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Leseprobe CONNEXI Neurologie Ausgabe 3-2019

Science, Medicine, Magazine, doctors, neurology, neurointensive care

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<strong>Neurologie</strong><br />

3-<strong>2019</strong>


DGN-Kongress<br />

© Messe Stuttgart<br />

<strong>2019</strong><br />

92. Kongress der Deutschen Gesellschaft für <strong>Neurologie</strong><br />

25. bis 28. September <strong>2019</strong><br />

ICS – Internationales Congresscenter<br />

Stuttgart<br />

Anmeldung & weitere Informationen: www.dgnkongress.org


EDITORIAL<br />

Verehrte Leserinnen und Leser,<br />

Faszination <strong>Neurologie</strong> – das Fach erlebte in jüngster<br />

Vergangenheit enorme Innovationsschübe,<br />

die sich selbst optimistische Mediziner lange<br />

nicht vorstellen konnten, wie Prof. Dr. Helmuth<br />

Steinmetz , Kongresspräsident der Arbeitstagung<br />

Neurointensivmedizin ANIM <strong>2019</strong> gesteht<br />

(s. Interview ab Seite 6). Neue effektive Therapien<br />

haben inzwischen schon vielen Patienten das<br />

Leben gerettet, die noch bis vor wenigen Jahren<br />

z. B. an einem Schlaganfall gestorben wären, oder<br />

die Lebensqualität von Patienten mit multipler<br />

Sklerose, Parkinson und anderen schwersten<br />

neurologischen Erkrankungen deutlich verbessert.<br />

Innovative Wirkstoffe können Migräne anfällen<br />

mittlerweile spezifisch vorbeugen. Seit gut einem<br />

Jahr ist die erste Gentherapie gegen spinale<br />

Muskelatrophie möglich. Wahrlich faszinierende<br />

Erfolge im Ergebnis translationaler, z. T. generationenübergreifender<br />

Forschung, die durch einen<br />

hohen Grad an Interdisziplinarität geprägt ist.<br />

Aber die Weiterbildung zum Facharzt für <strong>Neurologie</strong><br />

entspricht nicht mehr den (interdisziplinären)<br />

Anforderungen dieses gewandelten Berufsbildes<br />

und „muss zukünftig dringend angepasst werden,<br />

damit wir für die Praxis besser vorbereitet sind“,<br />

mahnt die Nachwuchsorganisation Junge Neurologen<br />

(JuNo) an: Was jetzt dingend zu tun ist: „Das<br />

Pflichtjahr nur in der Psychiatrie muss abgeschafft<br />

und wahlweise durch weitere Fächer wie Innere<br />

Medizin, Anästhesiologie, Notfallmedizin, Neuroradiologie,<br />

Neurochirurgie, Allgemeinmedizin oder<br />

Neuropathologie ersetzt werden“, so der Appell<br />

einer Petition, die dem Präsidenten der BÄK und<br />

Verantwortlichen für die Musterweiterbildungsordnung<br />

(MWBO), Prof. Dr. Frank U. Montgomery,<br />

überreicht wurde.<br />

Das Fach, so konstatierte Professor Dr. Geron R. Fink,<br />

bis Ende 2018 Präsident der Deutschen Gesellschaft<br />

für <strong>Neurologie</strong> (DGN), im Rahmen einer Pressekonferenz<br />

der Neurowoche 2018 in Berlin, „hat das<br />

Potenzial, bisher unheilbare, schwere chronische,<br />

persönlichkeitsverändernde, altersbedingte ,Volkskrankheiten'<br />

und tausende seltene Erkrankungen<br />

zu erforschen, aufzuhalten und in immer mehr Fällen<br />

auch zu heilen”. Was könnte attraktiver sein für<br />

einen jungen Mediziner?<br />

Möge die Neustrukturierung der Ausbildung mit<br />

entscheidenden Vorteilen für unser aller Wohl<br />

recht bald gelingen, damit zukünftige Neurologen<br />

mit besseren akutmedizinischen, differenzialtherapeutischen<br />

und neuroradiologischen<br />

Fähigkeiten die wachsenden Anforderungen in der<br />

neurologischen Versorgung immer älter werdender<br />

Menschen erfüllen können.<br />

Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre<br />

dieser connexi-<strong>Ausgabe</strong>, die viele interdisziplinäre<br />

Aspekte berührt.<br />

Berlin, Mai <strong>2019</strong><br />

Herzlichst Anja Lamprecht<br />

Verlegerin<br />

Anja Lamprecht<br />

anja.lamprecht@thepaideiagroup.com<br />

3


INHALTSVERZEICHNIS<br />

Editorial 3<br />

Anja Lamprecht<br />

Interview 6<br />

„Die Notfallmedizin ist ein zunehmend akut<br />

werdendes Generalthema“<br />

mit Professor Dr. Helmuth Steinmetz<br />

Neurochirurgie 25<br />

Hemikraniektomie (beim malignen<br />

Schlaganfall) – Pro Hemikraniektomie<br />

Katharina A.M. Hackenberg, Daniel Hänggi<br />

Schwindel in der Notaufnahme 11<br />

Häufige Diagnosen und Fehldiagnosen<br />

Georg Royl<br />

NOAK-assoziierte Blutung 29<br />

Prothrombinkomplex-Konzentrate senken<br />

nicht das Nachblutungsrisiko<br />

Hagen Huttner, Stefan Gerner<br />

Akuter Schlaganfall 15<br />

Relevanz der Troponinbestimmung<br />

Christian Nolte<br />

Vaskuläre <strong>Neurologie</strong> 19<br />

Update Schlaganfall im Kindesalter<br />

Maja Steinlin<br />

Medizinisches Cannabis für Kinder? 22<br />

Therapieoption bei neuropsychiatrischen<br />

Erkrankungen<br />

Symposiumsbericht<br />

The Story Behind® 32<br />

Nerv auf Abwegen<br />

Michael Kaplan<br />

Mechanische Herzklappen und intrakranielle Blutung 33<br />

Empfehlungen zur Therapie<br />

Karl Georg Häusler, Joji B. Kuramatsu<br />

Epilepsie 38<br />

Therapeutische Weichenstellungen beim<br />

Übergang von Adoleszenz ins Erwachsenenalter<br />

Andreas Schulze-Bonhage<br />

4


Therapie der Migräne 41<br />

Gepante und monoklonale Antikörper<br />

gegen CGRP und den CGRP-Rezeptor<br />

Charly Gaul<br />

Neue Therapieoption 44<br />

Spezifische Migräne-Prophylaxe als<br />

Quartalsdosis verfügbar<br />

Parkinson-Syndrome 54<br />

Multiprofessionelle Therapie<br />

Georg Ebersbach<br />

Parkinson-Syndrom 57<br />

Tränenflüssigkeit als neue Quelle<br />

für Biomarker?<br />

Matthias Börger<br />

Alzheimer Diagnostik 47<br />

Multimodale Bildgebung – reif für die Praxis?<br />

Stefan Teipel<br />

Erklärungsansätze für Alzheimer- oder Parkinson-Risiko<br />

diabetischer Patienten 50<br />

Insulin: Schutzmechanismus im Gehirn<br />

Hirntumoren bei Kindern 61<br />

Relevanz der molekularen Diagnostik für<br />

aktuelle Therapiestrategien<br />

Rudolf Korinthenberg<br />

Phase-1-2a-Studie publiziert 64<br />

Anlass zur Hoffnung auf kausale<br />

Chorea Huntington-Therapie<br />

Kognitive Aktivierung 51<br />

Welche Möglichkeiten gibt es im höheren<br />

Lebensalter?<br />

Valentina A. Tesky<br />

Impressum/Pro domo 66<br />

5


INTERVIEW<br />

„Die Notfallmedizin ist ein zunehmend<br />

akut werdendes Generalthema“<br />

mit Professor Dr. Helmuth Steinmetz*<br />

Die 36. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurointensiv- und Notfallmedizin (DGNI) und der Deutschen<br />

Schlaganfallgesellschaft (DSG) fand vom 17. bis 19.1.2018 im Berliner Hotel Maritim statt und wurde auch in<br />

diesem Jahr traditionell als Arbeitstagung Neurointensivmedizin (ANIM) ausgerichtet. Thematische Schwerpunkte<br />

waren u.a. die Prä- und Posthospitalisierungsphase der Schlaganfallbehandlung, die Subarachnoidalblutung und<br />

die Neuroinfektiologie. Vor dem Hintergrund aktueller Herausforderungen, insbesondere in der Notfallmedizin,<br />

wurden in mehreren Veranstaltungen auch gesundheitspolitische Themen aufgegriffen und diskutiert. Worum es<br />

dabei genau geht, erklärte Kongresspräsident Prof. Dr. Helmuth Steinmetz, Frankfurt/M. im Interview.<br />

CONFERENCES<br />

Herr Professor Steinmetz, der Kongress ist in vollem<br />

Gange, entspricht der bisherige Verlauf Ihren<br />

Erwartungen als Kongresspräsident, sind Sie<br />

zufrieden mit der Location und der Organisation?<br />

Steinmetz: Es entspricht alles voll und ganz<br />

meinen Erwartungen, sowohl was die Teilnehmerzahl<br />

angeht, die heute, am zweiten Tag schon bei<br />

1.200 plus liegt, als auch, was den außerordentlich<br />

angenehmen Kongressort betrifft. Die Programmkommission<br />

hat aus den zahlreichen eingereichten<br />

Bewerbungen ein anspruchsvolles Programm<br />

zusammengestellt, das alle in der Neurointensivmedizin<br />

tätigen Berufsgruppen adressiert und zum<br />

intensiven kreativen Gedankenaustausch anregt.<br />

Bestes Beispiel für den interdisziplinären Charakter<br />

des Kongresses ist die Subarachnoidalblutung, ein<br />

interaktives Krankheitsbild, weil die Neurochirurgen,<br />

Neuroradiologen und Neurologen gemeinsam<br />

behandeln. Die ANIM ist der einzige Kongress, wo<br />

sich Neurologen und Neurochirurgen über gemeinsame<br />

Probleme unterhalten. Das gibt es ansonsten<br />

leider kaum noch, deshalb bin ich sehr froh darüber,<br />

dass die SAB hier Schwerpunktthema ist.<br />

Bezüglich der Organisation habe ich mit Conventus<br />

Congressmanagement & Marketing sehr angenehme<br />

Erfahrungen gemacht. Dem Veranstalter ist ein Gutteil<br />

des erfolgreichen Kongressverlaufes zu verdanken.<br />

Welche wissenschaftlichen Highlights würden<br />

Sie hervorheben?<br />

Steinmetz: Die Erfolgsstory der letzten Jahre<br />

in der neuromedizinischen Notfallversorgung ist<br />

die Schlaganfallbehandlung. Sie hat sich, insbesondere<br />

durch die neuen technischen Verfahren<br />

der katheterbasierten Thrombektomie, seit 2015<br />

in einer Weise revolutioniert, wie wir das lange<br />

Zeit nicht geglaubt haben. Das war auch hier wieder<br />

großes Thema, inklusive der Veränderungen,<br />

die das für die Prähospitalphase mit sich bringt.<br />

Dies auch deshalb, weil das traditionelle Zeitfenster<br />

nicht mehr gilt, es liegt vielmehr individuell<br />

verschieden bei mittlerweile bis zu 24 Stunden.<br />

Zwar kommen, je länger es dauert, immer weniger<br />

Pa tienten für eine solche Behandlung infrage, aber<br />

wir haben gleichzeitig immer besser gewordene<br />

(bildgebende) Auswahlinstrumente, die bis zu 24 h<br />

noch kausale Therapie ermöglichen. Das zu erleben<br />

ist für einen Neurologen ein echtes Highlight, fast<br />

schon ein Wunder.<br />

Was ist Ihre Meinung zum Urteil des Bundessozialgerichts<br />

(BSG) zur Transportzeit beim Schlaganfall?<br />

Steinmetz: Dieses BSG-Urteil vom 19.6.2018<br />

zu den halbstündigen Transportzeiten betrifft die<br />

Schlaganfallversorgung besonders empfindlich. Die<br />

Transportzeitdefinition des BSG ist aus meiner Sicht<br />

abzulehnen, sowohl das Gerichtsurteil als auch die<br />

OPS-Texte, die die 30 Minuten vorgeben. Es macht ja<br />

nur Sinn, etwas als Qualitätskriterium vorzugeben,<br />

was der Leistende auch selbst steuern kann. Und die<br />

*Professor Dr. Steinmetz ist Direktor der Klinik für <strong>Neurologie</strong><br />

am Universitätsklinikum Frankfurt, Zentrum der <strong>Neurologie</strong><br />

und Neurochirurgie<br />

6


INTERVIEW<br />

Professor Dr. Helmuth Steinmetz<br />

helmuth.steinmetz@kgu.de<br />

Verlegungsdauer in ein anderes Haus gehört nicht<br />

mehr zu dem, was ein Verlegender steuern kann.<br />

Sie ist eher durch seine Geografie, durch die Tageszeit,<br />

ob ein Hubschrauber zur Verfügung steht etc.<br />

bedingt und nicht durch seine eigene Qualität. Deshalb<br />

bin ich absolut gegen ein Zeitkriterium. Dieses<br />

höchstinstanzliche Urteil ist zwar gültig, aber<br />

momentan gehen unsere Hoffnungen dahin, dass<br />

die Krankenkassen als für die Versorgungsqualität<br />

ebenso Verantwortliche nicht auf der Umsetzung<br />

bestehen. Das Verlegungszeitkriterium als Maß der<br />

Vergütung ist kein geeignetes Instrument, weil es<br />

die Versorgung in der Fläche verschlechtern wird.<br />

Bei allen großen zu verzeichnenden Fortschritten<br />

in der akuten Schlaganfallversorgung konstatieren<br />

Sie „Es gibt auch neue Fragen“. Welche sind<br />

das, und wurden im Rahmen des Kongresses Antworten<br />

gefunden?<br />

Steinmetz: Die wirklich neuen großen Fragen<br />

beziehen sich auf die Notfallversorgung − ein seit<br />

einigen Jahren bestehendes, aber zunehmend akut<br />

werdendes Generalthema in der Medizin, das auch<br />

die Neuromedizin betrifft. Es ist ein Hauptthema<br />

dieses Kongresses, das u. a. auch das Präsidentensymposium<br />

prägte. Hier haben wir einige interessante<br />

Beiträge gehört, die die aktuellen politischen<br />

Entwicklungen reflektierten. Es passt sehr gut, dass<br />

wir hier in Berlin, wo ja die Gesundheitspolitik<br />

zum wesentlichen Teil gemacht wird, das Thema<br />

„Zukünftige Weiterentwicklung der Notfallmedizin“<br />

besprechen. Die in den letzten Jahren steigende<br />

Zahl von Patienten in Notaufnahmen, vor<br />

allem nachts und an den Wochenenden, ist ein<br />

zunehmendes Ärgernis für Ärzte wie Patienten.<br />

Es sind zu einem Gutteil Selbstvorsteller, die noch<br />

nicht einmal behaupten, dass es sich bei ihnen<br />

um einen Notfall handele, aber darauf verweisen,<br />

dass sie sich nicht anders zu helfen wissen, weil<br />

sie keine Termine bekommen, keine niedergelassenen<br />

Fachärzte verfügbar sind usw. Wie dieses<br />

ganze System in Zukunft besser aufzustellen ist,<br />

wurde in diesem Symposium diskutiert. Meines<br />

Erachtens, und das war auch die Meinung aller<br />

Beteiligten, hat dort Prof. Ferdinand Gerlach, der<br />

Vorsitzende des Sachverständigenrates, der die<br />

Bundesregierung direkt berät, ein hervorragendes<br />

Konzept vorgestellt. Sicher kann daran hier und da<br />

jetzt Kritik geübt werden, aber es wird, davon bin<br />

ich überzeugt, in der Lage sein, die Situation für die<br />

Zukunft deutlich zu verbessern.<br />

Was beinhaltet dieses Konzept und sehen Sie<br />

realistische Chancen, dass es in naher Zukunft<br />

umgesetzt werden kann?<br />

Steinmetz: Das Grundprinzip wird sein, dass<br />

nicht mehr alle „Leistungserbringer“ die Notfälle<br />

behandeln sollen, sondern nur noch bestimmte<br />

Einrichtungen, die hierfür formulierte Kriterien<br />

erfüllen und die dafür gesondert finanziert werden<br />

sollen, um die Vorhaltung dieses Services, der<br />

ja zunächst mal nicht „profitabel“ ist, zu ermöglichen.<br />

Das Konzept besteht darin, dass man nicht<br />

mehr drei verschiedene Zugänge ins Medizinsystem<br />

hat, sondern nur noch einen. Es erscheint mir<br />

sehr schlüssig, dass nicht mehr Rettungsdienst<br />

oder kassenärztliche Ambulanz oder Zentrale Notaufnahme<br />

eines Klinikums Anlaufstelle für die<br />

Notfälle sind, sondern, dass der Fluss kanalisiert<br />

CONFERENCES<br />

7


INTERVIEW<br />

CONFERENCES<br />

wird über eine Integrierte Notfallleitstelle unter<br />

der zentralen Nummer 116117. Diese muss in der<br />

Bevölkerung deutlich besser vermittelt werden.<br />

Von dort aus wird der Patient, idealerweise in<br />

einem sinnvolleren Verteilungsmodus als bisher, in<br />

den geeigneten Arm des Systems vermittelt. Interessant<br />

und unerwartet war für mich, dass auch<br />

im Auditorium hierzu so wenig Dissens war. Alle<br />

Beteiligten**, von denen ich gedacht habe, sie sind<br />

da „antagonistischer“, haben dem zugestimmt.<br />

Ich rechne fest damit, dass das in den nächsten<br />

Jahren umgesetzt wird. Nachdem bereits viele<br />

Voraussetzungen geschaffen worden sind, ist jetzt<br />

quasi der letzte ein politischer Schritt, der aber<br />

z. T. noch landespolitische Grenzen überwinden<br />

muss. Es ist nun eine Frage der Gesetzgebung. Wie<br />

von Herrn Prof. Gerlach ausgeführt, sind wir aber<br />

inzwischen unter hohem Druck, eine praktikable<br />

Regelung zu präsentieren, und zwar demnächst,<br />

um nicht ganz anderen Entwicklungen Vorschub<br />

zu leisten, wie z. B. einer elektronischen handybasierten<br />

Erstversorgung, der sogenannten „Plattformökonomie“,<br />

angeboten von Firmen, die sich<br />

zwischen Patient und Medizinsystem schieben.<br />

Andererseits haben wir in dem Symposium auch<br />

gehört, dass, während der Schwede drei Arztkontakte<br />

hat pro Jahr, der deutsche Durchschnittsbürger<br />

20 mal im Jahr zum Arzt geht. Davon wegzukommen<br />

ist auch ein Teil der Lösung des Problems.<br />

Zweifellos ist es so, dass Überangebote im Medizinbereich<br />

die Tendenz haben, sich ihren Bedarf<br />

irgendwie selber zu schaffen. Aber je mehr Angebot<br />

da ist, desto mehr Nachfrage wird es auch in<br />

der Medizin geben. Eine Angebotsreduktion wäre<br />

sowohl ökonomisch als auch wahrscheinlich der<br />

Qualität zuträglich. Nur hat bisher eben keiner eine<br />

** auf dem Podium diskutierten Helmuth Steinmetz, Frankfurt a.M., Frank<br />

Joachim Erbguth, Nürnberg, Helge Tropka, München, Stefan Schwab,<br />

Erlangen, Ferdinand Gerlach, Frankfurt a. M., Martin Pin, Düsseldorf, André<br />

Gries, Leipzig<br />

Angebotsreduktion erreicht, obwohl das Ziel seit<br />

Seehofer vor 20 Jahren gesteckt ist. Ich denke, es<br />

scheitert zuerst an der Politik in den Wahlkreisen.<br />

Steht für den „sinnvolleren Verteilungsmodus“<br />

im Notfallmanagement genügend qualifiziertes<br />

Personal zur Verfügung, damit die vorgesehene<br />

Kanalisierung funktioniert?<br />

Steinmetz: In der Tat, das ist der Systemwechsel,<br />

den wir vor uns haben. Heute ist es ja oft so, dass<br />

in Notaufnahmen oder im Bereitschaftsdienst viele<br />

Jüngere, noch relativ unerfahrene Ärzte arbeiten.<br />

Das muss sich natürlich ändern, wenn wir zu diesem<br />

neuen Modell kommen. Dort muss der Gate Keeper<br />

ein absolut erfahrener, am besten der Erfahrenste<br />

sein, um vor allem die Inanspruchnahme von stationären<br />

Aufnahmen zu reduzieren. Zurzeit ist es so,<br />

wenn man nicht genau weiß, wie man entscheiden<br />

soll oder sich der im Dienst Befindliche die Entscheidung<br />

nicht zutraut oder wenn es in Spitzenzeiten<br />

gerade zu viele „Selbstvorsteller“ sind, nimmt man<br />

eher mal stationär auf, um keinen Fehler zu machen.<br />

Das ist in der Zukunft nicht mehr hinnehmbar, da<br />

muss am Anfang der Kette der Kompetenteste stehen,<br />

der die Entscheidung trifft. Ich hoffe, dies ist<br />

mit den Zusatzqualifikationen Notfallmedizin, die<br />

wir jetzt zunehmend bekommen, gewährleistet. Derzeit<br />

würde ich sagen, haben wir wahrscheinlich noch<br />

nicht genug Leute dieser Art, aber wir werden sie in<br />

Zukunft haben. Und wenn dann solche Zentren auch<br />

mit finanziellen Zuschlägen belegt werden, die ihnen<br />

die Vorhaltung solch hochqualifizierten Personals<br />

auch ermöglichen, dann müsste sich das umsetzen<br />

lassen. Das ist heute noch nicht der Fall, aber genau<br />

das ist der Sinn dieser politischen Konzepte.<br />

Wie würden Sie die Neurointensivmedizin verorten,<br />

hat sie im Medizinsystem den ihr gebührenden<br />

Platz, die Wertschätzung und Kernkompetenz,<br />

wie sie ihr zusteht?<br />

8


Der neue CGRP-Antikörper für die spezifische Migräneprophylaxe 1<br />

Weniger Migräne.<br />

Mehr vom Leben.<br />

Jakobs Geburtstag<br />

Nein, wegen meiner Migräne<br />

brauche ich absolute Stille<br />

Ja, ich kann mit ihm feiern!<br />

Stark & schnell – Schnell weniger Migränetage 1–3<br />

NEU<br />

Verträglich – Verträglichkeitsprofil auf Placebo-Niveau 1–3<br />

Flexibel – Flexibles Injektionsintervall:<br />

subkutane Gabe 1 x/Monat oder 1 x/Quartal 1<br />

DE/FRE/19/0062<br />

1. Fachinformation AJOVY®, Stand: 03/<strong>2019</strong>. 2. Dodick DW et al. JAMA 2018; 319(19): 1999–2008. 3. Silberstein SD et al. N Engl J Med 2017; 377(22): 2113–2122.<br />

AJOVY® 225 mg Injektionslösung in Fertigspritze<br />

Wirkstoff: Fremanezumab. Zusammensetzung: Eine Fertigspritze enth. 225 mg Fremanezumab. Fremanezumab ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper, der mittels rekombinanter DNA-Technik in Eizellen des<br />

chinesischen Hamsters (Chinese Hamster Ovary, CHO) hergestellt wird. Sonst. Bestandt.: Histidin, Histidinhydrochlorid-Monohydrat, Sucrose, Natriumedetat (Ph.Eur.), Polysorbat 80, Wasser für Injektionszwecke.<br />

Anwendungsgebiete: Migräneprophylaxe bei Erw. mit mind. 4 Migränetagen pro Monat. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gg. den Wirkstoff od. einen der sonst. Bestandt. Warnhinw.: AM enth. weniger als 1 mmol<br />

Natrium (23 mg) pro Dosiereinheit, d. h. es ist nahezu „natriumfrei“. Schwangerschaft/Stillzeit: Anwend. währ. der Schwangerschaft vermeiden. Anwend. währ. der Stillzeit nur in Betracht ziehen, falls diese klinisch erford.<br />

ist. Nebenwirkungen: Schmerzen an der Injektionsstelle. Verhärtung an der Injektionsstelle. Erythem an der Injektionsstelle. Juckreiz an der Injektionsstelle. Ausschlag an der Injektionsstelle. Immunogenität. Dosierung:<br />

Es stehen zwei Dos.optionen zur Verfügung: 225 mg einmal monatlich od. 675 mg alle drei Monate. Status: Verschreibungspflichtig. Stand: 3/19.<br />

TEVA GmbH, Graf-Arco-Str. 3, 89079 Ulm, Deutschland. Weitere Informationen siehe Fachinformation.<br />

▼Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung. Dies ermöglicht eine schnelle Identifizierung neuer Erkenntnisse über die Sicherheit. Angehörige von Gesundheitsberufen sind aufgefordert, jeden<br />

Verdachtsfall einer Nebenwirkung zu melden. Hinweise zur Meldung von Nebenwirkungen, siehe Abschnitt 4.8.


INTERVIEW<br />

CONFERENCES<br />

Steinmetz: Das ist eine schwierige Frage. Die<br />

<strong>Neurologie</strong> gehört zu den wissenschaftlich aktivsten<br />

und kreativsten Fächern zurzeit in der Medizin.<br />

Die wissenschaftlichen Ergebnisse der Neuromedizin<br />

sind in den letzten Jahren bemerkenswert. Unser<br />

Appell ist der, diese Kreativität verstärkt wieder in<br />

die Neurointensivmedizin hinein zu tragen, weil uns<br />

nur das diesen Teil unseres Faches auch erhalten<br />

wird. Die Neurointensivmediziner haben vielleicht<br />

in der letzten Zeit nicht die wissenschaftliche Kreativität<br />

an den Tag gelegt, die andere Teilbereiche<br />

wie die Neuroimmunologie, die Neuro onkologie<br />

oder die neurodegenerativen Erkrankungen auszeichnet.<br />

Wir müssen versuchen den Nachwuchs<br />

dahin zu führen, die Intensivmedizin wieder wissenschaftlich<br />

kreativ zu gestalten. Wenn man zu<br />

inaktiv wird, verliert man irgendwann die Expertise.<br />

Dem müssen wir entgegentreten, d. h. wir müssen<br />

das wissenschaftliche Engagement des Nachwuchses<br />

dahingehend fördern, Anreize setzen. Das ist<br />

eine sehr wichtige Aufgabe, nicht zuletzt für Chefs<br />

als hoffentlich Vorbilder.<br />

In der Neurointensivmedizin ist zurzeit eine Qualitätsdiskussion<br />

im Gang. Woran wird Qualität<br />

in der Neurointensivmedizin gemessen, z. B. der<br />

Langzeitverlauf bestimmter neurointensivmedizinischer<br />

Maßnahmen?<br />

Steinmetz: Studien zur gesamten Intensivmedizin<br />

sind aus meiner Sicht rar. Es gibt natürlich Langzeitaussagen<br />

für bestimmte Erkrankungen, die auf ITS<br />

behandelt werden, Schlaganfall ist dafür das beste<br />

Beispiel. Aber zu vielen anderen gibt es keine Untersuchungen.<br />

Das ist im Grunde genommen der vorhin<br />

erwähnte wissenschaftliche Inhalt, an dem es z. T.<br />

etwas mangelt, und den wir liefern müssen. Das von<br />

der Gesellschaft geförderte Projekt, wie es Frau Kollegin<br />

Katja Wartenberg, Leipzig, eine der diesjährigen<br />

Preisträgerinnen des Kongresses, vorgestellt hat, ist<br />

ein solcher Versuch, die Intensivmedizin mit wissenschaftlichen<br />

Fragen wieder stärker anzureichern. Sie<br />

hat für die Subarachnoidalblutung ein neues Langzeitprojekt<br />

aufgelegt, das zu einer besseren prognostischen<br />

Aussage bei Patienten mit SAB kommen<br />

möchte.<br />

Im Titel eines Symposiums wird die Frage suggeriert,<br />

dass die Gesundheitspolitik (sprich ökonomische<br />

Zwänge) das Behandlungsergebnis<br />

bestimmt. Wenn ja, welche Konzepte gibt es seitens<br />

der Ärzteschaft, mit der schwierigen Situation<br />

zwischen begrenzten Ressourcen und hohen<br />

Qualitätsansprüchen umzugehen?<br />

Steinmetz: Dass die Gesundheitspolitik oder die<br />

Ökonomie die Behandlungserfolge bestimmen, sehe<br />

ich persönlich bisher nicht so. Aber die Frage, ob die<br />

Ökonomie das Verhalten der Ärzte beeinflusst, ist<br />

trotzdem berechtigt, und ich würde sie mit Bedauern<br />

bejahen. Dazu gibt es gute wissenschaftliche<br />

Untersuchungen. Indirekt kann das vermutlich auch<br />

Einfluss auf die Therapiewahl haben. Aber letztendlich<br />

ist die zunehmende Ökonomieorientierung der<br />

Medizin bisher der demokratisch herbeigeführte parteienübergreifende<br />

politische Wille, d. h. dass wir uns<br />

ökonomisch „selbststeuern“ sollen und damit Zielkonflikten<br />

ausgeliefert werden. Das ist sicher eine<br />

ungünstige Entwicklung, die durch das DRG-System<br />

noch verstärkt worden ist. Der Arztberuf muss aber<br />

unabhängig bleiben und darf sich nicht den „Göttern<br />

in Grau“ unterordnen. Ein Problem sehe ich aber<br />

auch darin, dass die Ressourcen in Deutschland im<br />

internationalen Vergleich zwar mit die besten sind,<br />

nur werden sie wohl oft an den falschen Stellen eingesetzt.<br />

Diese Sicht, wie sie z. B. auch Herr Prof. Gerlach<br />

vertritt, teile ich. Es geht um bessere Verteilung.<br />

Herr Professor Steinmetz, vielen Dank für dieses<br />

Gespräch.<br />

Die Fragen stellte Elke Klug<br />

10


SCHWINDEL IN DER NOTAUFNAHME<br />

Häufige Diagnosen und Fehldiagnosen<br />

Georg Royl, Lübeck<br />

Der Schwindel ist das dritthäufigste neurologische Leitsymptom in der Notaufnahme, nach Kopfschmerzen<br />

und Lähmungen [1, 2]. Die Entscheidung benigne peripher vestibuläre vs. gravierende zentral-vestibuläre<br />

Ursache wird leider häufig unter Zeitdruck getroffen. Besonders fatal kann dabei das Übersehen eines möglicherweise<br />

gefährlichen zentralen Schwindels, z. B. als Hinweis auf einen Hirnstamminfarkt, sein.<br />

In einer großen Schwindelambulanz betrug der<br />

Anteil zentral-vestibulärer Syndrome 12 % [1]. In<br />

einer retrospektiven Studie der Charité Berlin wurde<br />

anhand der Protokolle von allen 475 konsekutiven<br />

Patienten eines Jahres, die sich mit dem Leitsymptom<br />

Schwindel in der Notaufnahme vorgestellt<br />

hatten, die dort gestellte Diagnose identifiziert. Die<br />

häufigsten Diagnosen waren der benigne paroxysmale<br />

Lagerungsschwindel (BPLS) (22 %), gefolgt<br />

von ischämischem Schlaganfall (20 %), Präsynkope<br />

(15 %), psychogenem Schwindel (13 %) und<br />

Neuropathia vestibularis (11 %) (Abbildung 1). Der<br />

Anteil an gravierenden Diagnosen in der Notaufnahme<br />

war mit 27 % gegenüber dem Anteil aus<br />

der Schwindelambulanz mehr als verdoppelt [2].<br />

Sechs Prozent falsch-benigne<br />

Diagnosen<br />

Bei 124 Patienten mit verfügbarer Diagnosekontrolle<br />

(stationäre Aufnahme oder erneute kurzfristige<br />

Vorstellung in der Notaufnahme) wurde die beim<br />

zweiten Mal gestellte Diagnose mit der initialen Notaufnahmediagnose<br />

verglichen. Diese wurde in 44 %<br />

der Fälle korrigiert. In 11 % wurde eine benigne in<br />

eine andere benigne Diagnose geändert (z. B. Präsynkope<br />

statt BPLS, vestibuläre Migräne statt Neuropathia<br />

vestibularis). Bei 4 % erfolgte die Korrektur einer<br />

gravierenden Diagnose hin zu einer anderen gravierenden<br />

Diagnose, z. B. von ischämischem Hirninfarkt<br />

zu einer entzündlichen ZNS-Erkrankung. Solche Kor-<br />

CONFERENCES<br />

11


SCHWINDEL IN DER NOTAUFNAHME<br />

73 %<br />

benigne<br />

B. p. Lagerungsschwindel<br />

Präsynkope<br />

psychogener Schwindel<br />

Neuropathia vestibularis<br />

vestibuläre Migräne<br />

Morbus Meniere<br />

Vestibularisparoxysmie<br />

Hörsturz<br />

27 %<br />

gravierend<br />

zerebrale Ischämie<br />

entzündliche ZNS-Erkrankung<br />

intrakranieller Tumor<br />

Carbamazepinintoxikation<br />

intrakranielle Blutung<br />

Wernicke-Enzephalopathie<br />

paraneoplastisches Syndrom<br />

475 Notaufnahme-Patienten mit Leitsymptom Schwindel<br />

0 % 5 % 10 % 15 % 20 % 25 %<br />

Abbildung 1: In der Notaufnahme gestellte Diagnosen von 475 Schwindelpatienten [2].<br />

Priv.-Doz. Dr. med. Georg Royl<br />

georg.royl@neuro.uni-luebeck.de<br />

CONFERENCES<br />

rekturen (benigne zu benigne, gravierend zu gravierend)<br />

sind in der Akutsituation nicht schwerwiegend,<br />

zeigen sie doch eine richtige Zuordnung benigne vs.<br />

gravierende Diagnose an, die ja das vordringliche Ziel<br />

der Notaufnahmeeinschätzung ist. Dies trifft aber<br />

nicht zu für die Fälle, bei denen eine initial angenommene<br />

gravierende Diagnose zu einer benignen<br />

geändert wurde (falsch-gravierend) oder umgekehrt<br />

(falsch-benigne).<br />

Zu einer falsch-gravierenden Diagnose kam es in<br />

der Studie bei 23 % der Fälle. Bei 22 von 70 Pa tienten<br />

mit der Notaufnahmediagnose Hirnstamminfarkt<br />

wurde z. B. im Verlauf eine benigne Diagnose wahrscheinlicher,<br />

am häufigsten die Neuropathia vestibularis<br />

(sieben Fälle). Initial falsch-gravierend gestellte<br />

Diagnosen können eine Sicherheitsvorkehrung<br />

widerspiegeln („lieber vom Schlimmeren ausgehen“),<br />

die auch den Gedanken impliziert, die Diagnose im<br />

weiteren (meist stationären) Verlauf noch einmal zu<br />

überprüfen.<br />

In der Studie kam es aber leider auch zu 6 %<br />

falsch-benignen Diagnosen, also potenziell lebensbedrohenden<br />

Fehldiagnosen. Die größte Gruppe<br />

stellten dabei die Patienten, bei denen die Notaufnahmediagnose<br />

Neuropathia vestibularis zur<br />

Diagnose Schlaganfall korrigiert wurde [2].<br />

Schlaganfallrisiko bei<br />

Schwindelpatienten höher<br />

Dass solche Fälle nicht nur immer wieder passieren,<br />

sondern auch eine klinische Relevanz haben,<br />

zeigt eine Studie, die anhand von ICD-10 Diagnosen<br />

42.000 Patienten selektierte, die aus einer Notaufnahme<br />

in Ontario mit der Diagnose „periphere<br />

vestibuläre Störung“ entlassen worden waren.<br />

Diese wurden mit einer Kontrollpopulation mit der<br />

Entlassungsdiagnose „Nierenkolik“ gematcht. Endpunkt<br />

war ein folgender Krankenhaus-Aufenthalt<br />

wegen Schlaganfalls. Das absolute Risiko war wie<br />

erwartet in beiden Gruppen niedrig (


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SCHWINDEL IN DER NOTAUFNAHME<br />

a priori<br />

Schlaganfällen bei Schwindelpatienten. Dies ist<br />

auch deshalb wenig überraschend, weil Kleinhirninfarkte<br />

sich mit Schwindel als einzigem Symptom<br />

manifestieren können, v. a. bei PICA-Infarkten [3].<br />

Differenzialdiagnostik<br />

Bei in der Notaufnahme bereits abgeklungenen<br />

Symptomen lässt sich die Diagnose Schlaganfall<br />

daher ohne cMRT nicht gut ausschließen, vor allem<br />

wenn anamnestisch keine eindeutige Zuordnung<br />

zu einer peripheren Genese möglich ist. Bei noch<br />

anhaltender Symptomatik hat sich die sogenannte<br />

HINTS-Trias aus Kopfimpulstest (HI), Nystagmus (N)<br />

akutes vestibuläres S yndrom + mind. 1 kardiovask.<br />

RF<br />

HI N TS<br />

Nystagmus<br />

Kopfimpulstest<br />

Untersuchung<br />

auf<br />

Skew<br />

Deviation<br />

gravierende<br />

zentrale Ursache<br />

für Schwindel<br />

75 %<br />

sank die Wahrscheinlichkeit auf 0 %, wenn alle<br />

„benignen HINTS-Zeichen“ bestanden: ein pathologischer<br />

Kopfimpulstest, ein horizontaler Nystagmus<br />

ohne Richtungswechsel und eine fehlende<br />

Skew Deviation (Abbildung 2).<br />

Einschränkend muss gesagt werden, dass die<br />

HINTS-Zeichen bei Patienten mit kardioavaskulärem<br />

Risikoprofil erhoben wurden. Weiterhin sollte auch<br />

die z. T. eingeschränkte Sensitivität des klinischen<br />

Kopfimpulstestes beachtet und im Zweifel auch ein<br />

quantitativer Kopfimpulstest ergänzt werden [5].<br />

Fazit<br />

Die häufigsten Diagnosen bei Schwindel in der<br />

Notaufnahme sind BPLS, Schlaganfall, Präsynkope,<br />

psychogener Schwindel und Neuropathia vestibularis.<br />

Besonders tückisch ist die ähnliche Präsentation<br />

von Neuropathia vestibularis und Schlaganfall.<br />

Hier sollten die HINTS-Zeichen genau erhoben<br />

werden, am besten ergänzt durch einen quantitativen<br />

Kopfimpulstest und – insbesondere bei kardiovaskulärem<br />

Risikoprofil – durch ein cMRT.<br />

CONFERENCES<br />

„benign<br />

HINTS“<br />

„dangerous<br />

HINTS“<br />

pathologisch<br />

normal<br />

UND<br />

ODER<br />

horizontal<br />

ohne Richtungswechsel<br />

mit<br />

Richtungswechsel<br />

ODER<br />

ODER<br />

ohne Skew<br />

Deviation<br />

mit Skew<br />

Deviation<br />

0 %<br />

96 %<br />

Abbildung 2: Ergebnisse der HINTS-Studie [4]<br />

und Untersuchung auf Skew Deviation (TS) als sehr<br />

hilfreich in der Differenzialdiagnose Hirn stamminfarkt<br />

vs. Neuropathia vestibularis herausgestellt<br />

[4]. In dieser Arbeit war die Wahrscheinlichkeit für<br />

eine zentrale Ursache des Schwindels bei 96 %,<br />

wenn eines der „gefährlichen HINTS-Zeichen“ zu<br />

finden war: ein normaler Kopfimpulstest, ein horizontaler<br />

Nystagmus mit Richtungswechsel oder<br />

eine vorhandene Skew Deviation. Demgegenüber<br />

Literatur:<br />

1. Strupp M, Dieterich M, Brandt T. Dtsch Arztebl Int<br />

2013:110:505−515;quiz515−516.<br />

2. Royl G, Ploner CJ, Leithner C. Eur Neurol 2011;66:<br />

256−263.<br />

3. Lee H, Sohn SI, Cho YW, et al. Neurology 2006;67:1178−1183.<br />

4. Kattah JC, Talkad AV, Wang DZ, et al. Stroke 2009;40:<br />

3504−3510.<br />

5. Machner B, Sprenger A, Füllgraf H, et al. Nervenarzt<br />

2013;84:975−983.<br />

Priv.-Doz. Dr. med. Georg Royl<br />

Klinik für <strong>Neurologie</strong>, Universitätsklinikum Schleswig-<br />

Holstein, Campus Lübeck<br />

Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck<br />

14


AKUTER SCHLAGANFALL<br />

Relevanz der Troponinbestimmung<br />

Christian Nolte, Berlin<br />

Die Leitlinien der amerikanischen Schlaganfallgesellschaft (AHA/ASA) empfehlen bei Patienten mit akutem<br />

Schlaganfall auch die Bestimmung des Troponinwertes [1]. Troponin ist ein hochsensitiver Biomarker, der<br />

myokardiale Schädigungen nachweist, also den Untergang von Herzmuskelzellen [2]. Es ist hochspezifisch<br />

für Herzmuskelzellen und kommt in Nervenzellen nicht vor. Troponin hat sich vor allem in der Herzinfarktdiagnostik<br />

als elementarer Baustein der Diagnostik etabliert [3]. Welche Diagnostik für eine eventuell<br />

nachfolgende Behandlung von Schlaganfallpatienten mit Troponinerhöhung empfohlen werden soll,<br />

untersucht eine aktuelle Studie, deren Ergebnisse Ende 2020 zu erwarten sind.<br />

Die Klasse-1-Empfehlung (Class of Recommendation<br />

1) für die Bestimmung von Troponin bei<br />

Schlaganfallpatienten beruht auf der sehr robusten<br />

Beobachtung, dass ein erhöhtes Troponin bei<br />

Patienten mit akutem Schlaganfall sowohl eine<br />

schlechte Kurzzeit- als auch schlechte Langzeitprognose<br />

anzeigt [1]. Es ist sogar so, dass das<br />

Ausmaß der Troponinerhöhung und auch der<br />

Troponin verlauf signifikant mit der Prognose assoziiert<br />

sind. Der Zusammenhang mit einer schlechten<br />

Prognose ist umso deutlicher, je stärker die<br />

Tro poninerhöhung ausfällt und insbesondere,<br />

wenn die Troponin erhöhung dynamisch ist, also<br />

ansteigt oder abfällt (sogenannte Rise-and-Fall-<br />

Pattern) [4].<br />

Ursachen der Herz-Hirn-Interaktion<br />

Welche Ursachen könnte der starke Zusammenhang<br />

zwischen einem Biomarker für eine Herz-<br />

CONFERENCES<br />

15


AKUTER SCHLAGANFALL<br />

CONFERENCES<br />

Prof. Dr. med. Christian Nolte<br />

christian.nolte@charite.de<br />

muskelschädigung und schlechter Prognose nach<br />

akutem ischämischen Schlaganfall haben? Welche<br />

Konsequenzen ergeben sich aus dieser starken<br />

Herz-Hirn-Interaktion?<br />

Eine mögliche Erklärung könnte eine simultan<br />

vorliegende Herz(kranz)gefäßerkrankung bei<br />

Pa tienten mit Hirngefäßerkrankung wie Schlaganfall<br />

sein. Aus einer Kohorte französischer Pa tienten<br />

mit ischämischem Schlaganfall wissen wir, dass<br />

gut ein Viertel der Schlaganfallpatienten ohne<br />

Anamnese für eine koronare Herzerkrankung in der<br />

Koronarangiographie dennoch eine Koronarsklerose<br />

aufwies. Die Koronarsklerose war also klinisch<br />

stumm [5]. Ebenso wissen wir, dass diese klinisch<br />

stumme Koronarsklerose die Prognose signifikant<br />

negativ beeinflusst [6]. Der Troponinwert war in<br />

dieser Kohorte jedoch nicht bekannt.<br />

Aus eigenen Daten wissen wir, dass nicht nur<br />

ein Viertel, sondern sogar deutlich über die Hälfte<br />

der Patienten mit ischämischem Schlaganfall eine<br />

Koronarsklerose aufweist, wenn eine relevante Troponinerhöhung<br />

vorliegt. Eine höchstgradige, langstreckige,<br />

filiforme Koronarstenose lag in unserer<br />

Studie bei 14−24 % der Schlaganfallpatienten<br />

vor. Die gleiche Art höchstgradige Koronarstenose<br />

– eine „Culprit lesion“ – wurde bei Pa tienten mit<br />

akutem Brustschmerz in 80 % der Fälle nachgewiesen<br />

[7]. Das bedeutet zum einen, dass eine „Culprit<br />

lesion“ bei Patienten mit akutem Schlaganfall<br />

und Troponinerhöhung zwar signifikant seltener<br />

vorliegt als bei Patienten mit akuten Brustschmerzen.<br />

Zum anderen bedeutet es aber auch, dass eine<br />

höchstgradige Koronarstenose bei diesen Schlaganfallpatienten<br />

nicht selten ist.<br />

Hier ergibt sich nun ein klassisches Dilemma, für<br />

das die Leitlinien bisher keine Antwort geben. Bei<br />

Schlaganfallpatienten mit Troponinerhöhung ist<br />

die Prognose schlecht, eine wahrscheinliche Ursache<br />

ist eine schwere koronare Herzerkrankung (bis<br />

zu 24 %), aber das Vorgehen zu Diagnostik und<br />

Therapie ist beim akuten Schlaganfallpatienten<br />

unklar. Die Akuttherapie mit Koronarstent erfordert<br />

eine duale Thrombozytenfunktionshemmung,<br />

und diese könnte das (Ein-)Blutungsrisiko zerebral<br />

erhöhen.<br />

Troponinerhöhung ohne KHK?<br />

Was ist mit den Schlaganfallpatienten mit<br />

Troponin erhöhung, die keine manifeste koronare<br />

Herzerkrankung haben? Wieso liegt hier eine<br />

Erhöhung des Markers für Herzmuskelschädigung<br />

vor? Und wieso ist diese Troponin-Erhöhung nicht<br />

selten dynamisch, weist also auf eine akute Herzmuskelschädigung<br />

hin?<br />

Beobachtungen von Patienten mit anderen Hirnschädigungen<br />

(SAB, epileptischer Anfall) weisen<br />

darauf hin, dass Herzschädigungen auch neurogen<br />

vermittelt werden können. Bei diesen neurogen<br />

vermittelten Herzschädigungen kommt es zu charakteristischen<br />

Pumpfunktionsstörungen am Herzen,<br />

die als „neurogenic stunned myocardium“ (in<br />

etwa: neurogen betäubtes Myokardium), „transient<br />

16


AKUTER SCHLAGANFALL<br />

Myokardschädigung nach Schlaganfall:<br />

Autonome Dysbalance?<br />

(Sympathikusüberaktivität)<br />

Zeitgleich akutes Koronarsyndrom?<br />

Induziertes Koronarsyndrom?<br />

Neurogen vermittelte Schädigung?<br />

Abbildung 1: Bei Patienten<br />

mit Hirninfarkten in der<br />

rechten vorderen Inselregion<br />

treten akute Myokardschädigungen<br />

(gemessen am<br />

Troponin) häufiger auf.<br />

Abbildung 2: Mögliche Ursachen einer anhand des Troponinwertes erkennbaren Schädigung des<br />

Myokards nach Schlaganfall.<br />

apical balooning“ oder auch „Takotsubo-Syndrom“<br />

Eingang in die Literatur gefunden haben und die<br />

mit Troponinerhöhungen einhergehen [8]. Diese<br />

neurogen vermittelte Herzschädigung wird durch<br />

eine Sympathikusüberaktivität vermittelt. Im Tiermodell<br />

können Pumpfunktionsstörungen nach<br />

ischämischem Schlaganfall nachgewiesen werden.<br />

Die Koronararterien sind hier unauffällig [9].<br />

Interessanterweise gibt es einen Zusammenhang<br />

zwischen der Lokalisation des Schlaganfalls und<br />

der Wahrscheinlichkeit einer dynamischen Troponinerhöhung.<br />

So konnten Daten aus Berlin zeigen,<br />

dass Patienten, deren Schlaganfall den rechten<br />

anterioren Insellappen betrifft, signifikant häufiger<br />

eine dynamische Troponinerhöhung nach Schlaganfall<br />

aufweisen [10]. Die Insellappen registrieren<br />

und beeinflussen autonome Körperfunktionen wie<br />

Atmung und Herzschlag. Im rechten anterioren<br />

Insellappen ist die efferente Kontrolle der Herzfunktion<br />

lokalisiert [11].<br />

Zusammenfassend kann also eine koronarischämische<br />

und eine nichtkoronare, zumindest<br />

zum Teil neurogene Genese für eine Troponinerhöhung<br />

nach akutem Schlaganfall angenommen<br />

werden. Primär erscheint es sinnvoll zu versuchen,<br />

solche Patienten besser zu identifizieren, die eine<br />

höchstgradige Koronarstenose aufweisen, da hier<br />

etablierte Therapien zur Verfügung stehen [12].<br />

Dieses Ziel hat sich die PRAISE-Studie (Prediction<br />

of acute coronary syndrome in acute ischemic<br />

stroke) gesetzt [NCT03609385].<br />

Ist ein ACS bei Schlaganfallpatienten<br />

vorhersagbar?<br />

Die durch öffentliche Gelder finanzierte, multizentrische,<br />

prospektive PRAISE-Studie erfasst<br />

Pa tienten mit ischämischer Durchblutungsstörung<br />

des Gehirns und zusätzlich erhöhtem Troponinwert.<br />

Die Patienten erhalten mehrere standardisierte<br />

Untersuchungen des Herzens inklusive wiederholte<br />

Troponinmessungen, EKG, transthorakale<br />

Echokardiographie und diagnostische Koronarangiographie.<br />

Die Untersuchungsergebnisse werden<br />

jeweils ohne Kenntnis der klinischen Symptome<br />

oder der komplementären Untersuchungsergeb-<br />

CONFERENCES<br />

17


AKUTER SCHLAGANFALL<br />

nisse von sogenannten „core labs“ befundet. Die<br />

Frage, ob ein akutes Koronarsyndrom (ACS) vorliegt,<br />

wird abschließend von einem für die seriellen<br />

Troponinwerte und den Troponinverlauf gebildeten<br />

Expertengremium beurteilt.<br />

Für eine Troponin erhöhung<br />

nach akutem Schlaganfall<br />

kann eine koronarischämische<br />

und eine<br />

nichtkoronare , zumindest<br />

zum Teil neurogene Genese<br />

angenommen werden .<br />

Die PRAISE-Studie wird die Frage beantworten,<br />

ob und anhand welcher Parameter die Prätestwahrscheinlichkeit<br />

einer höchstgradigen<br />

Koronarstenose bei Patienten mit ischämischem<br />

Schlaganfall und Troponinerhöhung von ca. 24 %<br />

deutlich erhöht werden kann. Somit wird bei<br />

erfolgreichem Abschluss der PRAISE-Studie eine<br />

leitlinienrelevante Empfehlung formuliert werden<br />

können, ob und welche weiteren Untersuchungen<br />

eine Troponinerhöhung indiziert. Im Idealfall kann<br />

dann ein evidenzbasierter Algorithmus aufgestellt<br />

werden, welche Diagnostik Schlaganfallpatienten<br />

mit Troponinerhöhung empfohlen werden soll.<br />

Die PRAISE-Studie hat ihre Rekrutierung begonnen.<br />

Erste Ergebnisse sind für Ende 2020 zu<br />

er warten.<br />

Literatur:<br />

1. Powers WJ, Rabinstein AA, Ackerson T et al. Stroke<br />

2018;49:e46−e110.<br />

2. Hammarsten O, Mair J, Möckel M, et al. Biomarkers<br />

2018;23:725−734.<br />

3. Thygesen K, Alpert JS, Jaffe AS et al. J Am Coll Cardiol.<br />

2018;72:2231−2264.<br />

4. Scheitz JF, Mochmann HC, Erdur H, et al. Int J Cardiol<br />

2014;177:886-893.<br />

5. Amarenco P, Lavallée PC, Labreuche J, et al. Stroke<br />

2011;42:22−29.<br />

6. Amarenco P, Lavallée PC, Labreuche J et al. Stroke<br />

2013;44:1505-1511.<br />

7. Mochmann HC, Scheitz JF, Petzold GC et al. TRELAS Study<br />

Group. Circulation. 2016;133:1264−1271.<br />

8. Scheitz JF, Nolte CH, Doehner W, et al. The Lancet Neurol<br />

2018;17:1109−1120.<br />

9. Bieber M, Werner RA, Tanai E et al. Ann Neurol 2017;82:<br />

729−743.<br />

10. Krause T, Werner K, Fiebach JB et al. Ann Neurol<br />

2017;81:502−511.<br />

11. Palma JA, Benarroch EE. Neurology 2014;83:261−271.<br />

12. Scheitz JF, Nolte CH, Laufs U, Endres M. Stroke 2015;46:<br />

1132−1140.<br />

Prof. Dr. med. Christian H Nolte<br />

FESO, Center for Stroke Research Berlin,<br />

Klinik für <strong>Neurologie</strong>, Charité-Universitätsmedizin Berlin<br />

Hindenburgdamm 30, 12003 Berlin<br />

CONFERENCES<br />

Was zeigt eine Troponinerhöhung bei Patienten mit ischämischem Schlaganfall an?<br />

1. Die Prognose von Patienten mit Troponinerhöhung und ischämischem Schlaganfall ist besonders gut.<br />

2. Eine höchstgradige Koronarstenose liegt bei diesen Patienten nur sehr selten vor (


VASKULÄRE NEUROLOGIE<br />

Update Schlaganfall im Kindesalter<br />

Maja Steinlin, Bern<br />

Mit dem Wissen, dass Kinder im Vergleich zu jungen Erwachsenen weder mildere noch prognostisch bessere<br />

Verläufe bei Schlaganfall zeigen [1] und unter Berücksichtigung des noch vor ihnen stehenden ganzen<br />

Lebens sind die Erwartungen in Bezug auf wegweisende Forschungsergebnisse groß. Aber mit den großen<br />

Fortschritten im Bereich der Schlaganfalltherapie bei Erwachsenen kann leider der Schlaganfall im Kindesalter<br />

nicht ganz mithalten, obwohl das für die betroffenen Kinder von größter Wichtigkeit wäre. Es gibt<br />

nur wenige Studien, die Therapie bleibt eine große Herausforderung.<br />

Wie die Global-Burden-of-Disease-Studie zeigt,<br />

nimmt der Schlaganfall im Kindesalter weltweit<br />

zu. Dies ist verstärkt in den entwickelten Ländern<br />

zu beobachten, mit einer Steigerung der Prävalenz<br />

von 1990 bis 2013 von 71.750 auf 97.792 Betroffene.<br />

Dies wird einerseits auf die verbesserte Diagnostik<br />

zurückgeführt, aber insbesondere auch auf<br />

die Fortschritte der medizinischen Therapiemöglichkeiten<br />

mit einer Zunahme auch von Überleben<br />

nach Komplikationen [2].<br />

Die Erwartungen an Fortschritte sind insbesondere<br />

im Therapiebereich verständlicherweise groß.<br />

Leider gibt es jedoch im pädiatrischen Bereich weiterhin<br />

nur wenige Studien: Die Suche bei „trial. gov“<br />

zeigt unter dem Suchterminus „stroke“ 4.364 Hits,<br />

wohingegen bei „paediatric stroke“ nur gerade 20<br />

gefunden werden. Neben einigen Therapiestudien im<br />

Bereich Sichelzellanämie finden sich vor allem Studien,<br />

die Rehabilitation und Reorganisation betreffen<br />

sowie epidemiologische Studien zu Themen wie<br />

Häufigkeit, Outcome und Koagulation. Nur zwei<br />

Therapiestudien im Bereiche des kindlichen Schlaganfalls<br />

außerhalb der Sichelzellanämie sind aufgeführt:<br />

TIPS (thrombolysis in paediatric stroke) und<br />

PASTA (Paediatric Arteriopathy Steroid Aspirin Trial).<br />

Die TIPS-Studie musste leider im Jahre 2015<br />

geschlossen werden, da nach Screening von<br />

93 Pa tienten kein Kind eingeschlossen werden<br />

konnte [3]. Bei 54 % der vom Screening erfassten<br />

Kinder zeigte sich das bekannte Prob lem des<br />

kindlichen Schlaganfalles: Stroke Mimics und keine<br />

Ischämie. Bei 22 % bestand eine Kon traindikation,<br />

CONFERENCES<br />

19


VASKULÄRE NEUROLOGIE<br />

bei 21 % war das Zeitfenster bereits geschlossen<br />

und/oder der pedNIH war tiefer als das Einschlusskriterium<br />

von 6. Das zeigt, dass eine frühe korrekte<br />

Diagnose beim kindlichen Schlaganfall wichtig ist,<br />

um Mimics zu erkennen, das Zeitfenster zu verkleinern<br />

und bereits bei primärer Abklärung Hinweise<br />

auf Kontraindikationen zu finden.<br />

Zwei Studien − eine regionale aus Frankreich<br />

und eine populationsbasierte vom schweizerischen<br />

Schlaganfallregister für Kinder – zeigen bei 13<br />

resp. 16 Kindern, dass eine Rekanalisationstherapie<br />

bei Kindern möglich, so sicher wie bei Erwachsenen<br />

und auch erfolgreich sein kann [4, 5]. Um eine<br />

sichere Antwort zur Indikation zu finden waren<br />

beide Studienzahlen leider zu klein.<br />

Prof. Dr. med. Maja Steinlin<br />

maja.steinlin@insel.ch<br />

CONFERENCES<br />

Relevanz von Triggern für<br />

Therapieoptionen<br />

Im Bereich des kindlichen Schlaganfalls stellt<br />

sich gegenüber dem Schlaganfall von Erwachsenen<br />

die Frage, ob die mannigfachen Trigger, welche<br />

zum Schlaganfall führen, maßgeblich die Therapieoptionen<br />

mit beeinflussen. Neben den Kindern mit<br />

kardialer Grundkrankheit (ca. 30 %) zeigt sich vor<br />

allem die Subgruppe der Arteriopathien, hier vor<br />

allem die inflammatorischen Ursachen, die Dissektionen<br />

und eine wachsende Gruppe von genetisch<br />

bedingten Arteriopathien.<br />

In den letzten Jahren ist das Wissen im Bereich<br />

der infektions-/inflammationsgetriggerten kindlichen<br />

Schlaganfälle gestiegen; als klassisches<br />

Beispiel die transiente fokale Arteriopathie (TCA),<br />

welche 30 % der Arteriopathien im Kindesalter<br />

ausmacht: Eine durch eine parainfektiöse Reaktion<br />

ausgelöste arterielle Stenosierung [6]. Das Ausmaß<br />

der Kontrastmittelanreicherung bei der Gefäßdarstellung<br />

ist ein prädiktiver Faktor für die Progression<br />

im Frühverlauf [7]. Über Monate zeigt sich<br />

jedoch eine Regredienz oder Stabilisierung der Stenose.<br />

Neben Varizellen (1/3 der Fälle) sind andere<br />

Erreger wie Borreliose, Parvoviren, Mycoplasmen<br />

oder Enteroviren im Rahmen von TCA gefunden<br />

worden. Die VIPS-Studie (Vascular Effects of Infection<br />

in Pediatric Stroke) zeigte interessanterweise,<br />

dass bei 30 % der Kinder mit akutem Schlag anfall<br />

eine kürzlich erworbene Herpesinfektion (bei<br />

11 % Varizellen, bei 6 % CMV) vorliegt, welche<br />

das Risiko eines Schlaganfalles verdoppelt hat<br />

[8]. Als zusätzlicher Hinweis auf einen infektionsgetriggerten<br />

Effekt des kindlichen Schlaganfalles<br />

konnte nachgewiesen werden, dass das Risiko eines<br />

Schlaganfalles durch eine Infektionserkrankung in<br />

der vergangenen Woche (Odds ratio 6) resp. das<br />

Vorliegen eines mangelhaften Impfschutzes (Odds<br />

ratio 8) signifikant erhöht wird. Weitere Hinweise<br />

für die Wichtigkeit der inflammatorischen Effekte<br />

beim kindlichen Schlaganfall zeigen sich in mehreren<br />

Studien mit Nachweis von inflammatorischen<br />

Biomarkern, wobei das Profil in drei Studien<br />

unterschiedlich war, ob ein kardiogener Embolus<br />

oder aber eine Arteriopathie dem Schlaganfall zu<br />

Grunde liegen [9].<br />

20


VASKULÄRE NEUROLOGIE<br />

Dieser inflammatorische Einfluss hat die Frage<br />

nach einer spezifischen antiinflammatorischen<br />

Therapie aufgeworfen. In einer retrospektiven<br />

Studie von Kindern nach einer TCA konnte das<br />

outcome durch Steroidtherapie in der Akutphase<br />

leicht verbessert werden. Eine Therapiestudie, um<br />

Klarheit darüber zu finden, ob die Steroidtherapie<br />

für diese Kinder wirklich indiziert ist, wird immer<br />

dringender. Insbesondere auch, da unter der derzeitigen<br />

Wissenslage immer mehr Kinder diese<br />

Therapie ohne Evidenz erhalten.<br />

Ein anderes sich öffnendes Gebiet des Fortschrittes<br />

besteht im Bereich der genetisch bedingten<br />

Arterio pathien [9]: Verschiedene genetisch bedingte<br />

Grunderkrankungen wie Neurofibro matose und<br />

Alagillesyndrom sind bekannt gehäuft mit Arteriopathien<br />

verknüpft. Die Moyamoyaerkrankung<br />

ist durch die Entdeckung des Ringfingergens 213<br />

(inflammatorisches als auch angiogenetisches<br />

Signal) in die Gruppe der genetisch bedingten<br />

Arteriopathien aufgenommen worden. Daneben<br />

zeigen Krankheitsbilder wie ACTA II oder ADA 2,<br />

zwei Formen genetisch bedingter Arteriopathien<br />

mit phenotypischem Bild, wie wichtig die Genetik<br />

in diesem Bereich ist und immer deutlicher wird.<br />

Fazit<br />

Der kindliche Schlaganfall stellt uns vor viele Herausforderungen,<br />

die nur teilweise mit dem Schlaganfall<br />

im Erwachsenenalter vergleichbar sind.<br />

Referenzen:<br />

1. Goeggel Simonetti B, Cavelti A, Arnold M, et al. Neurology<br />

2015;84:1941−1947.<br />

2. Krishnamurthi RV, deVeber G, Feigin VL et al , GBD 2013<br />

Stroke Panel Experts Group. Neuroepidemiology 45:<br />

177−189 (2015). Bigi longterm<br />

3. Rivkin MJ, deVeber G, Ichord RN et al. Stroke 2015;46:880-<br />

885.<br />

4. Tabone L, Mediamolle N, Bellesme C et al. Stroke<br />

2017;48(8):2278−2281.<br />

5. Bigi S, Dulcey A, Gralla J et al. Ann Neurol. 2018 https://<br />

doi.org/10.1002/ana.25242.<br />

6. Braun KP, Bulder MM, Chabrier S et al. Brain 2009;132:<br />

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7. Stence NV, Pabst LL, Hollatz AL et al. Stroke 2017;48:2274–<br />

2277.<br />

8. Elkind MS, Hills NK, Glaser CA et al VIPS Investigators*.<br />

Circulation 2016;133:732−741.<br />

9. Mark T Mackay and Maja Steinlin. Int J Stroke<br />

2018;14:1,32-43.<br />

Prof. Dr. med. Maja Steinlin<br />

Inselspital, Universitätsklinik für Kinderheilkunde,<br />

Abteilung Neuropädiatrie, Entwicklung,<br />

Rehabilitation, 3010 Bern, Schweiz<br />

Welche neueren Wissensfaktoren weisen auf die These der infektions-/inflammationsgetriggerten Ursache des<br />

kindlichen Schlaganfalles hin?<br />

1. Das Wissen, dass eine akute Herpesinfektion das Risiko für einen Schlaganfall verdoppelt.<br />

2. Das Wissen, dass bei Kindern mit akutem Schlaganfall signifikant häufiger in den letzten Wochen vor Schlaganfall<br />

eine Infektion vorlag.<br />

3. Die Tatsache, dass Kinder, die einen schwachen Impfschutz haben, häufiger einen Schlaganfall erleiden.<br />

4. Die Resultate verschiedener Studien, die bei Kindern nach Schlaganfall typische Profile der Biomarker zeigen,<br />

wobei dabei für kardial ausgelöste Schlaganfälle ein anderes Profil gezeigt werden kann als für zu Grunde<br />

liegende Arteriopathien.<br />

Die Lösung finden Sie auf Seite 66.<br />

CONFERENCES<br />

21


MEDIZINISCHES CANNABIS FÜR KINDER?<br />

Therapieoption bei neuropsychiatrischen<br />

Erkrankungen<br />

Symposiumsbericht<br />

Die therapeutischen Effekte unter einer Cannabis-Therapie in verschiedenen Indikationen bei Erwachsenen<br />

sind zunehmend gut durch Studiendaten belegt. Über den Nutzen der Anwendung dieser neuen Behandlungsoption<br />

bei Kindern liegen bislang vergleichsweise wenige Erkenntnisse vor. Mit dem Gesetz vom März<br />

2017* können prinzipiell auch Kinderärzte sowie Kinder- und Jugendpsychiater Cannabis-Produkte verschreiben.<br />

In einem Symposium im Rahmen der Neurowoche 2018 führte Dr. Pierre Debs, Managing Director<br />

Europe der Canopy Growth Corporation, in das Thema „Medizinisches Cannabis“ ein, und Dr. Manfred<br />

Nowak, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, <strong>Neurologie</strong> sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie aus<br />

Landau berichtete über seine bislang gesammelten Erfahrungen in der Therapie von neuropsychiatrischen<br />

Erkrankungen im Kindesalter.<br />

Das Verständnis, wie Cannabis wirkt, hat sich<br />

mit der Entdeckung des menschlichen Endocannabinoidsystems<br />

(ECS) Anfang der 1990er-Jahre<br />

beträchtlich erweitert. Dr. Pierre Debs beschäftigt<br />

sich schon seit langem mit dem ECS als eines der<br />

zentralen homöostatischen Transmittersysteme<br />

und erklärte in seinem Vortrag „Medizinisches Cannabis/Grundlagen<br />

des Endocannabinoid systems“<br />

Ursprung für das Verständnis des therapeutischen<br />

Potenzials der Cannabinoide sind die Phytocannabinoide.<br />

In Cannabis, einer der ältesten<br />

Heilpflanzen, liegt die höchste Konzentration vor.<br />

Entscheidend für die Wirksamkeit von Cannabis in<br />

vielen verschiedenen Indikationen seien die medizinisch<br />

relevanten Cannabinoide (Delta‐9-Tetrahydrocannabinol<br />

(THC) und Cannabidol (CBD), die<br />

„Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben<br />

Anspruch auf Versorgung mit Cannabis […]“<br />

(Abs. 6, § 31 Arznei- und Verbandmittel, Verordnungs ermächtigung)<br />

EDUCATION<br />

den Einfluss des ECS auf vielfältige physiologische<br />

Funktionen. Es reduziert die Überaktivität aller<br />

Neurotransmitter (Dopamin, GABA, Glutamat,<br />

Serotonin, Noradrenalin, Glysin und Acetylcholin).<br />

Dabei spielen Endo-, Phyto- und synthetisch hergestellte<br />

Cannabinoide eine wesentliche Rolle.<br />

*Mit dem am 10. März 2017 in Kraft getretenen Gesetz zur<br />

Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften<br />

hat der Gesetzgeber die Möglichkeiten zur Verschreibung<br />

von Cannabisarzneimitteln erweitert. Ärztinnen und Ärzte<br />

können künftig auch Medizinal-Cannabisblüten oder Cannabisextrakt<br />

in pharmazeutischer Qualität auf einem Betäubungsmittelrezept<br />

verschreiben. Dabei müssen sie arznei- und<br />

betäubungsmittelrechtliche Vorgaben einhalten. https://www.<br />

bfarm.de/DE/Bundesopiumstelle/Cannabis/_node.html<br />

über ein endogenes Rezeptorsystem mit diversen<br />

Rezeptoren wie dem bisher identifizierten CB-1<br />

und CB-2 in Wechselwirkung stehen und zu verschiedenen<br />

Effekten führen. Die Cannabinoide<br />

der Cannabis-Pflanze docken als volle oder partielle<br />

Agonisten an diese Rezeptoren an, erläuterte<br />

Dr. Debs. Das psychoaktive THC hat neben<br />

dem bekannten euphorisierenden Effekt u. a. eine<br />

schmerzlindernde und krampflösende Wirkung.<br />

CBD ist nur schwach psychoaktiv, und hat u. a.<br />

entzündungshemmende, schmerzlindernde, antiemetische,<br />

antipsychotische und angstlösende<br />

Wirkungen.<br />

Die Rezeptoren CB-1 und CB-2 sind im gesamten<br />

Körper weit verbreitet, kommen in bestimmten<br />

22


MEDIZINISCHES CANNABIS FÜR KINDER?<br />

Strukturen jedoch sehr intensiv vor. CB-1-Rezeptoren<br />

sind die am häufigsten vorkommenden im<br />

ZNS − in der höchsten Konzentration im zentralen<br />

und peripheren Nervensystem, aber auch in zahlreichen<br />

Organen, während der Hirnstamm eine<br />

äußerst niedrige Konzentration an Cannabinoidrezeptoren<br />

aufweist.<br />

Endocannabinoidsystem und<br />

Hirnentwicklung<br />

Nach international beachtlicher Datenlage zum<br />

therapeutischen Einsatz von Cannabis bei Erwachsenen<br />

sind mittlerweile einige Indikationen, wie<br />

chronische Schmerzen, MS, spastische Erkrankungen,<br />

Angststörungen, ADHS und Tourette-Syndrom<br />

mit gesetzlichem Rückhalt etabliert.<br />

„Die bisher durchgeführten Studien und Einzelfallbeobachtungen<br />

zum therapeutischen Einsatz<br />

von Cannabis im Kindes- und Jugendalter deuten<br />

darauf hin, dass es auch in dieser Altersgruppe bei<br />

ausgewählten Indikationen gute therapeutische<br />

Erfolge erzielen kann“, verdeutlichte Dr. Nowak.<br />

Allerdings sei der Einsatz von Cannabis-Produkten<br />

in dieser Altersgruppe sehr sorgsam abzuwägen, da<br />

Cannabinoide bis zum Abschluss der Pubertät über<br />

das ECS in die Entwicklung des Gehirns eingreifen.<br />

Dem ECS kommt wahrscheinlich eine zentrale<br />

Rolle in der Feinabstimmung der in der Pubertät<br />

reifenden komplexen Neurotransmittersysteme<br />

während der Gehirnentwicklung zu − neben dem<br />

ECS entwickeln sich in dieser Phase auch das glutamaterge,<br />

das serotonerge sowie das dopaminerge<br />

System, mit denen das ECS in enger funktioneller<br />

Verbindung steht −, erläuterte der Experte.<br />

Für einige neuropsychiatrische Erkrankungen bei<br />

Kindern liegen bereits Studien vor. Das betreffe die<br />

Autismus-Spektrum-Störung (ASD), das Tourette-<br />

EDUCATION<br />

23


MEDIZINISCHES CANNABIS FÜR KINDER?<br />

EDUCATION<br />

Syndrom und Tic-Störungen, Epilepsie und Cerebralparesen<br />

(insbesondere Infantile CP) sowie<br />

ADHS. Nowak stellte einige dieser Studien sowie<br />

Einzelfallbeobachtungen aus seiner Praxis vor.<br />

Eine randomisierte plazebokontrollierte Doppel-<br />

Blind-Studie [1], die 74 Kinder und Adoleszente<br />

mit einer therapieresistenten Epilepsie einschloss,<br />

konnte zeigen, dass sich die Anfallsfrequenz nach<br />

einer Behandlung mit THC und CBD innerhalb von<br />

sechs Monaten bei mehr als der Hälfte der Probanden<br />

um 50 bis 100 % reduzieren ließ.<br />

In einer Kasuistik stellte Nowak den Fall eines<br />

18-jährigen autistischen Patienten (Asperger-<br />

Syndrom) mit den Nebendiagnosen ADHS, einer<br />

Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen<br />

vor. Der Patient litt unter extremer Impulsivität<br />

mit Ausrastern, unsozialem Verhalten und Kränkungsphantasien<br />

mit Mordgedanken. Nach mehrfach<br />

erfolglosen Behandlungsversuchen erhielt<br />

er Cannabis-Extrakte und vaporisierte Blüten**;<br />

nach zweimonatiger Behandlungsdauer konnten<br />

alle weiteren Medikamente abgesetzt werden. Der<br />

Patient zeigt seitdem keine emotionalen Ausbrüche<br />

mehr, war erstmals in Fördermaßnahmen integrierbar<br />

und zeigt eine insgesamt verbesserte Lebensqualität.<br />

Bei einem 16-jährigen Patienten mit ausgeprägter<br />

Tourette-Symptomatik wurde zunächst auf<br />

Dronabidol und schließlich auf vaporisierte Blüten<br />

umgestellt. Innerhalb von sechs Monaten konnten<br />

alle weiteren Medikamente abgesetzt werden und<br />

der Patient beschrieb ebenfalls eine deutlich verbesserte<br />

Lebensqualität.<br />

Auch bei Indikationen wie CP oder in der Versorgung<br />

von schwerst-mehrfach-behinderten Kindern<br />

mit Spastiken, Schmerzen und Unruhe zeigten die<br />

** Das Cannabis wird bis zu einer Temperatur erhitzt, bei der<br />

die Cannabinoide und weitere Pflanzeninhaltsstoffe verdampft<br />

werden, ohne dabei verbrannt zu werden.<br />

vorgestellten Studien und Fallbeobachtungen, dass<br />

eine Cannabis-Therapie positive therapeutische<br />

Effekte haben kann.<br />

Fazit<br />

Die Therapie mit Cannabis-Präparaten hat auch<br />

bei der Behandlung neuropsychiatrischer Krankheitsbilder<br />

im Kindesalter ein großes Potenzial<br />

und kann eine sinnvolle Ergänzung zu weiteren<br />

therapeutischen Maßnahmen sein. „Gerade in<br />

dem sensiblen Bereich der Behandlung von Kindern<br />

und Jugendlichen mit kognitiven und psychischen<br />

Störungsbildern sind aber sicher noch weitere<br />

intensive klinische Studien erforderlich, um die<br />

Chancen einer Cannabis-Therapie zu erkennen<br />

und ausschöpfen zu können“, konstatierte Nowak.<br />

Um den nach wie vor geringen Informationsstand<br />

zu den therapeutischen Optionen zu verbessern,<br />

sei eine kontinuierliche Wissensvermittlung und<br />

Aufklärungsarbeit in der Ärzteschaft erforderlich.<br />

Denn noch immer werde die Beschäftigung mit<br />

dem Thema Cannabis von der „Macht der inneren<br />

Bilder“ beeinflusst und Cannabis eher auf negative<br />

Aspekte bezogen. Das therapeutische Potenzial<br />

sollte mit den Erkenntnissen über das ECS neu<br />

erkannt und ausprobiert werden. Jeder Behandler<br />

müsse seine eigenen Erfahrungen sammeln, resümierte<br />

Nowak abschließend.<br />

Bericht: Elke Klug, Redaktion<br />

Referenz<br />

1. Thiele E A, Marsh E D, French J A, et al. Cannabidiol in patients<br />

with seizures associated with Lennox-Gastaut syndrome<br />

(GWPCARE4): a randomised, double-blind, placebocontrolled<br />

phase 3 trial. The Lancet 2018;391:1085–1096<br />

10.1016/S0140-6736(18)30136-3 [PubMed] [CrossRef]<br />

Quelle: Symposium „Medizinisches Cannabis in der Therapie<br />

von neuropsychiatrischen Erkrankungen im Kindesalter“ im<br />

Rahmen der Neurowoche 2018 am 02.11.2018 in Berlin.<br />

Mit freundlicher Unterstützung der Canopy Growth Germany<br />

GmbH<br />

24


NEUROCHIRURGIE<br />

Hemikraniektomie (beim malignen<br />

Schlaganfall) – Pro Hemikraniektomie<br />

Katharina A.M. Hackenberg, Daniel Hänggi, Mannheim<br />

Der maligne Schlaganfall ist mit einer hohen Mortalität und bei Überlebenden mit schwerer Pflegebedürftigkeit<br />

assoziiert. Die dekompressive Hemikraniektomie führt zu einer Verbesserung des neurologischen<br />

Outcomes und Reduktion der Mortalität. Faktoren wie der optimale Zeitpunkt, die Größe der Kraniektomie<br />

und der Einfluss der dominanten Hemisphäre sind derzeit noch unklar.<br />

Die weltweite Inzidenz des ischämischen<br />

Schlaganfalls beträgt 176 pro 100.000 Personenjahre<br />

mit einer Mortalität von 42 pro 100.000 Personenjahre.<br />

Weltweit gab es 2010 11,5 Millionen<br />

Betroffene, wovon ca. 2,8 Millionen verstarben [1].<br />

Der maligne Schlaganfall umfasst ca. 10 % aller<br />

ischämischen Schlaganfälle, ist gekennzeichnet<br />

durch ein schweres hemisphärisches, klinisches<br />

Schlaganfall-Syndrom mit Hemiplegie, forcierter<br />

Augen- und Kopfdeviation und progredienter<br />

Vigilanzminderung innerhalb der ersten zwei Tage<br />

und ist verursacht durch eine Okklusion der distalen<br />

Arteria carotis interna oder proximalen Arteria<br />

cerebri media [2]. Aufgrund seiner Größe kann er<br />

CONFERENCES<br />

25


NEUROCHIRURGIE<br />

CONFERENCES<br />

trotz intensivmedizinischer und endovaskulärer<br />

Therapie innerhalb weniger Tage zu einer raumfordernden<br />

Schwellung und transtentoriellen Herniation<br />

mit hoher 1-Jahres-Mortalität von 50−80 %<br />

führen [2−8]. Unter den Überlebenden gibt es eine<br />

hohe Anzahl von Patienten mit schwerer Pflegebedürftigkeit,<br />

nur bis zu 5 % der Patienten finden<br />

in ein Leben mit nur leichten Alltagseinschränkungen<br />

(modifizierte Rankin-Skala [mRS] ≤2)<br />

zurück [3−8].<br />

DESTINY, DECIMAL & HAMLET –<br />

Verbesserung des Outcomes<br />

Die dekompressive Hemikraniektomie führt zu<br />

einer Verbesserung des neurologischen Outcomes<br />

und Reduktion der Mortalität. Eine gepoolte Analyse<br />

der Daten von drei europäischen prospektiven,<br />

multizentrischen, randomisiert-kontrollierten<br />

Studien (Decompressive Surgery for the Treatment<br />

of Malignant Infarction of the Middle Cerebral<br />

Artery – DESTINY-Studie in Deutschland, Early<br />

Decompressive Craniectomy in Malignant Middle<br />

Cerebral Artery Infarction – DECIMAL-Studie in<br />

Frankreich, Hemicraniectomy After Middle Cerebral<br />

Artery infarction with Life-threatening Edema<br />

Trial – HAMLET-Studie in den Niederlanden)<br />

schloss 93 Patienten mit einem mittleren Alter<br />

von 45 Jahren, die einen raumfordernden Mediainfarkt<br />

erlitten, ein. Hiervon wurden 42 Patienten<br />

einer intensivmedizinischen Therapie und<br />

51 Pa tienten einer dekompressiven Hemikraniektomie<br />

und intensivmedizinischen Therapie zugeteilt<br />

[3−6]. Der primäre Endpunkt war neurologisches<br />

Outcome nach einem Jahr, welches als mRS-<br />

Punktwert in günstiges Outcome (mRS 0–4) und<br />

ungünstiges Outcome (mRS 5–6) dichotomisiert<br />

wurde. Die Dekompression führte zu einer absoluten<br />

Risikoreduktion des ungünstigen Outcomes<br />

nach einem Jahr um 51,2 % (95 % KI 33,9−68,5;<br />

OR 0,10, 95 % KI 0,04−0,27). Sekundäre Endpunkte<br />

wie mRS>3 und Tod nach zwölf Monaten wurden<br />

durch eine Kraniektomie ebenso reduziert (mRS>3:<br />

OR 0,33, 95 % KI 0,13−0,86; Tod: OR 0,10, 95 %<br />

KI 0,04−0,27). Allerdings konnten die Studien<br />

aufgrund des limitierten Einschlussalters (18−60<br />

Jahre) nicht klären, ob auch Patienten mit einem<br />

höheren Alter von einer dekompressiven Kraniektomie<br />

profitieren.<br />

DESTINY II – Reduktion der<br />

Mortalität<br />

Aus diesem Grund wurde die DESTINY-II-Studie<br />

in Deutschland initiiert, die 112 Patienten mit<br />

einem Medianalter von 70 Jahren (Einschlusskriterium:<br />

61−80 Jahre) und einem malignen Mediainfarkt<br />

einschloss und analog der DESTINY-Studie<br />

in eine operative oder konservative Gruppe randomisierte<br />

[7]. Die Studie wurde vorzeitig abgebrochen,<br />

weil die dekompressive Kraniektomie<br />

bereits nach Auswertung von 83 Patienten den<br />

Anteil der Überlebenden ohne schwere Behinderung<br />

nach sechs Monaten (mRS 0−4) als primären<br />

Endpunkt erhöhte (OR 2,91, 95 % KI 1,06−7,49) [7].<br />

Da dies vor allem auf die Reduktion der Mortalität<br />

zurückgeführt und eine Verbesserung des Anteils<br />

der Überlebenden mit mRS 0−3 im Vergleich zu<br />

den Studien mit jüngerem Einschluss alter durch<br />

eine Dekompression nicht erzielt werden konnte,<br />

wurde kontrovers diskutiert, ob der höhere Anteil<br />

an Überlebenden mit schwerer Beeinträchtigung<br />

überhaupt eine zu akzeptierende Lebensqualität<br />

erreiche. Eine retrospektive Analyse von<br />

79 Pa tienten, bei denen eine Hemikraniektomie<br />

nach malignem Mediainfarkt durchgeführt wurde,<br />

untersuchte das neurologische Outcome und die<br />

subjektive Einschätzung der Lebensqualität bei<br />

Pa tienten unter 60 Jahren im Vergleich zu über<br />

60-jährigen Patienten [9]. Obwohl die Gruppe der<br />

26


NEUROCHIRURGIE<br />

genannt „Disability Paradox“, wird vor allem der<br />

höheren Wertschätzung des sozialen Umfelds im<br />

Vergleich zur körperlichen Beeinträchtigung durch<br />

ältere Patienten zugeschrieben [10].<br />

Dr. med. Katharina A.M. Hackenberg<br />

katharina Hackenberg@umm.de<br />

Prof. Dr. med. Daniel Hänggi<br />

daniel.haenggi@umm.de<br />

Älteren unter höheren funktionellen Einschränkungen<br />

litt (mRS 0−3, p=0,046; mRS 0−4, p=0,005),<br />

schätzten die Älteren ihre Lebensqualität als<br />

höher ein und hatten einen besseren psychologischen<br />

Zustand (p=0,019). Des Weiteren würde<br />

ein höherer Anteil der Älteren einer Operation<br />

erneut zustimmen (p=0,07) [9]. Dieses Phänomen,<br />

Ob die Hemikraniektomie zu einem schlechteren<br />

neurologischen Outcome führt, wenn der maligne<br />

Schlaganfall die dominante Hemisphäre betrifft,<br />

wurde in Studien bisher nur spärlich untersucht.<br />

Die gepoolte Analyse der Daten der Decompressive-Hemicraniectomy-in-Elderly-Patients-With<br />

Space-Occupying-Infarction-(DECAP)-Studie und<br />

der DESTINY-II-Studie zeigte bei 79 Patienten<br />

älter als 60 Jahre keinen Einfluss einer betroffenen<br />

dominanten Hemisphäre auf das klinische<br />

Outcome (mRS 0–4) nach dekompressiver Hemikraniektomie<br />

(OR 0,79, 95 % KI 0,39−1,57) [11].<br />

Es ist fragwürdig, ob die Auswirkung einer Aphasie<br />

mittels mRS-Wert repräsentativ erfasst werden<br />

kann. Aus diesem Grund sollten zur Klärung dieser<br />

Frage in zukünftigen Studien differenziertere Tests<br />

wie z. B. der Montreal Cognitive Assessment Test<br />

verwendet werden.<br />

Ungeklärt bleibt bis dato der optimale Zeitpunkt<br />

der dekompressiven Kraniektomie. Eine<br />

retro spektive landesweite Datenbankanalyse<br />

von 1.301 Patienten in den Vereinigten Staaten,<br />

bei denen eine Dekompression nach erlittenem<br />

Schlaganfall durchgeführt wurde, zeigte, dass<br />

eine Dekompression nach 48 Stunden mit einem<br />

schlechten Outcome im Vergleich zur frühen<br />

Operation innerhalb von 48 Stunden assoziiert<br />

war (OR 1,12, 95 % KI 1,05−1,31) [12]. Um eine<br />

Hernia tion zu vermeiden, sollte eine Hemikraniektomie<br />

nach aktuellem Stand möglichst frühzeitig<br />

erfolgen, allerdings sind randomisiert-kontrollierte<br />

Studien zur Klärung dieser Frage dringend nötig.<br />

Ebenso ist die Größe der Kraniektomie bisher<br />

unklar. Eine retrospektive Auswertung von<br />

97 Patienten mit Dekompressionen nach malig-<br />

CONFERENCES<br />

27


NEUROCHIRURGIE<br />

nem Schlaganfall zeigte eine Reduktion der Krankenhausmortalität<br />

(OR 0,56, 95 % CI 0,47−0,67)<br />

ohne Erhöhung der operationsassoziierten Komplikationen<br />

durch eine erweiterte Kraniektomie im<br />

Vergleich zur Standard-Kraniektomie [13]. Fragen<br />

hierzu sowie zum optimalen Zeitpunkt und Komplikationen<br />

der Reimplantation werden hoffentlich in<br />

Zukunft durch das German Cranial Reconstructional<br />

Registry beantwortet werden können.<br />

Die endovaskuläre Therapie mittels mechanischer<br />

Thrombektomie stellt einen Fortschritt<br />

zusätzlich zur systemischen Lyse in der Behandlung<br />

des akuten ischämischen Schlaganfalls<br />

bei Okklusion der vorderen Zirkulation dar. Eine<br />

Metaanalyse von fünf randomisiert-kontrollierten<br />

Studien, bei denen Patienten einer Interventionsgruppe<br />

mit Thrombektomie mit Patienten, die eine<br />

Standardtherapie erhielten, verglichen wurden,<br />

umfasste 1.287 Patienten (634 Thrombektomie,<br />

653 Standardtherapie) [14]. Die Thrombektomie<br />

führte zur Verbesserung des neurologischen Outcomes<br />

in Form des mRS nach 90 Tagen als primären<br />

Endpunkt (OR 2,49, 95 % CI 1,76−3,53) [14].<br />

Abzuwarten bleibt, inwiefern die Thrombektomie<br />

die Frequenz der dekompressiven Hemikraniektomie<br />

nach malignem Schlaganfall reduzieren<br />

wird.<br />

Literatur:<br />

1. Krishnamurthi RV, Feigin VL, Forouzanfar MH, et al. The<br />

Lancet. Global health 2013;1:e259−281.<br />

2. Hacke W, Schwab S, Horn M, Spranger M, et al. Arch Neurol<br />

1996;53:309-315.<br />

3. Vahedi K, Hofmeijer J, Juettler E, et al. The Lancet. Neurology<br />

2007;6:215-222<br />

4. Vahedi K, Vicaut E, Mateo J, K et al. Stroke 2007;38:<br />

2506−2517.<br />

5. Juttler E, Schwab S, Schmiedek P, et al. Stroke 2007;38:<br />

2518−2525.<br />

6. Hofmeijer J, Kappelle LJ, Algra A, et al. The Lancet. Neurology<br />

2009;8:326−333.<br />

7. Juttler E, Unterberg A, Woitzik J, et al. The New England<br />

journal of medicine 2014;370:1091−1100.<br />

8. Zhao J, Su YY, Zhang Y, et al. Neurocritical care 2012;17:<br />

161−17.<br />

9. Ragoschke-Schumm A, Junk C, Lesmeister M, et al.<br />

2015;40:286−292.<br />

10. Robertson FC, Dasenbrock HH, Gormley WB. J Neurol &<br />

Neuromedicine 2017;2:1-7.<br />

11. Rahmig J, Wopking S, Juttler E, et al. NeurocritCare 2018.<br />

12. Dasenbrock HH, Robertson FC, Vaitkevicius H, et al.<br />

Stroke 2017;48:704−711.<br />

13. Neugebauer H, Fiss I, Pinczolits A, et al. Cerebrovascular<br />

diseases 2016;41:283−290.<br />

14. Goyal M, Menon BK, van Zwam WH, et al. The Lancet<br />

2016;387:1723−1731.<br />

Fazit<br />

CONFERENCES<br />

Auf der Basis der aktuellen Datenlage wird eine<br />

Hemikraniektomie bei Patienten mit malignem<br />

Mediainfarkt empfohlen. Die Tatsache, dass die<br />

Mehrheit der Patienten nach einer Hemikraniektomie<br />

diese Therapie retrospektiv befürwortet,<br />

untermauert die Empfehlung. Selbstverständlich<br />

bleibt dies immer eine individualisierte Entscheidung<br />

unter Einbezug der Krankheitsgeschichte des<br />

Patienten und, falls möglich, der Information von<br />

Angehörigen.<br />

Dr. med. Katharina A.M. Hackenberg<br />

Neurochirurgische Klinik, Universitätsmedizin Mannheim,<br />

Universität Heidelberg,<br />

Theodor-Kutzer-Ufer 1-3, 68167 Mannheim<br />

Prof. Dr. med. Daniel Hänggi<br />

Neurochirurgische Klinik, Universitätsmedizin Mannheim,<br />

Universität Heidelberg,<br />

Theodor-Kutzer-Ufer 1-3, 68167 Mannheim<br />

28


NOAK-ASSOZIIERTE BLUTUNG<br />

Prothrombinkomplex-Konzentrate senken<br />

nicht das Nachblutungsrisiko<br />

Hagen Huttner, Stefan Gerner, Erlangen<br />

In den letzten Jahren wurden nicht-Vitamin-K-abhängige orale Antikoagulantien (NOAKs) zunehmend zur<br />

oralen Antikoagulation verwendet, da sie im Vergleich zu den herkömmlichen Vitamin-K-Antagonisten<br />

(VKA) weniger Blutungskomplikationen aufweisen [1]. Trotz ihrer weiten Verbreitung im klinischen Alltag<br />

sind viele Fragen des Akutmanagements im Falle einer NOAK-assoziierten Blutungskomplikation ungeklärt.<br />

Primärer Angriffspunkt ist die Normalisierung<br />

der alterierten Gerinnung durch Gabe prothrombotischer<br />

Substanzen. Während für Dabigatran ein<br />

spezifisches Antidot (Idarucizumab) zur effektiven<br />

Antagonisierung der antikoagulatorischen Wirkung<br />

zur Verfügung steht [2, 3], ist das Antidot<br />

Andexanet Alfa derzeit noch nicht von der Europäischen<br />

Arzneimittelagentur (EMA) für Faktor-<br />

Xa-Inhibitor-assoziierte Blutungen zugelassen [4].<br />

Die Internationalen Leitlinien empfehlen derzeit<br />

die Gabe von Prothrombinkomplex-Konzentraten<br />

(z. B. PPSB) bei schwerwiegenden Blutungskomplikationen<br />

unter Faktor-Xa-Inhibitoren [2, 5].<br />

Diese Empfehlungen beruhen hauptsächlich auf<br />

kleineren Fallserien oder experimentellen Überlegungen<br />

[5, 6], wohingegen aktuell kaum Daten aus<br />

größeren klinischen Beobachtungsstudien zur Verfügung<br />

stehen, die den Nutzen einer Behandlung<br />

mit PPSB bei Blutungen unter NOAK belegen [7].<br />

Insbesondere ist der Stellenwert der PPSB-Therapie<br />

bei der NOAK-assoziierten intrazerebralen Blutung<br />

(ICB) bislang unklar.<br />

CONFERENCES<br />

29


NOAK-ASSOZIIERTE BLUTUNG<br />

Zielsetzung der im Folgenden dargestellten,<br />

bereits veröffentlichten Arbeit war die Klärung,<br />

inwieweit durch PPSB-Gabe eine Größenzunahme<br />

der ICB verhindert und somit möglicherweise klinische<br />

Endpunkte positiv beeinflusst werden können<br />

[8].<br />

RETRACE II-Studie<br />

CONFERENCES<br />

Im Rahmen der multizentrischen deutschlandweiten<br />

Observationsstudie RETRACE II (ClinicalTrials.gov<br />

Identifier: NCT03093233) wurden Patienten<br />

mit ICB unter oraler Antikoagulation über einen<br />

Zeitraum von fünf Jahren von 2011−2015 an 19<br />

deutschen neurologischen und neurochirurgischen<br />

Zentren eingeschlossen [8]. Insgesamt konnten<br />

190 Patienten mit NOAK-ICB identifiziert werden,<br />

von denen 146 für die Analyse eines Hämatomwachstums<br />

geeignet waren. Die Nachblutungsrate,<br />

definiert als Hämatomprogression >33 % im<br />

Vergleich zum Blutungsvolumen in der initialen<br />

Bildgebung, lag bei 33,6 %, wobei sich keine signifikanten<br />

Unterschiede zwischen den einzelnen<br />

NOAK-Substanzen ergaben. Zwei Parameter, nämlich<br />

zum einen systolische Blutdruckwerte über<br />

160 mmHg innerhalb der ersten Stunden nach<br />

Aufnahme sowie die substanzspezifisch-kalibrierte<br />

Anti-Faktor-Xa-Aktivität bei Aufnahme von über<br />

118 ng/ml, waren signifikant mit dem Auftreten<br />

eines Hämatomwachstums assoziiert.<br />

Therapeutisch wurden insgesamt nur bei ca.<br />

zwei von drei Patienten mit NOAK-assoziierter ICB<br />

PPSB in der Akutphase verabreicht. In der adjustierten<br />

Analyse zeigte sich die PPSB-Gabe vor<br />

Kontroll-Bildgebung nicht mit einer Reduktion der<br />

Nachblutungsrate assoziiert (Risk-Ratio (95 %CI):<br />

1.150 (0.632−2.090); p=0.647). Diese Beobachtung<br />

bestätigte sich in den Subanalysen zur PPSB-<br />

Dosierung (25 IE/kg und 50 IE/kg Körpergewicht),<br />

des Zeitfensters und der NOAK-Wirkstoffklasse<br />

Prof. Dr. Dr. med. Hagen Huttner<br />

hagen.huttner@uk-erlangen.de<br />

Dr. med. Stefan Gerner<br />

stefan.gerner@uk-erlangen.de<br />

(Faktor-Xa-Inhibitoren). In diesen ließ sich keine<br />

Subgruppe isolieren, die einen Benefit von PPSB<br />

in Bezug auf eine Vermeidung der Blutungsprogression<br />

zeigte [8]. Allerdings waren systolische<br />

Blutdruckwerte von


NOAK-ASSOZIIERTE BLUTUNG<br />

(0.365−0.978); p=0.041). Insgesamt ergab sich<br />

kein Unterschied in der Mortalität und dem funktionellen<br />

Outcome nach drei Monaten zwischen<br />

Patienten mit und ohne PPSB-Behandlung [8].<br />

Fazit<br />

Die Ergebnisse der oben beschriebenen Studie<br />

bekräftigen Zweifel an der hämostatischen Wirksamkeit<br />

von PPSB bei Patienten mit Blutungskomplikation<br />

unter Faktor-Xa-Inhibitoren [5, 6], was<br />

vor dem Hintergrund verschiedener Wirkmechanismen,<br />

verglichen mit VKA plausibel erscheint. Andererseits<br />

konnte die vorliegende Studie auch nicht<br />

ausschließen, dass PPSB bei Faktor-Xa-Inhibitorassoziierter<br />

ICB einen eventuellen Nutzen gegenüber<br />

keiner entsprechenden Therapie aufweist [8],<br />

wenn auch die Effektgröße deutlich kleiner als die<br />

von PPSB bei VKA-assoziierter ICB ist. Daher wird<br />

– nicht zuletzt aufgrund eines Mangels an Alternativen<br />

(derzeit ist unklar, ob und wenn ja wann<br />

Andexanet Alfa in Europa zur Verfügung stehen<br />

wird) – weiterhin die Gabe von (in)aktivierten<br />

Gerinnungskonzentraten (z. B. PPSB 50IE/kg KG)<br />

zur Behandlung der Faktor-Xa-Inhibitoren-assoziierten<br />

ICB in den Leitlinien propagiert, auch wenn<br />

ihre Wirksamkeit bislang nicht ausreichend belegt<br />

werden konnte [2, 5].<br />

Referenzen:<br />

1. Steinberg, B A, Gao H, Shrader P et al. Am Heart J 2017;194:<br />

132−140.<br />

2. Steffel, J, Verhamme P, Potpara T S et al. Eur Heart J<br />

2018;39:1330−1393.<br />

3. Pollack, C V, Jr., Reilly P A, van Ryn J. NEJM 2017;<br />

377:431−441.<br />

4. Übersicht der aktuell von der EMA geprüften Medikamente<br />

(Stand Januar <strong>2019</strong>). URL: https://www.ema.europa.eu/<br />

documents/report/applications-new-human-medicinesunder-evaluation-chmp-january-<strong>2019</strong>_en.pdf<br />

5. Frontera, J A, Lewin J J, 3rd, Rabinstein A A et al. Crit Care<br />

Med 2016;44:2251−2225.<br />

6. Shaw, J R and Siegal D M. Res Pract Thromb Haemost<br />

2018;2:251−265.<br />

7. Majeed, A, Agren A, Holmstrom M et al. Blood 2017;130:<br />

1706−1712.<br />

8. Gerner, S T, Kuramatsu J B, Sembill J A et al. Investigators<br />

Ann Neurol 2018;83:186−196.<br />

Prof. Dr. Dr. med. Hagen Huttner<br />

Neurologische Klinik, UK Erlangen,<br />

Schwabachanlage 6, 91054 Erlangen<br />

Welche Aussage zum Akutmanagement bei OAK-assoziierten ICB trifft zu?<br />

1. Ein Blutdruckmanagement in der Akutphase der intrazerebralen Blutung wird derzeit nicht empfohlen.<br />

2. Bei Blutungen unter oralen Vitamin K Antagonisten besteht mit Fresh Frozen Plasma derzeit die einzige pharmakologische<br />

Option zum Erreichen einer raschen Hämostase.<br />

3. Für dabigatranassoziierte lebensbedrohliche Blutungen steht aktuell kein spezifisches Antidot zur Verfügung.<br />

4. Die Gabe von Prothrombinkomplex-Konzentraten wird aktuell zum hämostatischen Management bei Blutungen<br />

unter Faktor-Xa-Inhibitoren (Rivaroxaban, Apixaban, Edoxaban) empfohlen.<br />

Die Lösung finden Sie auf Seite 66.<br />

CONFERENCES<br />

31


THE STORY BEHIND®<br />

Titel Nerv auf Abwegen<br />

Michael Kaplan, Edinburgh<br />

Pferde auf der Zielgerade eines Galopprennens zu sehen ist ein beeindruckendes Erlebnis: Das Donnern<br />

der Hufe, die Erschütterungen, die körperlich zu spüren sind, Kraft und Geschwindigkeit, der Eindruck<br />

von Mut und Entschlossenheit dieser Tiere, die mit einer halben Tonne Lebendgewicht und bis zu 70<br />

Stundenkilometer näherkommen. Aber manchmal läuft eines der Pferde nicht so wie erwartet.<br />

Gerade im Moment der höchsten Anstrengung<br />

scheint es Energie und Impetus komplett zu verlieren<br />

und wird ganz plötzlich sehr langsam.<br />

Rennbahn-Enthusiasten kennen dieses Phänomen<br />

als „ins Loch fallen“. Es sieht aus, als habe das Pferd<br />

mit ernsthaften Schwierigkeiten zu kämpfen, und<br />

doch wirkt es nach dem Rennen ganz normal. Was<br />

immer das Problem war, es ist wieder verschwunden.<br />

Schuld ist hier eine Lähmung im Larynx. Endoskopische<br />

Untersuchungen konnten nachweisen,<br />

dass bei einigen Pferden die Larynxfalten – sie<br />

entsprechen den Stimmbändern beim Menschen –<br />

bei starker Anstrengung zusammenfallen und die<br />

Luftwege ganz oder teilweise blockieren. Sobald<br />

die Atemfrequenz sich normalisiert hat, kehren die<br />

Larynxfalten an ihren ursprünglichen Ort zurück.<br />

Interessanterweise tritt dieses Problem fast immer<br />

auf der linken Seite des Larynx auf. Das könnte an<br />

einer neurologischen Besonderheit liegen: Der Nerv,<br />

der für die Motorik des Kehlkopfes zuständig ist (der<br />

nervus laryngeus recurrens) hat zwei Äste. Der rechte<br />

Ast führt direkt von einer Stelle nahe der Carotis zum<br />

Larynx, aber der linke Ast geht entlang der gesamten<br />

Strecke des Pferdehalses bis zur Brust, schlingt<br />

sich unter dem Aortenbogen durch und führt auf<br />

der anderen Seite wieder hoch zum Larynx. Dieser<br />

ungewöhnliche Unterschied in der Länge des Nervs<br />

scheint der Grund dafür zu sein, dass die Lähmung der<br />

Larynxfalte viel öfter auf der linken Seite auftritt.<br />

EDUCATION<br />

Aber warum haben Pferde solche extrem asymmetrischen Larynxnerven? Alle Rennpferde der heutigen Zeit<br />

stammen ursprünglich von nur drei Hengsten ab – ist der Grund also<br />

1. die Inzucht? oder<br />

2. die Tatsache, dass sie auf extreme Höchstleistungen gezüchtet sind? oder<br />

3. einfach dass sie Tiere sind?<br />

Senden Sie uns Ihre Antwort über unsere Website<br />

Unter den richtigen Einsendungen verlosen wir ein connexi-Abonnement <strong>2019</strong><br />

32


MECHANISCHE HERZKLAPPEN UND INTRAKRANIELLE DACHZEILE BLUTUNG<br />

Empfehlungen zur Therapie Titel<br />

Karl Georg Häusler 1 , Würzburg und Joji B. Kuramatsu 2 , Erlangen Autor<br />

Bei Patienten mit mechanischer Herzklappe kommt der medikamentösen Prävention von Klappenthrombosen<br />

und ischämischen Schlaganfällen eine große Bedeutung zu. Gemäß der Leitlinie der European Society of<br />

Cardiology (ESC) und der European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS) ist bei mechanischer<br />

Herzklappe eine orale Antikoagulation indiziert. Die verfügbaren Leitlinienempfehlungen zur Akuttherapie<br />

bei mechanischer Herzklappe und intrakranieller Blutung sind vergleichsweise vage. Im klinischen Alltag<br />

sind die Entscheidungen zur Antagonisierung einer Antikoagulation, zur Dauer einer Antikoagulationsunterbrechung<br />

und zum Einsatz einer Heparinisierung sehr heterogen. Die Autoren sehen eine Indikation<br />

zur Antagonisierung einer therapeutisch wirksamen Antikoagulation bei akuter intrakranieller Blutung als<br />

prinzipiell gegeben, wobei die Basis aller Therapieentscheidungen ein patientenzentriertes Vorgehen und<br />

eine interdisziplinäre Abstimmung sein sollte.<br />

Herzklappenersatz – Historie und<br />

Gegenwart<br />

Als Herzklappenersatz ist ein operativ oder<br />

minimal invasiv eingebrachter mechanischer oder<br />

biologischer Ersatz für eine Herzklappe zu verstehen.<br />

Die erste mechanische Herzklappe wurde im<br />

Jahr 1960 von Dr. Albert Starr in Portland (Oregon,<br />

USA) implantiert. Gemäß dem Herzbericht des Jahres<br />

2018 werden allein in Deutschland etwa 34.000<br />

Herzklappen pro Jahr ersetzt, wobei der Anteil<br />

minimalinvasiv implantierter Herzklappen in den<br />

letzten Jahren stetig zugenommen hat.<br />

1 Neurologische Klinik und Poliklinik, Universitätsklinikum<br />

Würzburg<br />

2 Neurologische Klinik, Universitätsklinikum Erlangen<br />

CONFERENCES<br />

33


MECHANISCHE HERZKLAPPEN UND INTRAKRANIELLE BLUTUNG<br />

Leitlinienempfehlungen zur<br />

Schlaganfallprävention bei<br />

mechanischer Herzklappe<br />

Die medikamentöse Prävention von Klappenthrombosen<br />

und ischämischen Schlaganfällen hat<br />

bei mechanischen Herzklappen einen sehr hohen<br />

Stellenwert. Hierbei ist zu beachten, dass das<br />

Schlaganfallrisiko von der Bauart der mechanischen<br />

Herzklappe, ihrer Position und der Zahl der implantierten<br />

mechanischen Herzklappen abhängig ist.<br />

Gemäß den zuletzt 2017 aktualisierten Leitlinien<br />

der European Society of Cardiology (ESC) und der<br />

European Association for Cardio-Thoracic Surgery<br />

(EACTS) ist bei mechanischer Herzklappe eine orale<br />

Antikoagulation mittels eines Vitamin-K-Antagonisten<br />

(VKA) indiziert, wobei die Ziel-INR zwischen<br />

2,5 und 4,0 liegen sollte, in Abhängigkeit von der<br />

antizipierten Thrombogenität der Herzklappe, dem<br />

Vorhandensein von Risikofaktoren (kardiale Ejektionsfraktion<br />


MECHANISCHE HERZKLAPPEN UND INTRAKRANIELLE BLUTUNG<br />

verfügbaren Leitlinienempfehlungen zur Akuttherapie<br />

bei mechanischer Herzklappe und intrakranieller<br />

Blutung vergleichsweise vage. In der ESC/<br />

EACTS-Leitlinie wird darauf verwiesen, dass eine<br />

umgehende Antagonisierung mittels intravenöser<br />

Gabe von Prothrombin-Komplex-Präparaten und<br />

Vitamin K nur bei schwerer Blutung erforderlich<br />

ist, zu denen die intrakraniellen Blutungen gezählt<br />

werden. Zudem wird darauf verwiesen, dass keine<br />

Daten vorliegen, die belegen, dass das mit einer<br />

Antagonisierung assoziierte Risiko einer Thromboembolie<br />

die möglichen Folgen einer schweren<br />

Blutung überwiegt. Der Wiederbeginn einer oralen<br />

Antikoagulation sollte gemäß der ESC/EACTS-<br />

Leitlinie in Abhängigkeit von der Lokalisation, der<br />

Dynamik und Ursache der Blutung sowie von den<br />

bereits erfolgten therapeutischen Maßnahmen<br />

abhängig gemacht werden [1]. Allerdings wird im<br />

Expertenkonsensus der Europäischen Gesellschaft<br />

für Kardiologie empfohlen, eine systemische Antikoagulation<br />

mit Heparinen schon nach drei Tagen<br />

zu beginnen [7]. In der von der American Heart<br />

Association (AHA) und dem American College of<br />

Cardiology (ACC) herausgegebenen Leitlinie wird<br />

im Kontext einer Notfalloperation oder notfallbedingten<br />

invasiven Prozedur auf die begrenzte<br />

Datenlage zu einer Gabe von gefrorenem Frischplasma<br />

oder Prothrombin-Komplex-Präparaten<br />

bei Patienten mit mechanischer Herzklappe unter<br />

Einnahme eines Vitamin-K-Antagonisten verwiesen<br />

(Evidenzklasse IIa, Level C). Zudem wird auf die<br />

Möglichkeit eines „bridgings“ bei subtherapeutischer<br />

INR hingewiesen, welches in Abwägung des<br />

Thromboembolie- und Blutungsrisikos bei Patienten<br />

mit mechanischer Herzklappe erwogen werden<br />

sollte, die sich einer invasiven oder operativen Prozedur<br />

unterziehen und entweder eine mechanische<br />

Aortenklappe älterer Bauart haben, eine mechanische<br />

Aortenklappe und weitere Risikofaktoren<br />

für eine Thromboembolie aufweisen oder eine<br />

mechanische Mitralklappe haben [8]. Spezifische<br />

Empfehlungen zur Therapie der (spontanen) intrakraniellen<br />

Blutung bei mechanischer Herzklappe<br />

finden sich hingegen weder in der Leitlinie der<br />

American Heart Association (AHA) und American<br />

Stroke Association (ASA) noch in den Empfehlungen<br />

der European Stroke Organisation (ESO) [9, 10].<br />

RETRACE I & II<br />

Im Folgenden sollen die im Jahr 2018 im European<br />

Heart Journal von den Autoren publizierten<br />

Ergebnisse der retrospektiven RETRACE-I- & -II-<br />

Studien näher erläutert werden [11]. Unter Beteiligung<br />

von 22 deutschen Studienzentren wurden<br />

retrospektiv Daten von 2.504 Patienten mit intrazerebraler<br />

Blutung erhoben, die zwischen 2006<br />

und 2015 behandelt wurden. Darunter befanden<br />

sich 166 Patienten mit mechanischer Herzklappe,<br />

die bei Auftreten der Hirnblutung im Durchschnitt<br />

70 Jahre alt waren, zu 65 % eine mechanische<br />

Herzklappe in Aortenposition hatten und zu 28 %<br />

ein Vorhofflimmern aufwiesen. Eine suffiziente<br />

Antagonisierung (definiert als INR


MECHANISCHE HERZKLAPPEN UND INTRAKRANIELLE BLUTUNG<br />

betroffen waren. Die Antikoagulation mit Heparin<br />

oder VKA innerhalb von 14 Tagen nach Auftreten<br />

der Blutung war mit einem signifikant erhöhten<br />

Blutungsrisiko assoziiert. Unter Berücksichtigung<br />

von erneuten Blutungen und Thromboembolien<br />

war eine Antikoagulation innerhalb von sieben<br />

Tagen als nachteilig zu betrachten.<br />

Empfehlungen zur Akuttherapie<br />

Aus Sicht der Autoren sollte die Basis aller<br />

Therapieentscheidungen ein patientenzentriertes<br />

Vorgehen sein, das neben der Lokalisation, Ausdehnung<br />

und Dynamik der intrakraniellen Blutung<br />

auch die Bauart und Position der mechanischen<br />

Herzklappe(n) berücksichtigt. Zudem erscheint<br />

eine interdisziplinäre Abstimmung zwischen den<br />

behandelnden Ärzten der Fachbereiche <strong>Neurologie</strong>,<br />

Die Normalisierung der Gerinnungssituation sollte mit einer<br />

intensivierten systolischen Blutdrucksenkung einhergehen.<br />

CONFERENCES<br />

Kardiologie und ggf. Neurochirurgie und Hämostaseologie<br />

unabdingbar, zumal die Sichtweisen<br />

einzelner Fachdisziplinen durchaus differieren<br />

können, wie eine selbst initiierte, nicht repräsentative<br />

Umfrage unter Oberärzten aus neurologischen<br />

bzw. kardiologischen Kliniken belegt. Anhand von<br />

Fallvignetten mit wechselnden Herzklappen, Klappenpositionen<br />

und zerebralen CT-Bildern wurde<br />

deutlich, wie heterogen Entscheidungen zu Beginn<br />

und bei der Durchführung einer Antagonisierung<br />

einer therapeutisch wirksamen Antikoagulation,<br />

zur Dauer einer Antikoagulationsunterbrechung<br />

und zum Einsatz einer intermittierenden Heparinisierung<br />

sind.<br />

Aus Sicht der Autoren ist eine Indikation zur<br />

Antagonisierung einer therapeutisch wirksamen<br />

Antikoagulation prinzipiell gegeben. Der Verwendung<br />

von Prothrombinkomplex-Präparaten (Dosierungsvorschlag:<br />

25 I.E. pro kg/Körpergewicht (KG)<br />

bei INR 2−4; 35 I.E. pro kg/KG bei INR 4−6; 50 I.E.<br />

pro kg/KG bei INR>6) sollte nach Meinung der<br />

Autoren der Vorzug gegeben werden, zumal der<br />

Einsatz von gefrorenem Frischplasma mit hohen<br />

Flüssigkeitsmengen assoziiert und daher nur<br />

bedingt praktikabel ist [12, 13].<br />

Zudem zeigte eine randomisierte Studie unter<br />

Einschluss von 54 Patienten (ohne mechanische<br />

Herzklappe) mit intrazerebraler Blutung unter<br />

VKA einen Vorteil zugunsten von Prothrombinkomplex-Präparaten<br />

(Dosierung 30 I.E. pro kg/KG)<br />

im Vergleich zu gefrorenen Frischplasmen (20 ml<br />

pro kg/KG) bezüglich einer suffizienten Antagonisierung<br />

(INR≤1,2 innerhalb von drei Stunden) als<br />

auch bezüglich eines geringeren Risikos für eine<br />

Nachblutung [14]. Additiv sollten 10 mg Vi tamin K<br />

(aufgrund des Anaphylaxie-Risikos langsam) intravenös<br />

appliziert werden. Eine erneute Gabe von<br />

Vitamin K sollte nach Meinung anderer Autoren<br />

nach zwölf Stunden erwogen werden [4]. Die<br />

Verwendung von rekombinantem Faktor VIIa ist<br />

effektiv zur Antagonisierung von Vitamin-K-Antagonisten<br />

assoziierten Blutungen, weist jedoch ein<br />

vergleichsweise hohes Thromboembolie-Risiko auf<br />

und kann somit nicht empfohlen werden [15].<br />

Die Maßnahmen zur Normalisierung der Gerinnungssituation<br />

sollten gleichzeitig mit einer inten-<br />

36


MECHANISCHE HERZKLAPPEN UND INTRAKRANIELLE BLUTUNG<br />

sivierten systolischen Blutdrucksenkung auf einen<br />

systolischen Zielwert von 140 mmHg einhergehen<br />

[16]. Eine Hypotension sollte strikt vermieden werden,<br />

da diese mit vermehrten renalen und kardialen<br />

Komplikationen assoziiert ist. Zudem sollte eine<br />

Normothermie und Normoglykämie angestrebt<br />

werden.<br />

Eine weitere wichtige therapeutische Entscheidung<br />

bei Patienten mit Hirnblutung und mechanischer<br />

Herzklappe betrifft den Wiederbeginn einer<br />

oralen Antikoagulation. Unter besonderer Berücksichtigung<br />

der RETRACE-Daten [11] erscheint<br />

eine Antikoagulationspause von (mindestens)<br />

7−14 Tagen in Abwägung des individuellen<br />

Thrombo embolie- und Blutungsrisikos gerechtfertigt<br />

zu sein. Eine zu fordernde individuelle Entscheidung<br />

zur Länge der Antikoagulationspause<br />

sollte die Lokalisation, Ausdehnung und Dynamik<br />

der intrakraniellen Blutung sowie die Bauart und<br />

Position der mechanischen Herzklappe(n) berücksichtigen.<br />

Der Nutzen einer intermittierenden<br />

Heparinisierung ist bei subtherapeutischer INR<br />

auch für Patienten mit besonders hohem Thromboembolierisiko<br />

(wie beispielsweise einer unlängst<br />

implantierten mechanischen Klappe in Mitralposition)<br />

nicht sicher belegt und kommt daher einer<br />

Einzelfallentscheidung gleich. Eine Heparingabe<br />

sollte jedoch bei erneutem Beginn einer oralen<br />

Antikoagulation mittels eines VKA bis zum Erreichen<br />

einer INR≥2 erfolgen. Eine Thromboseprophylaxe<br />

mittels Heparin sollte nach Antagonisierung<br />

der oralen Antikoagulation bis zu deren Wiederbeginn<br />

erfolgen, wenn aufgrund der neurologischen<br />

Defizite nach intrakranieller Blutung oder aufgrund<br />

der Eigenanamnese ein relevantes Thromboserisiko<br />

besteht und bildgebend eine Blutungsstabilität<br />

gesichert werden konnte.<br />

Literatur:<br />

1. Baumgartner H et al. Eur Heart J 2017;38:2739−2791.<br />

2. Eikelboom JW et al. NEJM 2013;369:1206−1214.<br />

3. Kirchhof P et al. Eur Heart J 2016;37:2893−2962.<br />

4. Panduranga P et al. World J Cardiol 2012;4:54−59.<br />

5. Chandra D et al. Interact Cardiovasc Thorac Surg<br />

2013;16:520−523.<br />

6. AlKherayf F et al. Thromb Res 2016;144:152−157.<br />

7. Halvorsen S et al. Eur Heart J 2017;38:1455−1462.<br />

8. Nishimura RA et al. J Am Coll Cardiol 2017;70:252−289.<br />

9. Hemphill JC, 3rd et al. Stroke 2015;46:2032−2060.<br />

10. Steiner T et al. International journal of stroke: official journal<br />

of the International Stroke Society 2014;9:840−855.<br />

11. Kuramatsu JB et al. Eur Heart J 2018;39:1709−1723.<br />

12. Goldstein JN et al. Lancet 2015;385:2077−2087.<br />

13. Kuramatsu JB et al. Jama 2015;313:824−836.<br />

14. Steiner T et al. The Lancet Neurology 2016;15:566−573.<br />

15. Levi M et al. NEJM;2010;363:1791−1800.<br />

16. Boulouis G et al. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2017;<br />

88:339−345.<br />

Univ.-Prof. Dr. med. Karl Georg Häusler<br />

Neurologische Klinik und Poliklinik Universitätsklinikum<br />

Würzburg, Josef-Schneider-Str. 11, 97080 Würzburg<br />

CONFERENCES<br />

37


EPILEPSIE<br />

Therapeutische Weichenstellungen<br />

beim Übergang von Adoleszenz ins<br />

Erwachsenenalter<br />

Andreas Schulze-Bonhage, Freiburg<br />

CONFERENCES<br />

Mit dem Übergang von jungen Epilepsiepatienten ins Erwachsenenalter treten eine Reihe von Änderungen<br />

auf, die teils durch die Epilepsien, weit mehr jedoch durch Aspekte der Patientenführung, erweiterter<br />

medikamentöser und nichtmedikamentöser Behandlungsoptionen und durch neue soziale Aspekte bedingt<br />

sind. In dieser Transitionsphase ist daher eine enge Zusammenarbeit der behandelnden Ärzte (Neuropädiater<br />

und Neurologen) erforderlich, um sicherzustellen, dass Patienten eine ihrem Alter und Entwicklungsstand<br />

entsprechende optimale Therapie erhalten und neue Aspekte, die mit dem Erreichen des Erwachsenenalters<br />

relevant werden, in die Therapieplanung einfließen.<br />

Für die Übergabe des Patientenmanagements<br />

zum Erwachsenen-Neurologen und -Epilep tologen<br />

ist zunächst eine umfassende Epikrise der Grundlagen<br />

der Syndromklassifikation sowie bisheriger<br />

Behandlungsansätze, ihrer Wirksamkeit und Verträglichkeit<br />

wichtig. Dies vermeidet eine erneute<br />

Wahl bereits als nicht sinnvoll erkannter Therapieansätze<br />

und ermöglicht eine erneute Gesamt-Eva-<br />

38


EPILEPSIE<br />

luation der Behandlungssituation, auch in Hinsicht<br />

auf bislang nicht eingesetzte medikamentöse oder<br />

nichtmedikamentöse Behandlungsoptionen.<br />

Medikamentöse Therapie<br />

Neue medikamentöse Optionen können sich<br />

etwa aufgrund der Zulassungssituation ergeben,<br />

da mit dem Alter von 16 bzw. 18 Jahren neue<br />

Medikamente für Kombinationsbehandlungen oder<br />

auch in Monotherapie neu verfügbar werden. Der<br />

Wechsel ins Erwachsenenalter bietet auch Gelegenheit,<br />

spezifische Medikationen des Kindesalters<br />

erneut kritisch zu hinterfragen. So haben manche<br />

Medikamente wie Stiripentol eine Wirkung auf<br />

bestimmte GABA-Subrezeptoren, die im Kindesalter<br />

wesentlich stärker exprimiert werden als im<br />

späteren Leben, so dass ein Wechsel auf ein anderes<br />

Antiepileptikum auch unter pharmakodynamischen<br />

Aspekten sinnvoll sein kann.<br />

Eine große Rolle spielt bei weiblichen Patienten<br />

die Frage nach einer Medikation, die eine wirksame<br />

orale Verhütung erlaubt (insbesondere die Vermeidung<br />

starker Enzyminduktoren), sowie im Falle<br />

eines Kinderwunsches eine frühzeitige Evaluation<br />

geeigneter Monotherapien. Insbesondere stellt<br />

sich bei vielen Patientinnen die Frage, ob ein Verzicht<br />

auf Valproat möglich ist, das im Kindesalter<br />

weiterhin breit eingesetzt wird, bei Patientinnen<br />

im gebärfähigen Alter jedoch nicht nur aufgrund<br />

eines höheren Risikos teratogener Wirkungen,<br />

sondern auch wegen einer Gefährdung der Hirnreifung<br />

und der intellektuellen Entwicklung des<br />

Fetus problematisch ist. Während Valproat bei<br />

Vorliegen einer fokalen Epilepsie meist ohne größere<br />

Probleme gegen ein gleich wirksames anderes<br />

Antiepileptikum ausgetauscht werden kann, ist es<br />

bei generalisierten Epilepsien weiterhin wesentlich<br />

wirksamer als mögliche Ersatzoptionen etwa<br />

durch Lamotrigin oder Levetiracetam. Hier ist ein<br />

Andreas Schulze-Bonhage<br />

andreas.schulze-bonhage@uniklinik-freiburg.de<br />

frühzeitiges Austarieren möglicher Ersatzoptionen<br />

erforderlich, gegebenenfalls unter zeitweiser<br />

Inkaufnahme einer unvollständigen Kontrolle milder<br />

Anfallstypen, um eine optimale Vorbereitung<br />

auf eine Schwangerschaft zu gewährleisten.<br />

Nichtmedikamentöse<br />

Behandlungsansätze<br />

Insbesondere bei nicht zufriedenstellend kontrollierten<br />

fokalen Epilepsien bietet der Arztwechsel<br />

eine Gelegenheit, erneut über die korrekte<br />

Syndromklassifikation nachzudenken und bildgebende<br />

oder EEG-Befunde unter Einsatz moderner<br />

Technologien (3T-Scanner mit der Option der<br />

Gewinnung hochauflösender dreidimensionaler<br />

Datensätze; ggf. Anfallsaufzeichnungen im Video-<br />

EEG-Monitoring) zu erweitern, um auch nichtmedikamentöse<br />

Behandlungsoptionen auszutarieren.<br />

Bei Pharmakoresistenz ist die Epilepsiechirurgie<br />

die nachgewiesen wirksamste Behandlungsmöglichkeit;<br />

an erfahrenen Epilepsiezentren erzielen<br />

50−80 % der operativ behandelten Patienten<br />

CONFERENCES<br />

39


EPILEPSIE<br />

Optionen aufzuzeigen. Hier ist eine interdisziplinäre<br />

Zusammenarbeit etwa mit Sozialarbeitern<br />

und Neuropsychologen hilfreich, um das Potenzial<br />

der Patienten auszuloten und sie individuell auf<br />

Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit ist hilfreich,<br />

um das Potenzial der Patienten auszuloten und sie individuell<br />

zu begleiten .<br />

CONFERENCES<br />

eine vollständige Anfallsfreiheit und ein erheblicher<br />

weiterer Teil eine für die Lebensqualität noch<br />

wertvolle deutliche Anfallsreduktion um 75−90 %.<br />

Auch neuromodulatorische Verfahren wie die thalamische<br />

Stimulation sind im Erwachsenenalter<br />

zugänglich und können bei schweren Epilepsien<br />

als wertvolle Zusatzoption eingesetzt werden.<br />

Soziale Aspekte<br />

Mit der Adoleszenz und dem beginnenden<br />

Erwachsenenalter ergeben sich zudem eine Reihe<br />

relevanter sozialer Aspekte. Das Einhalten einer<br />

weitgehend geregelten Lebensweise, insbesondere<br />

eines regelmäßigen Nachtschlafes, kann problematisch<br />

sein; entsprechende Informationen durch<br />

den Arzt müssen oft wiederholt erfolgen. Auch<br />

die Compliance bei der Einnahme der Medikation<br />

kann fluktuieren, was sich in einer zeitweisen Verschlechterung<br />

der Anfallskontrolle manifestieren<br />

kann. Entsprechend können gerade zu Beginn des<br />

Arztwechsels häufige Termine mit Einschluss von<br />

Serumkonzentrationsbestimmungen der gegebenen<br />

Antiepileptika sinnvoll sein.<br />

Neue beratende Aufgaben ergeben sich darüber<br />

hinaus bei Fragen der Fahrtauglichkeit und<br />

auch der Berufswahl. Eine Abschätzung der Chancen<br />

auf eine langfristige Anfallskontrolle und die<br />

Beurteilung der Schwere der vorliegenden Anfälle<br />

sind wesentlich, um falsche berufliche Weichenstellungen<br />

zu vermeiden und rechtzeitig geeignete<br />

einem erfolgreichen Lebens- und Berufsweg zu<br />

begleiten. Diese im Kindesalter gerade an sozialpädiatrischen<br />

Zentren leicht zugängliche Interdisziplinarität<br />

muss vom behandelnden Neurologen<br />

im Einzelfall wieder angeboten werden. Insbesondere<br />

bei behandlungsschwierigen Epilepsien bieten<br />

sich hierfür auch stationäre Behandlungsangebote<br />

in Form von Komplexbehandlungen an, bei denen<br />

eine Kombination edukativer Angebote, einer Syndrom-Reevaluation<br />

sowie eine Beurteilung kognitiver<br />

und sozialer Aspekte der Epilepsie im Team<br />

erfolgen und neue Richtungen der Entwicklung<br />

über eine rein medizinische Therapie hinaus in den<br />

Blick genommen werden können.<br />

Prof. Dr. med. Andreas Schulze-Bonhage<br />

Epilepsiezentrum, Universitätsklinikum Freiburg<br />

Neurozentrum, Breisacher Str. 64, 79106 Freiburg<br />

40


THERAPIE DER MIGRÄNE<br />

Gepante und monoklonale Antikörper<br />

gegen CGRP und den CGRP-Rezeptor<br />

Charly Gaul, Königstein im Taunus<br />

Die Migräne ist die häufigste neurologische Erkrankung und geht bei vielen Betroffenen mit einer erheblichen<br />

Beeinträchtigung der Lebensqualität einher. Deshalb sind neue pathosphysiologische Erkenntnisse und<br />

neue Therapien von hoher Relevanz. Im Fokus bei der Erforschung neuer wirksamer und gut verträglicher<br />

Substanzen zur Migräne-Prophylaxe, die jetzt von ersten Erfolgen gekrönt ist, steht Calcitonin Gene-Related<br />

Peptide (CGRP).<br />

Bereits in den 1990er-Jahren konnte gezeigt<br />

werden, dass Calcitonin Gene-Related Peptide ein<br />

Schlüsselmolekül in der Pathophysiologie der Kopfschmerzerkrankung<br />

darstellt [1]. Jugularvenenblut,<br />

das im Migräneanfall entnommen wurde, zeigte<br />

erhöhte CGRP-Spiegel [2]. Später wurde gezeigt,<br />

dass die Injektion von Sumatriptan den Spiegel von<br />

CGRP senkt und dass man durch Infusion von CGRP<br />

beim Menschen Migräneanfälle auslösen kann.<br />

Bei CGRP handelt es sich um ein Neuropeptid,<br />

das ubiquitär im Körper vorhanden ist und<br />

in zahlreiche physiologische Prozesse involviert<br />

ist. CGRP ist ein potenter Vasodilatator. CGRP ist<br />

möglicherweise bei chronischer Migräne (Migräne<br />

mit 15 oder mehr Kopfschmerztagen im Monat)<br />

erhöht und wird auch durch eine Behandlung mit<br />

Botulinumtoxin beeinflusst. Triptane, die zur Akuttherapie<br />

der Migräne eingesetzt werden, hemmen<br />

die Ausschüttung von CGRP. Dieser Mechanismus<br />

macht klar, weshalb die Einnahme von Triptanen<br />

unmittelbar bei Anfallsbeginn besser wirkt als<br />

die verspätete Einnahme im Verlauf des Migräneanfalls,<br />

wenn CGRP bereits in relevanten Mengen<br />

freigesetzt wurde.<br />

Neue Wirkstoffgruppe: Gepante<br />

In einem ersten Schritt wurden orale Antagonisten<br />

des CGRP-Rezeptors entwickelt. Diese<br />

Gepante wurden zur Akuttherapie des Migräneanfalls<br />

in randomisierten klinischen Studien<br />

geprüft. Sie zeigten hierbei eine Wirkung ähnlich<br />

der Triptane ohne kardiovaskuläre Nebenwirkungen.<br />

Im Anschluss wurden Gepante in randomi-<br />

CONFERENCES<br />

41


THERAPIE DER MIGRÄNE<br />

sierten klinischen Studien zur Migräneprophylaxe<br />

geprüft, hierbei kam es zu klinisch relevanten und<br />

erheblichen Leberwerterhöhungen, sodass die<br />

Entwicklung zunächst eingestellt wurde. Aktuell<br />

wird Ubrogepant zur Akuttherapie der Migräneattacke<br />

weiterentwickelt, außerdem Atogepant zur<br />

Migräne prophylaxe. Diese beiden Substanzen sollen<br />

nicht mit Leberwerterhöhungen einhergehen.<br />

Möglicherweise stehen damit in wenigen Jahren<br />

orale Substanzen zur Verfügung, die mit guter Verträglichkeit<br />

und Wirksamkeit gegen ein Schlüsselmolekül<br />

der Migräne gerichtet sind.<br />

Monoklonale Antikörper –<br />

Der Startschuss ist gefallen<br />

Priv.-Doz. Dr. med. Charly Gaul<br />

c.gaul@migraene-klinik.de<br />

CONFERENCES<br />

Seit einigen Jahren wurden monoklonale Antikörper<br />

entwickelt, die sich spezifisch gegen CGRP<br />

richten bzw. den CGRP-Rezeptor blockieren. Die<br />

monoklonalen Antikörper gegen CGRP oder den<br />

CGRP-Rezeptor können die Blut-Hirn-Schranke<br />

nicht überwinden. Seit 1.11.2018 ist Erenumab der<br />

erste Vertreter der Substanzgruppe in Deutschland<br />

auf dem Markt. Erenumab richtet sich gegen den<br />

CGRP-Rezeptor. Die Standarddosierung beträgt<br />

70 mg/Monat, es kann auch mit 140 mg/Monat<br />

behandelt werden. Die Substanz wird mit einem<br />

Pen durch den Patienten selbst appliziert. Die<br />

Behandlung ist zugelassen, wenn mindestens vier<br />

Migränetage im Monat vorliegen.<br />

Die Kostenerstattung durch die Krankenkassen<br />

ist aktuell noch Gegenstand eines Bewertungsverfahrens<br />

beim GBA. Erenumab wirkt bei episodischer<br />

und bei chronischer Migräne. In einer klinischen<br />

Studie (Liberty-Studie) wurde gezeigt, dass es<br />

auch dann wirksam ist, wenn mehrere Prophylaxen<br />

vorher nicht wirksam waren [3]. Momentan<br />

besteht von Seiten des Herstellers die Empfehlung,<br />

bevorzugt Patienten mit Erenumab zu behandeln,<br />

die auf andere Präparate zur Migräneprophylaxe<br />

nicht ansprachen, Nebenwirkungen hatten oder<br />

bei denen Kontraindikationen gegen die Therapie<br />

mit einer Standardprophylaxe bestehen.<br />

Am 01.04.<strong>2019</strong> kam in Deutschland Galcanezumab<br />

auf den Markt. Hierbei handelt es sich um<br />

einen monoklonalen Antikörper, der gegen CGRP<br />

direkt gerichtet ist. Auch Galcanezumab wird mit<br />

einem Autoinjektor durch den Patienten subkutan<br />

selbst injiziert. Die Gabe erfolgt alle vier Wochen.<br />

Eine Wirksamkeit konnte gegen die episodische<br />

und gegen die chronische Migräne gezeigt werden<br />

[4]. Die Therapie mit Galcanezumab beginnt<br />

mit einer Loadingdosis von 240 mg (2x120 mg),<br />

im Anschluss erfolgt die Behandlung monatlich<br />

mit 120 mg.<br />

Seit dem 15. Mai <strong>2019</strong> ist auch Fremanezumab<br />

in Deutschland auf dem Markt. Es handelt sich<br />

ebenfalls um einen Antikörper gegen CGRP. Die<br />

Behandlung mit Fremanezumab erfolgt entweder<br />

in einer Dosierung von 675 mg im Abstand von<br />

drei Monaten oder in einer Dosierung von 225 mg<br />

monatlich. Auch hier kann die Subkutangabe durch<br />

den Patienten selbst erfolgen. Die Wirkung gegen<br />

42


THERAPIE DER MIGRÄNE<br />

episodische und gegen chronische Migräne ist<br />

durch randomisierte klinische Studien belegt [5].<br />

Ob der vierte monoklonale Antikörper, Eptinezumab,<br />

der ebenfalls gegen CGRP direkt gerichtet<br />

ist, auch auf den Markt kommt, ist noch offen.<br />

Eptine zumab kann nur intravenös verabreicht<br />

werden.<br />

Fremanezumab und Galcanezumab werden bzw.<br />

wurden auch zur Therapie des Clusterkopfschmerzes<br />

untersucht. Die Studienergebnisse sind noch<br />

nicht publiziert.<br />

Wirkung ebenbürtig, weniger<br />

Nebenwirkungen<br />

Nach den bislang publizierten Studiendaten zeigen<br />

Erenumab, Galcanezumab und Fremanezumab<br />

eine gute Wirkung bei episodischer und chronischer<br />

Migräne, die der Wirkung der bisherigen Prophylaxen<br />

(Betablocker, trizyklische Antidepressiva,<br />

Topiramat, Flunarizin, Valproat und Botulinumtoxin)<br />

ebenbürtig ist.<br />

Auch die Behandlung<br />

mit einem mono klonalen<br />

Antikörper sollte immer<br />

in ein multi modales<br />

Behandlungs konzept<br />

eingebettet sein.<br />

Insgesamt zeigen die Antikörper jedoch eine bessere<br />

Verträglichkeit mit geringen Nebenwirkungsraten.<br />

Dies ist besonders relevant, da bislang orale<br />

Migräneprophylaxen häufig nicht dauerhaft eingenommen<br />

werden; unzureichende Wirksamkeit und<br />

Nebenwirkungen sind zu gleichen Teilen Gründe<br />

für den Therapieabbruch.<br />

Vorteil aller Vertreter der neuen Substanzgruppe<br />

ist das rasche Einsetzen der Wirkung. Die Fachinformationen<br />

empfehlen einen Behandlungsversuch<br />

über drei Monate.<br />

Auch die Behandlung mit einem monoklonalen<br />

Antikörper sollte in ein Behandlungskonzept<br />

eingebettet sein. Die Patienten werden in der<br />

Regel nicht migränefrei, sie bedürfen also weiter<br />

einer Beratung und Verordnung von Akutmedikation,<br />

der Behandlung somatischer und psychischer<br />

Komorbiditäten sowie nichtmedikamentöser<br />

Behandlungsansätze aus Patienten-Edukation,<br />

Ent spannungsverfahren und Ausdauersport.<br />

Noch nicht für alle Patienten<br />

Der Stellenwert dieser Antikörperbehandlung<br />

insgesamt wird sich in den nächsten Jahren zeigen.<br />

Aufgrund der Pflicht zur wirtschaftlichen Verordnung<br />

ist es gerechtfertigt, dass zunächst bevorzugt<br />

Patienten, für die bislang keine gut wirksame oder<br />

verträgliche Therapie zur Verfügung stand, behandelt<br />

werden.<br />

Literatur:<br />

1. Russell FA, King R, Smillie SJ, et al. Physiol Rev.<br />

2014;94:1099−1142.<br />

2. Goadsby PJ, Edvinsson L. Ann Neurol. 1993;33:48−56.<br />

3. Reuter U, Goadsby PJ, Lanteri-Minet M, et al. The Lancet.<br />

2018;392:2280−2287.<br />

4. Förderreuther S, Zhang Q, Stauffer VL, et al. Headache<br />

Pain. 2018;19:121.<br />

5. VanderPluym J, Dodick DW, Lipton RB, et al. Neurology.<br />

2018;91:e1152-e1165).<br />

Priv.-Doz. Dr. med. Charly Gaul,<br />

Migräne- und Kopfschmerzklinik Königstein,<br />

Ölmühlweg 31, 61462 Königstein im Taunus<br />

CONFERENCES<br />

43


NEUE THERAPIEOPTION<br />

Spezifische Migräne-Prophylaxe als<br />

Quartalsdosis verfügbar<br />

Mit der Entwicklung von CGRP-Antikörpern ist eine neue Medikamentenklasse zur Migräneprophylaxe<br />

entstanden, die zu einer signifikanten Abnahme der Migränetage und somit einer deutlichen Verbesserung<br />

der Lebensqualität vieler betroffener Patienten führt. Mit Fremanezumab (AJOVY®) von Teva ist seit dem<br />

15. Mai in Deutschland der erste monoklonale Antikörper zur Prophylaxe verfügbar, der neben der monatlichen<br />

Injektion auch eine Quartalsdosis bietet [1]. Er zeichnet sich zudem durch eine hohe Ansprechrate,<br />

eine gute Verträglichkeit und einen schnellen Wirkeintritt aus, wie in der Launch-Pressekonferenz anhand<br />

aktueller Studiendaten gezeigt wurde.<br />

EDUCATION<br />

Migräne ist mit einer Prävalenz von 18 % bei<br />

Frauen und 6 % bei Männern in Deutschland<br />

nach wie vor eine untertherapierte neurologische<br />

Erkrankung, obwohl sie für die Patienten mit stark<br />

belastenden Symptomen und Komorbiditäten einhergeht.<br />

Bisher werden nur rund 15 % der Betroffenen,<br />

für die eine Prophylaxe infrage kommt,<br />

vorbeugend behandelt [2, 3]. Hinzu kommt, dass<br />

„bisher eingesetzte Substanzen zum Teil mit erheblichen<br />

Nebenwirkungen verbunden und für einen<br />

Die CGRP-Antikörper-Therapie erlaubt eine<br />

flexiblere individuelle Migräne-Prophylaxe.<br />

Teil der Patienten kontraindiziert sind, weshalb die<br />

Adhärenz der Patienten verhältnismäßig schlecht<br />

ist. Ein Großteil der Migränepatienten bricht die<br />

Therapie innerhalb des ersten Jahres hauptsächlich<br />

wegen mangelnder Wirksamkeit und Nebenwirkungen<br />

ab“, konstatierte Prof. Dr. med. Uwe Reuter ,<br />

Leiter des Kopfschmerzzentrums der Charité, Universitätsmedizin<br />

Berlin.<br />

Jetzt kann mit neuen zielgerichteten Therapieoptionen<br />

dem hohen Bedarf an Behandlungsmöglichkeiten<br />

besser entsprochen werden. Die<br />

CGRP-Antikörper-Therapie bietet neben der Wirksamkeit<br />

vor allem eine gute Verträglichkeit und<br />

lässt damit eine hohe Compliance erwarten. Die<br />

Medikamente der neuen Wirkstoffgruppe blockieren<br />

das pathogenetisch entscheidende „Calcitonin<br />

Gene Related Peptide“ (CGRP), indem sie entweder<br />

direkt an den Liganden binden oder den Rezeptor<br />

blockieren und damit die Anzahl der Migräneund<br />

Kopfschmerztage bei einer Verträglichkeit auf<br />

Plazebo-Niveau signifikant reduzieren, erläuterte<br />

Prof. Reuter.<br />

Überzeugende Studiendaten<br />

„Bisher lassen sich keine klinisch relevanten<br />

Unterschiede der beiden Wirkstoffkonzepte<br />

erkennen. Die Wirkstoffgruppe überzeugt durch<br />

sehr konsistente Studiendaten, bei denen vor<br />

allem die Verträglichkeit ins Auge sticht“, betonte<br />

PD Dr. med. Tim Jürgens, Rostock.<br />

„Alle CGRP-Antikörper wurden sowohl in der<br />

episodischen als auch in der chronischen Migräne<br />

getestet. … Die verschiedenen Studienprogramme<br />

sind aber sehr unterschiedlich gestaltet (verschiedene<br />

Endpunkte, unterschiedliche Patientenpopulationen),<br />

sodass ein direkter Vergleich schwierig<br />

ist“, fügte Jürgens einschränkend hinzu. Dessen<br />

ungeachtet sei es aber in der klinischen Routine<br />

wichtig, „dass wir auf Substanzen zurückgreifen<br />

können, deren Wirksamkeit in großen Studien an<br />

vielen Patienten belegt ist. Allein in die Phase-II- und<br />

Phase‐III-Studien zu den CGRP-Antikörpern wurden<br />

über 12.000 Patienten eingeschlossen. Die Evidenz<br />

für diese Wirkstoffklasse ist damit sehr hoch.“<br />

Fremanezumab biete im Gegensatz zu Erenumab<br />

und Galcanezumab zudem neben der monatlichen<br />

44


NEUE THERAPIEOPTION<br />

0<br />

-0,5<br />

-1,0<br />

Fremanezumab alle 3 Monate (N=375)<br />

Fremanezumab monatlich (N=375)<br />

Plazebo (N=371)<br />

KQ-Mittel (+/- SE)<br />

Veränderung ggü. Baseline<br />

-1,5<br />

-2,0<br />

-2,5<br />

-3,0<br />

-3,5<br />

-4,0<br />

-4,5<br />

Woche 1<br />

Monat 1<br />

Monat 2<br />

Monat 3<br />

monatlich


NEUE THERAPIEOPTION<br />

EDUCATION<br />

chen Migränetage halbiert werden: Bei der monatlichen<br />

Dosierung wiesen 47,7 % eine mindestens<br />

50%ige Verbesserung auf, bei der Quartalsdosis<br />

waren es 44,4 % (p=0,0001 vs. Plazebo). Besonders<br />

hervorzuheben ist das schnelle Ansprechen<br />

unter Fremanezumab. So konnten in der Studie zur<br />

chronischen Migräne bereits nach einer Woche im<br />

Vergleich zu Plazebo signifikante Verbesserungen<br />

erzielt werden [6].<br />

Darüber hinaus wurden in den Studien verschiedene<br />

patientenorientierte Parameter wie<br />

Behinderungsgrad, Lebensqualität, Produktivität<br />

am Arbeitsplatz, psychische Gesundheit als explorative<br />

Endpunkte gemessen, bei denen unter Fremanezumab<br />

teilweise signifikante Verbesserungen<br />

erzielt werden konnten.<br />

Der Antikörper kann monatlich oder – in höherer<br />

Dosierung – auch vierteljährlich subkutan<br />

injiziert werden. Er besitzt eine Halbwertszeit<br />

von 32 Tagen, was für die Möglichkeit der vierteljährlichen<br />

Anwendung spricht. Der Antikörper<br />

wird mittels rekombinanter DNA-Technik<br />

aus Ovarienzellen des chinesischen Hamsters<br />

(Chinese Hamster Ovary, CHO) hergestellt.<br />

Aufgrund der niedrigen Immunogenität treten<br />

nur wenig nicht gewollte Reaktionen des<br />

Immunsystems auf. Fremanezumab ist zugelassen<br />

für die Migräneprophylaxe bei Erwachsenen<br />

mit mindestens vier Migränetagen pro<br />

Monat.<br />

Versorgung im Praxisalltag<br />

Mit den CGRP-Antikörpern hat sich das Spektrum<br />

der Behandlungsoptionen jetzt um eine<br />

Wirkstoffgruppe erweitert, die sich wegen ihrer<br />

guten Verträglichkeit sehr positiv auf die Adhärenz<br />

und somit den Therapieerfolg auswirken wird, ist<br />

Dr. med. Astrid Gendolla, niedergelassene Neurologin<br />

und Schmerztherapeutin in Essen, überzeugt.<br />

Wichtig für eine nachhaltige Verbesserung der<br />

Lebensqualität seien allerdings nicht nur die medikamentöse,<br />

sondern gleichermaßen nichtmedikamentöse<br />

Maßnahmen sowie ein multidisziplinärer<br />

Ansatz, der neben dem Facharzt auch Hausärzte,<br />

Psychologen, MFAs und Physiotherapeuten einbezieht.<br />

Für den Praxisalltag, der in Deutschland<br />

durch komplizierte Versorgungsstrukturen und das<br />

Wirtschaftlichkeitsgebot geprägt ist, gelte es nun<br />

Algorithmen zu finden, bei welcher Patientenklientel<br />

die Therapie zu welchem Zeitpunkt anzuwenden<br />

ist. Mit der nun bestehenden Möglichkeit<br />

einen CGRP-Antikörper nur einmal im Quartal zu<br />

verabreichen, könne die Therapie flexibel – an die<br />

individuelle Situation des Patienten angepasst –<br />

gestaltet werden, unterstreicht Frau Gendolla<br />

einen der wesentlichen Vorteile der neu in den<br />

Markt gekommenen Substanz.<br />

Die Injektionen von Fremanezumab können<br />

von Praxispersonal verabreicht werden, aber es<br />

ist nach entsprechender Schulung auch zu Hause<br />

eine Selbstinjektion durch den Patienten möglich.<br />

„Ich gehe davon aus, dass, sobald einige Praxiserfahrungen<br />

mit Fremanezumab vorliegen, ein Teil<br />

der Patienten die Möglichkeit der Quartalsdosis<br />

in Anspruch nehmen wird“, so die Erwartung der<br />

Schmerztherapeutin.<br />

Bericht: Elke Klug, Redaktion<br />

Quelle: Launch-Pressekonferenz „Schnell, stark und flexibel:<br />

AJOVY® schafft Entscheidungsfreiheit in der spezifischen<br />

Migräne-Prophylaxe“ am 09.04.<strong>2019</strong> in Berlin.<br />

Referenzen<br />

1. Teva Fachinformation AJOVY. Stand März 2018.<br />

2. Lipton RB et al. Neurology 2007;68:343−349.<br />

3. Vander Pluym J et al. Headache 2016;56:1335−1343.<br />

4. Silberstein SD et al. NEJM 2017;377:2113−2122.<br />

5. Dodick DW et al. JAMA 2018;319:1999−2008.<br />

6. Brandes J et al. AAN 2018.Poster P4.102<br />

46


ALZHEIMER DIAGNOSTIK<br />

Multimodale Bildgebung – reif für<br />

die Praxis?<br />

Stefan Teipel, Rostock<br />

Eine Demenzerkrankung wird in der Versorgung in weniger als der Hälfte der Fälle diagnostiziert [1]. Eine<br />

frühzeitige Diagnose gibt Zugang zu einer symptomatischen Behandlung, Reduktion potenziell schädlicher<br />

Medikamente, kognitiver Rehabilitation sowie patienten- und angehörigenbezogener Beratung. Daher liegt<br />

eine frühe und zuverlässige Diagnose einer Alzheimer-Krankheit als häufigste Ursache für eine Demenzerkrankung<br />

im Interesse der Betroffenen und des Gesundheitssystems.<br />

Im Jahr 2018 wurden revidierte Forschungskriterien<br />

der Alzheimer-Krankheit vorgelegt, die die<br />

Erkrankungsdiagnose unabhängig vom klinischen<br />

Phänotyp auf krankheitsdefinierende Biomarker<br />

gründen [2]. Dementsprechend werden Personen<br />

mit Nachweis einer alzheimertypischen Amyloid-<br />

Pathologie im Gehirn (durch Amyloid-PET oder<br />

Abeta42-Nachweis im Liquor) dem Alzheimer-<br />

Kontinuum zugeordnet. Der zusätzliche Nachweis<br />

einer alzheimertypischen Tau-Pathologie (über<br />

Tau-PET oder CSF-Tau) führt zur Diagnose einer<br />

Alzheimer-Krankheit.<br />

Die Stadieneinteilung erfolgt nach dem Ausmaß<br />

der kognitiven Einschränkungen. Personen mit<br />

einer unauffälligen kognitiven Leistung erhalten<br />

bei Nachweis von Amyloid und Tau die Diagnose<br />

einer präklinischen, Personen mit einer leichten<br />

kognitiven Störung (LKS) die Diagnose einer prodromalen<br />

Alzheimer-Krankheit.<br />

Während Forscher, Ärzte und Fachgesellschaften<br />

noch darüber diskutieren, wie sich Forschungskriterien<br />

auf die Versorgung auswirken, bieten Unternehmen<br />

bereits anlassloses Alzheimer-Screening,<br />

basierend z. B. auf MRT-Biomarkern, als IGeL-Leistung<br />

an. Solche Angebote sind gegenwärtig aber<br />

nicht durch klinische Studiendaten begründbar,<br />

wie im Folgenden gezeigt werden wird.<br />

Präklinische Alzheimer-Krankheit<br />

Diese ist u. a. durch den PET-basierten Nachweis<br />

von Amyloid-Akkumulation im Gehirn definiert.<br />

Somit hat diese Methodik automatisch eine hohe<br />

Genauigkeit für den Nachweis einer präklinischen<br />

CONFERENCES<br />

47


ALZHEIMER DIAGNOSTIK<br />

CONFERENCES<br />

Abbildung 1: Amyloidstadien.<br />

Alzheimer-Krankheit. Relevanter ist die Frage nach<br />

der Prädiktionskraft des Amyloid-Nachweises für<br />

das Auftreten einer kognitiven Störung im Verlauf.<br />

Die vorliegenden Studien zeigen für einen positiven<br />

Amyloid-PET-Scan bei einer Person ohne kognitive<br />

Auffälligkeiten im Alter über 70 Jahren maximal<br />

einen positiven prädiktiven Wert (PPW) von 25 %<br />

über drei Jahre; 75 % der Personen mit einem positiven<br />

Amyloid-PET-Scan weisen also auch nach drei<br />

Jahren keine Verschlechterung ihrer Kognition auf.<br />

Zugleich ist der negative prädiktive Wert (NPW)<br />

mit 98 % sehr hoch: Der Übergang in eine kognitive<br />

Störung ist bei fehlendem Amyloid-Nachweis<br />

für eine Person ohne kognitive Beeinträchtigung in<br />

den nachfolgenden drei Jahren also sehr gering. Eine<br />

Amyloid-Stadieneinteilung könnte eine Erhöhung<br />

des positiven prädiktiven Wertes erreichen, aber<br />

auch dieser Ansatz bietet keine ausreichend genaue<br />

individuelle Prädiktion [3]; [4] (Abbildung 1). Der<br />

Nachweis von präklinischen Amyloid-Veränderungen<br />

sollte gegenwärtig daher klinischen Studien vorbehalten<br />

bleiben. Eine Änderung dieser Bewertung wäre<br />

möglich, falls in den nächsten Jahren krankheitsmodifizierende<br />

Behandlungen zur Zulassung kommen.<br />

Prodromale Alzheimer Krankheit<br />

Hier hat der Amyloidnachweis einen PPW von<br />

70−80 % über 3–4 Jahre für den Übergang aus einer<br />

LKS in ein Demenzsyndrom bei Alzheimer-Krankheit.<br />

Eine ergänzende hirnvolumetrische Untersuchung<br />

mittels MRT, z. B. zum Nachweis einer Hippocampus-<br />

Atrophie oder einer Atrophie des cholinergen basalen<br />

Vorderhirns, kann diese Aussagekraft weiter erhöhen.<br />

Auch der Nachweis eines Hypometabolismus mittels<br />

FDG-PET erreicht einen PPW um die 80 %. Besonders<br />

effektiv erscheint die Kombination verschiedener<br />

Biomarker, wie der Nachweis von Tau und Abeta<br />

(mittels CSF oder PET) plus Hirnatrophie oder Metabolismus<br />

(mittels FDG-PET) [5]. Somit gewinnen<br />

diese Verfahren an Bedeutung für die Frühdiagnose<br />

für Personen mit LKS in spezialisierten Zentren, insbesondere<br />

wenn sich hieraus die Möglichkeit zum<br />

Einschluss in sekundäre Präventionsstudien ergibt.<br />

Eine biomarkerbasierte Diagnostik muss aber immer<br />

individuell mit dem Patienten entschieden werden.<br />

Fast alle bisherigen Studien zur prognostischen<br />

Eignung der Verfahren wurden an hochselektionierten<br />

Stichproben in Expertenzentren durchgeführt.<br />

Eine Untersuchung des DZNE Rostock/Greifswald<br />

konnte zeigen, dass ein etablierter Biomarker für die<br />

Alzheimer-Krankheit, nämlich die Volumenmessung<br />

des Hippocampus und des basalen Vorderhirns, eine<br />

hohe Gruppentrennung zwischen LKS-Patienten<br />

und Gesunden in einer Kohorte aus dem Expertenzentrum<br />

aufwies, zugleich aber in einer primärärztlichen<br />

Kohorte nur Ratewahrscheinlichkeit erreichte<br />

[6]. Dieser Befund unterstreicht, dass wir, ehe wir ein<br />

im spezialärztlichen Setting etabliertes diagnostisches<br />

Verfahren breit in der Versorgung anwenden,<br />

dessen Nutzen in der tatsächlichen Versorgungspopulation<br />

überprüfen müssen. Dies wird insbesondere<br />

dann bedeutsam, wenn imagingbasierte Biomarker<br />

als Companion-Diagnostik für die Entscheidung<br />

zum Zugang zu einem möglicherweise zukünftig<br />

verfügbaren krankheitsmodifizierenden Behandlungsansatz<br />

eingesetzt werden sollen.<br />

Fazit<br />

Die Amyloid-PET-Untersuchung hat einen hohen<br />

negativen prädiktiven Wert bei asymptomatischen<br />

Personen, der den Einsatz für klinische Präventionsstudien<br />

begründet, zugleich aber wegen des nied-<br />

48


ALZHEIMER DIAGNOSTIK<br />

rigen positiven prädiktiven Werts einen Einsatz<br />

für die Einzelfalldiagnostik, z. B. im Rahmen eines<br />

anlasslosen Screenings, derzeit ausschließt. Bei<br />

prodromaler Alzheimer-Krankheit, also Personen<br />

mit LKS, kann an spezialisierten Zentren die Vorhersage<br />

des Übergangs in eine kognitive Störung bzw.<br />

dessen Ausschluss mit multimodalen Bildgebungsmarkern<br />

mit hoher Genauigkeit getroffen werden.<br />

Dies ist relevant für den Einschluss von Patienten<br />

in klinische Studien und die Planung der weiteren<br />

Behandlung. Der Einsatz von bildgebungsbasierten<br />

Biomarkern auf einer breiten Basis in der Versorgung<br />

erscheint aktuell nicht ausreichend begründbar,<br />

insbesondere da umfangreichere Studien zum<br />

Nutzen solcher Biomarker außerhalb hochselektionierter<br />

Stichproben weitgehend fehlen.<br />

In den nächsten Jahren wird sich entscheiden,<br />

ob potenziell krankheitsmodifizierende Therapien<br />

zugelassen werden. Sollte es hierzu kommen, ist<br />

eine breitere kritische Evaluation des Nutzens von<br />

Bildgebungsmarkern in versorgungsnahen prodromalen<br />

Kohorten unabdingbar.<br />

Prof. Dr. med. Stefan Teipel<br />

stefan.teipel@med.uni-rostock.de<br />

Referenzen:<br />

1. Eichler T, Thyrian JR, Hertel J, et al. J Alzheimers Dis.<br />

2014;42:451−458.<br />

2. Jack CR, Jr., Bennett DA, Blennow K, et al. Alzheimers<br />

Dement. 2018;14:535−562.<br />

3. Grothe MJ, Barthel H, Sepulcre J, et al. Neurology.<br />

2017;89: 2031-2038 .<br />

4. Sakr FA, Grothe MJ, Cavedo E et al. for the INSIGHT-preAD<br />

study group, Alzheimer Precision Medicine Initiative<br />

(APMI). Alzheimers Res Ther <strong>2019</strong>;11:15ff.<br />

5. van Maurik IS, Zwan MD, Tijms BM, et al. JAMA Neurol.<br />

2017;74:1481−1491.<br />

6. Teipel SJ, Keller F, Thyrian JR, et al. J Alzheimers Dis.<br />

2017;55: 1379−1394.<br />

Prof. Dr. med. Stefan Teipel<br />

Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische<br />

Medizin, Universitätsmedizin Rostock<br />

Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen<br />

Rostock/Greifswald<br />

Gehlsheimer Straße 20, 18147 Rostock<br />

Welche Aussage trifft zu? Der Einsatz eines Amyloidnachweises für anlassloses Screening …<br />

1. ist aufgrund des geringen negativen prädiktiven Wertes abzulehnen.<br />

2. bleibt klinischen Studien vorbehalten.<br />

3. erreicht einen hohen positiven prädiktiven Wert für den Übergang aus kognitiver Gesundheit in eine kognitive<br />

Störung.<br />

4. wurde bereits umfangreich in versorgungsnahen Kohorten untersucht.<br />

Die Lösung finden Sie auf Seite 66.<br />

CONFERENCES<br />

49


ERKLÄRUNGSANSÄTZE FÜR ALZHEIMER- ODER PARKINSON-<br />

RISIKO DIABETISCHER PATIENTEN<br />

Insulin: Schutzmechanismus im Gehirn<br />

CONFERENCES News<br />

Insulin unterstützt Nervenzellen dabei, eine<br />

bestimmte Klasse von Eiweißstoffen zu produzieren,<br />

die wichtig sind für die Gesundheit des<br />

Gehirns. Das zeigen Untersuchungen mit Mäusen,<br />

die am DZD und am DIfE durchgeführt wurden,<br />

kürzlich publiziert im Fachblatt Molecular Metabolism:<br />

Tiere, denen das Hormon durch die Nase<br />

verabreicht wurde, exprimierten – im Vergleich zu<br />

Mäusen, die kein intranasales Insulin bekamen –<br />

mehr der schützenden Proteine und fraßen weniger<br />

wohlschmeckendes, fettreiches Futter.<br />

Zellen „antworten“ auf Stress, indem sie mehr<br />

Schutzmoleküle herstellen. Diese sorgen auch dafür,<br />

dass die Proteinreifung schnell, präzise und möglichst<br />

fehlerfrei abläuft. So passt sich der Körper auch an<br />

Extrembedingungen an, die entstehen können, wenn<br />

wir ständig zu viel oder zu wenig essen. „Hinter der<br />

zellulären Stressantwort verbirgt sich ein Prozess, der<br />

dafür sorgt, dass die Zellen gesund bleiben – in diesem<br />

Zusammenhang ist Stress also etwas Positives“, sagt<br />

Dr. André Kleinridders, der im Deutschen Institut für<br />

Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) und<br />

im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD)<br />

die Ursachen und Folgen der Insulinresistenz im Gehirn<br />

untersucht. Im zentralen Nervensystem ist Insulin für<br />

die Feinabstimmung der Hirnfunktion verantwortlich.<br />

Es beeinflusst sowohl das Belohnungszentrum, die<br />

Nahrungsaufnahme als auch die geistigen Fähigkeiten<br />

und die Emotionalität. Eine Insulinresistenz führt<br />

dazu, dass das Hormon nicht mehr wirkt, obwohl es<br />

in ausreichenden Mengen verfügbar ist.<br />

Kleinridders und sein Team fanden nun heraus,<br />

dass Insulin im Gehirn dazu führt, dass die Zelle vermehrt<br />

Schutzmoleküle herstellt, darunter die für den<br />

Zusammenbau von Eiweißstoffen unentbehrlichen<br />

Hitzeschock-Proteine HSP10 und HSP60. Über diesen<br />

Signalweg kontrolliert Insulin im Hypothalamus<br />

die Funktion der Mitochondrien. Eine defekte Stressantwort<br />

wäre der Untergang der Mitochondrien und<br />

somit auch das Ende der Nervenzellen. Der Verlust<br />

dieser Moleküle kann sowohl mit Stoffwechselerkrankungen<br />

wie Typ-2-Diabetes, als auch mit verschiedenen<br />

neurodegenerativen Erkrankungen einhergehen.<br />

Mehr „Stress“, weniger Hunger<br />

Bisher war bekannt, dass intranasales Insulin bei<br />

gesunden Menschen das Hungergefühl für zuckerreiches<br />

Essen dämpft. Wird Insulin durch die Nase verabreicht,<br />

umgeht es die Bluthirnschranke und gelangt<br />

direkt ins Gehirn. In der aktuellen Studie konnten die<br />

Forschenden beobachten, dass gesunde Mäuse, die<br />

Insulin „schnupften“, ebenfalls weniger der angebotenen<br />

schmackhaften, diesmal allerdings nicht zucker-,<br />

sondern fettreichen Nahrung fraßen. Zudem stellte<br />

das Wissenschaftlerteam fest, dass die Mäuse vermehrt<br />

die erwähnten Schutzmoleküle bildeten, die die<br />

Funktion der Mitochondrien im Hypothalamus und<br />

somit die Gesundheit der Nervenzellen unterstützen.<br />

Das Forscherteam untersuchte auch diabetische<br />

Mäuse, die nicht über körpereigenes Insulin verfügen<br />

und Mäuse, die durch eine fettreiche Nahrung<br />

resistent gegen das Hormon wurden. Beide Gruppen<br />

hatten eine verminderte Stressantwort. Durch die<br />

Stimulation mit Insulin konnte die Antwort wieder<br />

normalisiert werden. „Wir wissen bis heute nicht,<br />

warum diabetische Patienten ein erhöhtes Risiko<br />

haben an Alzheimer oder Parkinson zu erkranken.<br />

Der insulinabhängige Regulationsmechanismus der<br />

Stressantwort liefert dafür wichtige Erklärungsansätze,<br />

die unbedingt weiterverfolgt werden sollten“,<br />

sagt Kristina Wardelmann, Doktorandin der Nachwuchsgruppe<br />

und Erstautorin der Studie.<br />

Literatur:<br />

Original-Publikation: Wardelmann K et al. Insulin action in<br />

the brain regulates mitochondrial stress responses and reduces<br />

diet-induced weight gain. Molecular Metabolism (<strong>2019</strong>)<br />

[https://doi.org/10.1016/j.molmet.<strong>2019</strong>.01.001]<br />

Quelle: Pressemitteilung des DIfE (Leibniz-Gemeinschaft) am<br />

11.03.<strong>2019</strong><br />

50


KOGNITIVE AKTIVIERUNG<br />

Welche Möglichkeiten gibt es im<br />

höheren Lebensalter?<br />

Valentina A. Tesky, Frankfurt am Main<br />

Herkömmliche kognitive Trainingsprogramme sind, weil mehr oder weniger automatisiert durchgeführt,<br />

in der Regel ohne kognitive Anstrengung zu absolvieren und in ihrer Effektivität eingeschränkt. Deutlich<br />

bessere Effekte sind mit sogenannten kognitiv-stimulierenden Freizeitaktivitäten zu erwarten. Das wissenschaftlich<br />

evaluierte Trainingsprogramm AKTIVIA setzt genau hier an: Es bietet älteren Menschen Anleitung,<br />

um kognitiv-stimulierende Tätigkeiten nachhaltig in den Alltag zu integrieren.<br />

Zur Prävention geistiger Leistungseinbußen im<br />

Alter wird kognitives Training oft als individuelle<br />

Maßnahme empfohlen. Meist werden im Rahmen<br />

solcher Angebote Rätsel oder verschiedene Aufgaben<br />

mit steigendem Schwierigkeitsgrad gelöst.<br />

Die strukturierten Übungen können allein oder als<br />

Gruppenangebote am Computer, auf dem Smartphone<br />

oder in speziellen Übungsheften durchgeführt<br />

werden. Die erzielten Übungsgewinne sind<br />

allerdings zeitlich begrenzt, und es fehlen Belege<br />

für die langfristige Wirksamkeit auf andere (alltags-)relevante<br />

Leistungsbereiche [1, 2]. Konkret<br />

bedeutet dies, dass mit kognitivem Training nur<br />

ganz spezielle Gehirnleistungen trainiert werden.<br />

Nur diese werden mit der Zeit immer besser. Sobald<br />

das Training ausgesetzt wird, gehen bisher erzielte<br />

Übungseffekte verloren. Auch wenn Gedächtnisaufgaben<br />

sehr automatisiert durchgeführt wer-<br />

CONFERENCES<br />

51


KOGNITIVE AKTIVIERUNG<br />

den, wie z. B. beim Kreuzworträtsel lösen, wird<br />

keine wirklich kognitive Anstrengung im Sinne<br />

eines Trainings absolviert. Die meisten kognitiven<br />

(Gedächtnis-)Programme können als Maßnahme<br />

zum langfristigen Erhalt der geistigen Fähigkeiten<br />

somit nur eingeschränkt empfohlen werden.<br />

Freizeitaktivitäten sind wirksamer<br />

CONFERENCES<br />

Ein anderer Ansatz, um langfristig kognitiv aktiv<br />

zu sein, sind die sogenannten kognitiv-stimulierenden<br />

Freizeitaktivitäten. Mit Hilfe von retrospektiven<br />

Befragungen konnte nachgewiesen werden,<br />

dass ein hohes Maß an kognitiv-stimulierenden<br />

Freizeitaktivitäten das Risiko senkt, im späteren<br />

Lebensalter an einer Demenz zu erkranken [3].<br />

Geistige Freizeitaktivitäten schützen dabei auch<br />

dann vor Demenz, wenn sie erst im höheren Alter<br />

begonnen werden. Unter diesen Aktivitäten werden<br />

Tätigkeiten verstanden, die das Gehirn fordern und<br />

bei denen keine Routine aufkommt. Zu den „klassischen“<br />

kognitiven Tätigkeiten zählen Lesen, Schach<br />

spielen, eine Fremdsprache erlernen, Musizieren,<br />

Malen oder Museen besuchen. Auch die Teilnahme<br />

an kulturellen Ausflügen sowie Bildungsreisen wirken<br />

sich positiv auf das Demenzrisiko aus. Auch<br />

produktive und kreative Haushaltstätigkeiten wie<br />

Kochen, Backen, Nähen und Gartenarbeit zählen zu<br />

diesen Aktivitäten und auch soziale Tätigkeiten wie<br />

z. B. die Ausübung eines Ehrenamtes gehören dazu.<br />

An dieser Stelle setzt das Interventionsprogramm<br />

AKTIVA (Aktive-kognitive Stimulation – Vorbeugung<br />

im Alter) an.<br />

AKTIVA − das stimulierende<br />

Trainingsprogramm<br />

Es wurde vor dem Hintergrund entwickelt, dass<br />

bisherige kognitive Trainingsprogramme in ihrer<br />

Effektivität eingeschränkt sind. Mit AKTIVA soll<br />

Dr. rer. med. Dipl.-Psych. Valentina A. Tesky<br />

tesky@allgemeinmedizin.uni-frankfurt.de<br />

die Frequenz kognitiv-stimulierender Freizeitaktivitäten<br />

erhöht und somit einem Verlust kognitiver<br />

Funktionen im Alter entgegengewirkt werden. Im<br />

Gegensatz zu strukturierten kognitiven Trainings,<br />

werden bei AKTIVA keine vorgegebenen Aufgaben<br />

gelöst oder bestimmte Übungen ausgeführt. Vielmehr<br />

bietet das Programm älteren Menschen eine<br />

strukturierte Anleitung, um kognitiv-stimulierende<br />

Tätigkeiten nachhaltig in den Alltag zu integrieren<br />

und sie so zu einem gesundheitsdienlichen<br />

und demenzpräventiven Lebensstil anzuregen<br />

und zu motivieren. AKTIVA ist als Trainingsmanual<br />

verfügbar und bietet somit interessierten<br />

Personen z. B. als Gruppenleiter in der Seniorenarbeit<br />

die Möglichkeit, selbstständig Gruppensitzungen<br />

durchzuführen [4]. Das Programm wurde<br />

inzwischen mehrfach durchgeführt und wissenschaftlich<br />

evaluiert [5]. Es wird sich jederzeit an<br />

individuellen Ressourcen und Bedürfnissen der<br />

Teilnehmenden orientiert. Bei der Auswahl der<br />

kognitiv-stimulierenden Aktivitäten werden keine<br />

Vorgaben gemacht, sondern die Teilnehmenden<br />

können individuell auswählen, welche Tätigkeiten<br />

52


KOGNITIVE AKTIVIERUNG<br />

Schwerpunkte neben einer Aktivierung zu geistiganregenden<br />

Freizeitaktivitäten auf den Umgang<br />

mit Gedächtnisproblemen und Anwendung von<br />

Merkstrategien [6, 7]. Die Teilnehmenden werden<br />

u. a. darin bestärkt, sich nicht aufgrund ihrer<br />

Gedächtnis probleme aus dem Alltag zurückzuziehen,<br />

sondern gelassen und offensiv mit auftretenden<br />

Problemen umzugehen.<br />

Fazit<br />

AKTIVA orientiert<br />

sich jederzeit an den<br />

individuellen Ressourcen<br />

und Bedürfnissen der<br />

Teilnehmenden .<br />

sie bevorzugen. Altbewährte Aktivitäten können<br />

reaktiviert oder neue können ausgewählt werden.<br />

Durch die Berücksichtigung individueller Interessen<br />

soll eine langfristige Ausübung gewährleistet<br />

werden, die über die Zeit des stattfindenden Gruppenprogramms<br />

hinausgeht. Zusätzlich erhalten die<br />

teilnehmenden Personen ausführliche Informationen<br />

zu verschiedenen Themengebieten (u.a. Wissen<br />

über nachlassende kognitive Fähigkeiten im Alter<br />

und deren Prävention). Dies befähigt die Teilnehmenden,<br />

den eigenen Lebensstil dahingehend zu<br />

analysieren, ob sie potenzielle Risikofaktoren für<br />

demenzielle Erkrankungen redu zieren und zusätzliche<br />

Schutzfaktoren aufbauen können. AKTIVA<br />

stellt somit ein Trainingsprogramm dar, welches<br />

gleichzeitig aufklärt und aktiviert.<br />

Das Gruppenprogramm besteht aus neun Sitzungen,<br />

die jeweils für zwei Stunden konzipiert sind.<br />

Die ersten sieben Sitzungen finden wöchentlich<br />

statt. Dann gibt es nach einer Pause von mehreren<br />

Wochen noch zwei Auffrischungs-Termine (sogenannte<br />

Booster-Sessions). Verschiedene didaktische<br />

Konzepte sorgen für ein interaktives Format.<br />

Aufgrund des innovativen Formats und der guten<br />

Akzeptanz wurde das Programm für Menschen mit<br />

bereits bestehenden Gedächtniseinbußen weiterentwickelt.<br />

AKTIVA-MCI berücksichtigt die besonderen<br />

Bedürfnisse dieser Personen und legt die<br />

Es ist nie zu spät, mit kognitiv-stimulierenden<br />

Tätigkeiten für einen demenzpräventiven und<br />

aktiven Lebensstil zu beginnen – auch nicht, wenn<br />

bereits leichtere kognitive Einbußen bestehen.<br />

Referenzen<br />

1. Papp KV, Walsh SJ, Snyder PJ. Alzheimer’s and Dementia<br />

2009;5:50–60.<br />

2. Lenze EJ, Bowie CR. JAGS 2018;66:645-647.<br />

3. Wilson RS, Bennett DA, Bienias JL, et al. Neurology<br />

2002;59:1910-1914.<br />

4. Tesky VA, Pantel J. Geistige Fitness Erhalten − das AKTIVA-<br />

Programm. Manual für Pflegende und Gruppenleiter in der<br />

Seniorenarbeit, Springer, Wien (2013).<br />

5. Tesky VA, Thiel C, Banzer W, Pantel J. GeroPsych<br />

2011;24:83−92).<br />

6. Tesky VA, Sahlender S, Matura S, Roth I, Pantel J. AKTIVA-<br />

MCI Ein Trainingsmanual zur Steigerung kognitiv-stimulierender<br />

Freizeitaktivitäten für Menschen mit Mild<br />

Cognitive Impairment (MCI), Logos, Berlin (2014).<br />

7. Tesky VA, Köbe T, Witte V, Flöel A, et al. Clinical Interventions<br />

in Aging 2017;12:1459−1469.<br />

Dr. rer. med. Dipl.-Psych. Valentina A. Tesky<br />

Arbeitsbereich Altersmedizin,<br />

Institut für Allgemeinmedizin,<br />

Goethe-Universität Frankfurt am Main<br />

Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt am Main<br />

CONFERENCES<br />

53


PARKINSON-SYNDROME<br />

Multiprofessionelle Therapie<br />

Georg Ebersbach, Beelitz-Heilstätten<br />

Trotz großer Fortschritte bei der Behandlung des Morbus Parkinson mit Medikamenten und tiefer Hirnstimulation<br />

sind die therapeutischen Erfolge nicht bei allen Patienten zufriedenstellend. Additiv zur medizinischen<br />

Behandlung können „aktivierende Therapien“ die Behandlungsergebnisse verbessern. Mittlerweile liegen zahlreiche<br />

wissenschaftlich fundierte Untersuchungen zu verschiedenen Therapie- und Versorgungskonzepten vor.<br />

CONFERENCES<br />

Im Verlauf der Parkinson-Erkrankung kommt es<br />

bei den meisten Betroffenen zu alltagsrelevanten<br />

Störungen von für die Lebensqualität wesentlichen<br />

Funktionen wie Gleichgewicht, Gehen, Sprechen<br />

und Schlucken. Sport und Übungstherapien<br />

werden bei der Behandlung pharmakorefraktärer<br />

Symptome eingesetzt, spielen aber auch in frühen<br />

Krankheitsstadien eine wichtige Rolle als Ergänzung<br />

zur medizinischen Therapie. Voraussetzung<br />

für einen breiten Zugang zu diesen Interventionen<br />

sind geeignete Versorgungsstrukturen und die<br />

Information von Betroffenen und Behandlern.<br />

Spektrum der aktivierenden<br />

Therapien<br />

Der Begriff „aktivierende Therapien“ umfasst<br />

neben den „klassischen“ Verfahren wie Physiotherapie,<br />

Ergotherapie, Logopädie und psychologischen<br />

Interventionen ein sehr breites Spektrum<br />

von Techniken, das zum Beispiel auch sportliches<br />

Training, „Cueing“ (Verwendung von Hinweisreizen),<br />

Tanzen, Musiktherapie, TaiChi, QuiGong<br />

sowie Laufbandtraining und andere gerätegestützte<br />

Ansätze beinhaltet. Als Ergänzung zur<br />

medizinischen Therapie hat Aktivierende Therapie<br />

das Potenzial, dem Betroffenen die Erfahrung zu<br />

vermitteln, selbst wirksam gegen die Konsequenzen<br />

der Erkrankung aktiv werden zu können.<br />

Physiotherapie sollte in der Frühphase der Parkinson-Erkrankung<br />

darauf ausgerichtet sein, der<br />

zunehmenden Bewegungsverarmung entgegenzuwirken.<br />

Nordic Walking und andere sportliche<br />

Aktivitäten können hierfür eingesetzt werden. Das<br />

Therapieverfahren LSVT-BIG* [1] wurde spezifisch<br />

für die Verbesserung der Bewegungsamplituden bei<br />

IPS-bedingter Hypokinese entwickelt. In fortge-<br />

*Das Behandlungskonzept von LSVT BIG leitet sich vom weltweiten<br />

Goldstandard in der Sprechtherapie der Parkinson-Behandlung,<br />

dem Lee Silverman Voice Treatment (LSVT LOUD) ab.<br />

54


PARKINSON-SYNDROME<br />

schrittenen Stadien des idiopathischen Parkinson<br />

Syndroms (IPS) ist Physiotherapie auf Störungen<br />

ausgerichtet, die nicht ausreichend durch die Pharmakotherapie<br />

beeinflusst werden. Empfehlenswerte<br />

Techniken sind z. B. das Training posturaler<br />

Reflexe („Schubstraining“) oder das Erlernen von<br />

Techniken zur Überwindung von Gangblockaden.<br />

Auch in schwersten Krankheitsstadien ist physiotherapeutische<br />

Behandlung, z. B. zur Verbesserung<br />

von Transfers und Vermeidung von Kontrakturen<br />

empfehlenswert.<br />

Evidenz für die Wirksamkeit<br />

Aktivierender Therapien<br />

Korrespondierend mit dem wachsenden öffentlichen<br />

Interesse an diesen Therapieformen ist in den<br />

letzten Jahren ein deutlicher Anstieg der Zahl von<br />

Studien zu verschiedenen Übungstechniken festzustellen<br />

[2]. Metaanalysen zeigen für verschiedene<br />

Therapiemodalitäten konsistente Effekte,<br />

z. B. auf die Verminderung der Sturzfrequenz [3].<br />

Dosis-Wirkungsbeziehungen lassen sich anhand<br />

zweier aktueller kontrollierter Studien demonstrieren:<br />

Während in einer englischen Studie bei<br />

762 Patienten keine Wirksamkeit niedrigschwelliger<br />

Ergo- und Physiotherapie (232 Therapieminuten<br />

innerhalb von acht Wochen) auf Lebensqualität<br />

und Funktion feststellbar war [4], konnten Schenkman<br />

et al. [5] zeigen, dass hochintensives Laufbandtraining<br />

bei medikamentös unbehandelten<br />

Patienten im Gegensatz zu moderatem Training<br />

oder keinem Training zu einer Stabilisierung des<br />

UPDRS-motor-score über sechs Monate führt. Die<br />

Bedeutung der Dosis wurde auch für LSVT-BIG<br />

demonstriert, das bei reduzierter Behandlungsdauer<br />

keine konsistente Besserung der globalen<br />

klinischen Besserung bewirkt [6].<br />

Basierend auf der derzeit vorliegenden wissenschaftlichen<br />

Evidenz wurden in den S3-Leitlinien<br />

Empfehlung der S3-Leitlinie<br />

„Idiopathisches Parkinson-Syndrom“ der<br />

Deutschen Gesellschaft für <strong>Neurologie</strong><br />

Patienten mit IPS sollen Zugang zu physiotherapeutischer<br />

Behandlung haben. Besondere<br />

Schwerpunkte der Behandlung sind:<br />

• Gangtraining<br />

• Verbesserung/Erhalt des Gleichgewichts<br />

• Kraft- und Dehnungsübungen<br />

• Verbesserung/Erhalt der aeroben Kapazität<br />

• Verbesserung/Erhalt der Bewegungsamplituden<br />

• Verbesserung/Erhalt der Bewegungsiniti ierung<br />

• Verbesserung/Erhalt der Mobilität und<br />

Selbst ständigkeit bei Aktivitäten des<br />

täglichen Lebens<br />

• Training der Bewegungsstrategien<br />

• Sturzprävention<br />

Empfehlungsstärke A (1++)<br />

der DGN-Empfehlungen für die Physiotherapie bei<br />

Parkinson formuliert.<br />

Multiprofessionelle<br />

Versorgungskonzepte und Einsatz<br />

neuer Technologien<br />

Die Ergebnisse kontrollierter Studien werden<br />

durch Untersuchungen zum Einfluss unterschiedlicher<br />

Versorgungsmodelle auf die Situation von<br />

Menschen mit Parkinson ergänzt. Besonders<br />

bemerkenswert sind zwei aktuelle holländische<br />

Untersuchungen. In der ParkFit-Studie [7] erhielten<br />

Patienten ein strukturiertes Coaching, das<br />

Beratung, Bewegungstracking, Beseitigung von<br />

Trainingshemmnissen und Selbstkontrolle beinhaltete.<br />

Beobachtet wurde eine deutliche Zunahme<br />

CONFERENCES<br />

55


PARKINSON-SYNDROME<br />

Einsatz neuer Technologien<br />

Sowohl bei der Erfassung von Bewegungsdaten<br />

als auch bei neuen Trainingskonzepten gewinnen<br />

Sensortechnologien und interaktive Anwendungen<br />

zunehmend an Bedeutung. In einer aktuellen multizentrischen<br />

Studie [9] konnte zum Beispiel gezeigt<br />

werden, dass durch Virtual Reality angereichertes<br />

Laufbandtraining zu stärkerer Senkung der Sturzfrequenz<br />

führt als konventionelles Laufbandtraining.<br />

Prof. Dr. med. Georg Ebersbach<br />

ebersbach@kliniken-beelitz.de<br />

an außerhäuslichen Aktivitäten und Mobilität. In<br />

einer retrospektiven Studie [8] zeigten sich bei<br />

2.129 Patienten, die von auf die Parkinson-Erkrankung<br />

spezialisierten Physiotherapeuten behandelt<br />

wurden, im Vergleich zu 2.252 Patienten mit<br />

konventioneller Physiotherapie Vorteile bezüglich<br />

Sekundärkomplikationen (Pneumonie, sturzbedingte<br />

Frakturen, Krankenhausbehandlungen) und<br />

sogar eine geringere Mortalität. Bemerkenswert<br />

ist, dass die Zahl der Behandlungseinheiten und<br />

die direkten Krankheitskosten in der Gruppe der<br />

Patienten mit spezialisierter Physiotherapie geringer<br />

waren als in der Vergleichsgruppe.<br />

Literatur:<br />

1. Ebersbach G, Ebersbach A, Edler D et al. Mov Disord.<br />

2010;25:1902−1908.<br />

2. Bloem BR, de Vries NM, Ebersbach G Mov Disord.<br />

2015;30:1504−1520.<br />

3. Mak MK, Wong-Yu IS, Shen X et al. Nat Rev Neurol.<br />

2017;13:689−703.<br />

4. Clarke CE, Walker MF, Sackley CM. JAMA Neurol.<br />

2016;73:894−895.<br />

5. Schenkman M, Moore CG, Kohrt WM et al. JAMA Neurol.<br />

2018;75:219−226.<br />

6. Ebersbach G, Grust U, Ebersbach A et al. J Neural Transm<br />

(Vienna). 2015;122:253−256.<br />

7. van Nimwegen M, Speelman AD, Overeem S et al. BMJ.<br />

2013;346:f576.<br />

8. Ypinga JHL, de Vries NM, Boonen L et al. Lancet Neurol.<br />

2018;17:153−161.<br />

9. Mirelman A, Rochester L, Maidan I et al. Lancet.<br />

2016;388:1170−1182.<br />

Prof. Dr. med. Georg Ebersbach<br />

Neurologisches Fachkrankenhaus für Bewegungsstörungen/Parkinson,<br />

Standort: Parkinsonklinik,<br />

Straße nach Fichtenwalde 16, 14547 Beelitz-Heilstätten<br />

CONFERENCES<br />

Verschiedene Symptome der Parkinson-Erkrankung können durch gezieltes Training behandelt werden. Welche<br />

Aussage trifft nicht zu?<br />

1. Der Verkleinerung von Bewegungen (Hypokinese) kann durch amplitudenorientiertes Training (LSVT-BIG)<br />

entgegengewirkt werden<br />

2. Laufbandtraining kann zu einer Verminderung der Sturzfrequenz führen.<br />

3. Durch Ergotherapie wird der Tremor bei Parkinson zuverlässig reduziert<br />

Die Lösung finden Sie auf Seite 66.<br />

56


PARKINSON-SYNDROM<br />

Tränenflüssigkeit als neue Quelle<br />

für Biomarker?<br />

Matthias Börger, Göttingen<br />

Das idiopathische Parkinson-Syndrom ist die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Die Differenzialdiagnose<br />

ist oft schwierig. Biomarker wären hilfreich. Im Hinblick auf deren Detektion haben körpereigene<br />

Flüssigkeiten einige Vorteile. Die Analyse der Tränenflüssigkeit könnte eine neue Quelle für Biomarker sein,<br />

um Patienten mit diesem Krankheitsbild besser identifizieren zu können.<br />

Nach aktuellen Schätzungen sind derzeit ca. 250.000<br />

Menschen in Deutschland an einem idiopathischen<br />

Parkinson-Syndrom erkrankt. Es wird zudem eine<br />

hohe Dunkelziffer vermutet. Trotz dieser beträchtlichen<br />

individuellen, gesellschaftspolitischen und<br />

volkswirtschaftlichen Bedeutung ist die Diagnose<br />

und differenzialdiagnostische Abgrenzung zu parkinsonähnlichen<br />

Krankheitsbildern auch heutzutage<br />

weiterhin eine Herausforderung, insbesondere in frühen<br />

Krankheitsstadien, wenn die Symptome nur mild<br />

ausgeprägt sind und auch in anderen neurodegenerativen<br />

Erkrankungen nachgewiesen werden können.<br />

Flüssige Biomarker beim<br />

idiopathischen Parkinson-Syndrom<br />

Im Hinblick auf die Diagnose und das Krankheitsmonitoring<br />

ist die Bestimmung von Biomarkern<br />

in Geweben und verschiedenen Körperflüssigkeiten,<br />

wie z. B. Blut oder Liquor, ein substanzieller<br />

Bestandteil.<br />

In einer Zusammenschau der bisherigen Forschungsergebnisse<br />

beim idiopathischen Parkinson-Syndrom<br />

konnten zwar krankheitsspezifische<br />

Veränderungen in verschiedenen Körperflüssigkeiten<br />

nachgewiesen werden, jedoch zeigten sich<br />

häufig quellenspezifische Probleme, wie z. B. Kontamination<br />

mit Blut oder Invasivität der Methode,<br />

wie z. B. bei Liquorpunktionen. Zudem konnten<br />

häufig die Ergebnisse in Folgestudien nicht sicher<br />

validiert werden. Aus diesen Gründen gibt es zum<br />

aktuellen Zeitpunkt keinen verlässlichen flüssigen<br />

Biomarker, welcher im klinischen Alltag bei der<br />

Diagnose und Differenzialdiagnose oder im Monitoring<br />

des Krankheitsverlaufes beim idiopathischen<br />

Parkinson-Syndrom eingesetzt werden kann.<br />

CONFERENCES<br />

57


PARKINSON-SYNDROM<br />

Abbildung 1: Akute, beidseitige Blepharokonjunktivitis bei einer 92-jährigen Patientin mit<br />

langjährigem idiopathischem Parkinson-Syndrom. Die Patientin gab zunächst ein Brennen<br />

bzw. Jucken im Bereich der Augen und im weiteren Verlauf ein Verkleben der Wimpern und<br />

Augenlider sowie eine Rötung und Schwellung an. Ein Abstrich ergab den Nachweis einer<br />

Infektion mit Staphylokokken. Es erfolgte eine mehrtägige intensivierte Augenhygiene und<br />

lokale Antibiotika-Gabe.<br />

CONFERENCES<br />

Ophthalmologische Komplikationen<br />

beim idiopathischen Parkinson-<br />

Syndrom<br />

Das typische Erscheinungsbild eines Patienten<br />

mit einem idiopathischen Parkinson-Syndrom wird<br />

dominiert durch motorische Symptome. Zusätzlich<br />

finden sich bei genauer Diagnostik aber auch eine<br />

Reihe von nichtmotorischen Symptomen, welche<br />

durch eine Mitbeteiligung des autonomen Nervensystems<br />

im Rahmen der globalen Neurodegeneration<br />

hervorgerufen werden können: Neben<br />

Riech- und Geschmacksstörungen, Obstipation<br />

und Harninkontinenz sind Sehstörungen ein häufiges<br />

Symptom. Probleme des Sehens sind für den<br />

Patienten sehr belastend, für den Arzt schwer zu<br />

behandeln und für den Wissenschaftler noch unzureichend<br />

erklärt. Sehstörungen führen regelhaft zu<br />

einer Minderung der Lebensqualität [1], insbesondere,<br />

da Patienten mit einem Parkinson-Syndrom<br />

zur Kompensation der motorischen Komplikationen,<br />

wie z. B. der Gangstörung, notwendigerweise<br />

auf ein funktionierendes Sehen angewiesen sind.<br />

78 % aller Parkinson-Patienten berichten von mindestens<br />

einer visuellen Störung [2]: Am häufigsten<br />

zeigen sich ein vermindertes Kontrastsehen [3, 4],<br />

eine reduzierte Farbdiskriminierung [3], eine verminderte<br />

Blinzelfrequenz [5], ein Blepharospasmus<br />

bzw. eine Lidapraxie [6], Doppelbilder [7] und visuelle<br />

Halluzinationen [8, 9, 10]. Außerdem finden<br />

sich häufig weitere ophthalmologische Komorbiditäten,<br />

wie z. B. Infektionen [10] (Abbildung 1),<br />

trockene Augen (Keratokonjunktivitis sicca) [11]<br />

sowie Katarakte und Glaukome [12].<br />

Nach derzeitigem Kenntnisstand wird eine<br />

multifaktorielle Genese als Ursache der visuellen<br />

Störungen angenommen: Es werden sowohl eine<br />

motorische Beeinträchtigung der Augenmuskeln<br />

und Augenlider im Rahmen der Akinese [13], eine<br />

Degeneration von dopaminsensitiven neuronalen<br />

Strukturen in der Netzhaut [13] und eine striatofrontale<br />

Dysfunktion [14] vermutet. Sehprobleme<br />

zeigen sich sowohl in frühen und in fortgeschrittenen<br />

Stadien als auch in unbehandelten und behandelten<br />

Patienten [2]. Eine Geschlechtspräferenz<br />

konnte nicht detektiert werden [2].<br />

Neben Störungen im Bereich des Auges findet<br />

sich auch eine Beteiligung von extraokulären<br />

Strukturen, wie z. B. des Tränenapparates: Am<br />

häufigsten liegt eine Keratokonjunktivitis sicca<br />

[12] vor, welche sich durch brennende Schmerzen,<br />

Verschwommensehen und Lichtempfindlichkeit<br />

äußert. Die Ursache ist ebenfalls multifaktoriell<br />

und lässt sich durch einen Circulus vitiosus erklären:<br />

Die vegetative Denervierung im Rahmen der<br />

globalen Neurodegeneration [15] führt zu einer<br />

verminderten Sekretionsleistung der Tränendrüsen<br />

und somit zu einer Änderung der Tränenvolumina<br />

und der Zusammensetzung des Tränenproteoms.<br />

Zusätzlich kommt es aufgrund der Hypokinese [6,<br />

17, 18] und einer verminderten kornealen Oberflächensensibilität<br />

[15] zu einer reduzierten Blinzelfrequenz,<br />

sodass die Tränenflüssigkeit schneller<br />

an der kornealen Oberfläche verdunstet. Die Folge<br />

sind kleinste Verletzungen im Bereich des vorderen<br />

Augenabschnittes, welche u.a. das Eindringen von<br />

Krankheitserregern erleichtern können. Eine chro-<br />

58


PARKINSON-SYNDROM<br />

Glandula lacrimalis<br />

Hirnstamm<br />

Nucleus<br />

salivatorius<br />

superius<br />

nische Entzündung ist entstanden. Störungen der<br />

Tränendrüsensekretion scheinen in Patienten mit<br />

einem idiopathischen Parkinson-Syndrom linear<br />

mit dem Krankheitsstadium zu korrelieren [17].<br />

Reduzierte Blinzelfrequenzen finden sich hierbei<br />

häufiger in fortgeschrittenen Stadien und waren<br />

annähernd normal in Patienten mit einem milden<br />

Schweregrad der Erkrankung [19]. Die Reduktion<br />

der Nervenfaserdichte in der Hornhaut von Parkinson-Patienten<br />

korrelierte mit Scores für autonome<br />

Symptome und einer parasympathischen Dysfunktion<br />

[20].<br />

Warum Tränenflüssigkeit als Quelle<br />

für Biomarker?<br />

Im Allgemeinen hat die Tränenflüssigkeit als<br />

Quelle für Biomarker im Hinblick auf andere Körperflüssigkeiten<br />

mehrere Vorteile: Die Kollektion<br />

von Tränen mittels Filterpapierstreifen ist nicht<br />

invasiv, schmerzlos und zugleich preiswert. Es<br />

sind nur geringe Anforderungen im Hinblick auf<br />

die Mitarbeit des Patienten notwendig und bereits<br />

nach einer kurzen Einweisung ist eine standardisierte<br />

Entnahme von Tränenflüssigkeit durch medizinisches<br />

Personal mit einer niedrigen Fehlerquote<br />

möglich. Die Tränenflüssigkeit ist zudem eine reine<br />

Flüssigkeit ohne höhergradige Verunreinigung<br />

durch andere Flüssigkeiten, wie z. B. Blut, welche<br />

die Evaluation von bedeutsamen Proteinen stören<br />

könnte. Die Probenkollektion und -analyse von Tränen<br />

ist außerhalb von neurodegenerativen Erkrankungen<br />

bereits ausführlich validiert und etabliert.<br />

Aktuelle Studien konnten zudem parkinsonspezifische<br />

Veränderungen in verschiedenen Geweben<br />

und Körperflüssigkeiten nachweisen, welche eine<br />

enge anatomisch-topographische Nähe zum Tränendrüsenapparat<br />

aufweisen: So konnten z. B.<br />

Lewy-Körperchen in den Speicheldrüsen von Parkinson-Patienten<br />

[21] sowie erniedrigte Werte für<br />

Speicheldrüsen<br />

Abb. 2: Darstellung der gemeinsamen Innervation der Tränen- und Speicheldrüsen<br />

über parasympathische Nervenfasern aus dem Nucleus salivatorius superior über den<br />

Hirnstamm .<br />

-Synuklein [22,23] und erhöhte Konzentrationen<br />

von DJ-1 im Speichel von Parkinson-Patienten<br />

nachgewiesen werden [22]. Die Nervenfasern,<br />

welche die Speicheldrüsen innervieren, entstammen,<br />

ebenso wie die Nervenbahnen, welche die<br />

Tränendrüsen innervieren, aus einem gemeinsamen<br />

Kerngebiet, dem Nucleus salivatorius superior<br />

(Abbildung 2).<br />

Des Weiteren liegen diese Kerngebiete in enger<br />

anatomischer Nachbarschaft zum Hirnstamm, der<br />

nach aktuellem Stand der Forschung sehr früh<br />

im Krankheitsverlauf von pathophysiologischen<br />

Veränderungen betroffen ist [24]. Zudem wird im<br />

aktuellen wissenschaftlichen Diskurs eine aktive<br />

Sekretion [25] und Transmission von -Synuklein<br />

entlang von Nervenbahnen diskutiert [26, 27, 28].<br />

Daher können eine Übertragung und Freisetzung<br />

von parkinsonassoziierten Proteinen über Neurone<br />

in die Tränenflüssigkeit vermutet werden.<br />

Neben dieser Reihe von Vorteilen gibt es jedoch<br />

auch mögliche Störfaktoren, welche zu beachten<br />

sind: Im Gegensatz zu Blut und Liquor besitzt die<br />

Tränenflüssigkeit keine direkte Verbindung zum<br />

zentralen Nervensystem und weist einen niedrigeren<br />

Proteingehalt auf [29]. Besonders bei älteren<br />

Menschen und in neurodegenerativen Erkrankungen<br />

sind eine verminderte Tränenflüssigkeits-<br />

Parasympathikus<br />

Sympathikus<br />

CONFERENCES<br />

59


PARKINSON-SYNDROM<br />

CONFERENCES<br />

Matthias Börger<br />

matthias.boerger@med.uni-goettingen.de<br />

sekretionsrate und eine Keratokonjunktivitis sicca<br />

häufige Probleme [16, 17, 18, 30, 31]. Des Weiteren<br />

müssen mögliche medikamentenassoziierte Veränderungen<br />

in der Menge und Zusammensetzung der<br />

Tränenflüssigkeit, z. B. durch Betablocker, Diuretika<br />

und Kortikosteroide, beachtet werden [32, 33,<br />

34, 35], insbesondere bei multimorbiden älteren<br />

Pa tienten.<br />

Biomarker in der Tränenflüssigkeit<br />

von Patienten mit<br />

neurodegenerativen Erkrankungen<br />

Aktuell gibt es nur wenige Veröffentlichungen<br />

zur Tränenflüssigkeit als Quelle für Biomarker bei<br />

neurodegenerativen Erkrankungen: Eine Arbeitsgruppe<br />

um Kalló et al. konnte im Jahr 2016 mittels<br />

Massenspektrometrie signifikante Veränderungen<br />

in der Tränenflussrate sowie in der Gesamtkonzentration<br />

und der Zusammensetzung des Tränenproteoms<br />

in Patienten mit einer Alzheimer-Demenz<br />

aufzeigen. Eine Kombination von Lipocalin-1,<br />

Dermcidin, Lysozym-C und Lacritin erwies sich als<br />

potenzieller Biomarker mit einer Sensitivität von<br />

81 % und einer Spezifität von 77 % [36].<br />

Zum aktuellen Zeitpunkt gibt es entsprechend auch<br />

nur eine begrenzte Anzahl an Berichten über Tränenflüssigkeit<br />

als mögliche Quelle von Biomarkern in<br />

Patienten mit einem idiopathischen Parkinson-Syndrom:<br />

Eine Studie von Çomo lu et al. aus dem Jahr<br />

2013 konnte signifikant erhöhte Werte von TNF- ,<br />

einem Zytokin, welches von Makrophagen und neuronalem<br />

Gewebe produziert wird, in der Tränenflüssigkeit<br />

von Parkinson-Patienten nachweisen [37]. Es<br />

zeigten sich aber keine Korrelationen zur Dauer der<br />

Erkrankung oder zu motorischen Komplikationen. In<br />

einer Pilotstudie, die im März dieses Jahres durchgeführt<br />

wurde, konnten Börger et al. erstmals das Tränenproteom<br />

in einer Kohorte von 36 Patienten mit<br />

einem idiopathischen Parkinson-Syndrom mittels<br />

Bottom-Up-Massenspektrometrie beschreiben. Insgesamt<br />

wurden 571 Proteine identifiziert, von denen<br />

31 exklusiv in der Parkinson-Kohorte nachweisbar<br />

waren sowie weitere 21 Proteine im Vergleich zu<br />

Kontrollpatienten signifikant erhöht und 19 erniedrigt<br />

waren. Es offenbarten sich charakteristische<br />

Veränderungen in Netzwerken von Proteinen, die in<br />

der Immunantwort sowie im Lipidmetabolismus und<br />

oxidativem Stress involviert sind [38].<br />

Fazit<br />

Die Analyse von Tränenflüssigkeit im Hinblick<br />

auf die Detektion von Biomarkern in Patienten<br />

mit einem idiopathischen Parkinson-Syndrom<br />

hat, insbesondere aufgrund der methodeneigenen<br />

Nichtinvasivität, der sehr geringen Kontamination,<br />

der einfachen Handhabung und aufgrund<br />

der bereits etablierten Strukturen zur Analyse des<br />

Tränenproteoms, viel Potenzial eine neue Quelle<br />

für Biomarker in Patienten mit einem Parkinson-<br />

Syndrom zu werden.<br />

Literatur beim Verfasser<br />

Matthias Börger<br />

Universitätsmedizin Göttingen Georg-August-Universität<br />

Robert-Koch-Str. 40, 37075 Göttingen<br />

60


HIRNTUMOREN BEI KINDERN<br />

Relevanz der molekularen Diagnostik für<br />

aktuelle Therapiestrategien<br />

Rudolf Korinthenberg, Freiburg<br />

Hirntumoren stellen im Kindes- und Jugendalter mit fast 25 % nach den Leukämien die zweitgrößte Gruppe<br />

der Tumorerkrankungen dar. Bislang erforschte molekularer Grundlagen werden derzeit in laufenden Therapieprotokollen<br />

systematisch untersucht und dienen z. T. bereits einer risikoangepassten Stratifizierung der<br />

Therapie. Außerdem sind hemmende Substanzen gegen aktivierte onkogene Pfade wie der mTOR-Inhibitor<br />

Everolimus ein vielversprechender therapeutischer Ansatz, der bereits zu einer Zulassung zur Behandlung<br />

von Hirntumoren bei TSC geführt hat.<br />

Histologisch handelt es sich bei Kindern in<br />

70−85 % um Tumoren des neuroepithelialen<br />

Gewebes, darunter zur Hälfte um meist gutartige<br />

astrozytäre Tumoren und zu einem Viertel um<br />

em bryonale Tumoren (Medullo blastome, PNET).<br />

Lokalisatorisch entwickelt sich die Hälfte der<br />

Tumoren in der hinteren Schädelgrube, nur 20 %<br />

liegen im Bereich der Großhirnhemisphären, 16 %<br />

im oberen Hirnstamm und 10 % suprasellär.<br />

In Deutschland werden mehr als 90 % der Kinder<br />

mit Hirntumoren unter der Ägide der Gesellschaft<br />

für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie<br />

(GPOH) nach kooperativen nationalen oder europaweiten<br />

Therapieprotokollen oder -studien behandelt.<br />

Die Protokolle sind den einzelnen Tumortypen<br />

angepasst. Übergreifende zentrale Referenzzentren<br />

sind für die Qualitätskontrolle oder Durchführung<br />

von Neuroradiologie, Neuropathologie,<br />

Liquordia gnostik, Radiotherapie, Biometrie, Molekulare<br />

Dia gnos tik und Erfassung von Spätfolgen<br />

verantwortlich.<br />

Medulloblastome des Kleinhirns<br />

Dieser Tumortyp macht etwa 25 % aller Hirntumoren<br />

bei Kindern aus, gelegentlich liegt ein<br />

Tumor-Dispositions-Syndrom zugrunde (Li Fraumeni,<br />

Gorlin-Syndrom). Der Tumor ist maligne<br />

(Grad WHO IV) und zeigt in 30 % eine intraspinale<br />

und/oder intrakranielle Aussaat. Dennoch kann<br />

der Tumor durch eine Kombination aus Operation,<br />

kraniospinaler Radiotherapie und Chemotherapie<br />

häufig geheilt werden. Bei Kindern unter drei bis<br />

fünf Jahren kann die Radiotherapie zur Schonung<br />

CONFERENCES<br />

61


HIRNTUMOREN BEI KINDERN<br />

der kognitiven Entwicklung in vielen Fällen durch<br />

intensivierte Chemotherapie ersetzt werden.<br />

Risikofaktoren für ein Rezidiv und Progression<br />

der Erkrankung sind das Alter des Patienten, ein<br />

postoperativer Resttumor >1,5 cm 2 , makroskopische<br />

und mikroskopische CSF-Metastasierung, histologischer<br />

und molekularer Subtyp.<br />

Letzteren folgend sieht die WHO-Klassifikation<br />

der Medulloblastome seit 2016 folgende Einteilung<br />

vor (Tabelle 1):<br />

Rudolf Korinthenberg<br />

rudolf.korinthenberg@uniklinik-freiburg.de<br />

CONFERENCES<br />

Tabelle 1: Aktuelle neuropathologische Klassifikation der<br />

Medulloblastome<br />

1. Histologische Klassifikation<br />

••<br />

klassisch<br />

••<br />

desmoplastisch/nodulär<br />

••<br />

extensiv nodulär<br />

••<br />

großzellig/anaplastisch<br />

••<br />

nicht weiter spezifiziert (NOS)<br />

2. Genetische Klassifikation<br />

••<br />

mit WNT-Aktivierung<br />

••<br />

mit SHH-Aktivierung,TP53mut<br />

••<br />

mit SHH-Aktivierung,TP53wild<br />

••<br />

nicht-WNT/nicht-SHH aktiviert<br />

- Gruppe-3-Medulloblastom<br />

- Gruppe-4-Medulloblastom<br />

3. Darüber hinaus korrelieren diese Typen hoch in der<br />

DNA-Methylierungsanalyse.<br />

Die klinischen und molekularen Faktoren werden<br />

im aktuellen europaweiten Therapieprotokoll PNET5<br />

zu drei definierbaren Risikogruppen kombiniert,<br />

von denen die Standardrisikogruppe die erprobte<br />

Behandlung mit postoperativer fraktionierter kraniospinaler<br />

Radiotherapie, gefolgt von einer Erhaltungschemotherapie<br />

über ein Jahr erhält. In der<br />

Niedrigrisikogruppe wird prospektiv eine Reduktion<br />

der Strahlen-/Chemotherapiedosierung getestet,<br />

und in der Gruppe mit hohem Rezidivrisiko wird eine<br />

intensivierte Therapie z. B. mit Hochdosis-Chemotherapie<br />

und Stammzelltransplantation untersucht.<br />

Studien zur gezielten biologischen Therapie sind<br />

bisher nur in geringem Umfang bei Erwachsenen<br />

und Kindern mit progressiver Erkrankung durchgeführt<br />

worden. Unter dem SHH-Inhibitor Vismodegib<br />

erreichten Kinder deutlich seltener als Erwachsene<br />

einen anhaltenden objektiven Response oder auch<br />

nur Stabilisierung, bei jungen Kindern kam es zu<br />

einer erheblichen Hemmung des Körperwachstums.<br />

Niedriggradige Gliome (LGG)<br />

LGG finden sich bei 30−50 % der Kinder mit<br />

Hirntumoren, 10−15 % von diesen leiden an einer<br />

genetischen Grunderkrankung (Neurofibromatose<br />

1, TSC, Noonan-Syndrom und andere Erkrankungen<br />

mit Mutationen im RAS-Pfad).<br />

Histologisch handelt es sich überwiegend um<br />

pilozytische Astrozytome WHO I (50−70 %), seltener<br />

um diffuse Astrozytome WHO II (10 %), DNET<br />

und Gangliogliom WHO I (10 %), desmoplastisches<br />

infantiles Astrozytom/Gangliogliom, subependymales<br />

Riesenzellastrozytom (SEGA) bei tuberöser<br />

Sklerose (TSC1/2) und Oligodendrogliom.<br />

Die gutartigen pilozytischen Astrozytome treten<br />

mit unterschiedlichen Szenarien auf: Das häufige<br />

Astrozytom des Kleinhirns bildet keine Metastasen<br />

und kann meist durch die Operation allein geheilt<br />

werden. Die suprasellären Opticus- und Chiasma-<br />

Gliome finden sich bei 15 % der Patienten mit<br />

Neurofibromatose Typ 1 und sind hier in 75 %<br />

62


HIRNTUMOREN BEI KINDERN<br />

der Fälle nicht progressiv. Bei Kleinkindern ohne<br />

NF1 findet sich hingegen eine erhöhte Mitoserate<br />

und gelegentlich CSF-Aussaat. Hier ist die operative<br />

Mor bidität und Mortalität sehr hoch, bessere<br />

Ergebnisse können mit Chemotherapie oder Radiotherapie<br />

(fraktioniert oder Radiochirurgie) erreicht<br />

werden.<br />

Extensive Studien haben in den letzten Jahren<br />

häufige somatische Mutationen bei LGG aufgedeckt<br />

(Tabelle 2):<br />

Tabelle 2: Somatische Mutationen bei niedriggradigen<br />

Hirntumoren des Kindesalters<br />

Pilocytisches Astrozytom: 100 % Mutationen von Genen<br />

des mitogen-aktivierten Protein-Kinase (MAPK)-Signalweges:<br />

KIAA1549:BRAF-Fusion, BRAF-V600E-Mutation,<br />

NF1, NTRK1/2/3-Fusion, PTPN11<br />

DNET: FGFR1-Mutationen oder strukturelle Rearrangements,<br />

BRAF-V600E-Mutation<br />

Pleomorphes Xanthoastrozytom: BRAF-V600E-Mutation,<br />

9p21-(CDKN2A/B)–Deletionen<br />

Gangliogliom: BRAF V600E-Mutation<br />

Diffuses und angiozentrisches Astrozytom: MYB/MYBL1-<br />

Onkogen-Amplifikation<br />

Diffuses Astrozytom: FGFR1, MYB und MYBL1, im Unterschied<br />

zum Erwachsenenalter allenfalls einzeln IDH, IDH1/2-<br />

Mutationen und nur sehr selten Malignisierung.<br />

Mutation (evtl. auch mehrfache), histologischer<br />

Typ und Lokalisation im ZNS korrelieren dabei<br />

deutlich, zeigen aber doch im Individuum eine<br />

hohe Variabilität. Mit dem Ziel, Daten für zukünftige<br />

Therapiestrategien zu gewinnen, wird deshalb<br />

im Rahmen der kooperativen Therapiestudien bei<br />

allen Patienten eine eingehende molekulare Analyse<br />

des Tumors angestrebt.<br />

Neue Therapieansätze<br />

Mittels molekularer Analyse des Tumors haben<br />

sich bereits folgende neue Therapieansätze ergeben<br />

bzw. stehen in der Erforschung:<br />

••<br />

mTOR-Inhibitoren sind bei supendymalem<br />

Riesen zellastrozytom bei TSC (SEGA) effektiv<br />

und gut verträglich. Everolimus ist zur Behandlung<br />

nicht kurativ operabler Tumoren ab dem<br />

Alter von drei Jahren zugelassen.<br />

••<br />

MEK- und BRAF-V600E-Inhibitoren stellen vielversprechende<br />

Substanzklassen dar. Ihr Stellenwert<br />

ist in zukünftigen Studien zu prüfen; die<br />

akuten und langfristigen Toxizitäten bei Kindern<br />

sind kritisch zu evaluieren.<br />

••<br />

LOGGIC-Europe (Start 2018/19): Molekulare<br />

Diagnostik obligatorisch, Randomisierung Vinblastin<br />

mono vs. Vinblastin+Carboplatin vs. Trametinib,<br />

bei Therapieversagen in Arm 1 und 2<br />

Rescue-Behandlung mit Trametinib.<br />

Fazit<br />

Bei zahlreichen Hirntumor-Entitäten des Kindesalters<br />

(auch über die hier besprochenen Krankheitsbilder<br />

hinaus) wurden in den zurückliegenden<br />

Jahren molekulare Grundlagen aufgedeckt, die in<br />

den laufenden kooperativen Therapieprotokollen<br />

systematisch weiter untersucht werden. Soweit eine<br />

prognostische Bedeutung bereits gezeigt wurde,<br />

dienen sie in einigen Studien einer risikoangepassten<br />

Stratifizierung der Behandlung. Daneben wurde<br />

und wird der therapeutische Einsatz hemmender<br />

Substanzen gegen aktivierte onkogene Pfade studiert,<br />

wobei aber bislang nur der mTOR-Inhibitor<br />

Everolimus eine überzeugende Wirksamkeit bei<br />

inoperablen subependymalen Riesenzellastrozytomen<br />

im Rahmen der tuberösen Sklerose (TSC 1<br />

und 2) gezeigt hat und zur Behandlung ab dem Alter<br />

von drei Jahren zugelassen wurde.<br />

Professor em. Dr. med. Rudolf Korinthenberg<br />

Vorsitzender der Ethikkommission der Albert-Ludwigs-<br />

Universität Freiburg<br />

Engelbergerstr. 21, 79106 Freiburg<br />

CONFERENCES<br />

63


PHASE-1-2A-STUDIE PUBLIZIERT<br />

Anlass zur Hoffnung auf kausale<br />

Chorea Huntington-Therapie<br />

Abbildung 1: Der FLAIR MRT-Scan der Frontalebene im Gehirn eines 21-jährigen Patienten<br />

mit Chorea Huntington zeigt die Atrophie in der Großhirnrinde und im Nucleus caudatus.<br />

EDUCATION News<br />

Am 6. Mai <strong>2019</strong> wurde im New England Journal<br />

of Medicine eine wegweisende Studie [1]<br />

zur Therapie der Chorea Huntington publiziert.<br />

Es konnte gezeigt werden, dass mit sogenannten<br />

Antisense-Oligonukleotiden das mutierte<br />

Gen quasi stillgelegt werden kann. Ob sich das<br />

Ergebnis auch in einen bedeutsamen klinischen<br />

Nutzen übersetzt, soll nun eine internationale<br />

multizentrische Phase-3-Studie klären, an der<br />

sich auch fünf Zentren in Deutschland beteiligen.<br />

In Westeuropa sind ca. 7–10/100.000 Menschen<br />

von Chorea Huntington betroffen [2]. Diese erbliche<br />

neurodegenerative Erkrankung ist chronisch<br />

fortschreitend, es kommt schließlich zur völligen<br />

Pflegebedürftigkeit, Demenz und nach durchschnittlich<br />

15 Jahren zum Tod der Patienten.<br />

Das Huntington-Gen wird über den monogenen,<br />

autosomal-dominanten Erbgang weitergegeben.<br />

Das Erkrankungsrisiko für die Kinder der Patienten<br />

beträgt 50 %. Wenn das mutierte Gen vererbt<br />

wurde, kommt die Krankheit auch immer zum Ausbruch.<br />

Die ursächliche Genmutation liegt auf dem<br />

Chromosom 4; dort findet sich eine pathologisch<br />

häufige Wiederholung einer Dreibasen-Abfolge,<br />

wodurch die DNA im Zellkern nicht richtig abgelesen<br />

werden kann: Im Huntingtin-Protein kommt<br />

es zur fehlerhaften Molekülstruktur.<br />

Für die Huntington-Erkrankung gibt es bislang<br />

keine Therapie, die den Krankheitsverlauf aufhalten<br />

kann. Das zunehmende Verständnis der<br />

komplexen molekulargenetischen Pathomechanismen<br />

hat jedoch zur Entwicklung verschiedener<br />

neuer Therapieansätze geführt, von denen derzeit<br />

viele erprobt werden. „Die Therapien setzen<br />

an bestimmten Stellen des DNA-Ableseprozesses<br />

bzw. der Huntingtin-Expression, also der Bildung<br />

des fehlerhaften Proteins, an“, erläutert Frau Prof.<br />

Christine Klein, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft<br />

für <strong>Neurologie</strong> (DGN).<br />

Neuer Therapieansatz<br />

Beim DNA-Ableseprozess wird im Zellkern immer<br />

zunächst messenger-RNA (mRNA) gebildet, die<br />

gewissermaßen als Matrize für die Proteinsynthese<br />

dient. Bei dem Therapieansatz mit Antisense Oligonukleotiden<br />

(ASOs) wird diese Matritze und somit<br />

die Bildung von Htt-Protein durch synthetisch hergestellte<br />

komplementäre mRNA-Bausteine (Antisense-Oligonukleotide)<br />

spezifisch gehemmt. Das<br />

mutante Htt-Gen wird praktisch stillgelegt („gene<br />

silencing“). Da ASOs die Blut-Hirn-Schranke nicht<br />

passieren können, müssen sie intrathekal injiziert<br />

werden.<br />

Im New England Journal of Medicine wurde jetzt<br />

eine aktuelle Phase-1-2a-Studie [1] mit dem Oligonukleotid<br />

HTTRx publiziert (auch RG6042). Beteiligt<br />

waren weltweit Zentren in Kanada, U.K. und<br />

Deutschland (Berlin, Bochum, Ulm). 46 erwachsene<br />

Patienten in einem frühen Erkrankungsstadium<br />

64


PHASE-1-2A-STUDIE PUBLIZIERT<br />

wurden 3:1 doppelblind randomisiert. 34 Patienten<br />

erhielten viermal, jeweils im Abstand von vier<br />

Wochen verschiedene Dosierungen HTTRx intrathekal<br />

(10, 30, 60, 90 oder 120 mg), zwölf erhielten<br />

Plazebo. Primärer Endpunkt war die Sicherheit der<br />

Substanz, sekundär wurde im Liquor die Pharmakokinetik<br />

von HTTRx sowie die Konzentrationen von<br />

Huntingtin ermittelt. Die Substanz wurde insgesamt<br />

gut vertragen, alle Patienten durchliefen die<br />

Studie vollständig ohne Studienabbrüche. Ernste<br />

Nebenwirkungen traten nicht auf.<br />

Im Ergebnis führte die Behandlung mit HTTRx<br />

dosisabhängig zur Absenkung der Htt-Konzentrationen<br />

im Liquor: Während in der Plazebogruppe<br />

die Konzentration um 10 % zunahm, sank sie in den<br />

HTTRx-Gruppen mit steigender HTTRx-Dosierung um<br />

-20 %, -25 %, -28 %, -42 % und -38 % ab. Funktionelle<br />

neurologische, kognitive und psychiatrische<br />

Tests zeigten keine Unterschiede vom Studienbeginn<br />

bis zum Ende; auch nicht zwischen Plazebo- und den<br />

Verumgruppen. Eine (nichtpräspezifizierte) Posthoc-<br />

Analyse verglich den Verlauf des cUHDRS-Scores<br />

(„composite Unified Huntington Disease Rating<br />

Scale”) als Maß der Krankheitsprogression mit den<br />

Htt-Liquorkonzentrationen: In zwei von vier Teilergebnissen<br />

gab es dabei positive Korrelationen zwischen<br />

sinkenden Htt-Werten und einer Verbesserung<br />

des cUHDRS-Scores. Die Autoren weisen jedoch ausdrücklich<br />

darauf hin, dass die Studie statistisch nicht<br />

für diese Analyse konzipiert war und daher keine<br />

validen Aussagen zu einer klinischen Wirksamkeit<br />

hinsichtlich einer Progressionshemmung gemacht<br />

werden können.<br />

Phase-3-Studie „GENERATION-<br />

HD1“ hat begonnen<br />

„Es ist durchaus ein vielversprechendes Zeichen,<br />

dass die Expression des fehlerhaften Huntingtin-<br />

Proteins im Liquor reduziert werden konnte. Noch<br />

wissen wir aber nicht abschließend, inwieweit<br />

die Htt-Konzentration krankheitsauslösend ist<br />

oder nur einen Surrogatparameter darstellt“,<br />

erklärt Prof. Dr. med. Alexander Münchau, Leiter<br />

des Lübecker Zentrums für Seltene Erkrankungen<br />

(ZSE). „Es muss betont werden, dass bislang<br />

der sichere Beleg dafür fehlt, dass es durch die<br />

Senkung von Huntingtin im Liquor auch zu einer<br />

Verbesserung des klinischen Bildes kommt. Die<br />

Patientenzahl und die Studiendauer waren in<br />

dieser Phase-2-Studie dafür einfach noch nicht<br />

ausreichend.“<br />

Ende letzten Jahres begann weltweit (in 15 Ländern,<br />

46 Standorte, davon fünf deutsche Zentren)<br />

die Phase-3-Studie „GENERATION-HD1“ [3], die<br />

bis 2022 laufen soll. Insgesamt sollen 660 symptomatische<br />

Patienten eingeschlossen werden und<br />

verschiedene Dosen RG6042 (RO7234292) gegen<br />

Plazebo getestet werden. „Das Studienprotokoll<br />

sieht neben umfangreichen Laboruntersuchungen<br />

auch eine Reihe klinischer Tests zum motorischen,<br />

kognitiven und psychosozialen Krankheitsverlauf<br />

vor“, erklärt Prof. Münchau, „so dass wir hoffentlich<br />

in absehbarer Zeit wissen, ob die Therapie<br />

auch die dringend erhofften klinischen Wirkungen<br />

zeigt.“<br />

Literatur<br />

1. Tabrizi SJ, Leavitt BR, Landwehrmeyer BD et al. Targeting<br />

Huntingtin Expression in Patients with Huntington`s<br />

Disease. NEJM <strong>2019</strong> May 6 [epub]. DOI: 10.1056/NEJ-<br />

Moa1900907<br />

2. https://www.dgn.org/presse/pressemitteilungen/55-<br />

pressemitteilung-2017/3519-huntington-schekrankheitneurologische-leitlinie-bewertet-neue-therapieansaetze<br />

3. A Study to Evaluate the Efficacy and Safety of Intrathecally<br />

Administered RO7234292 (RG6042) in Patients With<br />

Manifest Huntington‘s Disease. ClinicalTrials.gov Identifier:<br />

NCT03761849<br />

Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für <strong>Neurologie</strong><br />

(DGN) vom 7.5.<strong>2019</strong><br />

EDUCATION News<br />

65


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Zugänglichmachung, ist ohne die vorherige<br />

schriftliche Zustimmung des The Paideia Group<br />

Verlages unzulässig.<br />

Druck<br />

STRUBE Druck & Medien OHG<br />

Anzeigen und Sonderdrucke<br />

Anja Lamprecht<br />

sales@thepaideiagroup.com<br />

zzt. gültige Anzeigenpreisliste<br />

Mediadaten <strong>2019</strong>_190301<br />

Einzelpreis: 15,95 Euro inkl. 7 % Mwst.<br />

Abonnement: 12,50 Euro inkl. 7 % Mwst.<br />

pro <strong>Ausgabe</strong><br />

Nr. 3, 7. Jahrgang, Mai <strong>2019</strong><br />

Copyrights<br />

Titelbild: Alexey Kashpersky, Ukraine; Fotolia®<br />

Johan Swanepoel.<br />

Fotos/Abbildungen: Seite 3 unten Martin Adam,<br />

S. 11, 4 iStockphoto® artisteer, S. 41 iStockphoto®<br />

NLshop, Seite 42 PZ_Alois Müller, S. 57 iStockphoto®<br />

lightkeeper, Seiten 58/59 Matthias Börger, S. 54, 5<br />

iStockphoto® RaStudio, S. 32 iStockphoto® Kardd,<br />

S. 61, 4 iStockphoto® Natali Mis, S. 23 Dr. Sebastian<br />

Schulz 2016, S. 38 iStockphoto® dontree_m, S. 15,<br />

4 iStockphoto® lore, S. 19 iStockphoto® CreVis2,<br />

S. 25, 4 iStockphoto® Natnan Srisuwan, S. 29, 4<br />

iStockphoto® Chayanan, S. 33 Shutterstock® Puwadol<br />

Jaturawutthichai, S. 47, 5 iStockphoto® Gwoell,<br />

S. 51, 5 iStockphoto® sky nesher, S. 64 Science Photo<br />

Library / Zephyr.<br />

ISSN 2195-8645 Print<br />

ISSN 2197-991X Online<br />

Cogitatio-Lösungen: Seite 18: Lösung 3; Seite 21: Lösung 1–4; Seite 31: Lösung 4; Seite 49: Lösung 2; Seite 56: Lösung 3<br />

– MAGAZIN<br />

– RUBRIKEN<br />

ADDENDUM<br />

••<br />

präsentiert Highlights von Veranstaltungen verschiedener<br />

medizinischer Fachgebiete themenspezifisch auf der Basis<br />

von Referenten beiträgen in deutscher beziehungsweise<br />

englischer Sprache,<br />

••<br />

erscheint pro Thema jeweils ein- bis zweimal pro Jahr,<br />

••<br />

verbindet die Interessen von Kongressveranstaltern, Teilnehmern<br />

und Industrie,<br />

••<br />

ist nicht mit Honorar zahlungen verbunden,<br />

••<br />

regt durch Cogitatio-Fragen zum Nachdenken „über den<br />

Tellerrand“ hinaus an,<br />

••<br />

reflektiert wissenschaftliche Inhalte in den drei Rubriken<br />

Conference, Education und Industry,<br />

••<br />

finanziert sich über Anzeigen, Sponsoring und Abonnements<br />

,<br />

••<br />

wird in zielgruppenspezifischer Auflage per Post versandt<br />

und ist mit allen <strong>Ausgabe</strong>n für medizinische Fachkreise auch<br />

digital auf www.con-nexi.de verfügbar.<br />

CONFERENCES<br />

Beiträge und Berichte von Konferenzen wie z. B. Präsidenten-<br />

und Experten-Interviews, Statements von ausgesuchten<br />

Referenten, Basic Science, From Bench to Bedside, Arbeitsgruppensitzungen,<br />

Preisverleihungen sowie Regulatory Affairs.<br />

EDUCATION<br />

Berichte von industrieunterstützten Veranstaltungen wie z. B.<br />

Satelliten-Symposien oder Fachpressekonferenzen zu neuen<br />

Entwicklungen in der pharmazeutischen Industrie, Pro- und<br />

Contra-Debatten sowie unser Feuilleton „The Story Behind“,<br />

LeseZeichen (Kommentare zu aktuellen Studien ergebnissen),<br />

Fortbildung (Kalender) und Lösungen zu Cogitatio-Fragen der<br />

Autoren.<br />

INDUSTRY<br />

Markt- und Produktinformationen aus der pharma zeutischen<br />

und Medizintechnik-Industrie.<br />

66


2-2018<br />

1-<strong>2019</strong><br />

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Schmerzmedizin<br />

AIDS und Hepatitis<br />

Kardiologie<br />

<strong>Neurologie</strong><br />

9-2018<br />

3-<strong>2019</strong><br />

8-2018<br />

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Schmerzmedizin<br />

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