FILMFEST MÜNCHEN MAGAZIN 2019
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dem ersten Preisträger des Margot<br />
Hielscher Preises. Er spielt ebenfalls<br />
den Protagonisten Abel, der wie die<br />
übrigen Figuren des Films herauszufinden<br />
versucht, wie man sich als Erwachsener<br />
verhält. Um sich dieser Idee zu<br />
nähern, müssen sie allem voran lernen,<br />
richtig miteinander zu kommunizieren.<br />
Denn im Gegensatz zu Garrels Regiedebüt<br />
les deux amis (2015) können sie<br />
sich in diesem Film einfach nicht das<br />
sagen, was sie einander doch eigentlich<br />
so dringend sagen müssten: das, was<br />
sie fühlen. Allein der Zuschauer bekommt<br />
eine Ahnung von den Gefühlszuständen<br />
der Figuren über ein Voice-<br />
Over der drei Protagonisten: Abel;<br />
Marianne, die von Garrels Frau Laetitia<br />
Casta verkörpert wird; und Éve - deren<br />
Rolle als Pauls liebeskranke Schwester<br />
Lily-Rose Depp übernommen hat -<br />
wechseln sich dabei ab. Auf diese Art<br />
erfahren sie nichts vom jeweils anderen,<br />
drehen sich vielmehr im Kreis ihrer<br />
eigenen Gefühle. Sie sprechen dabei<br />
sehr ruhig und bedacht, fast leise erinnern<br />
sie dabei an so manchen Film aus<br />
der Nouvelle Vague. Garrels Bezug auf<br />
diese Epoche der französischen Filmgeschichte<br />
bleibt nicht ohne Grund,<br />
denn das Drehbuch schrieb er gemeinsam<br />
mit Altmeister Jean-Luc Carrière,<br />
der auch für einige Filme Buñuels oder<br />
Louis Malles das Skript verfasste. Mit<br />
seiner Hilfe schuf Garrel einen Film,<br />
der in seiner Erzählweise klassisch<br />
bleibt, dabei nicht müde wird, aus<br />
der Filmgeschichte zu schöpfen, und<br />
den Zuschauer doch immer wieder zu<br />
überraschen weiß.<br />
Garrel widmet sich in seinen Filmen<br />
dem Essentiellen, allen voran<br />
den Gründen, warum menschliche<br />
Beziehungen so oft einfach nicht<br />
richtig funktionieren wollen. Und das<br />
bevorzugt in der Form der Tragikomödie.<br />
Den Zuschauer dabei aber auch<br />
nicht in Sicherheit zu wiegen, auch<br />
hin und wieder zwischen den Genres<br />
zu springen, ist Garrels Spezialität.<br />
Auch als Schauspieler wählt er immer<br />
wieder Rollen, die es nicht zulassen,<br />
L'HOMME FIDÈLE<br />
Frankreich 2018 • Regie Louis Garrel • Buch Jean-Claude<br />
Carrière, Louis Garrel • Darsteller Louis Garrel, Laetitia Casta,<br />
Lily-Rose Depp • Länge 75 Min. • OmdU<br />
ihn in eine Schublade zu stecken. Den<br />
Durchbruch schaffte er im Alter von<br />
20 Jahren mit Bernardo Bertoluccis<br />
the dreamers (2003) über eine inzestuös<br />
angehauchte ménage-à-trois<br />
zwischen drei cinephilen Studenten.<br />
Nach einigen Filmen, vor allem unter<br />
der Regie seines Vaters Philippe Garrel<br />
und Christian Honorés, nimmt er<br />
im Jahr 2017 eine weitere große Heraus<br />
forderung an: Er spielt Jean-Luc Godard<br />
in Michel Hazanavicius‘ Film le<br />
redoutable, der ebenfalls auf dem<br />
filmfest münchen gezeigt wurde. Anders<br />
als man es vielleicht von heutigen<br />
Biopics kennt, geht es hier allerdings<br />
nicht darum, zu zeigen, wie eine Legende<br />
entsteht, sondern vielmehr um<br />
die Schaffenskrise eines Regisseurs,<br />
der nicht mehr mit seiner eigenen<br />
Legende identifiziert werden möchte.<br />
Der Garrelsche Godard ist stur, er<br />
möchte nicht mehr Filme wie ausser<br />
atem machen, er will eine Revolution!<br />
Doch es will ihm nicht gelingen: Bei<br />
einfach jedem Protestmarsch gegen<br />
das Establishment geht seine Brille<br />
kaputt. Ein Regisseur, der nichts sehen<br />
kann: Sein Blick für das Filmische<br />
zerbricht wie seine Sehhilfe. Dem von<br />
vielen Fans gottesgleich angebeteten<br />
Regisseur Godard wurde der Spiegel<br />
vorgehalten; Garrel als Schauspieler,<br />
subtil in seinem Spiel, oftmals gnadenlos<br />
und doch immer humorvoll,<br />
stieg weiter empor. Obgleich er die<br />
Filmgeschichte und ihre berühmtesten<br />
Vertreter kritisch reflektiert,<br />
bleibt er ihnen doch als Verehrer treu,<br />
bleibt selbst ein l’homme fidèle, der<br />
als Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor<br />
weiterhin an sie erinnern<br />
wird. Gemäß seines bisherigen Œuvres<br />
wird er dabei ohne Frage weitere<br />
Überraschungen bereithalten. Daher<br />
verwundert auch nicht, dass die Wahl<br />
des ersten Preisträgers des neu gestifteten<br />
Margot Hielscher Preises auf<br />
dieses Multitalent fiel.<br />
Anna-Maria Babin<br />
MARGOT HIELSCHER<br />
PREIS<br />
Margot Hielscher gehörte zu den<br />
deutschen Stars, die es auch zu<br />
internationalem Ruhm brachten.<br />
Dabei hat sie nicht selten eine Vorreiter-Funktion<br />
eingenommen. 1942<br />
sang Hielscher in frauen sind auch<br />
keine engel von Regisseur Willi Forst<br />
das Titellied, womit ihr nicht nur der<br />
Durchbruch als Schauspielerin,<br />
sondern auch als Sängerin gelang.<br />
1957 sowie im Jahr darauf vertrat sie<br />
als erste Frau überhaupt Deutschland<br />
beim Grand Prix Eurovision de la<br />
Chanson. In den 1960er Jahren<br />
moderierte sie als erste Frau eine<br />
eigene Talkshow: In „Zu Gast bei<br />
Margot Hielscher“ traten neben<br />
nationalen Größen auch internationale<br />
Stars wie Gene Kelly oder Gary<br />
Cooper in ihrer (nachgebauten)<br />
kleinen Schwabinger Dachgeschosswohnung<br />
auf – aus reiner Freundschaft<br />
zu der beliebten Künstlerin,<br />
die sich vor allem durch ihren grenzenlosen<br />
Optimismus und ihre<br />
offene, warme Art auszeichnete.<br />
Moderatorin, Schauspielerin, Sängerin...<br />
Margot Hielscher war ein absolutes<br />
Multitalent, verlor dabei aber<br />
nie den Boden unter den Füßen und<br />
hatte stets das Vergnügen ihrer<br />
Zuschauer *innen und Zuhörer*innen<br />
im Sinn. Zu Recht hat Münchens<br />
ehemaliger Bürgermeister Christian<br />
Ude sie als einen „Weltstar des 20.<br />
Jahrhunderts“ bezeichnet. Mit dem<br />
Margot Hielscher Preis werden nun<br />
gezielt junge künstlerische Multitalente<br />
ausgezeichnet, die ähnlich<br />
vielseitig sind, wie Hielscher es einst<br />
war. Gestiftet wird das Preisgeld von<br />
10.000 Euro vom Medienverlagsmanager<br />
Peter Graf von Schall-Riaucour.<br />
Er ist der Neffe der 2017 verstorbenen<br />
Schauspielerin und Sängerin,<br />
die dieses Jahr ihren 100. Geburtstag<br />
gefeiert hätte. Gemeinsam mit dem<br />
Programmer-Team des filmfest<br />
münchen kürt er den Preisträger.<br />
Ermöglicht wird der Preis ebenfalls<br />
durch die Unterstützung von<br />
Christian Ude.<br />
PREISVERLEIHUNG<br />
Der Margot Hielscher Preis wird am<br />
Mittwoch, den 3. 7, um 20 Uhr im<br />
Rahmen einer feierlichen Gala im<br />
Carl-Orff-Saal im Gasteig verliehen.<br />
Musikalisch begleiten werden den<br />
Abend Götz Alsmann sowie Alice<br />
und Ellen Kessler. Im Anschluss an<br />
die Preisverleihung wird Louis Garrels<br />
l’homme fidèle als Deutschlandpremiere<br />
gezeigt.<br />
Außerdem ist Louis Garrel zuvor<br />
zu Gast bei filmmakers live! am<br />
Mittwoch, 3.7., um 16 Uhr in der Black<br />
Box, Gasteig.<br />
MARGOT HIELSCHER PREIS<br />
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