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FILMFEST MÜNCHEN MAGAZIN 2019

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FR 28.6. 17.30 UHR<br />

FILMMUSEUM<br />

MO 1.7. 19.30 UHR<br />

ATELIER 2<br />

RETROSPEKTIVE MADS BRÜGGER<br />

56<br />

nach China, um dort eine Bernhardiner-Zucht<br />

aufzuziehen – eine gar nicht<br />

mal so verrückte Idee, denn die Hunde<br />

gelten dort als Prestigeobjekte für die<br />

wachsende Mittelschicht. Die beiden<br />

haben jedoch weder das Geld für dieses<br />

Unternehmen zur Hand, noch haben<br />

sie das nötige Know-how. Im Gegenteil:<br />

Frederik ist ein großkotziger Taugenichts;<br />

Rasmus ein Matratzenverkäufer, der<br />

peinliche Altherrenwitze macht.<br />

Die Suche nach einem chinesischen<br />

Investor gestaltet sich eher schwierig.<br />

Erschwerend kommt hinzu, dass sich<br />

die beiden alten Schulfreunde eigentlich<br />

noch nie wirklich verstanden haben.<br />

Für eine Buddy-Komödie taugen diese<br />

beiden Buddys tragikomischerweise<br />

nicht. Gedreht hat Brügger den Film erneut<br />

im Guerilla-Stil: Außer den beiden<br />

Hauptdarstellern wusste ein Großteil der<br />

Beteiligten nicht, dass sie Teil eines Filmprojekts<br />

sind. Stattdessen wurde ihnen<br />

vorgegaukelt, dass Frederik und Rasmus<br />

tatsächlich in den Bernhardiner-Handel<br />

einsteigen wollten und für ein Firmenvideo<br />

Filmmaterial bräuchten. Brügger<br />

selbst wirkte als heimlicher Mastermind<br />

von Dänemark aus, regelte per Internet<br />

sowohl die Abnahme der täglichen Erträge<br />

als auch die Besprechung der nächsten<br />

Drehschritte.<br />

In seinem aktuellen Film cold case<br />

hammerskjöld erscheint Brügger wieder<br />

selbst als großer Strippenzieher<br />

vor der Kamera. In der Rolle des Wahrheitssuchenden<br />

macht er sich daran,<br />

die Umstände des bisher ungeklärten<br />

Flugzeugabsturzes aufzudecken, bei<br />

THE AMBASSADOR<br />

Dänemark, Schweden 2011 • Regie Mads Brügger • Buch Mads Brügger,<br />

Maja Jul Larsen • Mit Mads Brügger, Heather Schmid • Länge 93 Min. • OmeU<br />

dem 1961 der schwedische UNO-Generalsekretär<br />

Dag Hammarskjöld im damaligen<br />

Nord-Rhodesien ums Leben kam.<br />

Lange Zeit kursierten Gerüchte, dass<br />

der Absturz absichtlich herbeigeführt<br />

worden sei, weil sich der Politiker für die<br />

Unabhängigkeit des Kongo eingesetzt<br />

hatte. Mehr als 50 Jahre später stößt<br />

Brügger während seiner Recherchen<br />

auf Verbrechen, die noch weit größere<br />

Kreise ziehen, als er selbst ursprünglich<br />

annahm.<br />

Ist dies der mysteriöseste Mord oder<br />

die idiotischste Verschwörungstheorie<br />

aller Zeiten? Diese Frage stellt Brügger<br />

zu Beginn dieses Dokumentarfilms, an<br />

dem er sieben Jahre gearbeitet hat. Dabei<br />

macht er das Filmhandwerk selbst<br />

zum Gegenstand des Films. Immer wieder<br />

sieht man, wie er – ähnlich wie der<br />

„Schurke“ der Geschichte ganz in Weiß<br />

gekleidet – in einem Hotelzimmer einer<br />

schwarzen Sekretärin das Drehbuch diktiert,<br />

während dazwischen das gedrehte<br />

Material zu sehen ist. Gemeinsam<br />

rekonstruieren sie die Geschehnisse,<br />

versuchen, ihrer Suche eine stringente<br />

Dramaturgie zu geben.<br />

Der Film deckt nicht nur haarsträubende<br />

Details zu den Todesumständen<br />

von Hammarskjöld auf, sondern führt<br />

mitten hinein in ein undurchschaubares<br />

Netz von politischen Verschwörungen,<br />

geheimen Söldnervereinigungen, geheimdienstlichen<br />

Verwicklungen und den<br />

menschenverachtenden AIDS-Experimenten<br />

rassistischer weißer Europäer.<br />

„Ein Journalist hofft normalerweise<br />

nicht, dass sich seine Recherchen als<br />

falsch erweisen. Angesichts des Horrors<br />

meiner Entdeckungen habe ich heimlich<br />

die ganze Zeit gedacht, dass sich alles als<br />

Missverständnis herausstellen würde.<br />

Unglücklicherweise ist das nicht der Fall“,<br />

meint Brügger. Gebannt und geschockt<br />

folgt man den politthrillerartigen Enthüllungen,<br />

die nicht unbedingt zu direkten<br />

Schlussfolgerungen führen.<br />

Die gelegentliche Überfrachtung ist<br />

sicherlich Absicht, aktiviert immer wieder<br />

den eigenen kritischen Geist. Brüggers<br />

Meisterstück des journalistischen<br />

Handwerks ermöglicht eine differenzierte<br />

Sichtweise auf kolonialistische<br />

Strukturen, weiße Vorherrschaft und<br />

politische Strategien. „Afrika wäre jetzt<br />

ein komplett anderer Kontinent, wenn<br />

Dag Hammarskjöld weitergelebt und<br />

sein Mandat weiter ausgeführt hätte“,<br />

sagt einer der wichtigsten Protagonisten<br />

des Films. Die Zeit kann man nun zwar<br />

nicht zurückdrehen, aber Mads Brügger,<br />

der unermüdliche Agent Provocateur<br />

des Kinos, schafft es mit seinem Film,<br />

der Vision des schwedischen UN-Botschafters<br />

nachträglich Bedeutung zu<br />

verleihen.<br />

Anna Steinbauer<br />

Mads Brügger ist zu Gast<br />

bei filmmakers live!<br />

am Sonntag, 30.6., um 16 Uhr in<br />

der Black Box, Gasteig.

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