Mixology Issue #91 - Die großen Gin Trends

3/ 2019 —— 17. Jahrgang
Einzelverkaufspreis: [D] 9,50 € — [A, LUX] 10,50 € — [CH] 11 CHF

DER MIXOLOGY STORE
MIXOLOGY.EU/SHOP
ÖFFNUNGSZEITEN
Mo – Fr, 12 – 18 Uhr
Karl-Marx-Allee 78, 10245 Berlin

APERITIF
VEREHRTE LESER!
Sind Sie demnächst in Berlin? Wir hätten da vielleicht
etwas für Sie. Denn seit Mitte Mai hat er
endlich geöffnet – unser Mixology Store in der
Karl-Marx-Allee 78 in Berlin. Lange schon gab
es den Wunsch, für unsere Leser und Kunden
auch mit einem physischen Geschäft erreichbar
zu sein. Schließlich bleibt doch bei aller digitalen
Vernetzung und immerwährenden Verfügbarkeit
ein echtes Aufeinandertreffen, ein Gespräch zwischen
Menschen noch immer die authentischste
Form der Kommunikation.
So bleibt es dabei, dass das Jahr 2019 für uns bei
Mixology alles neu, alles frisch macht. Schon der
erfolgreiche Re-Launch von Mixology Online
Anfang April hat mit dem Mixology Shop eine
neue Einkaufs-Plattform rund um unser Herzensthema
namens »Bar« ins Leben gerufen – der Store
hier vor Ort in Berlin verlängert diesen Shop nun zu einem echten
Einkaufserlebnis.
Nils Wrage
Chefredakteur
A propos Verkosten: Schon bald können Sie im
neuen Mixology Store nicht nur einkaufen, sondern
sogar lernen, genießen und sich auf köstliche
Weise unterhalten lassen. In regelmäßiger
Folge werden wir – mal allein, mal mit Freunden
und Partnern – die wunderschönen denkmalgeschützten
Räumlichkeiten für Tastings, Vorträge
und Cocktailworkshops nutzen. Zu Gast wird
dann z.B. auch Oliver Steffens sein, der führende
deutsche Gin-Experte, mit dem wir soeben
für den Hallwag-Verlag auch das neue Kompendium
How To Drink Gin – Deutschland produziert
haben (siehe auch S. 111). Nähere, aktuelle Informationen
dazu finden Sie (wie auch einen kompletten
Überblick über das Sortiment des Store)
unter mixology.eu/shop. Und wenn Sie schon
dort sind, besuchen Sie doch auch die komplett
neue Cocktails-Plattform mit klassischen und
modernen Rezepturen – sowie unseren nun komplett online verfügbaren
Mixology Bar Guide.
Finden können Sie in unserem Store – natürlich neben den verlagseigenen
Produkten – eine sorgsam kuratierte Auswahl an Dingen,
die das flüssige Leben schöner machen: Hochwertige und ästhetische
Bartools, ausgesuchte Spirituosen, wunderschöne Kristallgläser und
selbstverständlich auch unverzichtbare Fachbücher. Und falls Ihnen
in Ihrer Sammlung noch einzelne Ausgaben unseres Magazins für
Barkultur fehlen, so erhalten Sie sämtliche noch verfügbare Nummern
direkt vor Ort. Kommen Sie gern vorbei, verkosten Sie eine der
schönen vorrätigen Spirituosen und stöbern Sie!
Der Mixology Store in Berlin hat ab sofort von Montag bis Freitag
jeweils von 12 bis 18 Uhr für Sie geöffnet. Wir freuen uns von Herzen
auf Ihren Besuch. Dann vielleicht bei einem Gläschen Gin?
Mit den herzlichsten Grüßen aus der Redaktion
Ihr Nils Wrage
UNGEBREMSTE GINLIEBE
»Global Edition«
»Regional Edition«
Portrait-Illustration: Editienne, Plakate: Editienne
Das Gin & Tonic-Poster unseres Verlags ist ein echter Dauerbrenner. Bereits
zwei Varianten unseres Guides – eine regionale und eine globale – verhelfen
Gin-Liebhabern und Barflys zu wahrem Wacholderglück. Ab sofort servieren wir
unseren Guide darüber hinaus mit einem besonderen Twist: »The Gin & Tonic
Guide« in den Größen A1, A2 oder A3 für kleinere Wände. Fündig werden interessierte
Leser in unserem Berliner Store oder im MIXOLOGY Online Shop.
— mixology.eu/shop
A1
A2
A3
A1
A2
A3
1

Bars & Menschen
ZEHN
… zwiespältige Sommerdrinks
................................................................................ 4
AUF EIN GLAS MIT …
… Boris Gröner & Andy Schöler im »One Trick Pony«
.............................................................................. 16
NACHTRAUSCHEN
Belgrad darf endlich eine Bar haben
.............................................................................. 20
NEUE BARS
Alles andere als hölzern: Das »Woods« in Köln
.............................................................................. 24
STADTGESCHICHTEN
Leipzig: Das extrakleine Paris und seine Bars
.............................................................................. 28
INTERVIEW
André Stork spricht über »sein« Cranehouse
.............................................................................. 46
TRINKWELT
Krisenresistenz in Kiew und anderswo
............................................................................. 84
MIXOLOGY ON THE ROAD
Grünes Land, rote Kehle
........................................................................... 112
TIEFENRAUSCH
Vladimir Sorokin lädt zum makabren Genuss
........................................................................... 118
Flüssiges
MIXTUR
Neues in Flaschen. Und mehr
................................................................................ 6
MEINUNG
Drei Fachleute über ihren liebsten Wermut
.............................................................................. 12
MADE IN GSA MIXTUR
Frisches aus der Heimat
.............................................................................. 14
FOOD & DRINK
Kwass’n das?
.............................................................................. 22
GIN-BUSINESS
Vom Hype und Trickle-Down-Prinzip
.............................................................................. 38
MARKENPORTRÄT
Widder, Weizen, Wacholder – Ramsbury Gin
.............................................................................. 48
ALCHEMIST
Öl – die heimliche Allzweckwaffe für den Drink
.............................................................................. 52
MIXOLOGY TASTE FORUM
Der große Überblick beim Rye Whiskey
.............................................................................. 58
SPIRITUOSE
Wermut. Der Riese, der gerade erst loslegt
.............................................................................. 64
COCKTAIL
Gin: Was geht da außer Smash und Tonic?
.............................................................................. 72
58 MIXOLOGY TASTE FORUM
Rye Whiskey war und ist die Spirituose,
die wie keine andere für die Wiederauferstehung
des klassischen Shortdrinks stand.
Passend war Rye die erste Kategorie, die
im Taste Forum verkostet wurde. Nach
viereinhalb Jahren hat sich der Markt
prägnant entwickelt und geändert. Zeit für
das große zweite Tasting.
28 STADTGESCHICHTEN
Das extrakleine Paris gibt sich die
Ehre. Leipzig – leben wie im Osten,
trinken wie im Westen. Können wir
uns Goethe und Bach mit »Sterni«
oder Red Bull in der Hand vor
dem Konsum-Markt vorstellen?
Und Hartz IV-Empfänger neben
Korn-Connaisseuren? Maruan
Paschen bricht auf in eine Stadt
im Aufbruch.
84 TRINKWELT
»Seit 1990 reiht sich bei uns eine
Krise an die andere. Doch das schaffen
wir jetzt auch noch.« Die moderne
Ukraine hatte es nicht leicht, noch
nie seit dem Fall des Eisernen Vorhangs.
Aber zwischen innenpolitischen
Umstürzen und russischer
Krim-Annexion spielt sich eine
vitale, eine hochaktuelle Welt der
flüssigen Genüsse ab – auch ganz
fernab der Cocktailbar.

38 GIN-BUSINESS
Folgen auf Trend, Hype und
Boom nun Overkill und »Trickle
Down«? Gin ist im Discounter
angekommen und dadurch den
Profis vergällt worden. Dabei
ist das Herumhacken auf der
Kategorie ein Zeichen echter
Wohlstandsverwahrlosung.
Markus Orschiedt hat nach
Zahlen gesucht, die die Wahrheit
sprechen. Er hat sie gefunden –
und sie sind verblüffend.
16 AUF EIN GLAS MIT…
Boris Gröner und Andreas
Schöler bitten in ihrem One
Trick Pony zum Plausch bei einem
»Shrooby Doo«. Außerdem verraten
sie, wie die brandneue Barkarte im
Pony funktioniert – und warum
Awards und die mit ihnen verbundene
Aufmerksamkeit für eine junge
Bar in einer kleinen Stadt zu einer
echten Kraftprobe werden können.
G
I
78 BACK TO BASICS
N
Arrack steht als Spirituose am Anfangspunkt
in der Geschichte des
gemischten Getränks im neuzeitlichen
Sinne – lange vor Cocktails
aus Whiskey oder Cognac. Heute
führt er ein Dasein am Rande des
Geschehens. Und sogar im Punch,
seiner barkulturellen Heimat,
wird er meist nicht korrekt eingesetzt.
Doch keine Angst: Es ist so
einfach …
BACK TO BASICS
Die Cocktailbasis, die keine ist: Arrack
.............................................................................. 78
FOUR OF A KIND
Pink Gins im Redaktionsvergleich
.............................................................................. 81
HOW TO COCKTAIL
Gestatten, Martinez!
.............................................................................. 82
WHISK(E)Y NEWS
Neuheiten rund um Roggen, Mais und Torf
.............................................................................. 90
KAFFEE
Lassen Sie uns über Wasserqualität sprechen
.............................................................................. 92
KAFFEENOTIZEN
Innovatives aus dem Kaffeekosmos
.............................................................................. 95
BIERNOTIZEN
Peter Eichhorn mit aktuellsten Hopfigkeiten
.............................................................................. 96
EVENT
Der Negroni wird 100 Jahre – ein Grund zum
Feiern!
........................................................................... 100
Rubriken & Kolumnen
OHNE GEMÜSE, BITTE!
Das Übel des 80-Prozent-Cocktails
.............................................................................. 26
DIE FLASCHE IN ZAHLEN
Josef Bavarian Gin Blue Edition
.............................................................................. 47
KLIMEKS KAUFBEFEHL
Herak: Österreichischer Wein-Frevel
.............................................................................. 83
VERANSTALTUNGEN & WETTBEWERBE
Was ist passiert? Was kommt? Der Überblick
........................................................................... 104
INTERIOR
Back to the Golden Age
........................................................................... 108
MIXOLOGY IM DIREKTVERKAUF
........................................................................... 110
ESSENTIAL CULTURE
Les- & Hörbares zur Drinkbegleitung
............................................................................ 111
HOMEBAR
Kein Drink ohne deftige Schweinereien!
........................................................................... 114
MUSIK
Billie Eilish und ihre Schatten
........................................................................... 116
IMPRESSUM & KOMMENDE THEMEN
........................................................................... 120

ZEHN
SOMMERLICHES
GRUSELKABINETT
Es gibt diese Drinks, die teilweise bereits Generationen
von Barleuten den Verstand geraubt haben. Ein launiger
Blick auf zehn Vertreter aus der Gattung: Muss das sein?
4

AUF EIN GLAS MIT … ANDREAS SCHÖLER & BORIS GRÖNER
KARTE MIT
KAMPFANSAGE
Das Pony-Prinzip: Vieles mag nach Klamauk aussehen – durchdacht ist es aber dennoch.
16

Fotos: One Trick Pony
Gewonnene Preise können
in verschiedenster Weise zur
Herausforderung werden,
das wissen Andreas Schöler
und Boris Gröner seit Herbst
2017. Damals gewann ihre
junge Bar »One Trick Pony«
gleich drei MIXOLOGY BAR
AWARDS – unter anderem
für ihre innovative Barkarte.
In ihrem neuen Menü- Design
reflektieren die beiden das
Bar-Business durchaus
kritisch und reflektiert, im
Gespräch mit MIXOLOGY
sinnieren sie außerdem über
die Rolle des Gin & Tonic, die
Notwendigkeit von Sahne und
die Frage, ob jeder Drink eine
Geschichte hat.
Text Juliane E. Reichert
Freiburg, das liegt in Baden und nicht in
Schwaben, dass das schon einmal klar ist. Den
Hamburgern und Berlinern ist es bisweilen
nicht so wichtig, wie das in »Süddeutschland«
– also allem unterhalb von Kassel – so ist. Hier
allerdings ist es wichtig. Freiburg, das ist der
Ort, an dem der Wohnungsmarkt noch furchtbarer
ist als sowieso überall, wo der Taifun-Tofu
und auch der Heidegger herkommen. Mehr
Klischee kann man in eine Stadt eigentlich
nicht packen, darum räumen wir vorab schnell
auf damit. Also, der Freiburger an sich lebt
nicht per se vegan, und auch wenn er viel und
gerne Fahrrad fährt, herrscht ein ausgezeichnetes
innerstädtisches öffentliches Verkehrsnetz.
Autos gibt es auch. Trotz Frankreichnähe
und menschenfreundlichen Temperaturen
heißen Gaststätten »Zum Schwabentörle«.
Aus oben genannten Gründen fahrlässig und
irreführend, aber so sind die Schwaben … also,
Badenser.
Das One Trick Pony hat bei den Mixology
Bar Awards 2018 drei Auszeichnungen
abgestaubt. Seitdem hat sich dort einiges verändert.
»Wir sind heimgefahren, ausgekatert,
dann ging’s los: Wohingegen es an Orten wie
im Jigger & Spoon am Wochenende schon
immer voll war, ist das hier etwas anders gewesen«,
erzählt Boris Gröner, einer der beiden
Gründer und Geschäftsführer. Bis zu 75 Prozent
mehr Umsatz sind stabil geworden, Reservierungen
wurden eingestellt. Und Personal
auch.
Von der Kamikaze zum Kürbisdrink
Fangen wir mit den wirklich wichtigen und
zentralen Themen an. Denn wollten Sie insgeheim
auch schon immer einmal wissen, was es
mit den Anzügen auf sich hat, die man von der
»OTP«-Crew seit spätestens jenem besagten
Awards-Abend im Oktober 2017 kennt? Und
die den Jungens nicht, wie viele annehmen,
als Arbeitsmontur dient, sondern eher als, ja,
Ausgeh-Uniform. Preis? »Siebenhundert, aber
auf Wohlwollen. Das war nur für den Stoff, sieben
Meter braucht man pro Person, ein Meter
kostet hundert Euro«, so Andreas Schöler,
der die Bar gemeinsam mit Boris Gröner führt.
Barchef hingegen ist Freiburg- und Stuttgart-Veteran
Alexander Mayer, der damit
quasi die Nachfolge von Jan Jehli angetreten
hat, nachdem Jehli – als Teil der Pony-Crew
zum »Mixologen des Jahres« gekürt – das Team
in Richtung Bonn verlassen hatte.
Apropos Dinge, die man sich so sagt über die
Freiburger Bar: Immer wieder kommen Nachfragen,
wie oft sie denn eigentlich Pflanzen
und Kräuter sammeln würden, lacht Mayer:
»Als könnten wir hier irgendwo in Freiburg
100 Kilo Physalis sammeln!« Woran es liegt,
dass sich um die Bar zwischen Kaiserstuhl und
Schwarzwald so viele Gerüchte ranken? Daran,
dass man unter anderem wegen der Awards
sehr viel über sie spricht, Freiburg aber nicht
bei allen zwingend auf dem Weg der Wahl liegt.
Zumindest für manche nicht. Andere kommen
gern, immer wieder beispielsweise der Headbartender
des NoMad aus New York, Tyler
Caffall, dessen Lebensgefährtin ein Theaterstück
am Freiburger Theater inszeniert.
»Unsere Klientel ist wahnsinnig gemischt«, so
Gröner. »Wir haben solche, die eigentlich in
den Club Kamikaze gehen wollten, der hier
vor ein paar Jahren war, und die dann doch
bleiben; solche, die eigentlich bloß Whisky-Cola
trinken wollten und plötzlich an der Bergamotte
schnuppern. Und dann gibt es die, denen
man jedes Mal bitteschön etwas Neues kredenzen
soll.« Im One Trick Pony alles möglich.
Und auch wenn die aus fünf Festangestellten
und drei Aushilfen beständige Crew nicht alles
selbst sammeln und weiterverarbeiten kann,
wie das dieser Tage so manche Neuköllner Bars
zu tun pflegen, es bleibt lokal: Florian Faude
liefert die Fichte, die Bergamotte und Rote
Bete, Schladerer die Rote Williamsbirne. Wir
würden tendenziell eine Suppe draus machen,
aber wem einmal nach Detox ist ohne auf Bars
verzichten zu wollen, sollte den »Smashing
Pumpkin« probieren: aus Kürbis, Mandarine,
Esskastanie und Birne. »Außerhalb der Karte
mache ich den Leuten auch echt alles«, so
Gröner, der »über den Punkt des Diskutierens
weit hinaus« ist. »Klar: Swimming Pool kann
ich nicht machen, weil der Blue Curaçao fehlt.
Aber wir machen Drinks mit Sahne und echt
vieles, wogegen sich andere vielleicht wehren
würden.«
Im Kampf gegen die Happy Hour
Dass die Anzüge in Palmwedeloptik wirklich im
Zentrum stehen, war natürlich dahergescherzt.
Wie immer und überall, wenn wir über Bars
sprechen, geht es natürlich vor allem um die
Drinks. Und die stehen auf Karten. Karten, die
bisweilen wechseln. Ein Ereignis dieser Natur
hat just am 1. April dieses Jahres stattgefunden,
und das ganz ohne Scherz. Im besagten Award-
Jahr der One Trick Pony Bar wurden Awards
eingeheimst für den erwähnten Jan Jehli, als
»Neue Bar des Jahres« sowie für die »Barkarte
des Jahres«. Über Letzteres sprechen Gröner
und Schöler an jedem Tag der neuen Karte, zu
dem sie Freunde und Stammgäste eingeladen
haben – und zwar am eigentlich geschlossenen
17

NEUE BARS
GUT HOLZ!
Das Kölner Friesenviertel bekommt seine nächste anspruchsvolle Trinkadresse.
Mit dem »Woods« von Simon Bach schickt sich ein kleines, liebevoll gestaltetes Konzept an,
den ehemaligen Sauf-und-Baller-Kiez weiter aufzuwerten. Auch abseits des Waldes.
24
Noch wartet im Woods die Eröffnungskarte, die demnächst vom echten Menü, in – Überraschung! – Holz abgelöst wird
Fotos: Dustin Preick für Woods Cocktail GmbH

STADTGESCHICHTEN
DUNKEL. UND
DANN HELL.
Text Maruan Paschen
Leipzig befindet sich seit Jahren im Spannungsfeld.
Kulturell auf dem Vormarsch, aber noch immer mit
viel Ost-Muff. Im Kern so schön wie Paris, aber
zu leer um dessen Atmosphäre zu vermitteln. Und
es gibt viel Gastromonie – aber nur wenig echte
Konzepte, deren Besuch durch mehr als schlichten
Hunger und Durst gerechtfertigt würde. Ein Streifzug.
Natürlich auch mit Goethe.
28
Foto: thumigraphy

Imperii
Brühl 72, 04109 Leipzig
— imperii.de
29

GIN-BUSINESS
I
G
N
GHINA WILL DIE
WELTHERRSCHAFT
Text Markus Orschiedt
Die Nerds jammern. Die Bartender geifern ihre Cashcow an.
In den Agenturen entstehen eigene Gin-Abteilungen.
Und die Discounter, über die keiner spricht, sind inzwischen
Deutschlands Gin-Händler Nummer 1. Über eine Spirituose,
die nach Renaissance, Trend, Hype und Blase allmählich
in einer millionenschweren Realität ankommt. Ein Überblick
zwischen Upselling und Downtrickling.
Collage: Editienne, Icon: Vectorstock
39

58

MIXOLOGY TASTE FORUM
ROGGEN,
DIE ZWEITE!
Text Peter Eichhorn
Schon fast fünf Jahre ist es her, dass das MIXOLOGY TASTE FORUM die Gattung Rye
Whiskey unter die Lupe genommen hat. Geänderte Rezepturen, andere Reifebedingungen,
neue Marken – viel hat sich seither getan in dem Segment, das bis heute für das Revival
klassischer Cocktails steht. Zeit also für einen zweiten Blick!
Illustration: Editienne
Rye Whiskey mag getrost als eine lange vergessene Spirituose gelten, die
ihr derzeitiges Revival mehr als verdient. Die Prohibitionszeit in den
USA ließ den klassischen Roggenwhisky mit seiner Würze, Getreidigkeit
und Kraft in Vergessenheit geraten. Nach 1933 tranken die Amerikaner
milder und süßer. Bourbon wurde zum Nationalgetränk und auch
Blended Scotch spielte eine zunehmend bedeutende Rolle am Gaumen
der US-Bürger. Nun ist Rye Whiskey zurück. Insbesondere als Variante
in klassischen Whiskey-Cocktails bringen die Roggen-Noten eine neue
aromatische Vielfalt in die Drinks.
Das neue Alte
Erfahrene Bartender erinnern sich noch gut: Vor zehn Jahren war ein
Rye im Rückbuffet einer Bar eine immense Rarität. Dann tauchten ab
und an ein Old Overholt oder Jim Beam Rye auf, und als der Rittenhouse
Rye den deutschen Markt betrat, öffneten sich zunehmend die
Herzen und Gaumen der Old-Fashioned- und Whiskey-Sour-Fans. Der
Weg war bereitet und führte zu einem Bewusstsein und einer neuen
Vielfalt jener amerikanischen Spirituose, die völlig zu Unrecht in Vergessenheit
geraten war.
Die neue Vielfalt galt es somit, im Mixology Taste Forum (MTF) zum
zweiten Mal nach 2014 zu prüfen. Die Schar der Whiskey-Experten,
die bei der bewährten Blindverkostung mitwirkte, bestand aus Susanne
Baró Fernández (Timber Doodle), Christian Gentemann (Bar
am Steinplatz), Maria Gorbatschova (Green Door), Christopher
Krellwitz (Vox Bar im Grand Hyatt), Hendrik Ratzmer (Bar Wagemut),
Christof Reichert (Hotel Adlon), Juliane Reichert (Mixology),
Kersten Wruck (Stairs Bar) und Nina Zilvar (Küche Bar).
Strenge Richtlinien
Die USA formulieren strenge Richtlinien für ihre Destillate. Für Rye
Whiskey gelten dabei folgende Anforderungen: Rye Whiskey muss aus
einer Getreidemischung gewonnen sein, die mindestens 51 % Roggen
enthält. Das Destillat darf auf maximal 80 % Vol. (160 »Proof«) destilliert
und anschließend mit maximal 62,5 % Vol. (125 Proof) ins Fass
abgefüllt werden, das wiederum neu, ausgekohlt und aus Weißeiche
gefertigt zu sein hat. Das Endprodukt in der Flasche muss mindestens
40 % Vol. (80 Proof) aufweisen.
Lagerte das Destillat mindestens zwei Jahre und enthält keine Zusatzaromastoffe
oder Färbung, so darf (muss aber nicht) es sich als »Straight
Rye« bezeichnen. Jeder »Straight«, der weniger als vier Jahre im Fass
lagerte, muss die Dauer der Lagerzeit auf dem Etikett benennen.
59

SPIRITUOSE
BITTERSÜSSE R
STERN
WERMUT
Text Roland Graf
WO STEHT WERMUT HEUTE? DAS URALTE
MISCHGETRÄNK VERFRACHTET UNS IN EINE
ZEITMASCHINE ZWISCHEN ANTIKEN SCHER-
ZEN UND ZEITGENÖSSISCHER DEKONSTRUK-
TION. DENN DER AROMATISIERTE WEIN MIT
DEM MERKWÜRDIGEN DEUTSCHEN NAMEN
MACHT GERADE EINE WILDE PHASE DURCH:
DIE GESCHICHTE EINES PUBERTIERENDEN, DER
TAUSENDE JAHRE ALT IST.
64

Zeichnungen: Editienne
65

Oktober 2019
COCKTAILIAN
EDITION N°1
Das Cocktail Table Book
cocktailian.de/edition

Back to
the Golden
Age
108

INTERIOR
7
Text Maria-Silva Villbrandt / Herz &Blut
Die elegante Berliner Bar Fragrances
im Traditionshotel The Ritz-Carlton
versetzt die Gäste in eine Welt voller
Glanz und Glamour ganz im Stile des
Art déco.
6
Kaum eine andere Bar zeigt sich so opulent und dennoch klassisch
schick in der Hauptstadt. Wer ins Fragrances kommt, wird umhüllt von
schwerem Marmor, viel Gold und Prunk, ohne dabei je überladen zu
werden. Denn diese Bar ist nicht gewollt, sondern gekonnt mondän.
Hier bekommt man einfach Lust, sich in Schale zu werfen, die parfumorientierten
Drinks zu genießen, um einen Abend ganz wie in den
Zwanzigern zu verbringen. Cheers!
2
3
Fotos: linke Seite: Jules Villbrandt, rechte Seite: 1) Freifrau Sitzmöbelmanufaktur, 2) acquadiparma.de, 3) Maisondada.com, 4) nvgallery.com, 5) anthropologie.com, 6) reflections-copenhagen.com, 7) dcw-editions.fr
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5
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