RETROSPEKTIVE BONG JOON HO Retrospektive BONG JOON HO 60
Spiel mit dem Cho Yong-koo ist ein Mann, der sich ungern die Hände schmutzig macht. Oder die Schuhe. Düster ist der Raum, in dem er und sein Kollege auf Baek Kwang-ho einreden, später auch eintreten. Der Druck, der auf den beiden lastet, ist zu spüren, denn einen anderen Verdächtigen für den Mordfall haben sie nicht. Also muss der hier gestehen, um jeden Preis. Außerdem ist Baek geistig zurückgeblieben, was ihn zu einem idealen Täter macht – so schön entbehrlich. Im Gegensatz zu den Schuhen von Cho, weshalb der sie zunächst penibel mit einer Plastiktüte umhüllt, damit etwaige Blutspritzer nichts versauen können. Nein, Freunde und Helfer sind die Polizisten eher nicht in dem Thriller memories of murder, mit dem Bong Joon Ho 2003 seinen Durchbruch schaffte. Vielmehr sind die Figuren gebrochen, widersprüchlich, mal schrecklich komisch, mal nur schrecklich. So, wie vieles, was da zusammenkommt, nicht zusammenpassen dürfte. Der koreanische Filmemacher wirft einen Blick auf eine Welt, in der Horror und Humor wie selbstverständlich eine Einheit bilden, in der missgestaltete Bestien und kuriose Menschen einen Alltag bevölkern, der einem gleichzeitig fremd und nur allzu bekannt vorkommt. Dass Bong als Regisseur Karriere machen würde, war zunächst nicht abzusehen. Zwar wollte der 1969 Geborene schon früh zum Film, studierte gewissenhaft die wöchentlichen TV- Programme. An der Uni stand jedoch erst einmal Soziologie auf dem Programm. Etwas Vernünftiges, dem Papa zuliebe. Erst danach folgte der Besuch der Korean Academy of Film Arts in Busan. Geschadet hat der kleine Umweg sicher nicht – der geschulte Blick auf Gesellschaften und Menschen zieht sich wie ein roter Faden durch das Gesamtwerk des Regisseurs. Siehe etwa hunde, die bellen, beissen nicht, mit dem Bong 2000 nach mehreren Kurzfilmen sein Spielfilmdebüt gab. Der Film beginnt als Komödie über einen arbeitslosen Dozenten, der sich durch einen kleinen Dauerkläffer in seiner untätigen Ruhe gestört fühlt. Und wer nichts zu tun hat, der ermordet schon mal Hündchen. Oder will es zumindest. Aber da treiben sich noch ganz andere Gestalten in dem anonymen Riesenwohnblock in Seoul herum. Aus der sehr persönlichen Mensch-Hund-Beziehung wird ein Mikrokosmos der Großstadt, voller einsamer, unzufriedener oder eigenwilliger Leute, die alle ihr Päckchen zu tragen haben. Und manchmal atmen diese Päckchen sogar noch! Auch das besagte memories of murder war weit mehr als ein Krimi: Basierend auf einer wahren Begebenheit folgen wir hier den Spuren des ersten Serienkillers Südkoreas. Ebenso wichtig war es Bong jedoch, den Blick zu weiten: auf das Land, die Menschen, die Militärdiktatur, die 1986 noch die südkoreanische Gesellschaft fest im Griff hatte. Die völlig überforderten Polizisten Cho und Park Doo-man, die mit unlauteren Mitteln ein genehmes Ende erzwingen wollen – sie sind Ausdruck einer Führung, die nur Gewalt als Lösung kennt. Selbst wenn es zu keiner Lösung führt, der Versuch schadet ja nicht. Außer den Opfern natürlich. Das düstere Treiben wird von der trostlos-grauen Optik aufgegriffen. Viele Szenen spielen nachts, bei Regen; selbst in den Gebäuden wird es nie hell oder freundlich oder warm. Und inmitten dieser harmonischen Tristesse: kleine Ausbrüche von Humor, der so schwarz wie albern sein kann. Diese Ambivalenz wurde zu einem der Erkennungsmerkmale in den Filmen von Bong Joon Ho: Man weiß nie, was im nächsten Moment geschieht, ob da die nächste Leiche oder der nächste Lacher auf einen warten. Ihm selbst war das auch immer wichtig: Menschen, die immer ernst sind, sind das wahre Grauen, stellte er einmal fest. Dafür nimmt er auch in Kauf, dass die Marketingabteilungen schon mal an seinen Filmen verzweifeln. Wie soll etwas verkauft werden, wofür es keine passende Verpackung gibt? Und doch, über mangelnden Erfolg konnte sich der Filmemacher bislang nicht beklagen. Ein Paradebeispiel ist sein drittes Werk the host, das 2006 zum erfolgreichsten Film in Südkorea avancierte. Dabei fängt die Geschichte ganz unspektakulär an. Der etwas einfältige Gang-du Park, der mit seinem Vater Abgrund 61 RETROSPEKTIVE BONG JOON HO