11.06.2019 Aufrufe

Das Kirchenbuch für die Gemeinde

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Karfreitag 331<br />

das biblische Vorbild wiedergegeben; und doch ist <strong>die</strong> Art, wie der<br />

Dichter das sagt, wie er oft nur durch eine Zeile, durch ein W ort<br />

etwas besonderes hervorhebt, bedeutsam. Da Iesus an dem Kreuze<br />

stund: Erinnert das nicht an <strong>die</strong> ältesten Kreuzigungsbilder der deutschen<br />

Kunst: Da hängt der Herr nicht am Kreuz als willenloses Opfer<br />

mit schmcrzvcrzcrrtem Antlitz, sondern E r steht am Kreuz, ob auch <strong>die</strong><br />

Nägel Seine Glieder durchbohren, voller Hoheit, auch unter Dornen<br />

dennoch ein König! Oder dic Schlußzeilen des s. Verses, dic uns<br />

etwas ahnen lassen von der unergründlichen Not der Gottverlassenheit,<br />

oder des 8. Verses, in denen das letzte Anliegen des sterbenden<br />

Heilandes ergreifend zum Ausdruck kommt! Der Schlußvers zeigt<br />

nackdrücklich, daß es von unserer Stellung zum Gekreuzigten abhängt,<br />

ob Gott uns Seine Gnade schenkt hier und im ewigen Leben,<br />

w o <strong>die</strong>s Lied nicht im Gesangbuch steht, singen w ir:<br />

O Haupt voll B lut und Wunden<br />

Herb und streng stellte uns das erst besprochene Karfreitagslied den<br />

König am Kreuz vor Augen und ließ uns Seine sieben W orte vernehmen.<br />

Ganz anders <strong>die</strong>s zweite Lied: Hier redet nicht der Herr Christus,<br />

sondern der anbetende Lhristcnmensch, der unter das Kreuz tritt,<br />

um den leidenden Gottessohn, das „Haupt voll B lut und Wunden"<br />

mitleidend anzuschauen. Und doch ist <strong>die</strong>s Lied nicht jünger, sondern<br />

erheblich älter als das vorige: E s stammt in seiner lateinischen Urform<br />

von Bernhard von Llairvaur. einem der berühmtesten und tiefsinnigsten<br />

Gottcsmänner des Mittelalters, der um das Iah r f soo lebte<br />

und auch von Luther hochgeschätzt wurde. E r dichtete eine Reihe von<br />

Passionsliedern auf jedes einzelne Glied des leidenden Heilandes. <strong>Das</strong><br />

schönst» unter ihnen: „An das Angesicht Christi", hat Paul Gerkardt<br />

auf Deutsch gedichtet und uns so <strong>die</strong>s erhabene Äarfreitagslied geschenkt.<br />

Da werden w ir zu der tiefsten passionsursachr geführt: „Nun,<br />

was Du, Herr, erduldet, ist alles meine Last. . . Schau her, hier steh<br />

ich Armer, der Zorn ver<strong>die</strong>net hat", w e r dächte nicht an den Schächer<br />

zur Rechten, wenn es weiter heißt: „Gib mir, o mein Erbarmer, den<br />

Anblick Deiner Gnad!"<br />

I n den folgenden Versen wird das betende Herzensgespräch mit dem<br />

Gekreuzigten weitergeführt. Bei aller Innigkeit <strong>die</strong>ses Betens wird<br />

nie der Abstand gegenüber dem heiligen Gottessohn außer acht gelassen,<br />

der noch am Kreuz unser Hüter und Hirte ist. Oder dürfen w ir

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!