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FILMFEST MÜNCHEN MAGAZIN 2019

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Spiel mit<br />

dem<br />

Cho Yong-koo ist ein Mann, der sich<br />

ungern die Hände schmutzig macht.<br />

Oder die Schuhe. Düster ist der Raum,<br />

in dem er und sein Kollege auf Baek<br />

Kwang-ho einreden, später auch eintreten.<br />

Der Druck, der auf den beiden<br />

lastet, ist zu spüren, denn einen anderen<br />

Verdächtigen für den Mordfall<br />

haben sie nicht. Also muss der hier<br />

gestehen, um jeden Preis. Außerdem<br />

ist Baek geistig zurückgeblieben, was<br />

ihn zu einem idealen Täter macht – so<br />

schön entbehrlich. Im Gegensatz zu<br />

den Schuhen von Cho, weshalb der sie<br />

zunächst penibel mit einer Plastiktüte<br />

umhüllt, damit etwaige Blutspritzer<br />

nichts versauen können.<br />

Nein, Freunde und Helfer sind die<br />

Polizisten eher nicht in dem Thriller<br />

memories of murder, mit dem Bong<br />

Joon Ho 2003 seinen Durchbruch<br />

schaffte. Vielmehr sind die Figuren<br />

gebrochen, widersprüchlich, mal<br />

schrecklich komisch, mal nur schrecklich.<br />

So, wie vieles, was da zusammenkommt,<br />

nicht zusammenpassen<br />

dürfte. Der koreanische Filmemacher<br />

wirft einen Blick auf eine Welt, in der<br />

Horror und Humor wie selbstverständlich<br />

eine Einheit bilden, in der<br />

missgestaltete Bestien und kuriose<br />

Menschen einen Alltag bevölkern,<br />

der einem gleichzeitig fremd und nur<br />

allzu bekannt vorkommt.<br />

Dass Bong als Regisseur Karriere<br />

machen würde, war zunächst nicht<br />

abzusehen. Zwar wollte der 1969 Geborene<br />

schon früh zum Film, studierte<br />

gewissenhaft die wöchentlichen TV-<br />

Programme. An der Uni stand jedoch<br />

erst einmal Soziologie auf dem Programm.<br />

Etwas Vernünftiges, dem Papa<br />

zuliebe. Erst danach folgte der Besuch<br />

der Korean Academy of Film Arts in<br />

Busan. Geschadet hat der kleine Umweg<br />

sicher nicht – der geschulte Blick<br />

auf Gesellschaften und Menschen<br />

zieht sich wie ein roter Faden durch das<br />

Gesamtwerk des Regisseurs. Siehe<br />

etwa hunde, die bellen, beissen nicht,<br />

mit dem Bong 2000 nach mehreren<br />

Kurzfilmen sein Spielfilmdebüt gab.<br />

Der Film beginnt als Komödie über<br />

einen arbeitslosen Dozenten, der sich<br />

durch einen kleinen Dauerkläffer in<br />

seiner untätigen Ruhe gestört fühlt.<br />

Und wer nichts zu tun hat, der ermordet<br />

schon mal Hündchen. Oder will<br />

es zumindest. Aber da treiben sich<br />

noch ganz andere Gestalten in dem<br />

anonymen Riesenwohnblock in Seoul<br />

herum. Aus der sehr persönlichen<br />

Mensch-Hund-Beziehung wird ein<br />

Mikrokosmos der Großstadt, voller<br />

einsamer, unzufriedener oder eigenwilliger<br />

Leute, die alle ihr Päckchen zu<br />

tragen haben. Und manchmal atmen<br />

diese Päckchen sogar noch!<br />

Auch das besagte memories of<br />

murder war weit mehr als ein Krimi:<br />

Basierend auf einer wahren Begebenheit<br />

folgen wir hier den Spuren des<br />

ersten Serienkillers Südkoreas. Ebenso<br />

wichtig war es Bong jedoch, den Blick<br />

zu weiten: auf das Land, die Menschen,<br />

die Militärdiktatur, die 1986 noch die<br />

südkoreanische Gesellschaft fest im<br />

Griff hatte. Die völlig überforderten<br />

Polizisten Cho und Park Doo-man, die<br />

mit unlauteren Mitteln ein genehmes<br />

Ende erzwingen wollen – sie sind<br />

Ausdruck einer Führung, die nur Gewalt<br />

als Lösung kennt. Selbst wenn es<br />

zu keiner Lösung führt, der Versuch<br />

schadet ja nicht. Außer den Opfern<br />

natürlich. Das düstere Treiben wird von<br />

der trostlos-grauen Optik aufgegriffen.<br />

Viele Szenen spielen nachts, bei Regen;<br />

selbst in den Gebäuden wird es nie<br />

hell oder freundlich oder warm. Und<br />

inmitten dieser harmonischen Tristesse:<br />

kleine Ausbrüche von Humor,<br />

der so schwarz wie albern sein kann.<br />

Diese Ambivalenz wurde zu einem<br />

der Erkennungsmerkmale in den Filmen<br />

von Bong Joon Ho: Man weiß nie,<br />

was im nächsten Moment geschieht, ob<br />

da die nächste Leiche oder der nächste<br />

Lacher auf einen warten. Ihm selbst war<br />

das auch immer wichtig: Menschen, die<br />

immer ernst sind, sind das wahre Grauen,<br />

stellte er einmal fest. Dafür nimmt<br />

er auch in Kauf, dass die Marketingabteilungen<br />

schon mal an seinen Filmen<br />

verzweifeln. Wie soll etwas verkauft<br />

werden, wofür es keine passende Verpackung<br />

gibt? Und doch, über mangelnden<br />

Erfolg konnte sich der Filmemacher<br />

bislang nicht beklagen.<br />

Ein Paradebeispiel ist sein drittes<br />

Werk the host, das 2006 zum erfolgreichsten<br />

Film in Südkorea avancierte.<br />

Dabei fängt die Geschichte ganz unspektakulär<br />

an. Der etwas einfältige<br />

Gang-du Park, der mit seinem Vater<br />

Abgrund<br />

61<br />

RETROSPEKTIVE BONG JOON HO

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