FILMFEST MÜNCHEN MAGAZIN 2019
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ler auf, der ausgiebig für seine Rollen<br />
recherchierte und selbst Verse aus dem<br />
Elisabethanischen Zeitalter glänzend<br />
verinnerlichen konnte.<br />
Nach seiner Ausbildung und ersten<br />
Engagements in kleineren Theaterproduktionen<br />
landete Fiennes 1987 am<br />
Londoner Royal National Theatre, ein<br />
Jahr später bei der Royal Shakespeare<br />
Company. Seine Filmkarriere begann<br />
mit einem 62-sekündigen Auftritt als<br />
Freund einer ermordeten jungen Frau in<br />
der britischen TV-Serie prime suspect<br />
(mit Helen Mirren als eine der ersten<br />
Fernseh-Kommissarinnen überhaupt).<br />
Im selben Jahr wurde er in gleich zwei<br />
romantischen Hauptrollen besetzt: In<br />
dem Fernsehfilm a dangerous man:<br />
lawrence after arabia spielte er T.E.<br />
Lawrence, eine Rolle, von der er schon als<br />
Teenager geträumt hatte. Neben diesem<br />
Nachklapp zu David Leans großem Kino-<br />
Epos hatte er in einer Neuverfilmung von<br />
wuthering heights einige melodramatische<br />
Szenen mit Juliette Binoche zu bestreiten.<br />
Binoche sollte er ein paar Jahre<br />
später am Set von der englische patient<br />
(1996) wiederbegegnen. Seine Karriere<br />
hatte sich indes stark weiterentwickelt.<br />
Auf der verzweifelten Suche nach<br />
einem Darsteller für den SS-Offizier<br />
Amon Göth in schindlers liste schaute<br />
sich Steven Spielberg tatsächlich diesen<br />
kleinen britischen Fernsehfilm über T.E.<br />
Lawrence an. Er ließ Fiennes daraufhin<br />
vorsprechen. „After seeing take one, I<br />
knew he was Amon”, erzählt Spielberg<br />
in einem Interview. „His eyes had a sexual<br />
evil. It’s all about subtlety: there<br />
were moments of kindness that would<br />
move across his eyes and then instantly<br />
run cold.” Nach schindlers liste war Fiennes<br />
ein begehrter Hauptdarsteller. In<br />
Robert Redfords quiz show (1994) spielte<br />
er ebenfalls eine historische, aber wesentlich<br />
harmlosere Figur: Als Kandidat<br />
einer TV-Show wurde Charles Van Doren<br />
Ende der 1950er zum Liebling der Fernsehnation,<br />
ließ sich aber die Antworten<br />
auf die Fragen vorab schon geben. So kam<br />
es zu einem der größten Skandale in der<br />
Geschichte des US-Fernsehens. Fiennes’<br />
Augen werden dabei nicht abrupt kalt,<br />
sondern wandern verstohlen zur Seite,<br />
wenn es etwas zu verbergen gilt.<br />
Fiennes lässt auch sein Publikum<br />
immer wieder darüber im Dunkeln, was<br />
sich eigentlich im Innern seiner Figuren<br />
abspielt. Oder mit den Worten von Angela<br />
Bassett, mit der er 1995 den Action-<br />
Thriller strange days drehte: „He is this<br />
beautiful house, but there are a couple<br />
of rooms that are locked and you can’t<br />
go in.” Auch der ungarische Graf und<br />
Archäologe Lászlo Almásy, den Fiennes<br />
in der englische patient spielte, öffnet<br />
sich der von Juliette Binoche gespielten<br />
Krankenschwester nur allmählich. Nach<br />
einem Flugzeugabsturz kurz vor Ende des<br />
Zweiten Weltkriegs hat der Graf schwere<br />
Verbrennungen erlitten. Für die Szenen<br />
im Krankenbett bekam Fiennes täglich<br />
in fünfstündiger Arbeit eine Maske aufgelegt,<br />
die sinnbildlich für die inneren<br />
Deformationen des Grafen steht. Er tut<br />
so, als ob er unter Amnesie leide, hat aber<br />
die Vergangenheit vor Augen, würde sie<br />
nur allzu gerne vergessen.<br />
In Rückblenden enthüllt sich die<br />
Vorgeschichte: Gemeinsam mit einem<br />
Freund leitet der Graf eine archäologische<br />
Expedition in der ägyptischen<br />
Wüste. Fiennes stellt ihn als gefühlskontrollierten<br />
Abenteurer dar, der nur<br />
einmal euphorisch wird, als er die legendäre<br />
„Höhle der Schwimmer“ entdeckt.<br />
Zurückhaltung hat ja schon immer bedeutet,<br />
dass der Kopf den Emotionen im<br />
Weg steht, dass da jemand seine, auch<br />
dunklen, Gefühle deckelt. Zurückhaltung<br />
kann man also als leidvolle Hemmung<br />
empfinden – oder als Fähigkeit zur<br />
Gefühlskontrolle, die im Grunde jeder<br />
gute Schauspieler haben sollte. Dass der<br />
Graf Interesse an der Frau eines anderen<br />
hat, hält er lange Zeit stoisch unter Verschluss.<br />
Dann tanzt er mit ihr und sie,<br />
Katherine (Kristin Scott Thomas), fragt<br />
ihn, wieso er sie auf einen Markt in Kairo<br />
verfolgt habe. Auf seine Erklärung, dass<br />
er sich um sie als Frau gesorgt habe, kann<br />
sie nur lachen. „Following me is predatory,<br />
isn’t it?“ Der Graf schweigt und beide<br />
tanzen in gespannter Umarmung weiter.<br />
Ähnlich entstellt wie der Graf nach<br />
seinem Flugzeugunfall erscheint Lord<br />
Voldemort, den Fiennes ab der vierten<br />
Episode der Harry-Potter-Filmreihe<br />
bis 2011 spielte. Sein Voldemort ist eine<br />
SO 30.6. 15.00 UHR<br />
FILMMUSEUM<br />
CORIOLANUS<br />
Vereinigtes Königreich 2011 • Regie Ralph Fiennes<br />
Darsteller Ralph Fiennes, Gerard Butler, Vanessa Redgrave, Brian Cox,<br />
Jessica Chastain • Länge 123 Min. • OF • FSK 16<br />
DI 2.7. 14.30 UHR<br />
MÜNCHNER FREIHEIT 4<br />
THE INVISIBLE WOMAN<br />
Vereinigtes Königreich 2013<br />
Regie Ralph Fiennes • Buch Abi Morgan<br />
Darsteller Felicity Jones, Ralph Fiennes,<br />
Kristin Scott Thomas, Tom Hollander,<br />
John Kavanagh • Länge 111 Min. • OF • FSK 0<br />
SO 30.6. 11.00 UHR<br />
FILMMUSEUM<br />
THE ENGLISH PATIENT<br />
USA, Vereinigtes Königreich 1996<br />
Buch & Regie Anthony Minghella<br />
Darsteller Ralph Fiennes, Kristin Scott<br />
Thomas, Juliette Binoche, Willem Dafoe<br />
Länge 162 Min. • OF • FSK 12<br />
CINEMERIT AWARD – RALPH FIENNES<br />
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