Tabu und Vorurteile - Schweizerischer Blinden- und ...
Tabu und Vorurteile - Schweizerischer Blinden- und ...
Tabu und Vorurteile - Schweizerischer Blinden- und ...
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<strong>Tabu</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorurteile</strong><br />
www.sbv-fsa.ch<br />
der Weg<br />
<strong>Schweizerischer</strong> <strong>Blinden</strong>- <strong>und</strong> Sehbehindertenverband<br />
Witz des Tages:<br />
Warum essen blinde<br />
Menschen so gern<br />
Sesambrötchen?<br />
2/2011
2<br />
Inhalt<br />
Editorial<br />
Ist es schlimm, blind zu sein? 3<br />
<strong>Tabu</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorurteile</strong><br />
<strong>Tabu</strong>s oder Verbote 4<br />
Sexualität <strong>und</strong> Behinderung –<br />
das ultimative <strong>Tabu</strong> 6<br />
Mein Name ist tabu 8<br />
Und wie geht es deinen <strong>Blinden</strong>? 10<br />
Jugendliche ohne <strong>Tabu</strong>s bauen<br />
<strong>Vorurteile</strong> ab 11<br />
Im Schatten des Scheinwerferlichts 14<br />
Fokus<br />
Von Mistern <strong>und</strong> Missen 16<br />
«Es führen viele Wege nach Rom» 18<br />
Kinderkrankheiten einer jungen Idee.<br />
Ein Kommentar 23<br />
Titelbild:<br />
«Warum essen blinde Menschen so<br />
gerne Sesambrötchen?» Die Frage steht<br />
auf einem Zettel, der auf blauem Gr<strong>und</strong><br />
liegt. Essen Blinde wirklich lieber Sesambrötchen<br />
als andere? Wer behauptet<br />
denn so etwas? Die Frage regt zum<br />
Nachdenken an. Sie provoziert Bilder<br />
Magazin<br />
Milestone als Farberkenner<br />
<strong>und</strong> Barcodeleser 27<br />
Au-delà de la vue:<br />
Keine Identifikation möglich 28<br />
Licht am Ende des Tunnels 30<br />
Verband<br />
IVG-Revisionspaket 6a/6b 31<br />
Nachrichten aus der<br />
Interessenvertretung 32<br />
Jubiläumsfeier des SBV am<br />
1. August auf dem Rütli 33<br />
Kandidaten gesucht! 34<br />
Die erste von sieben 34<br />
Veranstaltungen 35<br />
Leserbrief 38<br />
Herzliche Gratulation, tanti auguri,<br />
joyeux anniversaire 39<br />
Impressum 39<br />
<strong>und</strong> vielleicht sogar <strong>Vorurteile</strong>. Deutschschweizer<br />
kennen die Frage als Anfang<br />
eines Witzes: «Weil da immer so schöne<br />
Kurzgeschichten drauf stehen», lautet<br />
die Antwort. Witze rühren an <strong>Tabu</strong>s <strong>und</strong><br />
spielen mit <strong>Vorurteile</strong>n. Ja es kann ihnen<br />
sogar gelingen, <strong>Vorurteile</strong> zu entlarven.
Editorial<br />
Ist es schlimm, blind zu sein?<br />
Naomi Jones<br />
Man fragt Behinderte nicht direkt nach ihrer<br />
Behinderung. Schon als Kind lernen wir dies.<br />
Neugierig mustern wir die Frau, die mit einem<br />
langen weissen Stock auf den Boden schlägt,<br />
während sie geht. Welches Spiel spielt sie wohl?<br />
«Starr sie nicht an, sie ist behindert», flüstern die<br />
Eltern verschämt. Behinderung muss also etwas<br />
sein, dessen man sich schämt. Oder ist Behinderung<br />
gar so schlimm, dass man nicht einmal danach<br />
fragen darf?<br />
<strong>Tabu</strong>s sind ausgesprochene <strong>und</strong> unausgesprochene<br />
gesellschaftliche Verbote, über etwas zu<br />
reden. Es sind Dinge, die als negativ empf<strong>und</strong>en<br />
werden. Man fürchtet, den andern zu verletzen,<br />
wenn man über das für negativ Gehaltene<br />
spricht. Doch je länger wir unsere Fragen für uns<br />
behalten, umso grösser werden die <strong>Vorurteile</strong>,<br />
umso weniger erfahren wir, ob der andere seine<br />
Behinderung wirklich als schlimm empfindet.<br />
Und so werden wir stumm <strong>und</strong> wenden uns<br />
schüchtern ab. Zurück bleibt ein Gegenüber, das<br />
denkt, wir wollten nichts mit ihm zu tun haben,<br />
denn wir seien Egoisten, die nur mit ihresgleichen<br />
zu tun haben wollten <strong>und</strong> wir würden alle,<br />
die von der Norm auch nur ganz wenig abwichen,<br />
ausschliessen. Auch dies sind <strong>Vorurteile</strong>, die<br />
aus dem <strong>Tabu</strong> entstehen. Letztlich aber entstehen<br />
sie aus dem menschlichen Wunsch, niemanden<br />
zu verletzen.<br />
<strong>Tabu</strong>s verschleiern eine Tatsache. Sie hindern uns<br />
daran, genau hinzusehen. Sie behindern unsere<br />
Erkenntnis. So bleiben wir <strong>und</strong>ifferenziert in der<br />
Angst zu diskriminieren, obwohl das lateinische<br />
Wort «discriminare» nichts anderes heisst als «unterscheiden»,<br />
also den Unterschied bzw. die<br />
Differenz zu erkennen.<br />
In unserem Heft versuchen wir zu unterscheiden.<br />
Wir fragen, welche <strong>Tabu</strong>s die Gesellschaft im<br />
Umgang mit sehbehinderten Menschen hat <strong>und</strong><br />
welche <strong>Vorurteile</strong> diese allenfalls gegenüber der<br />
Naomi Jones<br />
(Foto: Luzius Dinkel)<br />
Gesellschaft haben. Was sind<br />
<strong>Tabu</strong>s genau, woher kommen<br />
sie, <strong>und</strong> wie können wir <strong>Tabu</strong>s<br />
<strong>und</strong> <strong>Vorurteile</strong> abbauen? Wir<br />
wagen uns an eines der grössten<br />
<strong>Tabu</strong>themen überhaupt:<br />
Sexualität <strong>und</strong> Behinderung.<br />
Und wir rühren an ein <strong>Tabu</strong>,<br />
wenn wir im Fokus-Dossier<br />
einen noch jungen Anlass von<br />
Frauen mit einer Behinderung<br />
kritisch beleuchten. Wir hoffen,<br />
wir täten dies zumindest so<br />
differenziert, dass ein offener<br />
Dialog gefördert <strong>und</strong> <strong>Tabu</strong>s wie<br />
<strong>Vorurteile</strong> aktiv abgebaut werden.<br />
�<br />
3
4<br />
<strong>Tabu</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorurteile</strong><br />
<strong>Tabu</strong>s oder Verbote<br />
Jean-Marc Meyrat<br />
<strong>Tabu</strong>: etwas, über das man aus Scham oder<br />
Angst nicht sprechen darf<br />
Unser Wort «<strong>Tabu</strong>» findet sich in sämtlichen<br />
polynesischen Sprachen als tapu oder kapu. In<br />
Europa etablierte es sich nach der Rückkehr des<br />
britischen Entdeckers <strong>und</strong> Kartografen James<br />
Cook (1728–1779), der auf einer Forschungsreise<br />
unter anderem nach Tahiti gelangt war.<br />
Ethnologen verstehen unter «<strong>Tabu</strong>» ein «heiliges»<br />
Verbot, dessen Übertretung eine Bestrafung<br />
durch übernatürliche Mächte nach sich zieht. Im<br />
weiteren Sinne meinen wir damit in aller Regel<br />
ein Thema, das man tunlichst nicht anspricht,<br />
wenn man nicht gegen die Anstandsregeln der<br />
jeweiligen Gesellschaft verstossen will. Im Abend-<br />
Der englische Seefahrer James Cook brachte das<br />
Wort «<strong>Tabu</strong>» gewissermassen von seiner Reise<br />
nach Tahiti zurück. (Foto: flickr.com/p.lenedic)<br />
land verpönt sind etwa Themen<br />
wie Sexualität, Drogen, Exkremente,<br />
Inzest, Beischlaf während<br />
der Menstruation – all<br />
diese Dinge sind für uns mit<br />
einem <strong>Tabu</strong> belegt.<br />
Ethnologen dient das polynesische<br />
Wort als Überbegriff für<br />
sämtliche Verbote magischer,<br />
religiöser oder ritueller Natur,<br />
ganz gleich, in welcher Volksgruppe<br />
sie Gültigkeit haben. In<br />
ausnahmslos allen Religionen<br />
spielen <strong>Tabu</strong>s eine wichtige<br />
Rolle. Besser wäre es allerdings,<br />
von verpönten Begriffen<br />
oder Verboten zu sprechen,<br />
zumal das Wort «<strong>Tabu</strong>» sowohl<br />
das Verbot als auch das Verbotene<br />
selbst bezeichnet.<br />
Ursprünglich waren <strong>Tabu</strong>s ein<br />
religiöses Phänomen, sozusagen<br />
das negative Pendant zur<br />
Heiligkeit, etwas zugleich<br />
Ansteckendes <strong>und</strong> Gefährliches.<br />
Ein <strong>Tabu</strong> umfasst drei<br />
Komponenten: den Glauben,<br />
dass eine bestimmte Person<br />
oder Sache unrein oder heilig<br />
ist; das Verbot, diese Person<br />
oder Sache zu berühren oder<br />
zu verwenden, <strong>und</strong> die Überzeugung,<br />
dass ein Verstoss<br />
gegen dieses Verbot automatisch<br />
eine Bestrafung des Übeltäters<br />
nach sich zieht, etwa<br />
indem sein Körper anschwillt<br />
oder verkümmert, indem er �
<strong>Tabu</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorurteile</strong><br />
einen Unfall erleidet, seine Ernte einbüsst oder<br />
seine Eltern verliert. Schlimmstenfalls wird die<br />
Übertretung eines <strong>Tabu</strong>s mit dem Tod bestraft,<br />
bestenfalls mit sozialer Ächtung.<br />
Im religiösen Kontext kann ein <strong>Tabu</strong> auch als<br />
Warnung aufgefasst werden: Demzufolge löst<br />
ein Verstoss nicht zwangsläufig eine Bestrafung<br />
aus, sondern die Reaktion einer höheren Macht,<br />
die den Menschen ebenso fasziniert wie ängstigt<br />
– <strong>und</strong> zwar so sehr, dass er sich allein aus Furcht<br />
vor der göttlichen Macht hütet, ein <strong>Tabu</strong> zu<br />
brechen. Auf Dauer entsteht dabei eine unumstössliche<br />
Regel, die in einen Formalismus münden<br />
kann.<br />
Das erste <strong>Tabu</strong> der Menschheit war das Verbot der<br />
Endogamie, d.h. das Verbot sexueller Beziehungen<br />
zwischen engen Verwandten. Es entwickelte<br />
sich weiter zum Inzestverbot, dessen Umsetzung<br />
in den verschiedenen Kulturen immer komplexere<br />
Sozialstrukturen entstehen liess. Das in Stammesverbänden<br />
entstandene Inzesttabu ist inzwischen<br />
durch die Gesetze der Genetik untermauert <strong>und</strong><br />
deshalb universell. Es untersagt Heirat <strong>und</strong> Geschlechtsverkehr<br />
zwischen Blutsverwandten. Interessanterweise<br />
ist dieses <strong>Tabu</strong> nicht auf den Menschen<br />
beschränkt, sondern findet sich auch im<br />
Tierreich, insbesondere bei zwei Menschenaffenarten,<br />
nämlich den Schimpansen (Pan troglodytes)<br />
<strong>und</strong> den Bonobos (Pan paniscus).<br />
Mit der Aufweichung oder dem Verschwinden<br />
der Verbote bezüglich gesellschaftlich tolerierter<br />
oder einvernehmlich zwischen Personen stattfindender<br />
Sexualpraktiken wird heute auf breiter<br />
Ebene gegen sexuelle <strong>Tabu</strong>s verstossen, <strong>und</strong> zwar<br />
mit Handlungen genauso wie im gesellschaftlichen<br />
Diskurs. Dadurch verlieren <strong>Tabu</strong>s zunehmend<br />
ihre Bedeutung nicht nur für den Einzelnen,<br />
sondern auch für soziale Gruppen <strong>und</strong><br />
ganze Gesellschaften.<br />
<strong>Tabu</strong>s gehören für uns heute zum Alltag. Über<br />
religiöse Zusammenhänge hinaus erstrecken sie<br />
sich längst auch auf soziale<br />
Belange, militärische Aktionen<br />
oder die Justiz, bis hin zu den<br />
Ernährungsgewohnheiten.<br />
Krankheiten, allen voran AIDS<br />
<strong>und</strong> Krebs, der Tod, Körpergerüche,<br />
Exkremente, mangelnde<br />
öffentliche Hygiene; Sexualität<br />
<strong>und</strong> Begierde, vor allem in<br />
normwidriger Form, also in<br />
traditionellen Gesellschaften<br />
insbesondere der Inzest, in<br />
modernen die Pädophilie; Geld,<br />
Behinderungen, Betteln; Adolf<br />
Hitlers Gemälde, das Hakenkreuz,<br />
die Menschenexperimente<br />
der Nazi-Ärzte, die Kollaboration<br />
Frankreichs; Kritik an<br />
Religionen – das sind einige<br />
traditionelle <strong>und</strong> moderne<br />
<strong>Tabu</strong>s. Die Liste ist bei weitem<br />
nicht erschöpfend.<br />
Schwere Zeiten für <strong>Tabu</strong>s<br />
Es stimmt: Wer heute eine Zeitung<br />
aufschlägt, das Radio oder<br />
den Fernseher einschaltet, muss<br />
auf alles gefasst sein. Dass etwa<br />
Pädophilie oder Homosexualität<br />
längst keine <strong>Tabu</strong>themen mehr<br />
sind, ist nun einmal der Lauf der<br />
Dinge. Eine Gefahr besteht<br />
dabei allerdings: Wenn jederzeit<br />
überall <strong>und</strong> ganz gleich wie<br />
über alles gesprochen werden<br />
darf, kann dies schlicht <strong>und</strong><br />
einfach zu einem Konformismus<br />
ohne Mass <strong>und</strong> Verstand führen.<br />
Verlassen können wir uns allerdings<br />
auf eines: Die <strong>Tabu</strong>s, mit<br />
denen Behinderungen belegt<br />
sind, haben auch weiterhin<br />
Konjunktur. �<br />
5
6<br />
<strong>Tabu</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorurteile</strong><br />
Sexualität <strong>und</strong> Behinderung –<br />
das ultimative <strong>Tabu</strong><br />
Claudine Damay<br />
Im Sommer 2009 berichtete die<br />
Presse über die Diplomierung<br />
der ersten Sexualassistentinnen<br />
<strong>und</strong> -assistenten für Behinderte<br />
in der Romandie. In der Deutschschweiz<br />
sind solche «Berührer/<br />
innen» schon seit einigen Jahren<br />
im Einsatz. In unseren Kreisen<br />
weckte das Ereignis kaum ein<br />
Echo. Sind Sehbehinderte davon<br />
nicht auch betroffen, oder ist das<br />
Sexleben von Behinderten nach<br />
wie vor ein absolutes <strong>Tabu</strong>?<br />
Was heisst Sexualassistenz?<br />
Gemeint ist ein Beitrag zum<br />
körperlichen Wohlbefinden einer<br />
behinderten Person, die den<br />
Wunsch danach äussert. Wie weit<br />
das geht, wird zwischen Assistent/<br />
in <strong>und</strong> Begünstigter/m vereinbart.<br />
Dabei ist es nicht Aufgabe der<br />
Sexualassistenz, emotionale<br />
Defizite auszugleichen. Geboten<br />
wird eine bezahlte Dienstleistung,<br />
die r<strong>und</strong> 150 Franken pro<br />
St<strong>und</strong>e kostet. Das Honorar ist<br />
nicht auf Profit ausgerichtet,<br />
sondern soll die Rollen der Beteiligten<br />
klarstellen: Es handelt sich<br />
um einen Partnerschaftsvertrag,<br />
der keinem der beiden Macht<br />
über den anderen einräumt.<br />
Wer arbeitet als Sexualassistent/in?<br />
Die frisch Diplomierten wurden<br />
sorgfältig ausgewählt <strong>und</strong> muss-<br />
ten einen einjährigen, r<strong>und</strong> 320 St<strong>und</strong>en umfassenden<br />
Lehrgang absolvieren. Auf dem Lehrplan<br />
standen primär die Arten von Behinderungen<br />
sowie Recht <strong>und</strong> Ethik. In der Praxis werden<br />
Sexualassistenten durch Supervisoren betreut<br />
<strong>und</strong> müssen sich fortbilden. Sie stammen aus<br />
allen sozialen <strong>und</strong> kulturellen Schichten, müssen<br />
mindestens 30 Jahre alt <strong>und</strong> berufstätig sein.<br />
Die Reaktionen der Öffentlichkeit<br />
In Internet-Foren findet man sehr unterschiedliche<br />
Reaktionen, teils von begeisterten Leuten,<br />
die es nur für gerecht halten, Behinderten endlich<br />
Gelegenheit zu geben, ihre Sexualität auszuleben,<br />
teils von frustrierten Zeitgenossen, die<br />
nicht einsehen, warum Behinderte, die ja per se<br />
unter ihnen stehen, in den Genuss von Annehmlichkeiten<br />
kommen sollen, die ihnen verwehrt<br />
sind. Ein paar Gutmenschen sind überzeugt,<br />
Behinderte stünden in Sachen Sex weit über den<br />
Dingen oder seien zumindest in der Lage, solch<br />
gemeine Triebe zu besiegen. Von Betroffenen<br />
selbst gibt es so gut wie keine Meldungen.<br />
Sexualassistenz <strong>und</strong> Sehbehinderung<br />
Auf den ersten Blick könnte man meinen, Sehbehinderte<br />
gehe das Thema gar nichts an, weil sie<br />
ja in ihrer Kommunikation nicht eingeschränkt<br />
sind <strong>und</strong> ihre Chancen auf die grosse Liebe oder<br />
auch den One-Night-Stand, ob mit oder ohne<br />
Bezahlung, ebenso gut stehen wie bei Sehenden.<br />
Wie einer meiner Fre<strong>und</strong>e sagen würde: «Sich<br />
mit einer Prostituierten zu amüsieren, ist ganz<br />
einfach. Das Problem ist, dort hinzukommen…»<br />
Hüten wir uns jedoch vor vorschnellen Urteilen.<br />
Wenn jemand, der von Geburt an blind ist, seine<br />
ersten sexuellen Erfahrungen sammelt, ist es sicher<br />
gar nicht so einfach, einen anderen Körper �
<strong>Tabu</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorurteile</strong><br />
allein mit dem Tastsinn zu erk<strong>und</strong>en. Wäre es für<br />
den oder die Betreffende(n) nicht viel sicherer,<br />
diese ersten Schritte mit einer solide ausgebildeten,<br />
einfühlsamen Bezugsperson zu unternehmen?<br />
Noch schwieriger ist wohl der leider gar nicht<br />
seltene Fall, dass jemand erst das Augenlicht <strong>und</strong><br />
dann auch noch den Lebenspartner verliert, weil<br />
dieser mit der neuen Situation nicht fertig wird.<br />
Welche Gefühle hat man gegenüber dem eigenen<br />
Körper, den man nicht mehr oder nur mit Mühe<br />
sieht? Wäre es nicht beruhigend, wenn man sich in<br />
einem geschützten Umfeld damit vertraut machen<br />
könnte? Und da es ja um die Überwindung von<br />
<strong>Tabu</strong>s geht: Wer weiss schon, wie viele Sehbehinderte<br />
schlicht <strong>und</strong> einfach nie Gelegenheit hatten,<br />
jemanden kennen zu lernen, <strong>und</strong> sich nun stillschweigend<br />
mit ihrer Einsamkeit abfinden?<br />
Viele Fragen, viele Antworten<br />
Das alles sollte zu einigen Fragen anregen, die<br />
man eigentlich nicht zu stellen wagt. Es geht<br />
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nicht darum zu behaupten,<br />
Sexualassistenz sei eine gute<br />
Lösung für die affektiven <strong>und</strong><br />
sexuellen Schwierigkeiten sehbehinderter<br />
Menschen, denn sie<br />
kann allenfalls einen gelegentlich<br />
willkommenen Ersatz bieten.<br />
Allein das Wissen, dass es<br />
so etwas gibt, gibt manchen<br />
vielleicht Kraft. Offen darüber<br />
zu sprechen ist jedoch der erste<br />
Schritt, um das ultimative <strong>Tabu</strong><br />
zu durchbrechen <strong>und</strong> unsere<br />
Sexualität auf dieselbe Stufe zu<br />
stellen wie die aller anderen –<br />
ein komplexes Unterfangen, bei<br />
dem jemand, der nicht den<br />
Vorzug einer stabilen emotionalen<br />
Beziehung geniesst, nur<br />
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8<br />
<strong>Tabu</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorurteile</strong><br />
Mein Name ist tabu<br />
Jean-Marc Meyrat<br />
Von Behinderung, Handicap, schlimmer noch von<br />
Invalidität zu sprechen, ist tabu. Wäre es nicht an<br />
der Zeit, auch die Bezeichnung «Invalidenversicherung»<br />
zu überdenken?<br />
Genau, es ist tabu. Das bezeugen allein die<br />
Samthandschuhe, die sich die Leute überstreifen,<br />
bevor sie sich unseren Alltagsproblemen<br />
zuwenden. Selbst innerhalb des SBV scheut<br />
man Begriffe wie «Blinde», «Sehbehinderte»<br />
oder «Behinderung» <strong>und</strong> ersetzt sie immer<br />
öfter durch Euphemismen wie «die Betroffenen».<br />
Betroffen wovon? Wir können uns nicht<br />
betroffen fühlen, denn mit diesen Gegebenheiten<br />
sind wir in den allermeisten Situationen<br />
unseres Lebens konfrontiert. Bald werden wir<br />
alle nur noch «politisch korrekt» reden <strong>und</strong> uns<br />
den Kopf über Euphemismen zerbrechen, um<br />
nur ja nicht Dinge auszusprechen, die verärgern,<br />
die ängstigen, die stören. Auch vom Tod<br />
werden wir bald nicht mehr reden, obwohl er<br />
uns ebenso betrifft wie alle anderen. Wir sprechen<br />
dann vielleicht davon, dieser oder jener<br />
sei am Ende seines biologischen Prozesses angekommen.<br />
Sie haben «blind» gesagt!<br />
Aber nein, das heisst heutzutage «nichtsehend»<br />
(non voyant). Ich persönlich kann dieses Attribut<br />
nicht ausstehen, denn es ist glatt, keimfrei, akzeptabel,<br />
während «blind» nach Mittelalter<br />
klingt, etwa nach der Schelmennovelle von den<br />
«Drei <strong>Blinden</strong> aus Compiègne», in der vermutlich<br />
Courtebarbe im 13. Jahrh<strong>und</strong>ert Betrug <strong>und</strong><br />
Schadenfreude triumphieren liess, sehr zur Entrüstung<br />
der modernen Empfindsamkeit!<br />
Oh ja, meine Leidenschaft ist die Etymologie<br />
Das französische Wort aveugle ist verwandt mit<br />
aveûle im Wallonischen, aveule im Rouchi-Dia-<br />
lekt von Valenciennes, éveugle<br />
im Burg<strong>und</strong>ischen, aveule, avugle,<br />
avule im Picardischen, avocolo<br />
im Italienischen, <strong>und</strong> leitet<br />
sich direkt aus dem lateinischen<br />
oculus (Auge) ab, das zusammen<br />
mit dem Präfix ab – «ohne<br />
Auge», also «nicht sehend»<br />
bedeutet.<br />
Das deutsche blind findet sich in<br />
unterschiedlicher Form in allen<br />
germanischen, angelsächsischen<br />
<strong>und</strong> skandinavischen Sprachen:<br />
im Friesischen, Isländischen,<br />
Schwedischen, Dänischen, Niederländischen,<br />
Gotischen<br />
(blinds), im Althochdeutschen<br />
(plint) <strong>und</strong> im Litauischen<br />
(blendzas). Seine Etymologie ist<br />
nicht genau bekannt, doch geht<br />
man davon aus, dass es denselben<br />
Ursprung hat wie blend(en);<br />
als transitives Verb hat es die<br />
Bedeutung mischen/vermengen,<br />
in militärischen Kontexten (den<br />
Feind) einnebeln oder einräuchern,<br />
um ihn – ja genau – blind<br />
zu machen; die intransitive<br />
Form heisst so viel wie «trübe,<br />
verschwommen sein», etwa<br />
wenn man bei Dämmerlicht zu<br />
lesen versucht.<br />
Für unsere Fre<strong>und</strong>e südlich der<br />
Alpen stand selbstredend das<br />
Lateinische Pate für cieco, was<br />
die Dinge sehr vereinfacht,<br />
denn es leitet sich direkt von<br />
caecitas (Blindheit) ab. �
<strong>Tabu</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorurteile</strong><br />
Im Rätoromanischen (Sursel-<br />
vischen) sagt man für blind<br />
tschiec (weibliche Form: tschocca,<br />
Plural: tschocs), im Sutselvischen,<br />
Surmeirischen <strong>und</strong> Oberengadinischen<br />
orv, im Unterengadi-<br />
nischen orb, im Rumantsch<br />
Grischun, der künstlichen<br />
Schriftsprache der fünf rätoromanischen<br />
Dialekte, tschorv,<br />
eine Kontraktion aus tschiec<br />
<strong>und</strong> orv. Während die Etymologie<br />
von tschiec sich von selbst<br />
versteht, sieht die Sache bei orb<br />
bzw. orv ganz anders aus, denn<br />
sie leiten sich vom spätlateinischen<br />
orbis ab, das Rad, Kreis,<br />
Spiegel, Loch oder Auge bedeuten<br />
konnte. Falls es Sie interessiert:<br />
Das entsprechende Wort<br />
im Rumänischen lautet ebenfalls<br />
orb.<br />
Die Etymologie erforscht die<br />
Wortursprünge. Manchmal zieht<br />
man sie heran, um treffende<br />
Bezeichnungen für eine Wissenschaft<br />
oder Tätigkeit zu konstruieren<br />
– <strong>und</strong> damit nicht<br />
selten bewusst Verwirrung zu<br />
stiften. Das gilt etwa für «Typhlophilie»,<br />
das sich von den altgriechischen<br />
Wörtern typhlos<br />
(blind) <strong>und</strong> philia (Liebe) ableitet<br />
<strong>und</strong> so viel wie «Zuneigung<br />
zu <strong>Blinden</strong>» heisst. Ein kleiner<br />
Tipp von mir: Verwenden Sie<br />
dieses Wort nie ausserhalb unserer<br />
Gemeinschaft, denn der Rest<br />
der Welt hat davon noch nie<br />
etwas gehört. �<br />
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9
10<br />
<strong>Tabu</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorurteile</strong><br />
Und wie geht es deinen <strong>Blinden</strong>?<br />
Pierre-Yves Graber<br />
Immer, wenn wir uns trafen, stellte mein inzwischen<br />
verstorbener Fre<strong>und</strong> Daniel diese unschuldig<br />
wirkende Frage, begleitet von einem<br />
halb mitfühlenden, halb spöttischen Lächeln.<br />
So unschuldig, dass ich mich darüber nicht<br />
wirklich ärgerte, aber wiederum nicht so naiv,<br />
dass ich sie hätte übergehen können. Heute<br />
sehe ich darin die Essenz der <strong>Vorurteile</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Tabu</strong>s, mit denen man <strong>Blinden</strong> <strong>und</strong> Sehbehinderten<br />
begegnet.<br />
Jemand, der keinerlei Kontakt zu Sehbehinderten<br />
hat, lässt sich von <strong>Vorurteile</strong>n möglicherweise<br />
zu extremen Schlüssen verleiten, zumindest,<br />
was das Verhalten betrifft. Ein Blinder<br />
besitzt nämlich entweder einen sechsten Sinn<br />
<strong>und</strong> übernatürliche Kräfte, sodass ich ihn schätze<br />
oder gar bew<strong>und</strong>ere, oder er ist ein armer<br />
Teufel, der im Dunkeln hockt <strong>und</strong> deshalb Anspruch<br />
auf mein Mitleid <strong>und</strong> einen Teil meiner<br />
Steuern hat. Lassen wir die <strong>Tabu</strong>s beiseite: Wir<br />
sind ja unter uns, nehmen wir kein Blatt vor<br />
den M<strong>und</strong>!<br />
Wenn Grossmutter ihre Nase fast in ihr Kreuzworträtsel<br />
drückt oder der Herr Nachbar samt<br />
Gattin <strong>und</strong> <strong>Blinden</strong>stock spazieren geht, entwickeln<br />
wir <strong>Vorurteile</strong>, die sich auf unser Verhalten<br />
auswirken. – Nein, nein, man braucht ihm nicht<br />
ins Ohr zu brüllen, <strong>und</strong> man muss auch nicht<br />
über seinen Kopf hinweg mit seiner Frau sprechen,<br />
Blindheit macht ja nicht taub! Oder debil.<br />
Ich muss doch bitten: Mein Kopf ist völlig in<br />
Ordnung!<br />
Auch <strong>Tabu</strong>s machen sich bemerkbar, wenn<br />
auch dezenter: «Haben Sie schon gesehen ...»<br />
Oh, Verzeihung. Tut mir Leid. Wir glauben,<br />
gegenüber <strong>Blinden</strong> nicht von Sehen sprechen<br />
zu dürfen.<br />
In gemischten Arbeitsgruppen<br />
schwächen sich die Unterschiede<br />
zwischen sehenden <strong>und</strong><br />
sehbehinderten Kollegen ab.<br />
Die <strong>Vorurteile</strong> verschwinden,<br />
dafür kommen die <strong>Tabu</strong>s mit<br />
Macht zum Tragen. Ich schäme<br />
mich der visuellen Kommunikation<br />
mit einem sehenden Kollegen.<br />
Es fällt mir schwer, dem<br />
blinden Paul zu sagen, dass ich<br />
ihn für einen Idioten halte.<br />
Leichter ist es dagegen bei<br />
André, aber ich räume ein, dass<br />
uns auch eine gewisse Fre<strong>und</strong>schaft<br />
verbindet.<br />
Für meinen Fre<strong>und</strong> Daniel war<br />
das alles wohl etwas verwirrend:<br />
Als Sehender ohne Kenntnis von<br />
Sehbehinderungen <strong>und</strong> deshalb<br />
voller <strong>Vorurteile</strong>, hatte er es mit<br />
jemandem zu tun, der zwar<br />
ebenfalls sehend ist, sich aber<br />
um Blinde <strong>und</strong> Sehbehinderte<br />
kümmert <strong>und</strong> insofern selbst<br />
mit <strong>Tabu</strong>s konfrontiert ist. «Und<br />
wie geht es deinen <strong>Blinden</strong>?»<br />
fasst dieses Unbehagen zusammen.<br />
Keine Sorge, es geht ihnen gut,<br />
vielen Dank. Genauso wie meiner<br />
Familie, meinen Fre<strong>und</strong>en,<br />
Kollegen, Nachbarn ... �
<strong>Tabu</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorurteile</strong><br />
Jugendliche ohne <strong>Tabu</strong>s bauen<br />
<strong>Vorurteile</strong> ab<br />
Jonas Staub, Blindspot<br />
«Hätte ich nicht geglaubt»<br />
Eva, ein 13-jähriges Mädchen<br />
bewegt sich zusammen mit<br />
vielen anderen Kindern <strong>und</strong><br />
Jugendlichen zu Hip Hop<br />
Musik. Sie ist flink <strong>und</strong> dreht<br />
sich geschickt am Boden, ahmt<br />
andere bei ihren Moves nach<br />
<strong>und</strong> ruht sich in einer der vielen<br />
Pausen verschwitz <strong>und</strong> ausser<br />
Atem im Tanzlokal auf einem<br />
Stuhl kurz aus.<br />
Dora, ebenfalls 13, kommt auf sie zu <strong>und</strong> fragt:<br />
«wie viel sehbehindert bist du eigentlich?» Darauf<br />
Eva: «Auf dem linken Auge sehe ich zwei <strong>und</strong><br />
dem rechten Auge sieben Prozent.» «Hey krass»,<br />
bemerkt Dora erstaunt. «Mit so wenig kannst du<br />
überhaupt noch tanzen? Hätte ich nicht geglaubt,<br />
aber find ich voll geil.»<br />
Eine Szene, beobachtet im Sommercamp Cooltour<br />
von Blindspot.<br />
Betrachtet man sie durch die Brille «<strong>Tabu</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Vorurteile</strong>» fällt auf: Für Dora scheint es kein<br />
<strong>Tabu</strong> zu sein, ihre Kollegin nach deren �<br />
Im ungezwungenen Rahmen gewinnt die Neugier, <strong>und</strong> Jugendliche beginnen ganz<br />
natürlich, sich gegenseitig nach der Behinderung oder anderen Eigenarten zu fragen.<br />
(Foto: Naomi Jones)<br />
11
12<br />
<strong>Tabu</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorurteile</strong><br />
Behinderung zu fragen. Eva ist sich dies offenbar<br />
nicht gewohnt. Vermutlich weil die Frage im<br />
jugendlichen Slang daherkommt. Sie hat jedoch<br />
unmittelbar gemerkt, dass Dora Interesse zeigt,<br />
wissen will, was läuft, <strong>und</strong> dass es sowieso normal<br />
ist, sich mit andern Jugendlichen über Persönliches<br />
auszutauschen.<br />
Anderseits konnte Eva Doras <strong>Vorurteile</strong> abbauen:<br />
Stark Sehbehinderte können tanzen. Das hätte<br />
Dora nicht geglaubt.<br />
Kinder <strong>und</strong> Jugendliche mit <strong>und</strong> ohne Behinderungen<br />
nehmen im Blindspotlager gleichgestellt<br />
an altersgerechten Freizeitangeboten teil. Alle<br />
kommen wegen dem Tanzen oder wegen andern<br />
Workshops ins Camp. Alle wollen etwas lernen,<br />
alle machen Fehler <strong>und</strong> erleben Erfolge. Die<br />
Behinderung der einen rückt in den Hintergr<strong>und</strong><br />
<strong>und</strong> doch wird sie alsbald thematisiert.<br />
So können <strong>Tabu</strong>s durchbrochen werden. Die Konfrontation<br />
zwischen behinderten <strong>und</strong> nichtbehinderten<br />
Jugendlichen ist real. Weder Dora noch Eva<br />
können der Situation ausweichen. Dadurch wird<br />
der Bann gebrochen, das <strong>Tabu</strong> entfernt <strong>und</strong> der<br />
Weg, ein Vorurteil zu beseitigen, geebnet.<br />
Auch behinderte Jugendliche haben <strong>Vorurteile</strong><br />
Darüber hinaus arbeitet Blindspot bewusst<br />
daran, über Jahre hinweg entstandene <strong>Vorurteile</strong><br />
von behinderten Menschen ohne <strong>Tabu</strong> zu diskutieren.<br />
Gerade Interessenverbände argumentieren oft,<br />
dass die Gesellschaft Menschen mit Behinderungen<br />
zusätzlich behindert. Das stimmt teilweise.<br />
Doch wäre es falsch, Betroffene aus der Eigenverantwortung<br />
zu entlassen: Wir erleben nicht selten<br />
behinderte Jugendliche oder deren Eltern, die<br />
glauben, aufgr<strong>und</strong> der Behinderung in sämtlichen<br />
Lebensbereichen Rabatte zu Gute zu haben.<br />
Warum? Ist Behinderung automatisch mit Rabatt<br />
gleichzustellen, mit Vergünstigungen, mit weniger<br />
Wert als üblich? Oder ist es das angenehme<br />
Gefühl, wenigstens in einem Bereich gegenüber<br />
Nichtbehinderten massiv im Vorteil zu sein?<br />
Wer wen wie behindert, ist eine<br />
berechtigte Frage <strong>und</strong> muss<br />
immer wieder tabufrei von<br />
Menschen mit <strong>und</strong> ohne Behinderung<br />
besprochen werden, wie<br />
dies in den Lagern wie auch bei<br />
deren Vorbereitung in ungezwungenem<br />
Rahmen geschieht.<br />
Denn eine Haltung, wie sie sich<br />
im genannten Rabattwunsch<br />
zeigt, hilft dem Ausmerzen von<br />
<strong>Vorurteile</strong>n nicht. Sie stigmatisiert<br />
Menschen mit Behinderungen<br />
weiterhin <strong>und</strong> fördert nicht<br />
den angestrebten Zustand der<br />
sozialen Gleichberechtigung.<br />
Beziehung schafft gegenseitigen<br />
Respekt<br />
«Möngi, Spasti, Behindos» sind<br />
grobe <strong>und</strong> sehr verletzende<br />
Bezeichnungen <strong>und</strong> oft auf<br />
Pausenplätzen zu hören. Doch<br />
in den Aktivitäten von Blindspot<br />
sind solche Schimpfwörter nicht<br />
anzutreffen.<br />
Warum, fragen wir uns. Sind die<br />
Teilnehmenden in unseren Camps<br />
nur anständige, bestens sozialisierte<br />
Kinder <strong>und</strong> Jugendliche?<br />
Nein, denn wir wissen, dass viele<br />
von den Lagerteilnehmenden<br />
«Spasti» schon oft als Schimpfwort<br />
benutzt haben. Bisher.<br />
Doch in kürzester Zeit bilden<br />
sich in den Camps fre<strong>und</strong>schaftliche<br />
Beziehungen, weil alle<br />
zusammen etwas erreichen<br />
wollen. So entsteht eine positive<br />
Konfrontation <strong>und</strong> diese lässt<br />
grobe <strong>und</strong> gegenseitige Beleidigungen<br />
nicht (mehr) zu.<br />
Schöne Erfahrungen machen<br />
wir mit vielen Kindern <strong>und</strong> �
<strong>Tabu</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorurteile</strong><br />
Jugendlichen: Nachdem sie an<br />
einem Projekt teilgenommen<br />
haben, klären sie ihr Umfeld<br />
voller Stolz <strong>und</strong> Überzeugung<br />
auf. Sie erzählen, was sie mit<br />
Behinderten alles erlebt haben<br />
<strong>und</strong> was die alles konnten. Sie<br />
sagen, wie man die verschiedenen<br />
Behinderungen nennt <strong>und</strong><br />
wie eben nicht. Sie wissen, wo<br />
Hilfe <strong>und</strong> Unterstützung angebracht<br />
ist, <strong>und</strong> was trotz Behinderung<br />
einfach normal ist. Behinderte<br />
Jugendliche haben<br />
erfahren, was sie trotz der Behinderung<br />
alles können, woran<br />
sie vorher nie gedacht hätten.<br />
<strong>Vorurteile</strong> werden von jungen<br />
Menschen schnell wieder abgebaut,<br />
wenn sie positive Konfrontationen<br />
erleben. Aktive<br />
Sensibilisierung hilft dabei.<br />
Ohne Moralfinger <strong>und</strong> Belehrungen<br />
<strong>Vorurteile</strong> zwischen<br />
Menschen mit <strong>und</strong> ohne Behinderungen<br />
abzubauen gelingt<br />
nur, wenn es eine Plattform<br />
gibt, wo beide aufeinander<br />
zugehen können <strong>und</strong> wo beide<br />
gleichberechtigt Anstrengungen<br />
unternehmen, sich gegenseitig<br />
zu respektieren.<br />
Diese Plattform zu schaffen,<br />
erachtet Blindspot als seinen<br />
Auftrag. �<br />
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13
14<br />
<strong>Tabu</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorurteile</strong><br />
Im Schatten des Scheinwerferlichts<br />
Daniel Pulver<br />
Menschen, die ihr Augenlicht verloren haben<br />
oder hochgradig sehbehindert sind, werden von<br />
Mitmenschen oft mit <strong>Vorurteile</strong>n belegt. Ihr<br />
«Sehen» wird klassifiziert, interpretiert, ohne<br />
genau hinzuschauen, in die Tiefe zu blicken.<br />
Oder ist es gar umgekehrt? Hören Menschen mit<br />
einer Beeinträchtigung des Sehvermögens nicht<br />
richtig hin? Sind es gar wir Betroffenen, welche<br />
Sehende pauschal vorverurteilen?<br />
Als ich ein Teenager war, verbrachte ich meine<br />
Samstagabende oft in Restaurants, in einem<br />
Dancing oder in der Disco. Mit Fre<strong>und</strong>en redete<br />
ich über dies <strong>und</strong> das <strong>und</strong> trank ein Glas. Es war<br />
eine fröhliche, lockere Atmosphäre. Meine<br />
Blicke schweiften durch das Lokal <strong>und</strong> schauten<br />
– nichts Konkretes fixierend – in den Raum.<br />
Viele Blicke erwiderten (eher zufällig) meine<br />
Blicke. Richtig sehen konnte ich es jedoch nicht,<br />
ich fühlte mich einfach beobachtet. Meine<br />
Augen sind oft zugekniffen <strong>und</strong> praktisch zu.<br />
Mein Blick daher leer. Ich hörte öfter mal die<br />
Worte: «Schau mal, der ist ja voll zu, hat sicher<br />
«In meinem Alltag landeten viele Fussbälle<br />
mitten in meinem Gesicht.»<br />
(Foto: flickr.com/campknows)<br />
gekifft oder zuviel getrunken.»<br />
Dem war jedoch keinesfalls so.<br />
Ich kann ganz einfach nicht<br />
anders. Meine Augen gehorchen<br />
mir nicht. Ich sass im Dunkel<br />
<strong>und</strong> schaute in Scheinwerferlichter.<br />
Von diesen<br />
geblendet <strong>und</strong> durch das Tagwerk<br />
waren meine beiden<br />
Augen so müde, dass sie sich<br />
zusammenkniffen <strong>und</strong> ich halt<br />
so schauen musste, ob ich es<br />
wollte oder nicht. Diese Vorverurteilung<br />
von Menschen in<br />
meiner Umgebung tat weh. Ich<br />
hatte keine Chance, darauf zu<br />
reagieren, ich war abgeschrieben,<br />
abgestempelt. Also blieb<br />
ich oft alleine zurück im Schatten<br />
der Lichter.<br />
Vom Schatten ins Scheinwerferlicht<br />
Diese Erfahrungen prägten<br />
mich schon sehr. Warum können<br />
mich die Leute nicht so<br />
nehmen, wie ich bin? Warum<br />
müssen sie meine Situation so<br />
interpretieren, ja vorverurteilen?<br />
Dies ohne meine Geschichte<br />
zu kennen, ohne zu hinterfragen,<br />
ob es auch andere<br />
Gründe geben könnte, welche<br />
meinen Blick erklären würden.<br />
Oder warum lassen diese Menschen<br />
mich nicht einfach in<br />
Ruhe? Fragen über Fragen. Ich<br />
suchte eine Antwort <strong>und</strong> fand<br />
sie darin, dass ich mir sagte:<br />
«Geh raus aus dem Schatten, �
<strong>Tabu</strong> <strong>und</strong> <strong>Vorurteile</strong><br />
setze dich mitten ins Scheinwerferlicht.»<br />
So blendete mich<br />
kein greller Lichtstrahl mehr<br />
<strong>und</strong> so ging ich von Beginn an<br />
bei meinen Arbeitgebern im<br />
Profifussballbusiness nicht in<br />
den Schatten, sondern begab<br />
mich mitten ins Geschehen.<br />
Auch da kamen Fragen. Jedoch<br />
waren diese direkt an mich<br />
gerichtet <strong>und</strong> klar formuliert:<br />
«Warum sind deine Augen<br />
immer so zusammengekniffen?»<br />
Welch angenehmes Gefühl<br />
war das, direkt angesprochen<br />
zu werden, die<br />
Möglichkeit zu bekommen zu<br />
erzählen <strong>und</strong> einfach mich<br />
selber zu sein.<br />
Aua, der hat diesen Ball extra in<br />
meine Richtung geworfen, der<br />
soll doch besser schauen ...<br />
In meinem Alltag landeten viele<br />
Fussbälle mitten in meinem<br />
Gesicht. Ich sah diese schlicht<br />
<strong>und</strong> einfach nicht auf mich zu-<br />
kommen. Die Schmerzen waren<br />
oft enorm durch den Aufprall<br />
des Balles. Dies ärgerte mich<br />
sehr. Ich beschuldigte auch<br />
sofort den Absender dieses<br />
Balles verbal. «Schau doch besser,<br />
du hast ja schliesslich ges<strong>und</strong>e<br />
Augen», waren meine vorverurteilenden<br />
Bemerkungen.<br />
Doch wie sich herausstellte, war<br />
es in keinem der Fälle Absicht.<br />
Im Gegenteil, Betroffenheit<br />
machte sich stets breit, grosses<br />
Verständnis für meine Situation.<br />
Doch ich – in meiner ersten<br />
Reaktion – verurteilte den<br />
Schützen.<br />
Zuhören anstatt nur erklären<br />
Ich fühlte mich von Beginn an wohl in der<br />
neuen Umgebung, in Mitten der Profifussballer.<br />
Ich gehörte dazu. Klar kam es oft auch zu «harten<br />
Begegnungen» ähnlich wie vorhin beschrieben.<br />
Diese gehören aber ganz einfach dazu. Es<br />
gibt immer Menschen, die einfach mal dreinfahren,<br />
bevor sie überhaupt überlegen, was sie<br />
anrichten können. Dies ist aber auch umgekehrt<br />
– also von uns betroffenen Menschen her kommend<br />
– der Fall. Auch ich habe mich schon<br />
ertappt, dass ich einfach mit einem Vorurteil<br />
Menschen klassifiziert habe. Ohne auch nur<br />
eine Sek<strong>und</strong>e zuzuhören legte ich einen Rahmen<br />
für andere Personen fest. Ich nahm mir das<br />
Recht heraus, zu pauschalisieren, zu klassifizieren.<br />
Warum denn eigentlich? Wenn mir ein<br />
Sportler seine Hilfe anbot, so hörte ich ihm<br />
nicht zu, ich sagte: «Nein, ich will selber, brauche<br />
es nicht». Dieses pauschale Vorverurteilen,<br />
die Person abschieben, war genau das Selbe,<br />
wie ich es selber erlebt habe als Teenager.<br />
Gegenseitiger Respekt<br />
Um <strong>Vorurteile</strong> gar nicht erst aufkommen zu<br />
lassen, müssen wir alle Respekt zeigen. Respekt<br />
gegenüber jedem einzelnen Menschen,<br />
gegenüber aber auch uns selber. Nur so sind<br />
wir in der Lage, auch <strong>Vorurteile</strong> nicht einfach<br />
als solche pauschal anzusehen, sondern als<br />
Boden, um miteinander im Dialog umgehen zu<br />
lernen, zuzuhören, nicht pauschal zu denken<br />
<strong>und</strong> zu handeln, sondern jeden Menschen vom<br />
Schatten ins Scheinwerferlicht zu setzen. Erst<br />
dann findet eine Integration statt. Wenn wir<br />
uns aus dem Schatten ins Scheinwerferlicht<br />
wagen.<br />
Treten wir alle aus dem Schatten der Scheinwerferlichter<br />
hervor, setzen wir uns mitten ins Leben<br />
<strong>und</strong> helfen so, einander gegenseitig nicht zu<br />
verurteilen, zu klassifizieren, sondern sich gegenseitig<br />
integrierend zu respektieren. �<br />
15
16<br />
Fokus<br />
Von Mistern <strong>und</strong> Missen<br />
Naomi Jones<br />
Am 20. November 2010 ist im<br />
Kursaal Bern die 29-jährige<br />
Jasmin Rechsteiner zur neuen<br />
Miss Handcap gewählt worden.<br />
Der Event<br />
Die Wahl zur Miss Handicap<br />
2010 findet im Kursaal Bern<br />
statt <strong>und</strong> beginnt mit einem<br />
VIP-Apéro. Sie endet mit einer<br />
After-Party im renommierten<br />
«Du Théâtre». Der Dresscode ist<br />
für Damen <strong>und</strong> Herren elegant.<br />
In der Jury sitzen: Ellen Ringier,<br />
Gattin des Medienunternehmers<br />
Michael Ringier, Karina Berger,<br />
ehemalige Miss Schweiz <strong>und</strong><br />
Verwaltungsrätin der Miss-<br />
Schweiz-Organisation, Renzo<br />
Blumenthal, Mister Schweiz<br />
2005, David Cuñado, Fernsehmoderator<br />
bei TSR <strong>und</strong> Heinz<br />
Frei, Rollstuhlrennfahrer.<br />
Die Wahl der Miss Handicap sei<br />
ein Event mit sozialem Hintergr<strong>und</strong><br />
<strong>und</strong> gezielter Nachhaltigkeit,<br />
erklären die Organisatorinnen.<br />
Die Wahlnacht biete sich<br />
«als Plattform an, wo sich Menschen<br />
mit <strong>und</strong> ohne Behinderung<br />
treffen <strong>und</strong> als gutes Beispiel<br />
der Gleichstellung<br />
vorangehen.»<br />
An die 1000 Gäste bilden das<br />
Publikum. Darunter ist die amtierende<br />
Miss Bern. Der Moderator<br />
Christian Franzoso begrüsst<br />
die Gründerin Michelle Zimmermann.<br />
Sie erzählt, wie sie selbst<br />
als 16-Jährige Miss Schweiz<br />
Königin Jasmin strahlt.<br />
hätte werden wollen, was aber aufgr<strong>und</strong> ihrer<br />
Behinderung nicht ging. Zimmermann hat eine<br />
äusserst seltene Hautkrankheit. So hat sie kurzerhand<br />
eine eigene Miss-Wahl organisiert. Das<br />
Ganze wird auf zwei Monitoren übertragen <strong>und</strong><br />
von einer Gebärdendolmetscherin übersetzt.<br />
Das Wahlverfahren<br />
Und dann kommen die zwölf Kandidatinnen. In<br />
modischer Streetwear gehen <strong>und</strong> rollen sie über<br />
die Bühne, präsentieren sich in Gruppen. Die �
Fokus<br />
beiden sehbehinderten Frauen<br />
lassen sich von Frauen mit einer<br />
andern Behinderung führen.<br />
Während sich die Missanwärterinnen<br />
für die zweite R<strong>und</strong>e<br />
umziehen, wird jede in einem<br />
kurzen Filmporträt vorgestellt.<br />
Man sieht sie zu Hause, im<br />
Fre<strong>und</strong>eskreis <strong>und</strong> erfährt mit<br />
welcher Behinderung sie leben.<br />
In der zweiten R<strong>und</strong>e treten<br />
nochmals alle Kandidatinnen,<br />
diesmal im Abendkleid, auf. Nun<br />
werden sie vom Moderator interviewt.<br />
Die sehbehinderte Leila<br />
Bahsoun aus Lausanne erzählt in<br />
Schweizerdeutsch mit französischem<br />
Akzent, dass der Name<br />
ihres hellen Labradors «Zwetschge»<br />
bedeute. Anja Reichenbach,<br />
ebenfalls sehbehindert, spricht<br />
über ihre Arbeit im Integrationsprojekt<br />
für sehbehinderte Jugendliche<br />
Blindspot. Der Moderator<br />
interessiert sich aber mehr<br />
für ihren Führh<strong>und</strong> <strong>und</strong> die Reise<br />
nach Australien. Reichenbach<br />
kontert mit Witz.<br />
Nun müssen die ersten Kandidatinnen<br />
den Final verlassen. Sechs<br />
der zwölf jungen Frauen gehen<br />
in die nächste R<strong>und</strong>e. Anja Reichenbach<br />
scheidet aus. Auch die<br />
langbeinige, blonde Fussballerin,<br />
die via Gebärdendolmetscherin<br />
schlagfertig auf die Fragen des<br />
Moderators geantwortet hat,<br />
muss sich verabschieden.<br />
Die Kür<br />
Es folgen zwei Frager<strong>und</strong>en an<br />
die verbleibenden Kandidatinnen.<br />
Nach der ersten scheidet<br />
wieder ein Teil aus. Derweil war-<br />
ten ein paar junge Leute im Rollstuhl seit einer<br />
halben St<strong>und</strong>e in der Kälte auf das Behindertentaxi.<br />
Einen späteren Termin als zehn Uhr konnten<br />
sie nicht kriegen. Denn das Taxi ist an einem<br />
Abend wie diesem voll ausgebucht.<br />
Im Saal ist die Jury zum Ergebnis gekommen:<br />
Die elegante Paraplegikerin aus der Romandie,<br />
Soraya Elouaret, <strong>und</strong> die sympathische Sandra<br />
Brühwiler, die aufgr<strong>und</strong> einer Friedreichschen<br />
Ataxie im Rollstuhl ist, dürfen sich den dritten<br />
Rang teilen. Die amtierende Miss Handicap<br />
Corrinne Parrat setzt Jasmin Rechsteiner mit<br />
dem entstellten Körper die Krone auf. Und<br />
während sich alle um die Frischgekrönte kümmern,<br />
erkennt Leila Bahsoun, dass sie offenbar<br />
die Vize-Miss ist. �<br />
Prinzessin Leila lächelt. (Fotos: Naomi Jones)<br />
17
18<br />
Fokus<br />
«Es führen viele Wege nach Rom»<br />
Naomi Jones<br />
Ein kritisches Gespräch mit<br />
Michelle Zimmermann <strong>und</strong><br />
Mirjam Gasser vom Miss Handicap<br />
OK-Team.<br />
«der Weg»: Findet 2011 wieder<br />
eine Miss-Handicap-Wahl statt?<br />
Mirjam Gasser: Ja, die Anmeldungen<br />
laufen. Bis am 15. April<br />
können sich Frauen mit einer<br />
Behinderung für die Wahl bewerben.<br />
In den letzten beiden<br />
Jahren hatten wir zwischen 40<br />
<strong>und</strong> 50 Bewerbungen. Ca. 20<br />
Kandidatinnen laden wir zum<br />
Casting ein. 12 kommen in den<br />
Final. Die Auswahl beim Casting<br />
macht eine Jury, die gleich funktioniert<br />
wie die Jury an der<br />
Wahlnacht. An der Wahlnacht<br />
sind hingegen neue Leute in der<br />
Jury.<br />
«der Weg»: Wie definieren Sie<br />
Schönheit?<br />
Michelle Zimmermann: Schönheit<br />
ist innere Zufriedenheit, die<br />
nach aussen sichtbar wird. Sie<br />
äussert sich im gepflegten Auftreten,<br />
in der Ausstrahlung, in<br />
einem Charisma, das packt.<br />
Die Vorbereitung auf die Wahlnacht<br />
beginnt mit einer Stilberatung<br />
<strong>und</strong> einem Fotoshooting.<br />
Dies ist für viele Frauen ein weiterer<br />
Schritt zu sich <strong>und</strong> ihrer<br />
Behinderung. Nun müssen sie<br />
öffentlich ihre Behinderung<br />
bejahen. Ein dreitägiges Wochenende<br />
mit Wellnessparcours,<br />
Mediencoaching, Choreographie <strong>und</strong> einer Schulung<br />
zum Thema Gleichstellung bereitet die Frauen<br />
auf den Auftritt vor. Das ist viel Stoff in kurzer<br />
Zeit. Das Resultat befriedigt unsere professionellen<br />
Ansprüche leider nicht immer. Dann müssen<br />
wir uns ins Bewusstsein rufen, dass die Miss Handicap<br />
Wahl noch sehr jung ist, dass fast alle ehrenamtlich<br />
arbeiten <strong>und</strong> dass wir uns trotz hoher<br />
Ausgaben für Infrastruktur etc. nicht verschuldet<br />
haben. Dies ohne eine Defizitgarantie von aussen.<br />
«der Weg»: Was sind die Wahlkriterien für eine<br />
Miss Handicap <strong>und</strong> wie beurteilt die Jury die<br />
Kandidatinnen?<br />
Michelle Zimmermann: In der Jury sollen jeweils<br />
Personen mit <strong>und</strong> ohne Behinderung sein. Je ein<br />
Jurymitglied soll Profi in einem Bereich, der beurteilt<br />
wird, sein. Ein Medienprofi beurteilt die<br />
Medienwirksamkeit der Kandidatinnen. Styling<br />
<strong>und</strong> Marketing-Qualitäten der Frauen sind Kriterien.<br />
Ebenso der Umgang mit der Behinderung<br />
<strong>und</strong> die Botschafterqualitäten. Wir definieren für<br />
jeden dieser Bereiche eine Liste von Eigenschaften,<br />
die eine Miss Handicap erfüllen sollte. Vor<br />
dem Casting bzw. vor der Wahl führen wir mit<br />
der Jury intensive Gespräche über unsere Philosophie<br />
<strong>und</strong> die Wahlkriterien. Jedes Jurymitglied<br />
beurteilt für sein Spezialgebiet, wie weit die<br />
Kandidatin die benötigten Eigenschaften besitzt<br />
<strong>und</strong> verteilt Punkte auf einer Skala von eins bis<br />
zehn. Schliesslich entscheidet die Punktzahl, ob<br />
eine Frau in den Final bzw. zur Krone gelangt.<br />
Wir wollen eine Botschafterin. Das heisst, sie<br />
braucht Wissen über verschiedene Behinderungen.<br />
Sie soll eine konkrete Vorstellung davon<br />
haben, was es zur Gleichstellung braucht. Sie<br />
muss eine offene Person sein, die eine Meinung<br />
klar vertreten kann. Ebenso muss sie bereit sein,<br />
offen <strong>und</strong> ohne Verbitterung über ihre Behinderung<br />
zu reden. �
Fokus<br />
«der Weg»: Warum also sind ausgerechnet die<br />
wenigen Frauen, die eine Ahnung von Integrationsprojekten<br />
hatten, schon in der ersten R<strong>und</strong>e<br />
ausgeschieden?<br />
Michelle Zimmermann: In der ersten Finalr<strong>und</strong>e<br />
machen die Punkte vom Public Voting zwei Drittel<br />
der Punktezahl aus. Beim Public Voting gelten<br />
Kriterien, die wir nicht beeinflussen können:<br />
etwa Sympathie, Fre<strong>und</strong>schaft, Aussehen ...<br />
Wir haben lange über das Public Voting diskutiert.<br />
Einerseits haben wir keinen Einfluss auf die<br />
Wahlkriterien. Andererseits wollen wir, dass das<br />
Publikum aktiv an der Wahl teilnimmt. Die Wahlnacht<br />
soll eine Plattform der Begegnung von<br />
Menschen mit <strong>und</strong> ohne Behinderung sein. Ausserdem<br />
finanziert das Public Voting einen kleinen<br />
Teil der Ausgaben. Der Kompromiss<br />
ist folgender: In der ersten<br />
Finalr<strong>und</strong>e entscheidet das<br />
Publikum, in den beiden folgenden<br />
R<strong>und</strong>en die Jury.<br />
«der Weg»: Diese Begegnungsplattform,<br />
die Wahlnacht, war<br />
aber nicht völlig zugänglich. Die<br />
Abendkasse ein Stehpult. Getränke<br />
gab's nur an der Bar ...<br />
Michelle Zimmermann: Und es<br />
gibt weitere Mängel. Die ganze<br />
Show wurde in Gebärdensprache<br />
simultan übersetzt. Aber für<br />
stark schwerhörige Menschen, �<br />
Die Organisatorinnen der Miss-Handicap-Wahl: v.l. Janine Ayer, Mirjam Gasser,<br />
Stefanie Weber, Michelle Zimmermann. (Foto: Fabienne Bühler)<br />
19
20<br />
Fokus<br />
die die Gebärdensprache oft nicht beherrschen,<br />
hatten wir nichts. Die dafür benötigten Hörschleifen<br />
sind unheimlich teuer.<br />
Gleichzeitig wollten wir bewusst nicht alles wegräumen.<br />
Unsere Realität ist nicht barrierefrei.<br />
Und kleine Barrieren schaffen Kontakt. Denn<br />
Integration heisst nicht, dass man keine Hilfe<br />
braucht <strong>und</strong> es keine Barrieren mehr gibt, sondern<br />
dass es selbstverständlich ist, sich gegenseitig<br />
zu helfen.<br />
Wir haben sehr viel in die Zugänglichkeit des<br />
Berner Kursaals investiert: Wir mussten lange<br />
darum kämpfen, dass es überall, wo nötig, Rampen<br />
gab. Als Garderobe mussten wir ein beheizbares<br />
Zelt mit rollstuhlgängiger Toilette aufstel-<br />
Michelle Zimmermann, Gründerin der<br />
Miss-Handicap-Wahl. (Foto: z.V.g.)<br />
len. Nicht zuletzt setzen unsere<br />
finanziellen Möglichkeiten<br />
Grenzen.<br />
«der Weg»: Weshalb erfuhr ich<br />
an der Wahlnacht so wenig<br />
über das Leben mit einer Behinderung?<br />
Mirjam Gasser: Wir wollen in<br />
erster Linie die Stärke der Frauen<br />
zeigen. Zwischen Aufklärung<br />
<strong>und</strong> Mitleid ist es ein<br />
schmaler Grat. Auch ist für uns<br />
Menschen mit einer Behinderung<br />
vieles selbstverständlich,<br />
was für nichtbehinderte Menschen<br />
im Publikum offenbar<br />
nicht klar ist. Dass z.B. der Weg<br />
zur eigenen Wohnung für jemanden<br />
im Rollstuhl beschwerlich<br />
sein kann. Aber wir nehmen<br />
den Einwand gerne als Anregung.<br />
Wir wollen uns laufend<br />
weiter entwickeln.<br />
«der Weg»: Und weshalb waren<br />
Sie selbst nur so kurz auf der<br />
Bühne? Mit Ihrem eigenen<br />
Auftritt hätten Sie vorzüglich<br />
zeigen können, was behinderte<br />
Frauen alles zu leisten vermögen.<br />
Mirjam Gasser: Das haben wir im<br />
ersten Jahr gemacht. Aber es<br />
brachte uns den Vorwurf ein,<br />
wir seien nicht professionell<br />
genug. Tatsächlich ist keine von<br />
den Miss-Handicap-Organisatorinnen<br />
ein Moderationsprofi.<br />
Deshalb wollten wir in diesem<br />
Jahr jemanden, der sicher <strong>und</strong><br />
geübt durch den Abend führt.<br />
Michelle Zimmermann: Im Zentrum<br />
der Show stehen die �
Fokus<br />
behinderten Frauen. Daneben wollten wir auch<br />
nichtbehinderte Menschen auf der Bühne haben.<br />
Wir wollen aus dem Biotop ausbrechen, in dem<br />
nur Behinderte für Behinderte etwas machen.<br />
Wir verstehen Integration dahingehend, dass<br />
Behinderte <strong>und</strong> Nichtbehinderte selbstverständlich<br />
zusammen arbeiten.<br />
Mit Christian Franzoso von Glanz <strong>und</strong> Gloria<br />
haben wir einen sehr engagierten, professionellen<br />
Moderator gef<strong>und</strong>en, der den Abend ehrenamtlich<br />
moderierte. Er kam im Vorfeld vorbei <strong>und</strong><br />
lernte alle Frauen kennen. Nun wird die amtierende<br />
Miss Handicap in der Sendung «Glanz <strong>und</strong><br />
Gloria» zu sehen sein. Er engagiert sich also auch<br />
im Nachhinein für unsere Sache. Nebenbei sei<br />
erwähnt, dass ein professioneller Moderator rasch<br />
an die 10 000 Franken kosten kann.<br />
«der Weg»: Was tut die Miss Handicap in ihrem<br />
Wahljahr <strong>und</strong> welche Wirkung kann sie haben?<br />
Michelle Zimmermann: Die Miss Handicap unterstützt<br />
Projekte durch ihre Präsenz. R<strong>und</strong> um die<br />
Wahl betreiben wir intensive Medienarbeit, um<br />
die neue Miss bekannt zu machen. Sie soll eine<br />
prominente Figur werden. Wenn sie dies ist, kann<br />
sie die mediale Aufmerksamkeit, die ihr zuteil<br />
wird, auf ein anderes Projekt lenken. So engagiert<br />
sich die Miss im Nonprofitbereich. Andererseits<br />
betreibt sie Aufklärung. Corinne Parrat hielt<br />
Vorträge bei der jungen Wirtschaftskammer.<br />
Medienarbeit zu Anliegen von behinderten Menschen<br />
oder zu Krankheiten gehört ebenfalls<br />
dazu.<br />
Wir versuchen, die Miss Handicap auch im Profitbereich<br />
unterzubringen. Hier geht es darum, dass<br />
eine behinderte Frau wie eine nichtbehinderte<br />
Werbung für etwas machen kann. Über die Werbung<br />
wird die Wahrnehmung der Gesellschaft<br />
bezüglich Menschen mit einer Behinderung<br />
beeinflusst. Die Basellandschaftliche Kantonalbank<br />
buchte Corinne Parrat für eine Plakatkampagne.<br />
Und schliesslich soll die Miss Handicap an öffentlichen<br />
Events auftreten. Gerade in der Promisze-<br />
ne, die manchmal sehr oberflächlich<br />
funktioniert, braucht<br />
es einen Titel, um hinein zu<br />
kommen. Wir wollen, dass irgendwann<br />
auch behinderte<br />
Menschen ganz selbstverständlich<br />
zur Prominenz gehören.<br />
Ausserdem haben Promis Vorbildcharakter.<br />
So sensibilisieren<br />
nichtbehinderte Promis im Kontakt<br />
mit Behinderten die breite<br />
Bevölkerung.<br />
Man muss die Gesellschaft auf<br />
verschiedenen Kanälen ansprechen<br />
<strong>und</strong> dahin gehen, wo die<br />
Leute sind, um sie abzuholen.<br />
Insofern ist die Miss Handicap<br />
eines von zahlreichen Projekten<br />
mit dem Ziel der Gleichstellung<br />
behinderter Menschen. Durch<br />
den Titel hat die Miss Handicap<br />
ein Sprachrohr mit dem sie<br />
breite Massen erreicht. Aber es<br />
führen viele Wege nach Rom.<br />
«der Weg»: Wie hat das Ganze<br />
begonnen?<br />
Michelle Zimmermann: Ich bin<br />
ein Schmetterlingskind. Das<br />
heisst, meine Haut ist unheimlich<br />
verletzlich. Und zwar überall<br />
wo man Haut hat, also auch<br />
in den Augen, im M<strong>und</strong>, im<br />
Magen ...<br />
Ich bin in einem w<strong>und</strong>erbaren<br />
Umfeld aufgewachsen, das mich<br />
sehr gefördert hat. Mit 16<br />
wurde mir aber einmal mehr<br />
bewusst, dass mir die Behinderung<br />
Grenzen setzt. Meine<br />
Fre<strong>und</strong>in, eine schöne Italienerin<br />
mit langen Haaren sagte:<br />
«Komm, wir melden uns an die<br />
Miss Schweiz-Wahl an». Ich �<br />
21
22<br />
Fokus<br />
wusste, dass ich mit meiner Haut da keine Chancen<br />
hätte <strong>und</strong> ich fragte mich, warum es nichts<br />
gebe, bei dem ein anderer Schönheitsbegriff<br />
zählt.<br />
Als ein Dokumentarfilm über mich gedreht<br />
wurde, erhielt ich viele sehr positive Feedbacks.<br />
Da merkte ich, ich muss mich der Gesellschaft<br />
öffnen, <strong>und</strong> ich darf mich auch mal verletzlich<br />
zeigen. Nur so kann ich über meine Behinderung<br />
<strong>und</strong> mein Leben damit informieren.<br />
2008 musste ich wegen meiner Behinderung die<br />
Stelle aufgeben. Nun kam die Idee der<br />
Miss Handicap wieder. Wenn ich schon IV beziehen<br />
musste, dann wollte ich ehrenamtlich<br />
etwas tun, was Menschen mit einer Behinderung<br />
nützt. Die Idee der Miss Handicap, die<br />
nie ganz weg war, kam wieder. Ich recherchierte<br />
im Internet. Ich stiess auf Leute, die mich<br />
unterstützten. Ich machte Flyer <strong>und</strong> suchte<br />
Inserat<br />
Frauen. Im Kursaal Bern unterzeichnete<br />
ich einen Mietvertrag<br />
über 12 000 Franken, ohne<br />
zu wissen, ob ich das Geld je<br />
bezahlen könnte: Ich konnte.<br />
�<br />
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Fokus<br />
Kinderkrankheiten einer jungen Idee.<br />
Ein Kommentar<br />
Naomi Jones<br />
Nach der Show: Die Vize-Miss Handicap Leila<br />
Bahsoun gibt ihr erstes Interview ...<br />
Die Botschaft<br />
Mit der Wahl von Jasmin Rechsteiner<br />
hat die Jury ein Statement<br />
gesetzt. Rechsteiner leidet<br />
seit ihrer Geburt an einer Mehrfachverkrümmung<br />
der Wirbelsäule.<br />
Sie ist ein Meter ein<strong>und</strong>dreissig<br />
gross <strong>und</strong> hat einen<br />
Buckel. Dadurch ist ihr Lungenvolumen<br />
zu zwei Dritteln eingeschränkt<br />
<strong>und</strong> sie kann sich nur<br />
langsam bewegen. Für längere<br />
Strecken benötigt sie einen<br />
Elektrorollstuhl. Von den zwölf<br />
Kandidatinnen entspricht Rechsteiner<br />
dem gängigen Schönheitsideal<br />
von Fotomodels eindeutig<br />
am wenigsten. Aber sie<br />
strahlt. Den ganzen Abend. Aus<br />
der Tiefe ihres Wesens. Jasmin<br />
Rechsteiner ist wach. Sie ist klug<br />
<strong>und</strong> sie ist stark. Im Verlauf des<br />
Abends entwickelt sie sich zur<br />
Schönsten. Ihr Wesen überstrahlt<br />
die Missbildung. Man<br />
nimmt die Behinderung nicht<br />
mehr wahr. Diese Metamorphose<br />
zu erleben, war es wert, den<br />
Abend im Kursaal zu verbringen.<br />
Und dieses Erlebnis lässt<br />
hoffen, dass es Jasmin Rechsteiner<br />
gelingen wird, als Miss<br />
Handicap eine wahre Botschafterin<br />
von behinderten Menschen<br />
zu sein. Ja, Jasmin Rechsteiner<br />
traut man zu, die Idee<br />
der Miss Handicap in Tat umzusetzen.<br />
Sie ist eine Frau mit �<br />
23
24<br />
Fokus<br />
«Ausstrahlung, Auftreten <strong>und</strong><br />
Selbstbewusstsein», wie es die<br />
Organisation wünscht. Sie kann<br />
die Augen für eine andere<br />
Schönheit öffnen.<br />
Zweifel<br />
Trotz dieser hoffnungsvollen<br />
Wahl hinterlässt die Wahlnacht<br />
gemischte Gefühle.<br />
Der Event war an Seichtheit<br />
kaum zu übertreffen. Von Integration<br />
wurde zwar viel gesprochen.<br />
Kein einziges Mal wurde<br />
aber gesagt, was Integration<br />
tatsächlich bedeuten würde.<br />
Permanent wurden mehr Arbeitsplätze<br />
für Behinderte ge-<br />
fordert. Tatsächlich sassen im Publikum vermutlich<br />
der eine oder andere potenzielle<br />
Arbeitgeber. Die Chance aber, zu zeigen, wie die<br />
behinderten Frauen arbeiten <strong>und</strong> welche Hilfsmittel<br />
sie haben, ist verschenkt geblieben.<br />
Die Miss-Handicap-Wahl solle zeigen, dass Frauen<br />
mit einer körperlichen Behinderung attraktiv<br />
seien <strong>und</strong> mit ihrem Charisma erfolgreiche Persönlichkeiten<br />
in der Gesellschaft sein könnten. Die<br />
Bühne wird betreten oder befahren von einer<br />
Gruppe Frauen, die zwar allesamt sehr sympathisch<br />
sind, von denen aber die meisten fern von<br />
einem Miss-Auftreten mit medienwirksamem Werbecharakter<br />
sind, wie es die Beurteilungskriterien<br />
vorsehen. Man glaubt den Kandidatinnen zwar,<br />
dass sie ein echtes Anliegen haben. Und ihren<br />
Traum, zur Schönsten gekürt zu werden, verübelt<br />
man ihnen nicht. Er gehört zu einem Mädchen- �<br />
... <strong>und</strong> Organisatorin Janine Ayer kümmert sich um die Führhündin Prune.<br />
(Fotos: Naomi Jones)
Fokus<br />
leben. Ein intensiveres Medien- <strong>und</strong> Bühnentraining<br />
der jungen Frauen im Vorfeld der Wahlnacht<br />
wäre aber für alle Beteiligten ein Gewinn: Nicht<br />
zuletzt für die Gr<strong>und</strong>idee des Anlasses.<br />
Drei Tage dauerte die Vorbereitung für die Kandidatinnen.<br />
Medien-Coaching, Choreographie,<br />
Gleichstellungsschulung, Wellnessparcours <strong>und</strong><br />
gleichzeitig Interviews mit Medienvertretern: viel<br />
Stoff für Neulinge auf dem Gebiet. Und auch hier<br />
wurde ein Grossteil der Arbeit ehrenamtlich<br />
geleistet. Wären allerdings die Show an der<br />
Wahlnacht <strong>und</strong> das Drumherum etwas weniger<br />
überladen, so könnten vermutlich mehr Mittel in<br />
Professionalität <strong>und</strong> Qualität auf jeder Ebene<br />
fliessen. Auch in die Vorbereitung.<br />
Die konkreten Beurteilungskriterien für die Miss-<br />
Wahl blieben dem Publikum verborgen. Böse<br />
Zungen behaupteten jedoch, sie seien mit ihren<br />
Tipps nach den Regeln der politischen Korrektheit<br />
an der Wahlnacht sehr treffsicher gewesen.<br />
So vermag die Kürung von zwei Deutsch- <strong>und</strong><br />
zwei Westschweizerinnen, einer Frau mit Entstellungen,<br />
einer mit Sinnesbehinderung, einer mit<br />
Paraplegie <strong>und</strong> einer mit fortschreitender Muskelkrankheit<br />
nicht zu erstaunen. Ein Jedes<br />
kommt zum Zug.<br />
Wie sich Medienwirksamkeit oder Botschafterqualitäten<br />
definieren, behält die Miss Handicap<br />
Organisation für sich. Das ist schade, denn gerade<br />
hier könnte die Organisation die Diskussion<br />
um den Schönheitsbegriff entfachen <strong>und</strong> dadurch<br />
verändern. Man denke nur daran, wie<br />
selbstverständlich Frauen heute einen Beruf ihrer<br />
Wahl ergreifen <strong>und</strong> ausüben. Dass die Frauen im<br />
B<strong>und</strong>esrat die Mehrzahl stellen, ist noch knapp<br />
eine Randnotiz wert. Und wer hätte vor h<strong>und</strong>ert<br />
Jahren an einen schwarzen Präsidenten Amerikas<br />
zu denken gewagt. Ohne Diskussionen aber,<br />
hätte sich das Bewusstsein der Menschen kaum<br />
verändert.<br />
Und schliesslich, ist es trotz den Vorwürfen vom<br />
Vorjahr schade, dass die selbst behinderten Organisatorinnen<br />
Michelle Zimmermann, Janine Ayer<br />
oder Mirjam Gasser nur ganz kurz<br />
aufgetreten sind. Jede von ihnen<br />
hätte den Abend zumindest<br />
mitmoderieren können. Die<br />
Bühnenpräsenz <strong>und</strong> Medienerfahrung<br />
haben sie unterdessen.<br />
Sie wären selbst beste Botschafterinnen<br />
ihres Anliegens gewesen.<br />
Taten<br />
Die Wahlnacht war eine Enttäuschung.<br />
Was man erlebte <strong>und</strong><br />
sah, war das Gegenteil dessen,<br />
was die Miss-Handicap-Organisation<br />
beabsichtigte. Das redliche<br />
Anliegen der Organisatorinnen<br />
wirkte wie ein Vorwand, im<br />
Rampenlicht zu stehen, während<br />
sich Halb-, Viertels- <strong>und</strong><br />
Möchtegernprominenz wie<br />
etwa ein Ex-Mister-Schweiz-Kandidat<br />
als tolerante Wohltäter<br />
inszenierte.<br />
Man fragte sich an jenem<br />
Abend, ob Michelle Zimmermanns<br />
Aussage, sie habe sich<br />
den Traum verwirklicht, auf<br />
der Bühne des Kursaals zu<br />
stehen, vielleicht das ehrlichste<br />
Statement war. Wenn dies<br />
denn so wäre, so wäre daran<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich nichts auszusetzen.<br />
Casting-Shows <strong>und</strong> Fernsehformate<br />
wie Big Brother<br />
sind in den letzten Jahren ein<br />
fester Bestandteil unserer<br />
Gesellschaft geworden. Sie<br />
zeigen ein offenbar tief verwurzeltes<br />
Bedürfnis der Menschen,<br />
Aufmerksamkeit der<br />
Öffentlichkeit zu kriegen.<br />
Weshalb sollte dies bei den<br />
Miss Handicap-Kandidatinnen<br />
anders sein? �<br />
25
26<br />
Fokus<br />
Wenn dem aber so wäre, dann hätte sich Zimmermann<br />
mehr in den Vordergr<strong>und</strong> gedrängt,<br />
was unter anderem Gesichtspunkt, wie erwähnt,<br />
wünschenswert gewesen wäre. Nein, man kann<br />
ihr den Vorwurf nicht machen. Im Gegenteil:<br />
Man muss ihre Leistung anerkennen, den Event<br />
zum zweiten Mal organisiert zu haben <strong>und</strong> ein<br />
beachtliches Medienecho gewonnen zu haben.<br />
Und man glaubt Zimmermann, dass es ihr bei<br />
dem Anlass wirklich darum geht, behinderte<br />
Frauen als schöne Frauen auftreten zu lassen. Zu<br />
gross ist das Engagement der jungen Frauen, wie<br />
der Organisatorinnen, als dass es ihnen um<br />
Selbstinszenierung gehen könnte. Zu gross der<br />
Aufwand, den sie grösstenteils ehrenamtlich<br />
betreiben. So muss man annehmen, all die kritisierten<br />
Punkte seien Kinderkrankheiten einer<br />
neuen Einrichtung.<br />
Hoffnung<br />
Was übrig bleibt, ist die Wahl Jasmin Rechsteiners<br />
<strong>und</strong> die Begegnung mit Michelle Zimmermann,<br />
<strong>und</strong> dies lässt hoffen. Denn Rechsteiner<br />
stellt das dar, was die Organisation im Programmheft<br />
von einer Miss Handicap erwartet. Sie<br />
präsentiert sich mutig <strong>und</strong> selbstbewusst mit<br />
ihren Entstellungen. Sie zeigt, wie schön sie ist.<br />
Mit ihrer Wahl wird der gängige Schönheitsbegriff<br />
in Frage gestellt. Jasmin Rechsteiner ist eine<br />
Persönlichkeit, deren Schönheit in ihrer Ausstrahlung<br />
<strong>und</strong> ihrem Charisma liegt. Dadurch hat<br />
Rechsteiner die Möglichkeit, etwas von dem zu<br />
bewirken, was sich die Organisation erhofft: ein<br />
gesellschaftliches Umdenken, eine verändertes<br />
Wahrnehmen von Behinderung in der Gesellschaft.<br />
Es ist ein Schritt auf einem langen Weg zu<br />
einem hohen Ziel, den Michelle Zimmermann<br />
mutig <strong>und</strong> engagiert in Angriff genommen hat.<br />
Nun ist die Miss-Handicap-Organisation wieder<br />
gefragt. Denn wenn es ihr mit der Integration<br />
von behinderten Menschen ernst ist, so kommt<br />
sie nicht umhin, auch den Event dahingehend zu<br />
professionalisieren, dass die Botschaft mit Inhalten<br />
<strong>und</strong> Taten gefüllt ist. Vielleicht allerdings,<br />
braucht sie hierzu die Hilfe der<br />
Behindertenorganisationen <strong>und</strong><br />
-verbände. Nicht zuletzt die<br />
finanzielle Hilfe. �<br />
«Ich mag meine Zeit nicht mit<br />
Dingen, wie Miss-Wahlen, die<br />
ich ganz allgemein doof finde,<br />
verschwenden. Also interessiert<br />
mich auch eine Miss-Handicap-Wahl<br />
nicht. Aber ich<br />
mag auch niemandem den<br />
Spass verderben, der so etwas<br />
toll findet.»<br />
Peter Wehrli, Geschäftsführer<br />
Zentrum für Selbstbestimmtes<br />
Leben<br />
«Die Miss-Handicap-Wahl ist<br />
ein unabhängiges <strong>und</strong> eigenständiges<br />
Projekt von Betroffen,<br />
das sie mit viel Power<br />
durchziehen. Das ist beeindruckend.<br />
Der Anlass mag Fragen<br />
aufwerfen. Aber welche andere<br />
Veranstaltung im Behindertenwesen<br />
erzeugt nur annähernd<br />
so viel Medienimpact<br />
wie die Miss Handicap-Wahl?<br />
Die Organisatorinnen haben<br />
ein grosses Potenzial, die<br />
Veranstaltung weiterzuentwickeln.<br />
Deshalb unterstützen<br />
wir sie.»<br />
Bruno Schmucki,<br />
Mediensprecher von Procap
Magazin<br />
Milestone als Farberkenner <strong>und</strong><br />
Barcodeleser<br />
Jürg Cathomas<br />
Farberkennung FAME<br />
FAME ist ein Farberkennungsmodul,<br />
das auf Milestone 212<br />
oder 312 aufgesteckt werden<br />
kann. Als Früherblindeter habe<br />
ich zwar Mühe, mir etwas unter<br />
Khaki vorzustellen: Aber es<br />
wurde darauf geachtet, möglichst<br />
einfache Farbangaben zu<br />
machen.<br />
Es gibt viel billigere Farberkennungslösungen,<br />
z. B. für das<br />
iPhone, die aber nicht brauchbar<br />
sind, weil jede Messung<br />
wieder ein anderes Resultat<br />
liefert. Das ist bei FAME kaum<br />
der Fall.<br />
FAME hilft mir, gleichfarbige<br />
Socken zu finden: Auf Tastendruck<br />
sagt mir das Gerät, ob die<br />
aktuelle Farbe sich von der<br />
zuvor gemessenen unterscheidet.<br />
Eine andere Taste auf dem Milestone<br />
verrät mir, ob das Objekt<br />
einfarbig oder mehrfarbig ist,<br />
wenn ich darüber hinweg fahre.<br />
Milestone mit FAME-Aufsatz.<br />
(Foto: SZB)<br />
Schön ist auch, dass FAME keine Batterien<br />
braucht, es bezieht den benötigten Strom von<br />
Milestone.<br />
Beim SZB kostet FAME 360 Franken.<br />
Barcodeleser Woodscan<br />
Schon länger gibt es ein Aufsteckmodul für den<br />
Milestone 312, das Barcodes erkennen <strong>und</strong> anhand<br />
einer gespeicherten Datenbank die zugehörige<br />
Information vorlesen kann. Für Blinde ist<br />
es aber fast unmöglich, den Barcode auf einem<br />
Produkt zu finden. Deshalb gibt es nun alternativ<br />
eine Drehspiegelkamera namens Woodscan, die<br />
per USB-Kabel an den Milestone 312 angeschlossen<br />
werden kann. Damit findet Woodscan den<br />
Barcode innert weniger Sek<strong>und</strong>en, wenn man<br />
das Produkt vor der Kamera bewegt.<br />
Woodscan basiert auf Daten, die von Coop <strong>und</strong><br />
Migros geliefert werden, einige Produkte werden<br />
aber auch mit den gleichen Codes in anderen<br />
Läden angeboten. Und wenn ein Produkt<br />
(z. B. ein Medikament) nicht in der Datenbank<br />
enthalten ist, kann man selber eine Sprachnotiz<br />
dazu erstellen, so dass es dann beim nächsten<br />
Mal erkannt werden sollte. Sprachnotizen können<br />
aber auch als zusätzliche Information zu<br />
einem bekannten Produkt aufgesprochen werden.<br />
Eigentlich wäre es interessant, Woodscan beim<br />
Einkaufen einzusetzen. Um die Sprachausgabe in<br />
lärmiger Umgebung zu verstehen, bräuchte es<br />
aber einen Kopfhörer <strong>und</strong> dann hätte man zusammen<br />
mit der Kamera schon 2 Kabel. Ausserdem<br />
muss man gut aufpassen, dass man die<br />
Kamera nicht fallen lässt, denn das würde sie<br />
wohl kaum überleben.<br />
Ein Woodscan mit Kamera kostet beim SZB 550<br />
Franken. �<br />
27
28<br />
Magazin<br />
Au-delà de la vue:<br />
Keine Identifikation möglich<br />
Claudine Damay<br />
Leuten eine Kamera in die Hand zu geben, damit<br />
sie sich selbst filmen, ist eine altbekannte Praxis.<br />
Doch wählt man dazu normalerweise nicht gerade<br />
Sehbehinderte aus. Zu dieser neuen Variante<br />
lud die Ethnologin <strong>und</strong> Filmemacherin Vanessa<br />
Langer ein <strong>und</strong> konnte sieben junge Welschschweizer<br />
für ihr Vorhaben gewinnen.<br />
Ein trauriges Bild<br />
Um es gleich vorweg zu sagen: Ich halte das Ergebnis<br />
nicht unbedingt für einen überragenden<br />
Beitrag zur Schweizerischen Filmkunst. Es handelt<br />
sich um eine Art Reality-TV mit einer völlig fantasielosen<br />
Abfolge teils statischer, teils verwackelter<br />
Bilder. Positiv ist daran, dass die Jugendlichen sich<br />
offensichtlich sehr für Regie <strong>und</strong> Schnitt interessierten<br />
<strong>und</strong> dabei Erfahrungen machen konnten,<br />
die ihnen sonst kaum offen gestanden hätten.<br />
Erfahrungsbericht oder Sensibilisierung?<br />
Im Prinzip war der Ansatz durchaus interessant.<br />
Die Idee, den Zuschauer in eine Klang- <strong>und</strong> Bildwelt<br />
einzuladen, die sich von der seinen radikal<br />
unterscheidet, hätte neue Wege eröffnen können,<br />
aber dazu kam es nicht. Das ist selbstverständlich<br />
nur meine persönliche Meinung. Jeder zeigt von<br />
sich selbst ja nur das, was er möchte, <strong>und</strong> stellt<br />
sein Leben so dar, wie er es selbst wahrnimmt.<br />
Der Haken an der Sache ist, dass man uns diese<br />
DVD – jedenfalls den Angaben auf der Hülle<br />
zufolge – anbietet als «Material zur Sensibilisierung,<br />
das allfällige Stereotypen in unserer Gesellschaft<br />
abbauen soll». Anders als ein Erfahrungsbericht<br />
muss ein Sensibilisierungsinstrument<br />
jedoch Situationen <strong>und</strong> Aussagen wiedergeben,<br />
die für die Mehrheit der <strong>Blinden</strong> <strong>und</strong> Sehbehinderten<br />
gelten.<br />
Mit Freude <strong>und</strong> Stolz hören wir,<br />
dass einem dieser jungen Leute<br />
die berufliche Integration perfekt<br />
gelungen ist. Wenn er uns<br />
jedoch erklärt, vergrössernde<br />
Sehhilfen solle man lieber nicht<br />
verwenden, weil sie zu sehr<br />
ermüden, dann sind solche<br />
Aussagen keineswegs dazu<br />
angetan, Arbeitgeber für Mitarbeiter<br />
zu gewinnen, die auf<br />
Hilfsmittel wie diese nicht verzichten<br />
können. Wenn es im<br />
Film in einem Gespräch heisst,<br />
den sperrigen <strong>Blinden</strong>stock lasse<br />
man am liebsten zu Hause, oder<br />
man könne zwar die anderen<br />
Leute nicht sehen, benutze aber<br />
dennoch keinen weissen Stock,<br />
dann ist dies sicher nicht repräsentativ<br />
für alle Sehbehinderten,<br />
denn sonst wäre der Tag<br />
des Weissen Stocks ja Schnee<br />
von gestern.<br />
Manches, was gesagt wird, ist<br />
natürlich sinnvoll, etwa der<br />
berühmte Ausspruch «Ich sehe<br />
nicht schwarz, sondern gar<br />
nichts.» Aber es verliert sich im<br />
schwer zu durchdringenden<br />
Nebel. Der Zuschauer kann nicht<br />
unterscheiden, ob es sich um<br />
eine individuelle oder allgemeinverbindliche<br />
Aussage handelt<br />
– <strong>und</strong> das, obwohl das<br />
Publikum ja, wie wir wissen, zu<br />
Verallgemeinerungen neigt. �
Magazin<br />
Ein verblüffender Diskurs<br />
Seit fast 40 Jahren arbeite ich<br />
ehrenamtlich für den SBV. Ich<br />
gehöre zu der Generation, die<br />
sich mit Zähnen <strong>und</strong> Klauen das<br />
Recht erkämpft hat, anders zu<br />
sein. Meine Sehbehinderung ist<br />
Teil meiner Persönlichkeit. Ich<br />
bin eben nicht «wie die anderen»:<br />
Ich bin ich, <strong>und</strong> ich kann<br />
mich nur dann wohlfühlen,<br />
wenn die spezifischen Anforderungen<br />
meiner konkreten<br />
Seheinschränkung berücksichtigt<br />
werden.<br />
Der rote Faden, der sich durch<br />
die sieben Filmbeiträge zieht,<br />
vermittelt dagegen klar die<br />
Botschaft, die Betroffenen seien<br />
«genau wie alle anderen» indem<br />
die Auswirkungen der Behinderung<br />
heruntergespielt oder<br />
banale Dinge wie Laufen oder<br />
sich Ankleiden als besondere<br />
Leistungen bejubelt werden.<br />
Die Kehrseite der Medaille?<br />
Betroffen macht mich vor allem<br />
das fanatische Streben danach,<br />
in der Masse aufzugehen. Wann<br />
<strong>und</strong> wie ging der Wunsch verloren,<br />
als Behinderter anerkannt<br />
zu werden? Und warum löste<br />
das «ICH» das Bestreben ab,<br />
gemeinsame Sache mit denen<br />
zu machen, die mehr oder weniger<br />
dieselben Probleme haben?<br />
Diese Jugendlichen wurden<br />
erheblich schneller ins Schulsystem<br />
integriert <strong>und</strong> standen<br />
dadurch ganz allein der sogenannten<br />
Norm gegenüber. Die<br />
Generation davor lebte zum grossen Teil noch in<br />
Institutionen, mit allem emotionalen Leid, das<br />
damit verb<strong>und</strong>en ist. Aber sie schöpfte auch<br />
Kraft aus dem Wissen, dass keiner mit seinen<br />
Problemen allein dastand. Vielleicht ist dies die<br />
Kehrseite der frühen Integration.<br />
Stoff zum Nachdenken<br />
Natürlich macht sich die Öffentlichkeit nicht all<br />
diese Gedanken <strong>und</strong> findet die Filme ohne Frage<br />
ganz fabelhaft. Unsere Aufgabe ist es jedoch,<br />
aufzudecken, was sich hinter dem äusseren<br />
Schein verbirgt. Wir müssen begreifen, wie sich<br />
Menschen mit Sehbehinderung entwickeln,<br />
damit die Selbsthilfe eine Überlebenschance in<br />
einer Gesellschaft hat, die alles immer mehr<br />
normiert. Die Überlegungen waren insofern<br />
sicher nicht müssig. Das Gesagte spiegelt lediglich<br />
meine eigenen Erfahrungen – jetzt ist es an<br />
Ihnen, sich eine eigene Meinung zu bilden. �<br />
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Netzhautdegenerationen findet<br />
weltweit statt. Nachfolgend<br />
eine Momentaufnahme.<br />
Erfreulich für Menschen mit<br />
trockener AMD (Altersbedingter<br />
Makuladegeneration), RP<br />
(Retinitis pigmentosa), Usher<br />
Syndrome oder ähnlichen Netzhautdegenerationen<br />
ist, dass es<br />
bereits mehrere weit fortgeschrittene<br />
klinische Versuche<br />
zur Behandlung dieser Krankheiten<br />
gibt. Erste Resultate<br />
sollten im Jahr 2011 veröffentlicht<br />
werden. Die Forschungsansätze<br />
bewegen sich auf verschiedenen<br />
Schienen, nämlich<br />
der Gentherapie, der medikamentösen<br />
Therapie sowie der<br />
künstlichen Netzhaut.<br />
Spitzenforschung auf dem<br />
Gebiet der Netzhauterkrankungen<br />
findet nicht nur im Ausland<br />
statt, sondern auch in der<br />
Schweiz. So wurden am IRO<br />
(Institut de la Recherche<br />
Opthalmique) in Sion in Zusammenarbeit<br />
mit anderen Kliniken<br />
zwei neue Gene entdeckt<br />
<strong>und</strong> charakterisiert, welche<br />
vermutlich nicht nur das Verständnis<br />
der Augenerkrankung<br />
selber, sondern ebenfalls das<br />
Verständnis anderer Erkrankungen<br />
fördern wird.<br />
Aber auch an allen anderen<br />
Universitäten der Schweiz wird<br />
zum Thema geforscht <strong>und</strong> diese Arbeiten finden<br />
hohe internationale Anerkennung. Als Beispiel<br />
dafür wurde in der Fernsehsendung Einstein<br />
über die Arbeit von Dr. Botond Rosca berichtet.<br />
Rosca gelang es zusammen mit seinen Mitarbeitenden,<br />
in Netzhäuten von Mäusen teilweise<br />
abgestorbene Zapfenzellen wieder zu regenerieren.<br />
Eine Hoffnung für viele Menschen mit<br />
fortgeschrittener Netzhautdegeneration (vgl.<br />
«der Weg» 1/2011). Rosca beendete seine Präsentation<br />
mit dem Satz: «Wir sehen Licht am<br />
Ende des Tunnels.» Den Satz hörten wir dieses<br />
Jahr nicht nur von Botond Rosca, sondern auch<br />
von anderen führenden Persönlichkeiten im<br />
Bereich der Netzhautforschung. Hoffnung für<br />
viele, Ermutigung, auf dem eingeschlagenen<br />
Weg weiter zu machen. Obwohl Licht am Ende<br />
des Tunnels erkennbar ist, müssen Menschen mit<br />
Netzhautdegenerationen den Alltag jetzt im<br />
Hier <strong>und</strong> Heute bewältigen. �<br />
Auskunft, Unterstützung <strong>und</strong> Kontakt zu anderen<br />
betroffenen Menschen finden Sie jederzeit<br />
bei Retina Suisse in Zürich <strong>und</strong> Lausanne. Zürich:<br />
044 444 10 77, Lausanne: 021 626 86 52,<br />
www.retina.ch
Verband<br />
IVG-Revisionspaket 6a/6b<br />
Daniel Pulver, Rahel Escher<br />
Der SBV spannt mit den Partnern des <strong>Blinden</strong>wesens<br />
zusammen <strong>und</strong> reagiert auf die enttäuschenden<br />
Entscheide des Parlaments.<br />
Der Nationalrat hat bei der Beratung zur IVG-Revision<br />
6a – insbesondere bei der Schlussbestimmung<br />
– schwerwiegende Gesetzesänderungen zu<br />
Ungunsten von Menschen mit einer Behinderung<br />
verabschiedet.<br />
Das Parlament hat über die Zukunft vieler Menschen<br />
mit Behinderungen <strong>und</strong> chronischen<br />
Krankheiten entschieden, ohne die Menschen<br />
hinter den Entscheiden zu sehen.<br />
Diese Schlussbestimmung betrifft primär Menschen<br />
mit Krankheitsbildern wie Depressionen<br />
<strong>und</strong> Panik- <strong>und</strong> Angststörungen. Bedauerlich ist,<br />
dass der Nationalrat kein Gehör für die Vorschläge<br />
seiner vorberatenden Kommission (SPK) hatte.<br />
Die Einführung des Assistenzbeitrages ist hingegen<br />
ein wichtiger Schritt in Richtung Gleichstellung.<br />
In dieser nun verabschiedeten Form gestaltet<br />
er sich jedoch diskriminierend. Menschen mit<br />
einer geistigen, einer psychischen, einer Hör- oder<br />
Sehbehinderung sind weiterhin benachteiligt.<br />
Auch wurde die Minimalvariante einer vorübergehenden<br />
Quotenregelung bezüglich Anstellung<br />
von behinderten Arbeitnehmenden abgelehnt,<br />
wodurch die Arbeitgeber nicht oder zu wenig in<br />
die Verantwortung genommen werden.<br />
Wie geht es weiter?<br />
– Der SBV geht davon aus, dass der Ständerat in<br />
der Frühjahrssession den nationalrätlichen<br />
Entscheiden folgen wird. Danach gilt es, das<br />
weitere Vorgehen im Paket 6a zusammen mit<br />
den Partnerorganisationen festzulegen.<br />
– Zu 6b erwarten wir per Ende Februar die Botschaft<br />
des B<strong>und</strong>esrates. Diese gilt es im Anschluss<br />
zu prüfen <strong>und</strong> eine gemeinsame<br />
Strategie des weiteren<br />
Vorgehens festzulegen. Zur Zeit<br />
laufen die vorbereitenden<br />
Massnahmen (innerhalb der<br />
DOK) bereits auf Hochtouren.<br />
– An den GVs 2011 der Sektionen<br />
werden/wurden die Mitglieder<br />
durch die jeweils anwesenden<br />
ZV-Vertreter über die<br />
IVG-Revision 6a/6b informiert.<br />
�<br />
Inserat<br />
Zweiter internationaler<br />
Cup<br />
Karving- <strong>und</strong> Langlaufski für<br />
blinde <strong>und</strong> sehbehinderte<br />
Skiläufer ( CICNAM)<br />
17. bis 22. Januar 2012 in<br />
Crans Montana/Wallis<br />
Wettkampf für sehbehinderte<br />
Abfahrts-Skifahrer <strong>und</strong><br />
Langläufer mit Begleitläufer<br />
im Tandem.<br />
Messen Sie sich gern mit<br />
anderen Sportlern? Dann<br />
wird Ihnen dieser Cup gefallen,<br />
der Strategie <strong>und</strong> Schnelligkeit<br />
verbindet.<br />
Mehr Informationen <strong>und</strong><br />
Einschreibung per Internet<br />
auf unserer Website:<br />
www.cicnam.grsa.ch oder per<br />
E-Mail: cicnam@grsa.ch,<br />
Tel.: 0041 79 271 41 56.<br />
31
32<br />
Verband<br />
Nachrichten aus der Interessenvertretung<br />
Michael Vogt<br />
Für die Petition «Radio- <strong>und</strong> Fernsehgebühren:<br />
200 Franken sind genug» werden zur Zeit<br />
Unterschriften gesammelt. Sollte die Petition<br />
angenommen werden, könnte dies negative<br />
Auswirkungen für Menschen mit einer Sinnesbehinderung<br />
haben.<br />
Mit den Gebührengeldern finanziert die SRG SSR<br />
(öffentliches Schweizer Fernsehen) unter anderem<br />
die Kosten für Audiodeskription für sehbehinderte<br />
<strong>und</strong> blinde Menschen. Ebenso werden<br />
die Gelder auch für die Untertitelung <strong>und</strong> die<br />
Gebärdendolmetscher der Tagesschau verwendet.<br />
Diese Angebote sind für Menschen mit einer<br />
Sinnesbehinderung von immenser Bedeutung,<br />
um am politischen <strong>und</strong> öffentlichen Leben teilhaben<br />
zu können. Erhält die SRG SSR aufgr<strong>und</strong> der<br />
Petition weniger Gelder, so wird sie ihre Leistungen<br />
kürzen müssen. Es ist anzunehmen, dass<br />
diese Kürzungen bei der Audiodeskription nicht<br />
Halt machen werden, wenn sie denn nicht gerade<br />
dort beginnen. Denn die Produktion von<br />
Audiodeskriptionen sind aufwendig <strong>und</strong> teuer in<br />
der Herstellung <strong>und</strong> erreichen doch nur einen<br />
verhältnismässig kleinen Teil der Schweizer Bevölkerung.<br />
Die Forderung, die Billag-Gebühren zu senken,<br />
ist aus der Sicht der Nutzer <strong>und</strong> Nutzerinnen<br />
verständlich. Im europäischen Vergleich sind die<br />
Radio- <strong>und</strong> Fernsehgebühren in der Schweiz<br />
hoch. Denn als viersprachiges Land produziert<br />
die SRG SSR für jede Sprachregion ein eigenes<br />
Radio- <strong>und</strong> Fernsehprogramm. Die Gebührengelder<br />
verteilen sich jedoch auf eine vergleichsweise<br />
geringe Anzahl Haushalte. Für sinnesbehinderte<br />
Menschen ist es aber angesichts der laufenden<br />
Petition problematisch, dass sowohl die Audiodeskription<br />
wie die Angebote für Hörgeschädigte<br />
durch die Billag-Gebühren finanziert werden. �<br />
Inserat<br />
5. Prix Canne<br />
blanche<br />
Am 23. September 2011<br />
verleiht der Schweizerische<br />
Zentralverein für das <strong>Blinden</strong>wesen<br />
(SZB) zum fünften<br />
Mal die nationale Auszeichnung<br />
«Canne blanche, der<br />
Preis des Sehbehindertenwesens».<br />
Damit zeichnen wir besondere<br />
Projekte aus, die blinden,<br />
sehbehinderten <strong>und</strong><br />
taubblinden Menschen in<br />
der Schweiz zugute kommen.<br />
Nominiert werden können<br />
besonders bauliche, informative,<br />
sozialpolitische<br />
Massnahmen, Ideen <strong>und</strong><br />
Aktionen zugunsten betroffener<br />
Personen, aber auch<br />
Hilfsmittelentwicklungen im<br />
technischen <strong>und</strong> elektronischen<br />
Bereich oder Forschungen<br />
<strong>und</strong> Veröffentlichungen.<br />
Die Eingabefrist<br />
für Vorschläge läuft bis zum<br />
31. März 2011.<br />
Weitere Information:<br />
information@szb.ch
Verband<br />
Jubiläumsfeier des SBV am<br />
1. August auf dem Rütli<br />
Urs Lüscher<br />
Einladung an die Mitglieder des SBV<br />
Alle von einer Sehbehinderung betroffenen<br />
Menschen werden am 1. August 2011 auf das<br />
legendäre Rütli eingeladen. Dies aufgr<strong>und</strong> einer<br />
Anfrage der Sektion Zürich anlässlich des 100-<br />
Jahr-Jubiläums des SBV an die Rütli Kommission<br />
der SGG (Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft).<br />
Die SGG als Verwalterin des Rütli seit<br />
1860 heisst alle Betroffenen, egal welcher Vereins-<br />
oder Verbandszugehörigkeit, herzlich willkommen.<br />
Dieser Anlass ermöglicht uns Betroffenen<br />
<strong>und</strong> deren Begleiter einmal nicht trotz<br />
unserer Einschränkung, sondern gerade deswegen<br />
an einer aussergewöhnlichen Feier an einem<br />
symbolträchtigen Ort teilzunehmen.<br />
Solidarität unter Betroffenen<br />
Die 1. August-Feier auf dem Rütli hat in den<br />
letzten Jahren eine beachtliche Medienaufmerksamkeit<br />
genossen. Somit bietet sich für uns eine<br />
einmalige Gelegenheit, Solidarität <strong>und</strong> Geschlossenheit<br />
unter Betroffenen zu demonstrieren. Der<br />
Anlass ermöglicht es uns, unsere Bedürfnisse <strong>und</strong><br />
Anliegen in die Schweizer Bevölkerung zu tragen.<br />
Das OK Rütli kann mit seiner Organisation aber<br />
nur den Rahmen bieten. Erst mit der Teilnahme<br />
von jedem Betroffenen mit einer Sehbehinderung,<br />
wird die Feier zu einem grossartigen Fest.<br />
Folgen Sie der Einladung <strong>und</strong> seien Sie Teil eines<br />
für das Sehbehinderten- <strong>und</strong> <strong>Blinden</strong>wesen geschichtsträchtigen<br />
Tages!<br />
Programm<br />
Am 1. August 2011 beginnt unsere Reise um 11<br />
Uhr in Luzern mit zwei für uns reservierten Extraschiffen.<br />
Die Fahrt dauert eineinhalb St<strong>und</strong>en.<br />
Alle Gäste erhalten ein Lunch-Paket, da keine<br />
Verpflegung an Bord möglich<br />
ist. Der kurze Fussmarsch auf<br />
steilem Weg zur Rütliwiese<br />
dauert zirka zehn Minuten.<br />
Anschliessend eröffnet Remo<br />
Kuonen, Präsident des SBV,<br />
unseren 100-Jahre-Jubiläumsakt.<br />
Urs Kaiser, Zentralvorstandsmitglied,<br />
richtet ein paar Worte<br />
zum Thema Interessenvertretung<br />
an uns. Zum Abschluss<br />
hören wir von Martin Meyer<br />
(Vorstand Sektion Zürich) Lieder<br />
auf der von ihm erf<strong>und</strong>enen<br />
Panalotusflöte. Die Panalotusflöte<br />
ist ein Weisser Stock, der<br />
zum Instrument umfunktioniert<br />
ist.<br />
Nach einer Pause folgt die offizielle<br />
Nationalfeier mit Ständeratspräsident<br />
Hans-Heiri Inderkum,<br />
der Musikgesellschaft<br />
Brunnen <strong>und</strong> diversen Überraschungen.<br />
Etwa um 18 Uhr<br />
treffen wir nach der Rückreise<br />
per Schiff wieder in Luzern ein.<br />
Ihre persönliche Einladung zum<br />
Fest mit allen Angaben zur<br />
An- <strong>und</strong> Rückreise von Ihrem<br />
Wohnort nach Luzern erhalten<br />
Sie von Ihrer Sektion. In dieser<br />
Einladung befinden sich auch<br />
alle Angaben zur Anmeldung.<br />
�<br />
33
34<br />
Verband<br />
Kandidaten gesucht!<br />
Remo Kuonen<br />
Am kommenden 25. <strong>und</strong> 26. Juni<br />
findet in Lausanne die 100. Delegiertenversammlung<br />
des SBV<br />
statt.<br />
Dieser Tag soll ein Meilenstein<br />
werden. Damit dies jedoch<br />
geschehen kann, ist es zwingend<br />
notwendig, dass der neue<br />
Zentralvorstand, der gewählt<br />
wird, harmonisch zusammengesetzt<br />
wird. Das heisst, seine<br />
Mitglieder sollten gleichmässig<br />
aus allen kulturellen Bereichen<br />
unseres Landes kommen.<br />
Es ist also an der Zeit, dass einige<br />
unter Euch, Mitglieder des<br />
SBV, das Schicksal unseres Verbandes<br />
in die Hand nehmen,<br />
sich aktiv engagieren, Verant-<br />
Die erste von sieben<br />
Jean-Marc Meyrat<br />
Am 4. <strong>und</strong> 5. Februar fand in<br />
Lausanne die erste der sieben<br />
geplanten Info-Vision-Ausstellungen<br />
statt. Die Ausstellungen<br />
werden anlässlich des h<strong>und</strong>ertjährigen<br />
Bestehens des Schweizerischen<br />
<strong>Blinden</strong>- <strong>und</strong> Sehbehindertenverbands<br />
organisiert.<br />
Im Augenspital Jules-Gonin<br />
schlugen 16 Aussteller ihre<br />
Stände auf.<br />
Von Alltags-Hilfsmitteln über<br />
EDV-Lösungen, funkelnden<br />
Braillezeilen, die Braillemaus<br />
wortung übernehmen <strong>und</strong> sich als Kandidaten<br />
für den Zentralvorstand zur Wahl stellen.<br />
Ich lade Sie daher herzlich ein, Ihre Kandidatur<br />
einzureichen, so dass wir an der Delegiertenversammlung<br />
2011 in Lausanne eine offene <strong>und</strong><br />
demokratische Wahl durchführen können. �<br />
Für weitere Informationen halten wir uns<br />
gerne zur Verfügung:<br />
– der Präsident, Remo Kuonen<br />
(remo.kuonen@sbv-fsa.ch oder 031 390 88 02)<br />
– die Vize-Präsidentin, Rita Annaheim<br />
(r.annaheim@bluewin.ch, oder 062 791 34 19)<br />
oder Pascal Lonfat (pascal.lonfat@sbv-fsa.ch<br />
oder 024 471 47 94)<br />
– der Zentralsekretär Kannarath Meystre<br />
(kannarath.meystre@sbv-fsa.ch oder<br />
031 390 88 03)<br />
Mouskie, taktilen Stadtplänen bis zu einer ganzen<br />
Palette von Lesegeräten konnten die 400 Besucher<br />
der Info Vision die Fortschritte auf diesem Gebiet<br />
begutachten. Zwar waren diesmal keine überragenden<br />
Innovationen dabei, doch sind unsere<br />
Erwartungen aufgr<strong>und</strong> der fulminanten Neuerungen<br />
der letzten Jahre vielleicht etwas hoch.<br />
Retina Suisse veranstaltete für die zahlreichen<br />
interessierten Besucher vier Vorträge über die<br />
Fortschritte der Ophthalmologie (Augen-<br />
heilk<strong>und</strong>e). �<br />
Lugano, 17.–19. März / Bern, 8., 9. April /<br />
Zürich, 15., 16, Juli / Basel, 16., 17. September /<br />
St. Gallen, 7., 8. Oktober / Chur 4., 5. November
Verband<br />
Veranstaltungen<br />
Sektion Aargau-Solothurn<br />
05.04. Kaffeetreff in der Aarauerstube, Bahnhofstrasse<br />
78, Aarau. 14.15–16.15 Uhr.<br />
Auskunft: Verena Müller, 062 721 51 67.<br />
14.04. iPhone <strong>und</strong> VoiceOver; Bedienung <strong>und</strong><br />
Nutzen für Blinde; Selamet Aydogdu<br />
<strong>und</strong> Urs Kaiser; Beratungsstelle Olten<br />
14.00–16.30 Uhr. Info <strong>und</strong> Anmeldung<br />
bei Urs Kaiser, 033 533 21 33.<br />
03.05. Kaffeetreff in der Aarauerstube, Bahnhofstrasse<br />
78, Aarau. 14.15–16.15 Uhr.<br />
Auskunft: Verena Müller, 062 721 51 67.<br />
31.05. Besuch der <strong>Blinden</strong>führh<strong>und</strong>eschule des<br />
VBM in Liestal (ganztägig). Info <strong>und</strong><br />
Anmeldung bei Verena Müller,<br />
062 721 51 67.<br />
Inserat<br />
Kuren · Seminare · Urlaub<br />
In unserem Haus fühlen sich nicht nur<br />
blinde <strong>und</strong> seh behinderte Menschen<br />
wohl. Auch sehende Gäste sind bei uns<br />
herzlich willkommen!<br />
Es erwarten Sie:<br />
• Schwimm bad • Medi zini sche Bade -<br />
abteilung für stationäre <strong>und</strong> ambulante<br />
Reha-Maßnahmen • Well ness & Kosmetik<br />
• Kegelbahn • Ver anstal tungs räume für<br />
Seminare <strong>und</strong> private Feste.<br />
Wir freuen uns auf Sie!<br />
Fordern Sie unser aktuelles<br />
Programm an!<br />
Alte Römerstr. 41- 43, 82442 Saulgrub<br />
Tel.: 088 45 / 99-0, Fax: 088 45 / 99-121<br />
www.aura-hotel.de, info@aura-hotel.de<br />
3.–5.06. Literatur im Dunkelzelt<br />
an den Solothurner<br />
Literaturtagen.<br />
Programm:<br />
www.literatur.ch. Info<br />
<strong>und</strong> Auskunft bei: Urs<br />
Kaiser, 032 621 50 30.<br />
Sektion Bern<br />
30.03. Stammtisch: ab 17.00 Uhr<br />
im Restaurant «a familia<br />
portuguesa», Zähringerstrasse<br />
15, 3012 Bern.<br />
27.04. Stammtisch, ab 17.00 Uhr<br />
im Restaurant «a familia<br />
portuguesa», Zähringerstrasse<br />
15, 3012 Bern.<br />
18.06. Jubiläumsausflug, Anmeldungsfrist<br />
bis Ende<br />
April (weitere Details im<br />
Jahresprogramm der<br />
Sektion).<br />
Sektion Ostschweiz<br />
02.04. Frühjahrsanlass<br />
«Schulmuseum»-Amriswil,<br />
Anmeldung bei<br />
Barbara Trudel,<br />
052 720 89 78, weitere<br />
Infos in Televox <strong>und</strong> Post.<br />
04.04. Stamm, Rest. Brasserie,<br />
ab 19.00 Uhr, beim HB<br />
St.Gallen.<br />
10.04. Wanderung, 08.45 Uhr bei<br />
Appenzellerbahn am HB<br />
St. Gallen, ohne Anmeldung,<br />
weitere Info siehe<br />
14 Tage vorher auf Televox.<br />
�<br />
35
36<br />
Verband<br />
30.04. Neumitgliederbegrüssung im Atelier St.<br />
Gallen, weitere Info in Televox <strong>und</strong> Post<br />
02.05. Stamm Rest. Brasserie, ab 19.00 Uhr, beim<br />
HB St.Gallen<br />
21.05. Jubiläumsfeier «100 Jahre SBV», weitere<br />
Infos in Televox <strong>und</strong> Post<br />
29.05. Wanderung, 08.45 Uhr bei Appenzellerbahn<br />
am HB St. Gallen, ohne Anmeldung,<br />
weitere Info 14 Tage vorher auf Televox<br />
06.06. Stamm Rest. Brasserie, ab 19.00 Uhr, beim<br />
HB St. Gallen<br />
26.06. Wanderung, 08.45 Uhr bei Appenzellerbahn<br />
am HB St. Gallen, ohne Anmeldung,<br />
weitere Info 14 Tage vorher auf Televox<br />
Sektion Zürich<br />
19.03. Wandergruppe Sunshine<br />
Rapperswil – Etzel – Einsiedeln.<br />
Anmeldung bei Giovanni Pasqualotti,<br />
Tel. 044 390 11 83<br />
19.03. Kulturanlass: «Total dureknallt» Theater<br />
mit Jörg Schneider. Stadthofsaal Uster,<br />
zirka 18.45–22.00 Uhr.<br />
Anmeldung bei Urs<br />
Lüscher, 044 940 93 10,<br />
SBV.ZH@buero-lektro.ch<br />
26.03. Samstags-Lunch: «Gewalt gegen Behinderte».<br />
Rest. Schibli Uster, 11.30–13.30 Uhr<br />
Anmeldung bei Urs Lüscher, 044 940 93<br />
10, SBV.ZH@buero-lektro.ch<br />
29.03. Kontaktgruppe Enge. Kirchgemeindehaus<br />
Enge, Zürich, 14.00–16.00 Uhr<br />
06.04. Wandergruppe Merkur. Oetwil, Weinigen,<br />
Kloster Fahr. Anmeldung bei Maya + Gilbert<br />
Monnerat, Tel. 044 741 23 49<br />
(Ersatzdatum 04.05.)<br />
10.04. Wandergruppe Soleblitz. Am Sächsilütesunntig<br />
vo Wald uf Rapperswil<br />
Anmeldung bei Marianne + Walti Ogi,<br />
Tel. 044 432 28 28 (Ersatzdatum 08.05.)<br />
25.04. Wandergruppe Sunshine. Zum Bremgartner<br />
Markt. Anmeldung bei Giovanni<br />
Pasqualotti, Tel. 044 390 11 83<br />
26.04. Kontaktgruppe Enge.<br />
Kirchgemeindehaus<br />
Enge, Zürich, 14.00–16.00<br />
Uhr<br />
30.04. Samstags-Lunch: «Leben<br />
<strong>und</strong> Werdegang von <strong>und</strong><br />
mit Judit Stamm»<br />
Rest. Schibli Uster, 11.30–<br />
13.30 Uhr<br />
Anmeldung bei Urs<br />
Lüscher, 044 940 93 10,<br />
SBV.ZH@buero-lektro.ch<br />
07.05 Besuch im B<strong>und</strong>eshaus<br />
Anmeldung bei Urs Lüscher,<br />
044 940 93 10 oder<br />
SBV.ZH@buero-lektro.ch<br />
28.05. Samstags-Lunch:<br />
«Konzeptpräsentation<br />
des SBV-Ateliers»<br />
Rest. Schibli Uster, 11.30–<br />
13.30 Uhr<br />
Anmeldung bei Urs Lüscher,<br />
044 940 93 10 oder<br />
SBV.ZH@buero-lektro.ch<br />
31.05. Kontaktgruppe Enge,<br />
Maibummel mit separater<br />
Einladung<br />
Weitere Informationen über die<br />
Sektionsaktivitäten finden Sie<br />
stets aktuell auf dem telefonischen<br />
Informationssystem Televox<br />
031 390 88 88 oder auf<br />
www.blindenverband.ch<br />
Permanentes Angebot<br />
Atelier Bern, Federweg 22,<br />
3008 Bern, 031 381 46 07,<br />
atelier.bern@sbv-fsa.ch<br />
Atelier Luzern, Allmendstrasse 5,<br />
6048 Horw, 041 240 11 24,<br />
atelier.luzern@sbv-fsa.ch �
Verband<br />
Atelier St. Gallen, Schachenstr. 9, 9016 St. Gallen,<br />
071 288 60 11, atelier.stgallen@sbv-fsa.ch<br />
Atelier Zürich, Moosmattstr. 30, 8953 Dietikon,<br />
044 740 27 40, atelier.zuerich@sbv-fsa.ch<br />
Kreativgruppen<br />
in Aarau, Basel, Bern, Biel, Burgdorf, Chur, Freiburg,<br />
Luzern, Lyss, Meiringen, Rapperswil, Spiez,<br />
Thun, Winterthur <strong>und</strong> Zürich. Weitere Informationen<br />
zu Kursleitung, Ort <strong>und</strong> Zeit:<br />
Christina Arnold, 031 390 88 29,<br />
christina.arnold@sbv-fsa.ch �<br />
Inserat<br />
Erholungszentrum<br />
des Vorarlberger<br />
<strong>Blinden</strong>- <strong>und</strong> Seh-<br />
behindertenverbandes<br />
Das Haus liegt ganz in der Nähe des Bodensees<br />
in einer äusserst ruhigen Lage. Die Zimmer<br />
sind mit WC/Dusche-Bad/Radio/Telefon,<br />
Minibar <strong>und</strong> Fernseher ausgestattet. Den<br />
Urlaubern stehen eine spezielle <strong>Blinden</strong>schiessanlage,<br />
Kegelbahn, Sauna, Gruppenräume,<br />
sowie ein Freischwimmbad zur Verfügung.<br />
Die täglichen Ausflüge sind unser<br />
Markenzeichen.<br />
Preise: EUR 54.– pro Tag/Vollpension –<br />
EZ-Zuschlag EUR 5.– «all inklusiv»<br />
Kontaktadresse: Vorarlberger <strong>Blinden</strong>- <strong>und</strong><br />
Sehbehindertenverband, A-6858 Schwarzach,<br />
Ingrüne 12, Telefon 0043 5572 58221<br />
Homepage: www.vbsv.at,<br />
E-Mail: erholungszentrum@vbsv.at<br />
Inserat<br />
Kurse für<br />
Ehrenamtliche<br />
des SBV<br />
26.03. Ehrenamt – Lust oder<br />
Frust?<br />
16.04. Stellenprofile für<br />
Vorstandsämter –<br />
Gr<strong>und</strong>lagenwissen<br />
07.05. Kurs 1 für Sensibili-<br />
sierungsarbeit:<br />
Umgang mit<br />
«schwierigen Teil-<br />
nehmenden»<br />
02.07. Das Ehrenamt zwischen<br />
Kooperation<br />
<strong>und</strong> Abgrenzung<br />
14.10. Kurs 2 für Sensibili-<br />
sierungsarbeit:<br />
Selbstsicherheit<br />
gewinnen – wirken,<br />
wie ich wirken<br />
möchte<br />
12.11. Das Ehrenamt<br />
zwischen Ansprüchen<br />
von unten <strong>und</strong> von<br />
oben<br />
Anmeldungen bis jeweils<br />
4 Wochen vor dem<br />
Kursdatum im Kursbüro bei<br />
Cécile Züttel, 031 390 88 00,<br />
cecile.züttel@sbv-fsa.ch.<br />
Weitere Informationen<br />
unter www.sbv-fsa.ch,<br />
Agenda.<br />
37
38<br />
Verband<br />
Leserbrief<br />
Kreativgruppe Biel<br />
Elisabeth Bigler<br />
Seit zwei Monaten gehöre ich zur Kreativgruppe<br />
von Beatrice Allemann <strong>und</strong> Emma Gousset in<br />
Biel. Ich kannte niemanden, niemand kannte<br />
mich, <strong>und</strong> trotzdem wurde ich willkommen geheissen<br />
wie eine alte Bekannte. Dies ist nicht<br />
allein der Tatsache zu verdanken, dass alle sehbehindert<br />
oder blind sind, nein, mir war von der<br />
ersten Sek<strong>und</strong>e an bewusst, dass die beiden<br />
Leiterinnen (sehend) mit besonderen menschlichen<br />
Qualitäten begnadet sind. (...) Welche Vielfalt<br />
von Techniken wir kennenlernen dürfen, ist<br />
unglaublich <strong>und</strong> macht mich sehr, sehr glücklich.<br />
Gegenwärtig wird gewoben, gestrickt, gedruckt,<br />
gefilzt <strong>und</strong> Speckstein geschliffen. (...) �<br />
Inserat<br />
Gurtenfestival 2011<br />
Samstag, 16. Juli 2011,<br />
Open Air auf dem Berner Hausberg<br />
Komm gemeinsam mit den Leos ans Gurtenfestival.<br />
Sie holen Dich am Bahnhof Bern ab<br />
<strong>und</strong> spendieren Eintritt <strong>und</strong> Verpflegung.<br />
Anmeldung bis zum 1. Mai 2011 bei Daniela<br />
Moser, 031 390 88 00, daniela.moser@sbv-fsa.ch.<br />
Die Einladung richtet sich an alle blinden <strong>und</strong><br />
sehbehinderten Jugendlichen zwischen 15 <strong>und</strong><br />
35 Jahren. Die Anmeldungen werden nach<br />
Eingangsdatum berücksichtigt <strong>und</strong> bestätigt.<br />
Die Platzzahl ist beschränkt. Infos zum genauen<br />
Ablauf erfolgen nach der Anmeldung.<br />
Informationen zum Gurtenfestival:<br />
www.gurtenfestival.ch<br />
Inserat<br />
ONKYO Braille<br />
Contest<br />
Thema 2011: «Braille<br />
verändert mein Leben».<br />
Teilnehmen können: alle<br />
<strong>Blinden</strong>schriftleser <strong>und</strong><br />
-schreiber.<br />
Sprache: Schreiben Sie in<br />
Ihrer Muttersprache, wir<br />
sorgen für die Übersetzung.<br />
Länge: 1000 Worte<br />
Rechtliches: Die Autorenrechte<br />
gehen an die EBU.<br />
Preise:<br />
• Prix Otsuki (Premier Prix):<br />
2000 dollars US<br />
• Prix d’Excellence:<br />
Juniors (jusqu'à 25 ans):<br />
1000 dollars US<br />
Seniors (plus de 25 ans):<br />
1000 dollars US<br />
• Prix d’Honneur:<br />
Juniors (deux prix):<br />
500 dollars US,<br />
par lauréat<br />
Seniors (deux prix):<br />
500 dollars US,<br />
par lauréat<br />
Einreichen bis spätestens am<br />
30. April an:<br />
marja.kaempfer@sbv-fsa.ch.<br />
Reglement in französisch <strong>und</strong><br />
englisch erhältlich.
Verband<br />
Herzliche Gratulation, tanti auguri,<br />
joyeux anniversaire<br />
Der Zentralvorstand des SBV<br />
gratuliert Frau Charlotte Veciana<br />
aus Lugano <strong>und</strong> Frau Anni Frick<br />
aus St. Gallen herzlich zum<br />
100. Geburtstag.<br />
Wir wünschen den beiden Jubilarinnen<br />
von Herzen alles Gute<br />
<strong>und</strong> ein mit Ges<strong>und</strong>heit gesegnetes,<br />
w<strong>und</strong>erbares 101. Lebensjahr.<br />
Remo Kuonen<br />
Der Zentralpräsident �<br />
Impressum<br />
Offizielle Zeitschrift des Schweizer-<br />
ischen <strong>Blinden</strong>- <strong>und</strong> Sehbehindertenverbandes<br />
(SBV) im 98. Jahrgang.<br />
Erscheint sechsmal im Jahr in Grossdruck,<br />
in Braille, im DAISY-Format,<br />
im Elektronischen Kiosk, teilweise auf<br />
www.sbv-fsa.ch sowie auf Bestellung<br />
per E-Mail (ohne Fotos) in Deutsch<br />
<strong>und</strong> Französisch («clin d’œil»).<br />
Herausgeber: SBV<br />
Redaktion: Naomi Jones <strong>und</strong><br />
Jean-Marc Meyrat<br />
Umschlaggestaltung: Büro Grotesk.cc<br />
Layout: Claudia Holzer, Ediprim AG, Biel<br />
Übersetzungen: USG Übersetzungs-<br />
Service AG<br />
Druck: Ediprim AG, Biel/Bienne<br />
Druck auf umweltfre<strong>und</strong>liches<br />
FSC-Papier<br />
Zum 100. Geburtstag! (Foto: flickr.com/zutaten)<br />
Brailleumwandlung <strong>und</strong> -druck:<br />
Hanni Wüthrich, Anton Niffenegger<br />
DAISY: Paul Güntert Tonstudio<br />
ISSN (Schwarzschrift): 1422-0490<br />
ISSN (<strong>Blinden</strong>schrift): 1422-0504<br />
Für Mitglieder des SBV: gratis. Jahresabonnement<br />
für Nichtmitglieder:<br />
Fr. 28.– (Inland), Fr. 34.– (Ausland).<br />
Postkonto: 30-2887-6<br />
Redaktionsschluss für die nächste<br />
Ausgabe: 10. April 2011<br />
Thema: Fre<strong>und</strong>schaft, Liebe <strong>und</strong><br />
Partnerschaft<br />
Anregungen bitte an:<br />
Redaktion «der Weg / clin d’œil»<br />
<strong>Schweizerischer</strong> <strong>Blinden</strong>- <strong>und</strong><br />
Sehbehindertenverband,<br />
Gutenbergstrasse 40b, 3011 Bern,<br />
Tel. 031 390 88 00; Fax 031 390 88 50<br />
info@sbv-fsa.ch, www.sbv-fsa.ch<br />
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Der Verein Blindspot organisiert im Sommer,<br />
Herbst <strong>und</strong> Winter je ein Ferienlager für<br />
blinde, sehbehinderte <strong>und</strong> normal sehende<br />
Jugendliche. Dabei verlieren die Jugendlichen<br />
gegenseitig die Berührungsängste,<br />
bauen <strong>Vorurteile</strong> ab <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>schafen auf.<br />
www.blindspot.ch (Fotos: Jonas Staub)