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FILMFEST MÜNCHEN MAGAZIN 2019

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Sogar als einer seiner Interviewpartner<br />

ermordet wird, bricht er sein lebensgefährliches<br />

Filmprojekt nicht ab. Brügger<br />

will nicht die üblichen Bilder liefern,<br />

sondern zeigen, „was man sonst nie<br />

in Afrika-Reportagen sieht: weiße Geschäftsleute<br />

und Diplomaten, reiche<br />

Strippenzieher, Regierungscliquen, die<br />

alle gemeinsam Land und Leute ausnehmen“,<br />

so der Filmemacher in einem<br />

Interview. Das nötige Geld für die<br />

Finanzierung des Projekts bekam er vom<br />

Dänischen Filminstitut.<br />

FR 28.6. 22.30 UHR<br />

FILMMUSEUM<br />

DI 2.7. 17.00 UHR<br />

ATELIER 2<br />

Es ist nicht das erste Mal, dass Brügger,<br />

der seit 2011 Programmchef des dänischen<br />

Hörfunksenders Radio24syv<br />

ist, sich mit einer Mischung aus Humor,<br />

Provokation und Dreistigkeit auf ein<br />

dokumentarisches Abenteuer einlässt,<br />

ohne zu wissen, wohin es ihn führen<br />

wird. Für seine Filme riskiert er mehr<br />

als viele andere, indem er eben nicht als<br />

neutraler Beobachter auftritt, sondern<br />

lieber gleich selbst die dreckigen Geschäfte<br />

macht. Sein Performance-Alter<br />

Ego erinnert dabei an Sacha Baron Cohens<br />

borat, sein Enthüllungsanspruch<br />

gleicht dem von Michael Moore. Bereits<br />

2004 zog Brügger für eine Fernsehreportage<br />

drei Wochen lang durch den<br />

US-Wahlkampf der Republikaner, den<br />

er gemeinsam mit seinem Kollegen Jakob<br />

Böskow dokumentierte. Die beiden<br />

gaben sich in danes for bush als dänische<br />

Anhänger von Präsident Georg W.<br />

Bush aus und versuchten, Amerikaner zu<br />

überzeugen, für den republikanischen<br />

Präsidenten zu stimmen. Niemand enttarnte<br />

ihre kuriose Maskerade.<br />

Einen Schritt weiter wagte sich Brügger<br />

mit seinem ersten Kinofilm the red<br />

chapel (2009), für den er den großen<br />

Preis der Jury auf dem Sundance Film<br />

Festival gewann. Darin reist er als skrupelloser<br />

Regisseur mit zwei koreanischdänischen<br />

Comedians nach Nordkorea,<br />

um Eindrücke aus dem abgeschotteten<br />

Land einzufangen. Als Kulturaustausch<br />

getarnt, stellt das Trio mit ein paar subversiv-komischen<br />

Sketchen die nordkoreanische<br />

Zensur und das Publikum auf<br />

die Probe. Einer der beiden Performer,<br />

Jacob Nossell, ist tatsächlich Spastiker<br />

– ein gezielt provokantes Detail<br />

der Gesamtunternehmung, wenn man<br />

bedenkt, dass unter Diktator Kim Jong<br />

Il Säuberungsaktionen gegen körperlich<br />

und geistig Behinderte stattfinden<br />

und manche gar in Internierungslager<br />

gesteckt werden.<br />

Brüggers Dokumentarfilm begleitet<br />

die Performer-Gruppe – und die ihnen<br />

zur Seite gestellten nordkoreanischen<br />

Aufpasser – auf ihrer Tour und ermöglicht<br />

dabei einen erschreckenden Einblick<br />

in das absurde, von Repressionen<br />

geprägte Leben in einem totalitären<br />

Regime. Die häufig verwackelten Bilder,<br />

die unter Aufsicht der nordkoreanischen<br />

Geheimpolizei und der Zensurbehörde<br />

entstanden, kratzen an der perfekt inszenierten<br />

Fassade des Landes. Denn die<br />

Show der Drei behagt den regimetreuen<br />

Genossen natürlich gar nicht. Unter dem<br />

Einfluss des totalitären Systems und seiner<br />

Vertreter verwandelt sich dann nicht<br />

nur das Bühnenstück, sondern auch der<br />

Film zur grotesken Satire.<br />

Als manipulativer Theatermacher lotet<br />

Brügger die Grenzen des Ertragbaren<br />

aus und lässt absurd-witzige Situationen<br />

entstehen, während die Gesamtatmosphäre<br />

bedrückend bleibt. Angesichts<br />

gigantischer Militärparaden, mit Kindern<br />

inszenierter Propaganda-Shows und<br />

tränenreicher Führer-Huldigungen vor<br />

einem Kriegerdenkmal bleibt dem Zuschauer<br />

das Lachen im Halse stecken.<br />

Aber das repressive System offenbart<br />

ST. BERNARD’S SYNDICATE<br />

Dänemark 2018 • Regie Mads Brügger • Buch Lærke Sanderhoff<br />

• Darsteller Frederik Cilius Jørgensen, Rasmus Bruun, Flemming Sørensen<br />

• Länge 100 Min. • OmeU<br />

SA 29.6. 20.00 UHR<br />

FILMMUSEUM<br />

MO 1.7 21.30 UHR<br />

MÜNCHNER FREIHEIT 2<br />

COLD CASE HAMMARSKJÖLD<br />

FR 5.7. 17.30 UHR<br />

ATELIER 1<br />

Dänemark, Belgien, Norwegen, Schweden <strong>2019</strong><br />

• Buch & Regie Mads Brügger • Mit Mads Brügger, Göran Björkdahl<br />

• Länge 128 Min. • OmeU<br />

Risse: Selbst die treue Kim Jong Il-Anhängerin<br />

Mrs. Pak, die als Reisebegleitung<br />

die Dänen im Auge behalten soll,<br />

zeigt menschliche Regungen und baut<br />

eine innige Beziehung zu dem behinderten<br />

Komiker Jacob auf. Typisch für Brügger<br />

und sein Auftreten ist, dass er sich<br />

auch im Nachhinein niemals für seine<br />

teils zynischen, rassistischen Aussagen<br />

und Handlungen rechtfertigt. Die Bewertung<br />

seiner moralisch mitunter fragwürdigen<br />

Aktionen überlässt er stets<br />

dem Publikum.<br />

In der halb dokumentarischen, halb<br />

fiktionalen Komödie the saint bernard<br />

syndicate (2018) agiert er zwar nicht vor<br />

der Kamera, hält aber als Regisseur im<br />

Hintergrund alle Fäden in der Hand. Im<br />

Zentrum des Films stehen die beiden<br />

Dänen Rasmus und Frederik. Sie reisen<br />

RETROSPEKTIVE MADS BRÜGGER<br />

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