demo score: DA-012 Leopold Mozart, Litaniae Lauretanae G

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6 Vorwort Die für die vorliegende Edition verwendeten, heute im Dom- Musikarchiv zu Salzburg aufbewahrten Stimmen der Litanei in G-Dur (LMV II:G1) sind von verschiedenen Schreibern zu verschiedenen Zeiten angefertigt 1 . Die früheste, wohl aus der Zeit vor 1752 stammende Schicht besteht aus vom Salzburger Hofkopisten Johann Jakob Rott geschriebenen Stimmen (eine Dirigierstimme „Per la Batutta“, Stimmen für die beiden Violinen, Chorstimmen sowie Stimmen für drei Posaunen und für Fagott). In all diesen Stimmen hat Leopold Mozart eigenhändig Korrekturen und Eintragungen vorgenommen 2 , die Rott dann in die wohl sofort danach entstandenen Duplierstimmen für den Chor übernommen hat. Wohl nach 1756 fertigte der – später Rott auf der Stelle des Hofkopisten nachfolgende – Maximilian Raab eine Duplierstimme der zweiten Violine und eine mit der Battuta-Stimme identische Orgelstimme an; möglicherweise ist die von Leopold Mozart selbst niedergeschriebene Duplierstimme der ersten Violine ebenfalls diesem Arbeitsgang zuzurechnen. Die für eine Aufführung des Werks unverzichtbaren Stimmen der Vokalsolisten aus der Hand Richard Estlingers, des von der Familie Mozart bevorzugten Salzburger Kopisten, die kurz vor 1760 entstanden sein dürften, würden zusammen mit den von Raab und Leopold Mozart angefertigten Stimmen eine Aufführung der Litanei in kleinem Rahmen mit kleinster, aber die Substanz der Komposition vollständig repräsentierender Besetzung ermöglichen – und das gleiche Format des für die Raab’schen und Estlinger’schen Stimmen verwendeten Papiers 3 könnte sogar darauf verweisen, dass das Material zusammengehört –, doch ist wegen des großen zeitlichen Abstandes zu den von Rott angefertigten Stimmen eher davon auszugehen, dass sie nur – wie vielleicht auch die von Raab und Leopold Mozart geschriebenen Stimmen – ehemals existente, aber verlorengegangene Stimmen ersetzen sollten. Außerdem lässt die Existenz der Stimmen für den Dirigenten und für Posaunen und Fagott sowie der Duplierstimmen für den Chor schon im Rott’schen Stimmensatz, dann aber auch die Existenz der von Raab und Leopold Mozart angefertigten Duplierstimmen der Violinen keinen Zweifel daran, dass das Werk für den Salzburger Dom konzipiert war. Im Dom wurde üblicherweise in größerer Besetzung musiziert: Bis zu zwölf Geiger waren beteiligt, und mit dem Violone ging ein Fagott mit; der bis zu dreißig Sänger umfassende Chor wurde durch eine ihm eigens zugeordnete kleine Orgel (Organo ripieno) begleitet und in seinen drei Unterstimmen durch Posaunen verstärkt. Da Chor, Solisten und Instrumente zudem an verschiedenen Stellen postiert waren – der Chor und die Ripienorgel im Chorraum, die Solisten zusammen mit Bassi und Organo concertato auf der nördlichen und die Geiger (gegebenenfalls zusammen mit Oboisten) auf der südlichen der beiden Emporen an den vorderen Kuppelpfeilern, eventuell mitwirkende Trompeter und Pauker auf den rückwärtigen Emporen –, waren einerseits die zusätzlichen Violinisten und die colla-parte spielenden Instrumentalisten auf eigene Stimmen angewiesen, und andererseits war die Mitwirkung eines Dirigenten – für den die Battuta- 1 Siehe dazu im Kritischen Bericht unter Datierung und Schreiber. 2 Siehe RISM ID no. 659000526 (Stand 08.02.2016), LMV, S. 192 und im Kritischen Bericht unter Bemerkungen zur Quelle. 3 Siehe dazu im Kritischen Bericht unter Papier. Stimme bestimmt war – vonnöten 4 . Vermutlich gehörten, diesen Aufführungsbedingungen entsprechend, zu dem Salzburger Stimmensatz der Litanei in G-Dur ehedem auch eine Violone- und eine Organo-ripieno-Stimme. Die unterschiedlichen Entstehungszeiten der beschriebenen Stimmen lassen vermuten, dass die Litanei zumindest über einen Zeitraum von knapp zehn Jahren immer wieder aufgeführt wurde. Viele Eigenarten der Salzburger Quelle weisen aber auch auf rege Benutzung des Materials in späterer Zeit hin. Der Eintrag von Monogrammen und Signaturen in die Posaunenstimmen 5 könnte schon zu Lebzeiten Leopold Mozarts, jedenfalls noch im 18. Jahrhundert erfolgt sein 6 . Auf Aufführungen im 19. Jahrhundert lässt sich aus den beiden zusätzlichen Hornstimmen aus der ersten Hälfte des Jahrhunderts 7 – die vielleicht in Anlehnung an Leopold Mozarts mit Hörnern besetzte Sakramentslitanei LMV II:D1 hinzugefügt wurden 8 – schließen, außerdem aber auch aus einem „Vi=de“- Eintrag (der das Überspringen des Teiles „Virgo prudentissima“ anzeigt) in den Solovokalstimmen, der Battuta- und der Orgelstimme, allen Violinstimmen und den beiden Hornstimmen (die Posaunen fehlten bei dieser gekürzten Aufführung offensichtlich) 9 , aus den mehr oder weniger regelmäßig gesetzten Orientierungszeichen für die Proben, die sich in den Solovokalstimmen, in den Stimmen von Orgel und Fagott, in den beiden Stimmen der ersten Violine und in der von Raab geschriebenen Stimme der zweiten Violine sowie in den Posaunen- und Hornstimmen finden, und schließlich aus dem in der zweiten Jahrhunderthälfte erfolgten Eintrag verschiedener Namen und Daten in den Solovokal- und den Chorstimmen und der Rott’schen Stimme der ersten Violine 10 . Auch Abschriften der Komposition aus dem 19. Jahrhundert sind überliefert: ein möglicherweise um 1800 von Schülern des 4 Eine zeitgenössische, wahrscheinlich von Leopold Mozart stammende Schilderung der bei Aufführungen im Salzburger Dom üblichen Besetzung und Aufstellung bei Marpurg, S. 183ff. Siehe dazu Schmid, Salzburger Tradition, S. 252ff. 5 Siehe RISM ID no. 659000526. Bleistifteintrag jeweils in der rechten unteren Ecke auf der ersten Seite der Stimme, Pos 1: JPr., Pos 2: A, Pos 3: L[...] und Initiale M. 6 Den Datierungshinweis gab dankenswerterweise die Leiterin des Dom-Musikarchivs in Salzburg, Frau Dr. Eva Neumayr. 7 Siehe LMV, S. 192, RISM ID no. 659000526 und im Kritischen Bericht unter Schreiber. 8 Von dieser Litanei ist im Dom-Musikarchiv Salzburg eine autographe, von Leopold Mozart selbst auf 1762 datierte Partitur (Signatur: Gb 127) mit – allerdings vom Sohn Wolfgang Amadé korrigierten – Hornstimmen überliefert. Der im Salzburger Dom-Musikarchiv aufbewahrte Stimmensatz der Litanei LMV II:F1 von Leopold Mozart (Signatur: A 453) enthält wie die Litanei LMV II:G zwei im 19. Jahrhundert hinzugefügte, vom gleichen Schreiber angefertigte Hornstimmen; s. LMV, S. 30, RISM ID no. 659000527. 9 Siehe im Kritischen Bericht unter Bemerkungen zur Quelle. 10 Siehe RISM ID no. 659000526. Folgende Bleistifteintragungen finden sich: in A auf der letzten Seite Mitte unten: [...] | Brandstetter | 1861; in B auf der ersten Seite links oben: 13 Minuten, auf der letzten Seite rechts unten: 4. Mai 1867 | zum letzten Mal | am 14. September [...]; in S rip/2 auf der dritten Seite unten: Seidl, Buerger den 21.8.80, auf der vierten Seite rechts über dem letzten System: [...] 1841, auf der vierten Seite unten: Seidl, Ernest Buerger Sperr | vom 21.8.80 | Orgelweihe [?] [...] im Dom um 3 Uhr; in T rip/1 auf der letzten Seite unten: [...] 1846; in B rip/2 auf der ersten Seite rechts oben: 13 Minuten; in Vl 1/1 auf der letzten Seite am Ende: Walter C[...]. Doch findet sich auch der Eintrag Veraltet. daher | nicht mehr | aufzulegen | Jeli[nek?] (Batt, erste Seite unten).

7 Augustiner-Chorherrenstiftes Heilig Kreuz in Augsburg erstellter Stimmensatz 11 und eine auf die in der Stiftskirche St. Peter in Salzburg üblichen kleineren Besetzungen 12 zugeschnittene – auf Bläser verzichtende, allerdings das im Dom bevorzugte sogenannte Kirchentrio aus zwei Violinen und Basso um eine Viola erweiternde – Stimmenabschrift von 1838 13 . Außerdem hat sich im Stift Lambach, Oberösterreich, laut Katalog von 1768 einst eine Kopie des Werkes befunden 14 , und für die im Zweiten Weltkrieg verbrannte Fugger- Babenhausen’sche Musiksammlung ist eine Abschrift mit dem Vermerk „guat vor Closterfrauen“ nachgewiesen 15 . An den Quellen der Litanei lassen sich also eine lange Aufführungstradition und somit große Wertschätzung der Komposition ablesen 16 . Bei heutigen Aufführungen der Litanei – sei es in Andachten, insbesondere Maiandachten, sei es in Konzerten – sollten sich die Musiker nicht scheuen, der in den verschiedenen Quellen der Litanei dokumentierten und für Leopold Mozarts Zeit üblichen Praxis zu folgen, die Besetzung den jeweiligen Gegebenheiten anzupassen. Editionsgrundsätze Die Edition basiert auf dem aus Leopold Mozarts Zeit stammenden, im Salzburger Dom-Musikarchiv aufbewahrten Stimmensatz der Komposition. Die Systeme der Vokalstimmen spiegeln dabei drei Schichten wider: die Sologesangsstimmen, die Ripienstimmen des Chores („Tutti“) und die mit den drei Unterstimmen des Tuttichorsatzes mitgehenden Posaunen. Das System „Bassi ed Organo“ repräsentiert einerseits (mit Ausnahme der ersten Zählzeit im T. 42 des Kyrie) den Violone und das damit colla parte geführte Fagott und andererseits Organo (concertato) und die nur in den Tuttipartien des Chores mitgehende Ripienorgel sowie die mit der Organo-concertato-Stimme identische Dirigierstimme („Battuta“); allerdings fehlen die Stimmen von Violone und Organo ripieno im Stimmensatz des Dom-Musikarchivs. Die beiden Hornstimmen aus dem 19. Jahrhundert sind in die Edition einbezogen, allerdings abgehoben durch kleineres Notenbild. Die Akzidentiensetzung und die Bezifferung des Generalbasses – die in der Quelle über den Notensystemen steht – folgen stillschweigend modernen Gepflogenheiten. Nach heutiger Auffassung überflüssige Warnungsakzidenzien sind, ohne das in den Bemerkungen zur Quelle im Kritischen Bericht zu erwähnen, getilgt. Ergänzte Akzidentien stehen über der bezogenen Note und gelten für die Länge des gesamten Taktes. Dynamikangaben und Spielvorschriften erscheinen, sofern original, in geradem Druck, sofern ergänzt, in kursiver Schrift. Notwendig erscheinende Ergänzungen von Artikulationszei- 11 D-As Hl. Kreuz 77. Es wurden Org und S von einem ersten Schreiber, A und T von einem zweiten, B und Vl 1 von einem dritten, Vl 2 von einem vierten und Cb von einem fünften kopiert; s. Carlson, S. 165. Diese schematische Aufteilung spricht dafür, dass kein professioneller Schreiber am Werk war; s. Broy, S. 90. Zur Datierung s. LMV, S. 31; Broy, S. 92, Anm. 406 sieht allerdings die späte Datierung wegen des ansonsten in früheren Quellen auftretenden Wasserzeichens („Narrenkappe“; s. LMV, S. 191, Nr. 40) als problematisch an. 12 Schmid, Salzburger Tradition, S. 251f. 13 Signatur A-Ssp Moz. 30.1; s. dazu LMV, S. 31 und Schmid, Katalog, S. 42. 14 Siehe im Kritischen Bericht. 15 Signatur A.III.44; s. dazu Haberkamp/Zuber, S. 122. 16 Vgl. dazu auch die wohlwollende Äußerung Christian Friedrich Daniel Schubarts aus dem Jahr 1784 zu Leopold Mozarts „Kirchenstücke[n]“ im Allgemeinen; s. Schubart, S. 157. chen – auf die allerdings in den Vokalstimmen weitestgehend verzichtet wurde – sind in eckige Klammern gesetzt (etwa staccato-Striche) oder strichliert (etwa Bögen). Der meist fehlende Bogen zwischen Vorschlags- und Hauptnote wurde jedoch stets ergänzt, ohne diese Ergänzung durch gestrichelten Druck kenntlich zu machen. Nur punktuell auftretende Artikulationsbezeichnungen in den Instrumentalstimmen wurden nicht in den Notentext übernommen, sondern nur im Kritischen Bericht vermerkt. Da die Bögen in den Vokalstimmen sehr uneinheitlich gesetzt sind, sind sie in der Edition so wiedergegeben, wie sie sich in den im Vergleich mit den Chorstimmen etwas konsequenter bezeichneten Solostimmen finden; Abweichungen der Artikulation der Chorstimmen von der der Solostimmen sind nicht im Kritischen Bericht erwähnt. Für die Posaunenstimmen wurden sowohl die melodischen und rhythmischen Abweichungen vom Verlauf der Vokalstimmen als auch die nur wenigen in der Quelle eingetragenen Legatobögen in den Kritischen Bericht aufgenommen. Die Auflösung von Abbreviaturen für Tempoangaben und Besetzungsangaben („S:“ und „T:“) sowie von Abbreviaturen und Wiederholungsmarken im unterlegten Text erfolgte stillschweigend. Orthographie, Groß- und Kleinschreibung und Interpunktion des Litaneitextes wurden modernisiert 17 ; es wurden jedoch nur die orthographischen Abweichungen in der Quelle im Kritischen Bericht vermerkt. Dank An erster Stelle sei dem Dom-Musikarchiv in Salzburg, das sowohl das Stimmenmaterial der Litanei in Xerokopien zur Verfügung stellte als auch die persönliche Einsichtnahme in die Quelle ermöglichte und die Genehmigung für die Publikation des Werkes gab, herzlich gedankt. Einen Teil der in den Xerokopien der Stimmen nicht erkennbaren Details klärte dankenswerterweise zunächst Frau Dr. Stefanie Bilmayer-Frank, Illerberg, im Salzburger Archiv. Die Leiterin des Archivs, Frau MMag. Dr. Eva Neumayr, unterstützte Frau Bilmayer-Franks und meine späteren Arbeiten vor Ort auf das freundlichste; sie und Herr Dr. Lars E. Laubhold, RISM-Arbeitsstelle Salzburg, nahmen sich sowohl während meines Besuchs als auch danach mit großer Sorgfalt meiner Fragen an. Dafür, dass auch dieses Werk Leopold Mozarts in der Reihe Documenta Augustana Musica erscheinen kann, sei den Herausgebern der Reihe, Frau Universitätspräsidentin Prof. Dr. Sabine Doering-Manteuffel und Herrn Prof. Dr. Wolfgang E. J. Weber, ein herzlicher Dank gesagt. Zu danken ist darüber hinaus der Stadt Augsburg, die mit einem Zuschuss das Entstehen dieses Bandes ermöglichte. Ein besonderer Dank aber gebührt Herrn Prof. Dr. Franz Krautwurst, dem ersten Ordinarius für Musikwissenschaft an der Universität Augsburg, der der Internationalen Leopold Mozart Gesellschaft e.V. für diesen Band eine überaus großzügige Spende zukommen ließ. Leider durfte er die Fertigstellung des Bandes nicht mehr erleben. Dieser Band sei deshalb seinem Andenken gewidmet. Gröbenzell, im Dezember 2015 Marianne Danckwardt Aufführungsmaterial ist beim Verlag erhältlich. 17 Vgl. Schott, S. [237].

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Vorwort<br />

Die für die vorliegende Edition verwendeten, heute im Dom-<br />

Musikarchiv zu Salzburg aufbewahrten Stimmen der Litanei<br />

in G-Dur (LMV II:G1) sind von verschiedenen Schreibern zu<br />

verschiedenen Zeiten angefertigt 1 . Die früheste, wohl aus der<br />

Zeit vor 1752 stammende Schicht besteht aus vom Salzburger<br />

Hofkopisten Johann Jakob Rott geschriebenen Stimmen (eine<br />

Dirigierstimme „Per la Batutta“, Stimmen für die beiden Violinen,<br />

Chorstimmen sowie Stimmen für drei Posaunen und<br />

für Fagott). In all diesen Stimmen hat <strong>Leopold</strong> <strong>Mozart</strong> eigenhändig<br />

Korrekturen und Eintragungen vorgenommen 2 , die<br />

Rott dann in die wohl sofort danach entstandenen Duplierstimmen<br />

für den Chor übernommen hat. Wohl nach 1756<br />

fertigte der – später Rott auf der Stelle des Hofkopisten nachfolgende<br />

– Maximilian Raab eine Duplierstimme der zweiten<br />

Violine und eine mit der Battuta-Stimme identische Orgelstimme<br />

an; möglicherweise ist die von <strong>Leopold</strong> <strong>Mozart</strong> selbst<br />

niedergeschriebene Duplierstimme der ersten Violine ebenfalls<br />

diesem Arbeitsgang zuzurechnen. Die für eine Aufführung des<br />

Werks unverzichtbaren Stimmen der Vokalsolisten aus der<br />

Hand Richard Estlingers, des von der Familie <strong>Mozart</strong> bevorzugten<br />

Salzburger Kopisten, die kurz vor 1760 entstanden sein<br />

dürften, würden zusammen mit den von Raab und <strong>Leopold</strong><br />

<strong>Mozart</strong> angefertigten Stimmen eine Aufführung der Litanei in<br />

kleinem Rahmen mit kleinster, aber die Substanz der Komposition<br />

vollständig repräsentierender Besetzung ermöglichen –<br />

und das gleiche Format des für die Raab’schen und Estlinger’schen<br />

Stimmen verwendeten Papiers 3 könnte sogar darauf<br />

verweisen, dass das Material zusammengehört –, doch ist wegen<br />

des großen zeitlichen Abstandes zu den von Rott angefertigten<br />

Stimmen eher davon auszugehen, dass sie nur – wie<br />

vielleicht auch die von Raab und <strong>Leopold</strong> <strong>Mozart</strong> geschriebenen<br />

Stimmen – ehemals existente, aber verlorengegangene<br />

Stimmen ersetzen sollten. Außerdem lässt die Existenz der<br />

Stimmen für den Dirigenten und für Posaunen und Fagott sowie<br />

der Duplierstimmen für den Chor schon im Rott’schen<br />

Stimmensatz, dann aber auch die Existenz der von Raab und<br />

<strong>Leopold</strong> <strong>Mozart</strong> angefertigten Duplierstimmen der Violinen<br />

keinen Zweifel daran, dass das Werk für den Salzburger Dom<br />

konzipiert war. Im Dom wurde üblicherweise in größerer Besetzung<br />

musiziert: Bis zu zwölf Geiger waren beteiligt, und<br />

mit dem Violone ging ein Fagott mit; der bis zu dreißig Sänger<br />

umfassende Chor wurde durch eine ihm eigens zugeordnete<br />

kleine Orgel (Organo ripieno) begleitet und in seinen drei<br />

Unterstimmen durch Posaunen verstärkt. Da Chor, Solisten<br />

und Instrumente zudem an verschiedenen Stellen postiert waren<br />

– der Chor und die Ripienorgel im Chorraum, die Solisten<br />

zusammen mit Bassi und Organo concertato auf der<br />

nördlichen und die Geiger (gegebenenfalls zusammen mit<br />

Oboisten) auf der südlichen der beiden Emporen an den vorderen<br />

Kuppelpfeilern, eventuell mitwirkende Trompeter und<br />

Pauker auf den rückwärtigen Emporen –, waren einerseits die<br />

zusätzlichen Violinisten und die colla-parte spielenden Instrumentalisten<br />

auf eigene Stimmen angewiesen, und andererseits<br />

war die Mitwirkung eines Dirigenten – für den die Battuta-<br />

1 Siehe dazu im Kritischen Bericht unter Datierung und Schreiber.<br />

2 Siehe RISM ID no. 659000526 (Stand 08.02.2016), LMV, S. 192 und<br />

im Kritischen Bericht unter Bemerkungen zur Quelle.<br />

3 Siehe dazu im Kritischen Bericht unter Papier.<br />

Stimme bestimmt war – vonnöten 4 . Vermutlich gehörten, diesen<br />

Aufführungsbedingungen entsprechend, zu dem Salzburger<br />

Stimmensatz der Litanei in G-Dur ehedem auch eine Violone-<br />

und eine Organo-ripieno-Stimme.<br />

Die unterschiedlichen Entstehungszeiten der beschriebenen<br />

Stimmen lassen vermuten, dass die Litanei zumindest über einen<br />

Zeitraum von knapp zehn Jahren immer wieder aufgeführt<br />

wurde. Viele Eigenarten der Salzburger Quelle weisen<br />

aber auch auf rege Benutzung des Materials in späterer Zeit<br />

hin. Der Eintrag von Monogrammen und Signaturen in die<br />

Posaunenstimmen 5 könnte schon zu Lebzeiten <strong>Leopold</strong> <strong>Mozart</strong>s,<br />

jedenfalls noch im 18. Jahrhundert erfolgt sein 6 . Auf<br />

Aufführungen im 19. Jahrhundert lässt sich aus den beiden<br />

zusätzlichen Hornstimmen aus der ersten Hälfte des Jahrhunderts<br />

7 – die vielleicht in Anlehnung an <strong>Leopold</strong> <strong>Mozart</strong>s mit<br />

Hörnern besetzte Sakramentslitanei LMV II:D1 hinzugefügt<br />

wurden 8 – schließen, außerdem aber auch aus einem „Vi=de“-<br />

Eintrag (der das Überspringen des Teiles „Virgo prudentissima“<br />

anzeigt) in den Solovokalstimmen, der Battuta- und der<br />

Orgelstimme, allen Violinstimmen und den beiden Hornstimmen<br />

(die Posaunen fehlten bei dieser gekürzten Aufführung<br />

offensichtlich) 9 , aus den mehr oder weniger regelmäßig gesetzten<br />

Orientierungszeichen für die Proben, die sich in den Solovokalstimmen,<br />

in den Stimmen von Orgel und Fagott, in den<br />

beiden Stimmen der ersten Violine und in der von Raab geschriebenen<br />

Stimme der zweiten Violine sowie in den Posaunen-<br />

und Hornstimmen finden, und schließlich aus dem in<br />

der zweiten Jahrhunderthälfte erfolgten Eintrag verschiedener<br />

Namen und Daten in den Solovokal- und den Chorstimmen<br />

und der Rott’schen Stimme der ersten Violine 10 . Auch Abschriften<br />

der Komposition aus dem 19. Jahrhundert sind<br />

überliefert: ein möglicherweise um 1800 von Schülern des<br />

4 Eine zeitgenössische, wahrscheinlich von <strong>Leopold</strong> <strong>Mozart</strong> stammende<br />

Schilderung der bei Aufführungen im Salzburger Dom üblichen Besetzung<br />

und Aufstellung bei Marpurg, S. 183ff. Siehe dazu Schmid, Salzburger<br />

Tradition, S. 252ff.<br />

5 Siehe RISM ID no. 659000526. Bleistifteintrag jeweils in der rechten<br />

unteren Ecke auf der ersten Seite der Stimme, Pos 1: JPr., Pos 2: A,<br />

Pos 3: L[...] und Initiale M.<br />

6 Den Datierungshinweis gab dankenswerterweise die Leiterin des<br />

Dom-Musikarchivs in Salzburg, Frau Dr. Eva Neumayr.<br />

7 Siehe LMV, S. 192, RISM ID no. 659000526 und im Kritischen Bericht<br />

unter Schreiber.<br />

8 Von dieser Litanei ist im Dom-Musikarchiv Salzburg eine autographe,<br />

von <strong>Leopold</strong> <strong>Mozart</strong> selbst auf 1762 datierte Partitur (Signatur: Gb<br />

127) mit – allerdings vom Sohn Wolfgang Amadé korrigierten – Hornstimmen<br />

überliefert. Der im Salzburger Dom-Musikarchiv aufbewahrte<br />

Stimmensatz der Litanei LMV II:F1 von <strong>Leopold</strong> <strong>Mozart</strong> (Signatur: A<br />

453) enthält wie die Litanei LMV II:G zwei im 19. Jahrhundert hinzugefügte,<br />

vom gleichen Schreiber angefertigte Hornstimmen; s. LMV,<br />

S. 30, RISM ID no. 659000527.<br />

9 Siehe im Kritischen Bericht unter Bemerkungen zur Quelle.<br />

10 Siehe RISM ID no. 659000526. Folgende Bleistifteintragungen finden<br />

sich: in A auf der letzten Seite Mitte unten: [...] | Brandstetter | 1861; in<br />

B auf der ersten Seite links oben: 13 Minuten, auf der letzten Seite<br />

rechts unten: 4. Mai 1867 | zum letzten Mal | am 14. September [...]; in<br />

S rip/2 auf der dritten Seite unten: Seidl, Buerger den 21.8.80, auf der<br />

vierten Seite rechts über dem letzten System: [...] 1841, auf der vierten<br />

Seite unten: Seidl, Ernest Buerger Sperr | vom 21.8.80 | Orgelweihe [?]<br />

[...] im Dom um 3 Uhr; in T rip/1 auf der letzten Seite unten: [...]<br />

1846; in B rip/2 auf der ersten Seite rechts oben: 13 Minuten; in<br />

Vl 1/1 auf der letzten Seite am Ende: Walter C[...]. Doch findet sich<br />

auch der Eintrag Veraltet. daher | nicht mehr | aufzulegen | Jeli[nek?]<br />

(Batt, erste Seite unten).

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