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FILMFEST MÜNCHEN MAGAZIN 2019

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MACH<br />

INTERNATIONAL INDEPENDENTS<br />

116<br />

Die Reihe International Independents<br />

bewegt sich wie ihre Protagonist*innen<br />

abseits vom Mainstream – im besten<br />

Sinne. Denn hier werden Klischees<br />

verweigert, Stereotypen missachtet<br />

und auch mal unangenehmere Wege<br />

gewählt. Die Filme sind getragen von<br />

ihren Charakteren, die es wert sind, sie<br />

trotz aller Widrigkeiten auf die Leinwand<br />

zu bringen. Im Fiktionalen wie<br />

im Dokumentarischen sind es Figuren,<br />

deren individuelle Geschichten im<br />

Vordergrund stehen und die sich nicht<br />

danach richten, was andere um sie herum<br />

erwarten mögen.<br />

In einer konservativ-muslimisch<br />

geprägten Stadt wie Teheran fällt es<br />

oftmals nicht leicht, auf die eigenen<br />

Bedürfnisse zu hören und sich den<br />

gesellschaftlichen Erwartungen<br />

zu widersetzen. Doch die Rezeptionistin<br />

Mina (siehe Bild mit Bär), der<br />

Beerdigungssänger Vahid und der<br />

Ex-Bodybuilder Hessam machen<br />

sich in tehran: city of love auf ganz<br />

eigene Weise auf die Suche nach der<br />

großen Liebe. Mina setzt dabei auf<br />

ihre verführerische Stimme und ihr<br />

Alter-Ego, welches Männer über das<br />

Telefon um den Finger wickelt. Da<br />

Beerdigungen eher selten romantische<br />

Begegnungen bereithalten,<br />

sattelt Vahid auf das Singen für Hochzeiten<br />

um, und Hessam entdeckt<br />

durch einen Zögling die Zuneigung<br />

zum eigenen Geschlecht.<br />

In Fällen, in denen die Bedingungen<br />

nicht eigenhändig verändert werden<br />

können und die gesellschaftlichen<br />

Konventionen eine Selbstentfaltung<br />

unmöglich machen, bleibt manchmal<br />

nur die Flucht in ein neues Leben: In<br />

luciérnagas verlässt Ramin seine<br />

Heimat Iran, um in Mexiko fortan seine<br />

Homosexualität nicht mehr verbergen<br />

zu müssen. Neben der Sehnsucht nach<br />

dem zurückgelassenen Geliebten und<br />

dem eigenen Land, entdeckt Ramin<br />

zunehmend sich selbst.<br />

Zu der Entscheidung, den eigenen<br />

Geburtsort zu verlassen, kann sich<br />

Waad al-Kateab in for sama nicht<br />

durchringen. Denn ihre Überzeugungen<br />

lassen sie in der kriegsgebeutelten<br />

Stadt Aleppo ausharren. Von Beginn<br />

der Auseinandersetzungen an dokumentiert<br />

sie die politischen Entwicklungen<br />

in Syrien mit ihrer Kamera. Ihre<br />

schonungslosen Bilder offenbaren die<br />

Zuspitzungen der Auseinandersetzungen<br />

genauso wie die katastrophalen<br />

Lebensumstände. Daneben ist der Film<br />

ein persönliches Zeugnis einer jungen<br />

Frau, die sich wider aller Umstände<br />

verliebt, heiratet und schwanger wird.<br />

Und die nicht davor zurückschreckt,<br />

für ihre Tochter Sama schließlich einen<br />

Beschluss zu fassen.<br />

Selbst wenn die Umstände um<br />

einen herum ein weitgehend selbstbestimmtes<br />

Dasein ermöglichen, fällt<br />

es trotzdem manchmal nicht leicht,<br />

seinen Weg zu finden. In saint frances<br />

lebt Bridget in Chicago eigentlich recht<br />

privilegiert. Doch ohne große Karriere<br />

oder eigene Familie entspricht sie<br />

nicht dem, was von einer 34-jährigen<br />

Frau erwartet wird. Ein neuer Job als<br />

Babysitterin für die eigensinnige sechsjährige<br />

Frances, die mit ihren beiden<br />

Müttern aufwächst, eröffnet ihr jedoch<br />

eine Perspektive darauf, dass das Glück<br />

nicht nur in dem wartet, was die Gesellschaft<br />

als Norm propagiert.<br />

Doch auch innerhalb von Normen<br />

kann Selbstverwirklichung gefunden<br />

werden, wie die 75-jährige Benedetta<br />

Barzini beweist. In den 60ern war sie<br />

ein gefragtes Model und Künstlermuse,<br />

setzte sie sich trotzdem beständig<br />

für die Rechte der Frauen und den<br />

Feminismus ein. In the disappearance<br />

of my mother zeigt sie darüber hinaus,<br />

dass stete Veränderung und Entwicklung<br />

zum Leben dazugehören. Das Kino<br />

bietet dafür den besten Beweis.<br />

Tatjana Michel

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