Strichen und<br />
Linien in den Köpfen eine ganze Welt erschaffen. „Ich versuche<br />
immer, den perfekten Ausschnitt zu finden. Ich gehe<br />
lieber nah ran und zoome, als dass ich Klein-Klein mache“,<br />
erklärt sie. Und genau dieses Heranzoomen schafft<br />
eine Nähe zum Objekt, der man sich nicht entziehen kann.<br />
VIELE IHRER BILDER veröffentlicht die Sekundenzeichnerin<br />
auf Facebook. Auf Leinwand gedruckt gibt es sie<br />
jedoch immer nur als Unikat – Kunstdrucke werden in<br />
limitierter Auflage verkauft. Die Ursprungsskizze, die<br />
von Hand gezeichnete, vernichtet Vina, um ihren Anspruch<br />
auf Originalität aufrechtzuerhalten. Egal, ob sie<br />
als Künstlerin oder als Grafikerin unterwegs ist, ob sie<br />
an Kunden, an Freunde oder an sich selbst denkt – unverrückbare<br />
Ehrlichkeit ist für sie eine Lebensmaxime.<br />
2 |<strong>2019</strong> 157
leben<br />
„Marion Vinas Art, cleane und<br />
elegante Reinzeichnung mit expressiven<br />
Hintergründen zu verbinden,<br />
ist einmalig in der gesamten Szene<br />
und daher wirklich ART. Innovativ,<br />
oft wunderschön und ein absoluter<br />
Hingucker – endlich wagt's mal<br />
jemand, sich dem Diktat der<br />
VielBuntFlach-Zeichnerei zu widersetzen!<br />
Und auch, dass sie lieber<br />
auf geniale Klassiker-Zitate setzt als<br />
auf tausendmal gelesene Banalpointen,<br />
spricht (jedenfalls<br />
meistens!) wirklich für Vina.<br />
Ehrliches Kompliment!“<br />
WP Fahrenberg<br />
Ausstellungsmacher,<br />
Kunsthistoriker<br />
„Egal, ob man Satire macht, Künstler ist oder Musiker:<br />
Man hat immer einen Auftrag – im Positiven. Dazu gehört<br />
für mich auch soziales Engagement“, sagt Vina.<br />
Viele Jahre arbeitete sie im Kinderhospiz Sternenbrücke<br />
in Hamburg und übernahm auch immer wieder ehrenamtliche<br />
Projekte. Sie malte dort Wandillustrationen<br />
und bemalte zusammen mit den Eltern Kindersärge.<br />
Eine Arbeit, die sie demütig gemacht hat. Bis heute zeichnet<br />
sie für das Hospiz die Weihnachtskarten, für die sie<br />
extra eine Figur – den ‚kleinen Engel‘ – erfunden hat.<br />
VIELE ANEKDOTEN AUS ihrem Leben fallen ihr während<br />
des Interviews ein: dass sie als Kind immer wieder zu<br />
einem Baumstumpf im Garten lief und jedes Mal etwas<br />
anderes in ihm sah, dass sie immer schon ein aufmerksamer<br />
und eher langsamer Mensch war – was für sie aus<br />
heutiger Sicht wichtig war, damit sie lernen konnte, sich zu<br />
begreifen und sich selbst anzunehmen. Aber auch, wie viel<br />
Kraft es sie gekostet hat, als Alleinerziehende das Leben zu<br />
stemmen, und dass es Zeiten gab, in denen sie als Akademikerin<br />
an der Kasse bei Edeka saß. Auch das. „Dennoch<br />
oder gerade deshalb sehe ich mich als ein Glückskind. Ich<br />
glaube, dass nichts zufällig geschieht, denn man bekommt<br />
dadurch die Chance, in die Ver änderung zu gehen“, sagt<br />
sie resümierend zum Ende – und fügt nach kurzem Nachdenken<br />
noch hinzu: „Alle Ängste, die man hat, hindern<br />
einen doch nur daran, dass es losgeht.“ Denn auch sie<br />
weiß, dass sie noch nicht alle Ängste in sich überwunden<br />
hat. Doch das hindert Vina nicht daran, die Dinge einfach<br />
auf sich zukommen zu lassen und weiterzumachen. Denn<br />
Leidenschaft findet sowieso den Weg nach draußen.<br />
Zur Person<br />
Marion Vina ist Illustratorin, satirische Zeichnerin, freie<br />
Künstlerin, Buchillustratorin und Diplom-Grafikdesignerin.<br />
In Sprockhövel (Ruhrgebiet) aufgewachsen, studierte sie<br />
zunächst Industriedesign in Wuppertal, dann Bielefeld,<br />
und lebte lange Zeit in Norderstedt bei Hamburg. 2016<br />
zog sie nach Göttingen. Die Porträts der Preisträger des<br />
beliebten Göttinger ,Elch‘ kommen seit 2012 aus ihrem<br />
gespitzten Stift. Als Satirezeichnerin und Künstlerin setzt<br />
sie sich mit politischen und gesellschaft lichen Problemen<br />
auseinander und verrückt hier und da den Blickwinkel, um<br />
zum Nachdenken und Umdenken anzuregen.<br />
www.marion-vina.de<br />
Vinas Werke sind bei ihr direkt und als FineArtPrints in<br />
limitierter Auflage erhältlich unter:<br />
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158 2 |<strong>2019</strong>
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Fotografie<br />
Alciro Theodoro da Silva, Luka Gorjup<br />
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Anzeigen<br />
Horst Wolf (Leitung)<br />
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Silber Druck oHG<br />
Redaktions- und Anzeigenschluss der nächsten Ausgabe ist der<br />
15. August <strong>2019</strong>.<br />
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