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FILMFEST MÜNCHEN MAGAZIN 2019

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Das filmfest münchen würdigt im CineCoPro<br />

Wettbewerb herausragende Koproduktionen<br />

mit deutscher Beteiligung<br />

Kooperation muss die Zukunft<br />

sein, weltpolitisch wie auch<br />

in der Filmbranche. Um internationale<br />

Zusammenarbeit<br />

weiter zu befördern und zur<br />

Unterstützung deutscher<br />

Koproduzent*innen, verleiht<br />

das filmfest münchen in diesem<br />

Jahr erstmals den mit<br />

100.000 Euro dotierten Cine-<br />

CoPro Award. In der neuen<br />

Programmsektion sind in diesem<br />

Jahr neun Filme vertreten,<br />

deutsche Koproduktionen mit<br />

Bangladesch, Brasilien, Dänemark,<br />

Frankreich, Irland und<br />

zahlreichen weiteren Ländern.<br />

Eine international besetzte<br />

dreiköpfige Jury entscheidet<br />

über den Gewinnerfilm.<br />

„The past is never dead. It's<br />

not even past”, aphorisierte US-<br />

Schriftsteller William Faulkner<br />

einst – und viele Filme im neuen<br />

Wettbewerb CineCoPro<br />

scheinen ihm Recht zu geben.<br />

Die Flucht vor der Vergangenheit<br />

und den Folgen der eigenen<br />

Entscheidungen ist oft ein<br />

aussichtsloses Unterfangen.<br />

Bálint Kenyeres’ gestern trägt<br />

diese Fixierung bereits im Titel.<br />

Auf der Suche nach einer<br />

verblassten Liebe irrt Victor<br />

durch ihm unbekannte Straßen<br />

und mystische Landschaften in<br />

Marokko. Das gleißende Sonnenlicht<br />

scheint dabei wie zum<br />

Hohn auf die irdischen Probleme<br />

herab, ist so nüchtern wie<br />

der Blick der Kamera. Beobachtend-distanziert<br />

bleibt das<br />

Aufnahmegerät auch in it must<br />

be heaven. Der Film begleitet<br />

Elia Suleimans gewohnt stoisch-komisches<br />

Alter Ego bei<br />

dessen Versuch, das Schöne im<br />

Absurden und ein neues Zuhause<br />

außerhalb Palästinas zu<br />

finden. Doch egal wohin<br />

es ihn auch verschlägt, seine<br />

Vergangenheit und seine Heimat<br />

sind – mehr oder weniger<br />

abstrakt – immer präsent.<br />

Manchmal sind die Fesseln<br />

der Vergangenheit aber auch<br />

ganz konkrete. Wer sich etwa<br />

mit dem organisierten Verbrechen<br />

einlässt, bindet sich meist<br />

für immer. Aussteigen zu wollen<br />

wird dadurch zum akuten<br />

Gesundheitsrisiko, wie zwei abtrünnige<br />

Mafiosi erfahren müssen.<br />

Das programmatisch betitelte<br />

Biopic der verräter von<br />

Marco Bellocchio erzählt die<br />

wahre Geschichte des Berufsverbrechers<br />

Tommaso Buscetta,<br />

für den es kein Entrinnen aus<br />

dem früheren Leben gibt. Der<br />

einzige Ausweg für Buscette ist<br />

die Flucht nach vorne: Er wechselt<br />

die Fronten und denunziert<br />

seine alten Weggefährten. In<br />

Corneliu Porumboius Neo-<br />

Noir la gomera verschlägt es<br />

einen korrupten Polizisten auf<br />

die titelgebende Schatzinsel.<br />

Zur Tarnung und zu Zwecken<br />

der codierten Kommunikation<br />

muss der Antiheld die lokale<br />

Kunst des Pfeifens erlernen.<br />

Klingt schräg? Ist es auch!<br />

Karim Aïnouz' a vida invisível<br />

de eurídice gusmão erzählt<br />

von einer Zeit, in der Frauen zur<br />

„Unsichtbarkeit“ erzogen wurden.<br />

Die Schwestern Euridice<br />

und Guida verfolgen im Rio de<br />

Janeiro der 1940er und 1950er<br />

Jahre zielstrebig ihre Träume,<br />

selbst wenn sie dafür unterschiedliche<br />

Wege einschlagen<br />

müssen. Um die Selbstermächtigung<br />

zweier junger Frauen<br />

dreht sich auch Elisa Mishtos<br />

Film: Vom stillstehen aber halten<br />

beide nichts und so verbindet<br />

sie eine außergewöhnliche<br />

Freundschaft.<br />

Kindheit und Jugend sind Fixpunkte<br />

der (individuellen) Vergangenheit<br />

und Projektionsflächen<br />

für allerhand nostalgische<br />

Verklärung. das kinderheim von<br />

Shahrbanoo Sadat etabliert die<br />

disziplinatorische Einrichtung in<br />

Kabul als gesellschaftlichen Mikrokosmos.<br />

Auch Mostofa Sarwar<br />

Farooki entwirft in seinem<br />

kammerspielartigen One-Take-<br />

Geiseldrama saturday afternoon<br />

eine Miniatur, die über den<br />

konkreten Einzelfall hinausweist<br />

und für Toleranz und Menschlichkeit<br />

plädiert.<br />

Der bildgewaltige Dokumentarfilm<br />

gaza von Garry<br />

Keane und Andrew McConnell<br />

schließlich zeigt die Alltäglichkeit<br />

inmitten einer permanenten<br />

Ausnahmesituation. Trotz<br />

kriegsähnlicher Zustände gehen<br />

die Palästinenser*innen im<br />

Gazastreifen ihrem Alltag nach<br />

und versuchen, ein halbwegs<br />

normales Leben zu führen.<br />

Doch auch hier ist es die omnipräsente<br />

Vergangenheit, die<br />

ihren Schatten auf die Gegenwart<br />

wirft und der nur schwer<br />

zu entkommen ist. Oder vielleicht<br />

doch?<br />

Die Hoffnung jedenfalls<br />

stirbt zuletzt.<br />

Fabio Kühnemuth<br />

C I N E C O P RO<br />

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