Procycling 06.2019
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PARIS–ROUBAIX<br />
Heiße Bilder aus der<br />
Hölle des Nordens<br />
RICK ZABEL<br />
Neues Selbstvertrauen<br />
nach dem Sieg in Yorkshire<br />
RADTEST<br />
Sieben Gravel-Bikes von<br />
Aero bis Adventure<br />
JUNI 2019<br />
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„ICH HABE<br />
KEINE ANGST<br />
VOR DEM<br />
TEAM INEOS.“<br />
EXKLUSIV-INTERVIEW<br />
TOM<br />
DUMOULIN<br />
ÜBER RUHM UND DRUCK<br />
FRISCHES GELD<br />
Jim Ratcliffe:<br />
Der Mann hinter<br />
dem Team Ineos<br />
RETRO: ONCE<br />
Das spanische<br />
Superteam<br />
der 1990er-Jahre<br />
MAXIMILIAN<br />
SCHACHMANN<br />
In der Weltspitze angekommen<br />
MATHIEU<br />
VAN DER POEL<br />
Vom Cross-Weltmeister<br />
zum Klassiker-Star<br />
70% K
YOUTUBE<br />
FACEBOOK<br />
LINKEDIN<br />
TWITTER<br />
INSTAGRAM<br />
PERISCOPE
EDITORIAL<br />
ERFOLG MADE IN RAUBLING<br />
Ich kann mich noch grob an den Moment erinnern, an dem wir das erste Mal mit Ralph Denk in<br />
Kontakt kamen. Es muss Ende 2009 gewesen sein, als uns der Mann aus Raubling bei Rosenheim<br />
über den Start eines neuen Teams informierte. Wer sich nicht mehr genau erinnern kann<br />
oder mag: Von einst drei großen deutschen Mannschaften war zu diesem Zeitpunkt mit Milram<br />
nur noch eine übrig geblieben. Und auch die fuhr danach nur noch eine Saison. Der Radsport<br />
in Deutschland lag am Boden. ARD und ZDF übertrugen die Tour de France nicht mehr, die<br />
Deutschland Tour musste abgesagt werden. Sich in dieser Phase hierzulande für den Radsport zu<br />
engagieren, schien aussichtslos. Ralph Denk sah das anders. Er wollte seinen Continental-Rennstall,<br />
der damals unter dem Namen NetApp ins Rennen ging, bis in die erste Liga führen – mit einem<br />
klaren Plan im Kopf und keiner Scheu vor der vielen Arbeit auf dem Weg dorthin. Schon damals<br />
formulierte der Teamchef das Ziel, möglichst viele junge Fahrer aus Deutschland und dem nahe<br />
gelegenen Österreich fördern und aufbauen zu wollen.<br />
Knapp zehn Jahre später schickt sich eine neue Generation an, langjährige Topfahrer wie André<br />
Greipel oder Tony Martin zu beerben. Namen wie Nils Politt, Emanuel Buchmann, Maximilian<br />
Schachmann oder Pascal Ackermann sind längst keine Insidertipps mehr. Die letzten drei fahren<br />
für – richtig – Ralph Denks Team, das heute als Bora–hansgrohe im Peloton geschätzt und etabliert<br />
ist. Im Laufe der Jahre und in den Texten vieler Kolumnen für <strong>Procycling</strong> hat Denk genau dieses<br />
Szenario immer wieder geschildert und nach und nach in die Praxis umgesetzt. Wenn ich mir alte<br />
Ausgaben anschaue, klingen viele seiner Sätze geradezu prophetisch. Da schreibt einer, der seine<br />
Worte ernst meint und dem Radsport mit Leib und Seele verfallen ist. Heute kann er die Früchte<br />
seiner Arbeit ernten. Wie die deutsche Radrealität wohl aussähe, wenn er damals mehr Zeit in seinem<br />
Radgeschäft und weniger im Teamwagen verbracht hätte? Sicher nicht so aussichtsreich wie<br />
heute. Dafür, lieber Ralph, gebührt dir großer Dank. Möge deine Vision weiter Wirklichkeit werden.<br />
Ich bin mir sicher, dass viele <strong>Procycling</strong>-Leser meine Meinung teilen.<br />
Ihnen allen wünsche ich nun gute Unterhaltung mit dieser Ausgabe.<br />
Chris Hauke<br />
Redaktion
INHALT<br />
AUSGABE 184 / JUNI 2019<br />
30<br />
TOM DUMOULIN<br />
Die Niederländer sprach mit uns über mentale Hürden<br />
und seine Rundfahr-Prioritäten in dieser Saison.<br />
38<br />
GRAND-TOUR-DOUBLES<br />
Dumoulin wurde 2018 Zweiter beim Giro und bei der<br />
Tour. Welche Qualitäten sind dafür heutzutage nötig?<br />
RUBRIKEN<br />
© Kramon<br />
6<br />
SCHNAPP-<br />
SCHUSS<br />
Rennen im Bild<br />
14<br />
PROLOG<br />
Aus dem Herzen<br />
des Pelotons<br />
24<br />
INSIDER<br />
Rick Zabel<br />
& Ralph Denk<br />
28<br />
STRAVA<br />
Die Daten<br />
der Profis<br />
78<br />
NACHLESE<br />
Analysen, Daten,<br />
Erkenntnisse<br />
104<br />
WUNSCH-<br />
LISTE<br />
Produkt-Highlights<br />
112<br />
VORSCHAU<br />
Themen der<br />
nächsten Ausgabe<br />
114<br />
JENS VOIGT<br />
Das letzte<br />
Wort<br />
4 PROCYCLING | JUNI 2019
42<br />
MAXIMILIAN SCHACHMANN<br />
Katalonien, Baskenland, Ardennen – der Berliner ist spätestens in<br />
diesem Frühjahr in der Weltspitze angekommen.<br />
50<br />
MATHIEU VAN DER POEL<br />
Wie der niederländische Cyclocross-Weltmeister bei seinem Debüt<br />
zum Superstar der Klassiker avancierte.<br />
56<br />
CHRISTINE MAJERUS<br />
Die Fahrerin von Boels-Dolmans ist eine von zwei Luxemburgerinnen<br />
im Peloton – und hält die Fahne ihres Landes mit Stolz hoch.<br />
62<br />
JIM RATCLIFFE<br />
Er besitzt die Chemiefirma Ineos und rettete mit seinem Geld das<br />
Team Sky. Wie tickt Großbritanniens reichster Mann?<br />
68<br />
IN BILDERN: PARIS–ROUBAIX<br />
Ein sehr persönlicher Blick auf die Königin der Klassiker – Fotograf<br />
Pete Goding zeigt uns seine Hölle des Nordens.<br />
88<br />
RADTEST<br />
Zwischen den Welten – sieben Gravel-Bikes von Aero bis Adventure<br />
zeigen, wie vielseitig die noch junge Gattung sein kann.<br />
98<br />
RETRO: TEAM ONCE<br />
In den 1990er-Jahren hob die spanische Equipe die Radsportwelt<br />
aus den Angeln – wir erzählen ihre Geschichte.<br />
© BettiniPhoto, Kramon, Andreas Meyer<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 5
SCHNAPPSCHUSS<br />
IMPRESSIONEN DES RADSPORT-MONATS<br />
6 PROCYCLING | JUNI 2019
AMSTEL<br />
GOLD RACE<br />
Niederlande, 21. April 2019<br />
Mathieu van der Poel liegt<br />
erschöpft und überwältigt auf<br />
dem Asphalt, nachdem er mit<br />
einem beeindruckenden Finale<br />
das Amstel Gold Race gewonnen<br />
hat, den größten Eintages-<br />
Klassiker seines Heimatlandes<br />
– und das im Trikot des<br />
niederländischen Meisters. Das<br />
265 Kilometer lange Rennen<br />
läutet die Woche der Ardennenklassiker<br />
ein, nach dem Start in<br />
Maastricht führt es quer durch<br />
die Region Limburg und passiert<br />
dabei 35 kurze, steile Anstiege,<br />
bevor es im nahe gelegenen<br />
Berg en Terblijt endet. Der<br />
24-Jährige wiederholte damit<br />
den Erfolg seines Vaters Adri,<br />
der die 1990er-Auflage für<br />
sich entscheiden konnte.<br />
© Kramon<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 7
SCHNAPPSCHUSS<br />
8 PROCYCLING | JUNI 2019
SCHNAPPSCHUSS<br />
FLÈCHE<br />
WALLONNE<br />
Belgien, 24. April 2019<br />
Das Duell zwischen Julian<br />
Alaphilippe und dem Dänen<br />
Jakob Fuglsang prägte die<br />
Ardennenwoche wie kein<br />
zweites. Beim Flèche Wallonne<br />
behielt Alaphilippe die Oberhand<br />
und setzte sich im Finale an der<br />
Mauer von Huy knapp gegen den<br />
Astana-Fahrer durch. Es war der<br />
bereits neunte Erfolg des<br />
Franzosen in dieser Saison.<br />
© Luc Claessen/Getty Images<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 9
SCHNAPPSCHUSS<br />
LÜTTICH–<br />
BASTOGNE–<br />
LÜTTICH<br />
Belgien, 28. April 2019<br />
Obwohl sie im Kalender am<br />
Ende der Frühjahrsklassiker liegt,<br />
hat „La Doyenne“ einen Ruf für<br />
unvorhersehbares Wetter. In<br />
diesem Jahr mussten sich die<br />
Fahrer mit viel Regen und<br />
Temperaturen von sechs Grad<br />
arrangieren. Am Ende der<br />
256 Kilometer langen Tortur<br />
krönte Jakob Fuglsang seine<br />
erfolgreiche Ardennenwoche<br />
mit dem ersten Sieg bei einem<br />
Monument. Auch bei Bora–<br />
hansgrohe sah man nach dem<br />
Rennen viele glückliche Gesich -<br />
ter – mit Davide Formolo und<br />
Maximilian Schachmann kom -<br />
plettierten zwei Fahrer der<br />
Raublinger Equipe das Podium.<br />
© Gruber Images<br />
10 PROCYCLING | JUNI 2019
SCHNAPPSCHUSS<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 11
SCHNAPPSCHUSS<br />
ESCHBORN–<br />
FRANKFURT<br />
Deutschland, 1. Mai 2019<br />
Man hätte die Geschichte kaum<br />
besser schreiben können: Der<br />
deutsche Meister Pascal Ackermann<br />
besiegt den Lokalmatador<br />
John Degenkolb beim deutschen<br />
Klassiker am Tag der Arbeit. Es<br />
war der erste einheimische<br />
Erfolg seit dessen Triumph im<br />
Jahr 2011. Zuletzt hatte der Nor -<br />
weger Alexander Kristoff ein<br />
Abonnement auf den Sieg in der<br />
Main-Metropole – er konnte die<br />
letzten vier Auflagen zuvor für<br />
sich entscheiden. Ackermann<br />
kann so mit einem guten Gefühl<br />
beim Giro d’Italia antreten und<br />
bei seiner ersten dreiwöchigen<br />
Landesrundfahrt vielleicht sogar<br />
in die Riege der internationalen<br />
Topsprinter vorstoßen.<br />
© Christian Kaspar-Bartke/Getty Images<br />
12 PROCYCLING | JUNI 2019
SCHNAPPSCHUSS<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 13
PROLOG<br />
AUS DEM HERZEN DES PELOTONS<br />
„ICH HABE BESCHLOSSEN,<br />
MIR EINE PAUSE ZU NEHMEN“<br />
Marcel Kittel hat seinen Vertrag mit Katusha-Alpecin vorzeitig aufgelöst.<br />
© Chris Graythen/Getty Images<br />
Auf meinen Wunsch hin haben Team Katusha-Alpecin<br />
und ich einvernehmlich<br />
beschlossen, meinen aktuellen Vertrag<br />
vorzeitig zu beenden.“ Mit diesen Zeilen endete<br />
am 9. Mai nach eineinhalb Jahren die Zusammenarbeit<br />
von Marcel Kittel und Katusha-Alpecin.<br />
Ausbleibende Ergebnisse, abgebrochene<br />
Rennen, Rennabsagen – schon in den letzten<br />
Monaten hatte sich mehr und mehr angedeutet,<br />
dass es beim 31-jährigen Topsprinter aus Arnstadt<br />
alles andere als rund läuft. Gerade einmal<br />
einen Sieg im Rahmen der Mallorca Challenge zu<br />
Saisonbeginn hat Kittel bis dato zu Buche stehen<br />
– zu wenig für einen Fahrer seines Kalibers.<br />
Ein langes, auf Kittels Homepage veröffentlichtes<br />
Statement bringt nun Licht ins Dunkel: „Es war<br />
für mich ein langer Entscheidungsprozess, in dem<br />
ich mir viele Fragen stellte, wie und wohin ich als<br />
Person und Athlet gehen möchte und was für<br />
mich wirklich wichtig ist. Ich liebe das Radfahren,<br />
und meine Leidenschaft für diesen schönen Sport<br />
ist nicht verschwunden, aber ich weiß auch, was<br />
es von mir verlangt und was ich brauche, um erfolgreich<br />
zu sein. […] In den letzten zwei Monaten<br />
hatte ich das Gefühl, erschöpft zu sein. Momentan<br />
kann ich nicht auf höchstem Niveau trainieren<br />
und Rennen fahren. Aus diesem Grund habe ich<br />
beschlossen, mir eine Pause zu nehmen, über<br />
meine Ziele nachzudenken und einen Plan für<br />
meine Zukunft zu machen“, schreibt der 14-fache<br />
Tour-de-France-Etappensieger.<br />
Katusha-Alpecin und Marcel Kittel – von Beginn<br />
an war es eine Partnerschaft, der gemeinsame<br />
Erfolge nicht vergönnt sein sollten. Nachdem<br />
er 2017 mit Quick-Step Floors noch fünf Etappen<br />
bei der Tour de France gewonnen hatte und als<br />
bester Sprinter der Welt gegolten hatte, reichte es<br />
in seinem neuen Team in eineinhalb Jahren gerade<br />
einmal zu insgesamt drei Erfolgen. Der Tiefpunkt:<br />
die letztjährige Tour de France, als Kittel auf der<br />
elften Etappe aus dem Zeitlimit fiel und somit die<br />
Tour vorzeitig verlassen musste. Zu allem Über-<br />
14 PROCYCLING | JUNI 2019
Bereits bei der Tour de<br />
France 2018 war Kittel hinter<br />
den Erwartungen zurückgeblieben.<br />
Auf der elften Etappe<br />
fiel der bis dato 14-fache<br />
Tour-Tagessieger sogar aus<br />
dem Zeitlimit und musste die<br />
Frankreich-Rundfahrt damit<br />
vorzeitig verlassen.<br />
fluss überschatteten Querelen zwischen ihm und<br />
Katusha-Sportdirektor Dimitri Konyschew das<br />
Rennen: Konyschew hatte Kittel in einem Interview<br />
als „Egoisten“ bezeichnet, der „nur an sich<br />
selbst interessiert“ sei. Nach einem vorzeitigen<br />
Saisonaus im August bei der Deutschland Tour<br />
schien sich über den Winter alles zum Besseren<br />
zu wenden. Zum Saisonstart wirkte Kittel frisch<br />
und motiviert, gewann das Trofeo Palma auf Mallorca<br />
und wurde zwei Wochen später Zweiter der<br />
Clasica de Almeria. Seitdem war es jedoch still<br />
um den einstigen Seriensieger geworden.<br />
Außer dem Satz in Sachen anhaltender „Erschöpfung“<br />
gibt Kittel keine weiteren Hinweise auf die<br />
Gründe des vorzeitigen Ausstiegs bei Katusha-<br />
Alpecin. Auf seiner Website schreibt er: „Ich habe<br />
diese Entscheidung aufgrund meiner Erfahrung<br />
getroffen, dass Veränderungen zu neuen Wegen<br />
und Möglichkeiten führen […]. „An dieser Stelle<br />
möchte ich dem Team für die letzten 1,5 Jahre<br />
und deren Unterstützung danken. Ganz besonders<br />
möchte ich mich bei den Betreuern des<br />
Teams bedanken. Aus tiefstem Herzen kann ich<br />
sagen, dass sie die besten und am härtesten arbeitenden<br />
Menschen sind, die ich je gesehen<br />
habe. Es tut mir leid, dass ich ihre Leidenschaft<br />
nicht mit mehr Siegen und Ergebnissen befeuern<br />
konnte. Ich möchte mich auch bei den Sponso -<br />
ren und Partnern bedanken, die mit ihrer Unterstützung<br />
und ihrem Wissen weiterhin an das<br />
Team glauben.“<br />
Auch bei Katusha-Alpecin reagierte man mit<br />
Bestürzung. Teammanager José Azevedo sagte:<br />
„Mit Bedauern haben wir Marcels Wunsch, sich<br />
vom Team und vom Renngeschehen zurückzuziehen,<br />
akzeptiert. Wir verstehen die Situation,<br />
in der sich Marcel befindet, und wir unterstützen<br />
ihn in dieser schwierigen Zeit voll und ganz.<br />
Alle Teammitglieder werden Marcel auch in Zukunft<br />
unterstützen.“<br />
Wie es mit Marcel Kittel nun weitergeht, ist<br />
ungewiss. Fest steht, dass er ohne Team bei der<br />
bevorstehenden Tour de France nicht an den Start<br />
gehen darf. Auch eine Fortsetzung der Karriere<br />
erscheint nach den letzten beiden schwierigen<br />
Jahren derzeit ungewiss. Kittel selbst will sich auf<br />
ein Karriereende allerdings nicht festlegen. „Trotz<br />
aller Unsicherheiten bin ich zuversichtlich, dass<br />
ich letztendlich neue Chancen und Herausforderungen<br />
finde. Von nun an werde ich mein Glück<br />
und meine Freude über alles stellen und nach<br />
Wegen suchen, dies auch in meiner Zukunft zu<br />
finden. Ich bin sehr gespannt, was kommen wird.<br />
Ich möchte in Zukunft wieder Rennen fahren und<br />
muss einen Plan ausarbeiten, um dieses Ziel zu<br />
erreichen. Dies ist die größte Herausforderung<br />
meiner Karriere und ich nehme sie an.“<br />
„IN DEN LETZTEN ZWEI<br />
MONATEN HATTE ICH DAS<br />
GEFÜHL, ERSCHÖPFT ZU<br />
SEIN. MOMENTAN KANN ICH<br />
NICHT AUF HÖCHSTEM<br />
NIVEAU TRAINIEREN UND<br />
RENNEN FAHREN.“<br />
© Justin Setterfield/Getty Images, Team Katusha-Alpecin (Porträt)<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 15
PROLOG<br />
IN ALLER KÜRZE<br />
„Inzwischen denke<br />
ich, dass wir es<br />
verdienen, live zu<br />
sein, damit die<br />
Leute uns folgen<br />
können. Viele<br />
Menschen möchten<br />
das sehen, und wir<br />
möchten es zeigen.“<br />
Anna van der Breggen kritisiert die<br />
anhaltende mangelnde Fernseh-<br />
Berichterstattung über das Flèche<br />
Wallonne der Frauen.<br />
„Ich hatte etwas zu<br />
wenig Zeit zum<br />
Rennen Fahren, aber<br />
verbessere mich<br />
konstant.“<br />
Im Gespräch mit dem BBC Bespoke<br />
Podcast betonte Geraint Thomas,<br />
dass er auf dem richtigen Weg sei,<br />
um seinen Tour-Titel trotz eines<br />
ruhigen Starts ins Jahr 2019<br />
zu verteidigen.<br />
20<br />
%Die steilste Steigung der „Wand von<br />
Kocierz“, dem zwei Kilometer langen<br />
Anstieg, der im August bei der Polen-Rundfahrt<br />
Premiere feiern soll.<br />
569<br />
Tage seit Lizzie Deignans letz <br />
tem Rennen. Nach der Geburt<br />
ihrer Tochter im vergangenen<br />
September kehrte sie bei den<br />
Ardennen-Klassikern in das<br />
Pro-Peloton zurück.<br />
Team Ineos wird eine<br />
seiner wichtigsten<br />
Trainingsgrößen verlieren,<br />
nachdem Performance<br />
Direktor Rod Ellingworth<br />
bestätigte, dass er in der<br />
nächsten Saison zum Rivalen<br />
Bahrain-Merida wechseln<br />
wird. Der Brite ist quasi<br />
Gründungsmitglied von Sky<br />
und war eine der Schlüsselfiguren<br />
hinter den sechs<br />
Siegen der Tour de France.<br />
„Ich dachte, mit<br />
den Ergebnissen,<br />
die ich habe, wären<br />
sie offen für neue<br />
Ideen, aber es<br />
spielte keine Rolle.“<br />
Sam Bennett, der von seinem<br />
Bora–hansgrohe-Team nicht für<br />
einen Giro-Startplatz nominiert<br />
wurde. Bis Mai hatte der Ire sechs<br />
Siege im Jahr 2019 eingefahren.<br />
RIP PATRICK<br />
SERCU<br />
Patrick Sercu, einer der größten<br />
Bahnradfahrer aller Zeiten, starb<br />
am 19. April im Alter von 74 Jahren.<br />
Er wurde in Belgien zu einer Ikone<br />
durch den Sieg von 168 Straßenrennen<br />
und weiteren Siegen auf<br />
der Bahn, darunter Olympia 1964.<br />
1974 gewann er auch das grüne<br />
Trikot der Tour de France. Er ist der<br />
Rekordhalter mit 88 Siegen bei<br />
Sechstagerennen und hat unter<br />
anderem mit Eddy Merckx und<br />
Peter Post zusammengearbeitet.<br />
© Getty Images<br />
Jarlinson Pantano von Trek-Segafredo sagte, er „wünsche“ sich, dass sein<br />
Fall aufgeklärt werde, nachdem er am 26. Februar bei einem Dopingtest<br />
außerhalb des Wettbewerbs positiv auf EPO getestet wurde. Dem<br />
Kolumbianer droht eine vierjährige Sperre.<br />
NEUE JUMBOS<br />
HEBEN AB<br />
Jumbo-Visma wird ein Entwicklungsteam<br />
aufbauen. Das World<br />
Tour-Team stellte seine Pläne für<br />
die neue U23- und Cyclo-Cross-<br />
Mannschaft vor, die aus zwölf bis<br />
16 überwiegend niederländischen<br />
Fahrern bestehen soll. Das Team<br />
wird in Schulen und Radvereine<br />
gehen, um neue Talente zu finden.<br />
47<br />
Die Anzahl der Minuten, die<br />
Mathieu van der Poel beim<br />
Amstel Gold Race an der Leistungsschwelle<br />
verbracht hat. Weitere<br />
wichtige Zahlen aus seinem Strava-<br />
Ride sind 6.440 verbrannte Kalorien,<br />
eine Durchschnittsleistung<br />
von 337 Watt und 1. 400 Watt<br />
Spitzenleistung im Endspurt.<br />
16 PROCYCLING | JUNI 2019
PROLOG<br />
„Es ist ein<br />
enttäuschendes<br />
Ende für meine<br />
Klassiker-Saison.“<br />
55.089<br />
KM<br />
Die Distanz von Victor<br />
Campenaerts, mit der er in<br />
der Höhe Mexikos einen<br />
neuen Stundenrekord<br />
setzte.<br />
Greg Van Avermaet bemühte<br />
sich bei Lüttich–Bastogne–<br />
Lüttich, seiner Klassiker-<br />
Saison etwas Glanz zu verleihen.<br />
Er stürzte 15 Kilometer vor<br />
der Linie.<br />
„Ich denke, es war das erste Mal seit<br />
13 Monaten, dass ich mit der Chance<br />
auf einen Sieg mitsprintete.“<br />
Mark Cavendish freute sich über den dritten Platz auf der dritten Etappe<br />
der Türkei-Rundfahrt. Der Manxman ist immer noch auf der Suche nach<br />
seiner Form, nachdem zwei Saisons stark durch das Epstein-Barr-Virus<br />
beeinflusst waren.<br />
2Die Anzahl der Monumente, die<br />
das Team Sky in einem Jahrzehnt<br />
bei der WorldTour gewann. Michał<br />
Kwiatkowski gewann in dieser Zeit<br />
San Remo und Wout Poels Lüttich–<br />
Bastogne–Lüttich.<br />
„Ich habe schon<br />
vorher Insekten<br />
während der Fahrt<br />
verschluckt, aber ich<br />
habe es geschafft,<br />
sie auszuhusten.“<br />
Alejandro Valverdes Chancen<br />
wurden vernichtet, als er in der<br />
letzten Rennstunde beim Flèche<br />
Wallonne eine Biene verschluckte.<br />
2021<br />
Das Jahr, bis zu dem Matej<br />
Mohoric seinen Vertrag<br />
mit Bahrain-Merida<br />
verlängert hat. Der<br />
Slowene gewann sieben<br />
Rennen in der<br />
letzten Saison.<br />
Mikel Landa könnte<br />
Vincenzo Nibali bei<br />
Bahrain-Merida ersetzen. Der<br />
viermalige Grand-Tour-Sieger<br />
Nibali wird mit Trek-Segafredo<br />
für 2020 in Verbindung<br />
gebracht, nachdem seine<br />
Vertragsgespräche mit<br />
Bahrain ins Stocken geraten<br />
waren; so öffnete er die Tür<br />
für Landas Wechsel aus dem<br />
Movistar-Team.<br />
2020<br />
In diesem Jahr beginnt der Giro<br />
d’Italia in Budapest, Ungarn. Nach<br />
dem Start in Jerusalem im Jahr<br />
2018 wird es die zweite umstrit <br />
tene Grande Partenza innerhalb<br />
von drei Jahren sein. Die ungarische<br />
Regierung, die von der<br />
rechts gerichteten Partei von Viktor<br />
Orbán geleitet wird, wurde von<br />
Amnesty International beschuldigt,<br />
anti demo kratisch zu sein und<br />
die Menschenrechte von Asyl <br />
be werbern und Flüchtlingen zu<br />
verletzen.<br />
Zwei Monate vor<br />
seinem 48. Geburtstag<br />
wird Davide Rebellin nach<br />
der italienischen Meisterschaft<br />
das Ende seiner<br />
27-jährigen Profikarriere<br />
einläuten. Rebellin wurde<br />
1992 zum Profi und gewann<br />
Lüttich–Bastogne–Lüttich,<br />
drei Flèche-Wallonne-Titel,<br />
Paris–Nizza und Tirreno.<br />
Er verbüßte auch eine<br />
zweijährige Dopingsperre.<br />
© Getty Images<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 17
PROLOG<br />
JULIAN ALAPHILIPPES<br />
SPECIALIZED<br />
S-WORKS<br />
TARMAC DISC<br />
Der vielseitigste<br />
Eintages-Fahrer der Welt<br />
setzt auf das leichte<br />
Tarmac Disc.<br />
M<br />
it acht Siegen in dieser Saison, darunter<br />
Mailand–San Remo, ist Julian Alaphilippe<br />
zweifellos einer der aktuell erfolgreichsten<br />
Stars im Radsport. Er ist leicht genug,<br />
um ein extrem schneller Kletterer zu sein, kommt<br />
aber auch auf der Zielgeraden zurecht, wo er<br />
starke Sprints fahren kann. Es ist die Bandbreite<br />
seines Könnens, die seinen Teamchef Patrick<br />
Lefevere bewegte zu sagen, dass der 26-jährige<br />
Franzose „fast überall“ gewinnen kann.<br />
Das Rad von Specialized, auf dem er all dies<br />
tun wird, ist das neueste S-Works SL6 Tarmac<br />
Disc. Wie sein Fahrer, ist es ebenfalls ein hervorragendes<br />
Multitalent. Specialized gibt an, dass es<br />
200 Gramm weniger wiegt als sein direkter Vorgänger.<br />
Darüber hinaus hat es eine Reihe von<br />
aerodynamischen Eigenschaften übernommen<br />
wie zum Beispiel niedrig ansetzende Sitzstreben,<br />
tropfenförmige Rohre und integrierte Kabel- und<br />
Bremszugverlegung. Die Performance der Scheibenbremsen<br />
verbessert zudem das Fahrradhandling<br />
von Alaphilippe. Die Komponenten kommen<br />
von nur zwei Herstellern: Shimano liefert Pedale,<br />
Antrieb, Lenker und Vorbau, während Reifen,<br />
Sattel und Laufräder von Specialized stammen.<br />
AUSSTATTUNG<br />
© Chris Auld, Getty Images (Porträt)<br />
Rahmen Specialized S-Works Tarmac SL6 Disc<br />
FACT 12r Carbon Gabel S-Works Tarmac SL6<br />
Disc Ausstattung Shimano-Pro-Vibe-Lenker und<br />
-Vorbau; Specialized-S-Works-Romin-Evo-Sattel;<br />
Shimano-Dura-Ace-Pedale Schaltung Shimano-<br />
Dura-Ace-Di2-R9120-Hydraulische Hebel;<br />
Dura-Ace-Di2-R9100-Umwerfer und -Schaltwerk;<br />
Bremsscheiben 160 mm vorne und 140 mm<br />
hinten Kurbel Shimano Dura-Ace Hollowtech 2<br />
53x39 mit Leistungsmesser Laufräder Roval<br />
CLX 50 Rapide Reifen Specialized Turbo tubular<br />
KURZER VORBAU<br />
Viele Fahrer wählen 120- bis 140-Millimeter-Vorbauten,<br />
doch der nur 173<br />
Zentimeter große Alaphilippe fährt<br />
100 Millimeter mit einem Spacer.<br />
KETTE RECHTS<br />
Keine Sonderteile an der Kurbel:<br />
Das sind rennerprobte 53x39er-<br />
Kettenblätter in Kombination mit<br />
dem Dura-Ace-Leistungsmesser.<br />
18 PROCYCLING | JUNI 2019
PROLOG<br />
SITZKISSEN<br />
Specialized bietet seinen Fahrern<br />
ein breites Angebot an Sätteln, von<br />
denen „Alaf“ den Romin Evo mit<br />
FACT-Carbon-Sitzstreben nutzt.<br />
PRÄZISIONSINSTRUMENT<br />
Schnell und präzise: Die Liste<br />
der Teilehersteller ist kurz, die<br />
Teile sind perfekt. So kommt<br />
die Dura-Ace DI2 zum Einsatz.<br />
SPECIALIZED „ROVAL-UTION“<br />
Die Roval CLX Rapides haben<br />
bereits bewiesen, dass sie mit<br />
die schnellsten Laufräder im<br />
Renneinsatz sind.<br />
GROSSE BANDBREITE<br />
Während Alaphilippe klassische<br />
53x39er-Kettenblätter fährt, zählt<br />
er auf eine im Peleton nicht so häufig<br />
gesehene 12-28er-Kassette.<br />
© Chris Auld<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 19
PROLOG<br />
NEUE RUBRIK<br />
SCHAUFENSTER<br />
PRODUKTEMPFEHLUNGEN<br />
VIRTUELLER RADSPORT UND MEHR<br />
Im Schaufenster präsentieren wir regelmäßig die neuesten Produkte aus der Radsportwelt.<br />
Text Werner Müller-Schell & Caspar Gebel Fotografie Hersteller<br />
Zwift<br />
GIRO D’ITALIA AM COMPUTER<br />
Die Online-Trainingsplattform Zwift erfreut sich seit Jahren wachsender<br />
Beliebtheit, gleichermaßen unter Hobbyradsportlern und Rennfahrern.<br />
Pünktlich zum Beginn des Giro d’Italia schalteten die Macher nun einen<br />
neuen Kurs frei: Im Zuge der neuen Partnerschaft mit dem Giro-Veranstalter<br />
RSC Sport wurde so der 8,2 Kilometer lange Prolog-Kurs auf Zwift veröffentlicht<br />
– und zwar am selben Tag, an dem die Profis an den Start gingen. Wie<br />
in der Realität beginnt der Prolog in der historischen Stadt Bo logna und<br />
verfügt über ein sechs Kilometer langes Flachstück, endet jedoch mit einem<br />
steilen Anstieg von 2,1 Kilometern, der eine durchschnittliche Steigung von<br />
9,7 Prozent und eine maximale von 16 Prozent aufweist. „Der Giro war<br />
immer ein aufregendes Rennen und wir hatten nie Angst, mit neuen Wegen<br />
die Begeisterung zu vergrößern. Wir freuen uns, dass wir dieses Jahr einen<br />
neuen technologischen Fortschritt in das Rennen einbringen können. Dies<br />
gibt den Fans auf der ganzen Welt nicht nur die Chance, durch das Erleben<br />
einer Etappe dem Rennen näherzukommen, sondern auch den teilnehmenden<br />
Fahrern eine neue Möglichkeit, sich auf den Start des Rennens vorzu -<br />
bereiten“, so Paolo Bellino, CEO von RCS Sport. Vier der am Giro teilneh -<br />
menden ProfessionalContinental-Teams – Nippo Fantini, Bardiani, Androni<br />
Giocattoli und Israel Cycling Academy – testeten den virtuellen Kurs bereits.<br />
Zwifter können sich nun mit den Zeiten der Profis vergleichen.<br />
Weitere Informationen gibt es unter: www.zwift.com/giro<br />
20 PROCYCLING | JUNI 2019
PROLOG<br />
Canyon<br />
EINSTIEG IN DEN<br />
E-RADSPORT<br />
„DIE MÖGLICHKEITEN SIND ENDLOS“<br />
MIT CANYON STEIGT EINE GROSSE RADMARKE<br />
AMBITIONIERT IN DEN E-RADSPORT EIN. WIR SPRACHEN<br />
MIT TEAMCHEF RHYS HOWELL ÜBER DEN NEUEN TREND.<br />
Virtuelle Radrennen auf Plattformen wie Zwift und Co. sind eine<br />
neue Facette des Radsports. Immer mehr Firmen steigen in das<br />
Thema E-Racing ein, so nun auch Canyon: Mit Canyon ZCC<br />
startet man das erste ausschließlich auf E-Racing spezialisierte<br />
Profiteam. Die zehnköpfige Mannschaft besteht aus jeweils fünf<br />
Frauen und Männern, darunter mit Kristian Falck (Norwegen),<br />
Eva Buchholz (Deutschland) und Lionel Vujasin (Belgien) drei<br />
derzeitige nationale Zwift-Meister.<br />
„Das Engagement von Canyon im neuen Segment des E-Racings<br />
verdeutlicht das große Potenzial dieser neuen Variante des<br />
Radsports. Deshalb arbeiten unsere R&D-Teams derzeit in enger<br />
Abstimmung mit den Prüf- und Qualitätsingenieuren an<br />
neuartigen Testverfahren, mit denen die Kompatibilität aller<br />
grundsätzlich für den Einsatz in Indoor-Trainern geeigneten<br />
Rahmenplattformen sichergestellt werden kann. Unsere<br />
Garantie- und Gewährleistungsrichtlinien werden entsprechend<br />
überarbeitet, sobald die technischen Voraussetzungen erfüllt<br />
sind“, so Thorsten Lewandowski, Global Communications<br />
Manager bei den Koblenzern.<br />
Herr Howell, E-Radsport bekommt<br />
eine immer größere Aufmerksamkeit.<br />
Sogar die UCI denkt darüber<br />
nach, E-Sports-Weltmeisterschaften<br />
auszurichten. Wie weit wird<br />
dieser Trend gehen?<br />
Das Potenzial ist groß. Am Ende wird es<br />
darauf ankommen, ob genügend Budget<br />
vorhanden ist, um auch die großen<br />
Teams des Sports, die natürlich noch<br />
skeptisch sind, dafür zu begeistern.<br />
Wenn man den traditionellen E-Sport<br />
als Beispiel nimmt, ist das unausweichlich.<br />
Da aber die traditionellen Radrennställe<br />
eben noch skeptisch sind, gibt es<br />
Möglichkeiten für ein Team wie unseres,<br />
hier Pionierarbeit zu leisten.<br />
Was macht die Faszination am<br />
E-Radsport eigentlich aus?<br />
Das Tolle am E-Racing ist, dass man<br />
– wenn man das Indoor-Trainingsequipment<br />
sowieso schon hat –, sofort<br />
mit dem Rennenfahren anfangen kann.<br />
Es gibt eine große Flexibilität und man<br />
kann praktisch 24/7 irgendwo ein<br />
Rennen finden. Da es auch keine Gefahr<br />
gibt, zu stürzen, ist diese Art Radsport<br />
also sehr zugänglich.<br />
Was entgegnen Sie Skeptikern?<br />
Traditionalisten befürchten, dass dadurch<br />
weniger Leute auf der Straße Rad<br />
fahren würden. Wir glauben aber, dass<br />
das Gegenteil der Fall sein wird und die<br />
Leute noch mehr für den Radsport begeistert<br />
werden.<br />
Canyon ZCC bezeichnet sich als<br />
das erste E-Profiteam. Inwieweit<br />
kann man das mit einer Straßenprofimannschaft<br />
vergleichen?<br />
Im Moment stellen wir den Fahrern ein<br />
Paket im Wert von 10.000 Euro zur<br />
Verfügung. Das inkludiert Rad, Kit,<br />
Reisekosten, Indoor-Equipment und<br />
Sportnahrung. Ich kann mir aber vorstellen,<br />
dass E-Racing sich dahin entwickelt,<br />
dass die Fahrer auch ein Gehalt<br />
bekommen. Dafür muss aber erst mehr<br />
Geld in den Sport kommen.<br />
Canyon unterstützt mehrere Profiteams.<br />
Können wir irgendwann<br />
Stars wie Mathieu van der Poel in<br />
den ZCC-Farben erleben?<br />
Da hätten wir nichts dagegen und ich<br />
wäre nicht überrascht, wenn Mathieu<br />
das machen würde. Es gibt hier aber<br />
eine zweite Seite: Man muss die Leistungsniveaus<br />
der Nutzer beachten.<br />
Daher glaube ich, dass es ein Ligen-<br />
System braucht.<br />
Mehr zum Canyon-ZCC-Team findet man unter anderem auf:<br />
www.canyon.com<br />
Wie, glauben Sie, sieht die langfristige<br />
Zukunft des E-Radsports aus?<br />
Momentan ist es noch zu früh, um das<br />
zu sagen. Es kann aber eine Möglichkeit<br />
sein, Talente zu finden, wie wir es<br />
mit dem Canyon SRAM Racing Team<br />
bereits gemacht haben. Ich erwarte in<br />
jedem Fall mehr Live-Events, da diese<br />
wichtig für Sponsoren sind. Und natürlich<br />
auch neue Rennformate. Die Möglichkeiten<br />
sind endlos. Canyon hat mit „Canyon ZCC“ ein offizielles<br />
E-Racing-Profiteam gegründet.<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 21
PROLOG<br />
FSA<br />
PROFI-KURBEL<br />
Full Speed Ahead präsentiert mit dem<br />
PowerBox Crankset eines der Vorzeigemodelle<br />
seines 2019er-Produktsortiments.<br />
Die Powermeter-Kurbelgarnitur des<br />
Ausrüsters vieler Profiteams wie EF<br />
Education First, Bahrain Merida, Astana<br />
oder Jumbo–Visma ist unter anderem mit<br />
eleganten Kettenblättern in Stealth-Black<br />
ausge stattet und in zahlreichen<br />
Varianten erhältlich – von Standard in<br />
den Varianten 53/39, 52/36, 50/34 sowie<br />
55/42 und 54/42 bis Super Compact in<br />
den Versionen 48/32 und 46/30. Auch bei<br />
den Längen gibt es eine reiche Auswahl<br />
von 165 bis 180 Millimeter.<br />
Die neue Super-Compact-Kurbel ist dabei<br />
besonders vielseitig einsetzbar: Durch<br />
ihre Abstufung erlaubt sie den Fahrern,<br />
die Kette länger in der Mitte des<br />
Ritzelpakets zu fahren, was nicht nur die<br />
Kettenlinie, sondern auch die Effizienz<br />
verbessert. Vor allem Langdistanz-Spezialisten<br />
dürfte dieses Feature besonders<br />
entgegenkommen.<br />
FSA bietet den Kurbelsatz mit Power2Max-<br />
Messtechnik für 699 Euro in der Aluversi -<br />
on an, für 1.249 Euro mit Carbon kurbeln.<br />
Weitere Informationen unter:<br />
www.fullspeedahead.com<br />
Specialized<br />
SAGAN-KOLLEKTION<br />
Seine Frühjahrsklassiker-Kampagne hat Peter Sagan<br />
in diesem Jahr ohne großen Sieg abgeschlossen. Die<br />
Strahlkraft des dreifachen Weltmeisters ist dennoch<br />
ungebrochen. Der offizielle Teamausrüster von Bora–<br />
hansgrohe, Specialized, hat dem 29-jährigen Superstar<br />
aus der Slowakei nun eine Sonderkollektion gewidmet:<br />
The Sagan Collection ist nicht nur von den Farben des<br />
Regenbogens inspiriert, sie zeigt außerdem zwei<br />
Facetten von Sagans speziellem Fahrstil: Kunden<br />
haben so die Wahl zwischen der Underexposed<br />
Collection und der Overexposed Collection.<br />
Während Erstere in gedeckten, klassischen Farben<br />
erhältlich ist, punktet Zweitere mit schillernden<br />
Looks. In beiden Farbvarianten sind so zahlreiche<br />
Produkte erhältlich: vom Specialized S-Works 7<br />
Road-Schuh bis hin zum Evade-Helm, vom SL Air<br />
Jersey bis hin zum eigenen Faltreifen. Auch eigene<br />
Rahmensets und Raddesigns stehen zur Auswahl,<br />
sodass Fans den kompletten Sagan-Auftritt auf die<br />
Straße bringen können.<br />
Übrigens: Unabhängig von der Sagan-Kollektion<br />
gaben Specialized und Bora-hansgrohe kurz vor dem<br />
Start des Giro d’Italia bekannt, dass die gemeinsame<br />
Partnerschaft vorzeitig bis zum Jahr 2021 verlängert<br />
werden konnte. „Diese Vertragsverlängerung ist ein<br />
wichtiger Schritt für uns, wenn wir in die Zukunft des<br />
Straßenradsports blicken. Bora–hansgrohe ist ein<br />
Team, das Peter Sagan geholfen hat, zwei WM-Titel<br />
zu gewinnen. Gleichzeitig haben sich im Windschatten<br />
von Sagan viele junge Talente zu Siegfahrern entwi -<br />
ckelt. Wir freuen uns darauf, weiter mit dem Team zu<br />
wachsen und weitere Siege einzufahren“, erklärte<br />
Scott Jackson, Marketing Manager beim US-amerikanischen<br />
Hersteller.<br />
Weitere Informationen zur Sagan-Kollektion findet<br />
man unter: www.specialized.com<br />
22 PROCYCLING | JUNI 2019
PROLOG<br />
Campagnolo<br />
CHORUS 12<br />
Brandneu und sehr spannend ist die neue Chorus-Gruppe, die Campagnolo<br />
Ende April vorstellte. Die Nummer drei im Programm der Italiener ist ab<br />
sofort mit dem noch recht jungen Zwölffach-Antrieb erhältlich und den<br />
Topgruppen Record und Super Record in vielen Details sehr ähnlich. Wie<br />
jene weist die Chorus zahlreiche Carbonkomponenten auf, darunter die<br />
(allerdings nicht hohlen) Kurbeln und die sehr angenehm geformten<br />
Bremshebel. Einzigartig ist die neue Kettenblatt-Abstufung 48-32, mit der<br />
Campagnolo speziell das Gravel-Segment anpeilt; dazu gibt es zwei<br />
Ritzelpakete mit 11-32 und 11-34 Zähnen. Alternativ zu den bewährten, in<br />
Kooperation mit Magura entwickelten Scheibenbremsen gibt es die Chorus<br />
auch mit den bekannten Skeleton-Felgenkneifern. Die Gewichte<br />
der Komplettgruppen gibt der Hersteller mit 2.333 bzw. 2.631 Gramm an<br />
(Disc/Rim), mit 1.275 bzw. 1.819 Euro sind die neuen Chorus-Gruppen dazu<br />
keineswegs sehr teuer – eine attraktive Alternative also zu den großen<br />
Wettbewerbern mit „S“ am Anfang.<br />
www.campagnolo.com<br />
Vittoria<br />
CORSA GRAPHENE 2.0<br />
Der Reifenspezialist hat ein bereits sehr gutes Produkt weiter verbessert:<br />
Nach dem Corsa Graphene+ soll der Graphene 2.0 nun mit doppelter<br />
Laufleistung, weiter verringertem Rollwiderstand und deutlich besserem<br />
Grip und Pannenschutz aufwarten. Der einzige Reifen mit Vierfach-Gummimischung<br />
profitiert laut Hersteller von der nun exakter auf bestimmte<br />
Eigenschaften abstimmbaren Graphen-Beimengung. Auf einem anspruchsvollen<br />
Ardennen-Kurs von <strong>Procycling</strong> über fünf Stunden gefahren, bewies<br />
der Reifen zumindest in den deutlich wahrnehmbaren Kategorien sehr gute<br />
Leistungen: Dank 320-tpi-Baumwollkarkasse rollte er seidenweich und sehr<br />
komfortabel ab, wobei er sich sehr schnell anfühlte; der Nässegrip war<br />
vorzüglich sowohl bei Schräglage wie bei kräftigen Bremsmanövern. In<br />
25 Millimeter Breite ist der neue Corsa mit 260 Gramm kein ausgesprochenes<br />
Leichtgewicht, wofür die bewiesenen und versprochenen Eigenschaften<br />
freilich entschädigen sollten. Auch eine Tubeless-Variante ist nun<br />
erhältlich, die nur geringfügig schwerer und leider nur mit schwarzer<br />
Seitenwand erhältlich ist.<br />
59,95 €, www.vittoria.com<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 23
PROLOG<br />
INSIDER<br />
RICK ZABEL<br />
ENDLICH MAL WIEDER GEWONNEN<br />
Der Katusha-Alpecin-Profi schreibt über seinen Etappensieg bei der Tour de Yorkshire.<br />
Aufgezeichnet von Werner Müller-Schell, © Jojo Harper/Team Katusha-Alpecin (Porträt), Michael Steele/Getty Images<br />
Was für ein Mega-Gefühl!<br />
Nach vier Jahren konnte<br />
ich bei der Tour de Yorkshire<br />
wieder ein Rennen gewinnen.<br />
Endlich. Zuerst konnte ich es gar<br />
nicht fassen. Doch als ich auf dem<br />
Podium stand, realisierte ich langsam,<br />
dass ich wirklich Erster geworden<br />
war. Unglaublich! Einen besseren<br />
Abschluss für meine bis dato<br />
eher schwierige Saison hätte ich mir<br />
nicht wünschen können.<br />
Schon im Vorfeld der Tour de<br />
Yorkshire hatte ich mir Hoffnungen<br />
auf die ein oder andere gute<br />
Platzierung gemacht. Als Marcel<br />
[Kittel; Anm. d. Red.] krankheitsbedingt<br />
ausfiel, war recht schnell<br />
klar, dass ich im Team die Rolle<br />
des Sprinters übernehmen würde.<br />
Schon auf der ersten Etappe war<br />
ich am Zug, doch die Rennumstände<br />
ließen einen geordneten<br />
Sprint einfach nicht zu: Da wir erst<br />
auf der Zielgeraden die Spitzengruppe<br />
einholten, herrschte auf<br />
den letzten Metern Chaos. Und als<br />
ich dann auch noch den richtigen<br />
Moment verpasste, war der Sprint<br />
gelaufen. Mit meinem zehnten<br />
Platz zum Auftakt, nur knapp hinter<br />
Mark Cavendish, war ich trotzdem<br />
zufrieden. Es war schließlich<br />
meine erste Top-Ten-Platzierung<br />
in diesem Jahr überhaupt.<br />
Am zweiten Tag gab es dann direkt<br />
die nächste Chance. Das Team<br />
brachte mich in eine richtig gute Position,<br />
die ich unbedingt ausnutzen<br />
wollte. Zugegeben, das ist schwieriger,<br />
als es aussieht. Vor allem, weil<br />
ich einfach nicht das Selbstbewusstsein<br />
habe wie ein gestandener Sprinter,<br />
für den das Alltag ist. Da ich aus<br />
der Vergangenheit wusste, dass ich<br />
einen langen Sprint fahren kann, zog<br />
ich schon 250 Meter vor dem Ziel<br />
„DA ICH AUS DER VERGANGENHEIT WUSSTE,<br />
DASS ICH EINEN LANGEN SPRINT FAHREN<br />
KANN, ZOG ICH SCHON 250 METER VOR DEM<br />
ZIEL LOS. VOLLES RISIKO. EINFACH HOFFEN,<br />
DASS NIEMAND MEHR VORBEIKOMMT.“<br />
los. Volles Risiko. Einfach hoffen,<br />
dass niemand mehr vorbeikommt.<br />
Dass es reichen würde, wurde mir<br />
erst auf den letzten Metern klar.<br />
Man sieht in den TV-Bildern gut,<br />
wie ich mich ungläubig umgekuckt<br />
habe. Der erste Gedanke: Wow, du<br />
hast endlich mal wieder ein Radrennen<br />
gewonnen. Was danach<br />
folgte, war pure Freude. Ein Mega-<br />
Tag eben!<br />
Bei der Tour de Yorkshire holte der<br />
25-Jährige seinen ersten Profisieg<br />
seit vier Jahren. Damals hatte er eine<br />
Etappe bei der Österreich-Rundfahrt<br />
für sich entschieden.<br />
Entsprechend positiv fällt nun auch<br />
mein persönliches Fazit der Frühjahrssaison<br />
aus. Nach dem anfänglichen<br />
Krankheitspech mit der Gehirnerschütterung<br />
zu Beginn der<br />
Saison scheint sich nämlich nun<br />
auch bei mir Schritt für Schritt alles<br />
zum Besseren zu wenden. Ich konnte<br />
bei allen Klassikern wertvolle Helferdienste<br />
leisten, alle Rennen bis<br />
auf die Flandern-Rundfahrt finishen<br />
und meine Form kontinuierlich steigern.<br />
Auch mit dem gesamten Team<br />
Katusha-Alpecin konnten wir dank<br />
der starken Resultate von Nils Politt<br />
– allen voran natürlich sein irrer<br />
zweiter Platz bei Paris–Roubaix –<br />
und zuletzt meines Etappensiegs<br />
einige Achtungserfolge verbuchen.<br />
Für mich geht es nun mit großen<br />
Schritten auf die Tour de France zu.<br />
In den kommenden Wochen will ich<br />
deshalb nun alles dafür geben, mich<br />
für einen Platz in unserem Aufgebot<br />
zu empfehlen. Der Sieg in Yorkshire<br />
hat mir dafür noch einmal eine<br />
Extraportion Selbstvertrauen gegeben.<br />
In Zukunft weiß ich: Wenn sich<br />
nochmal die passende Gelegenheit<br />
ergibt, probiere ich es einfach mal<br />
selber. Auf jeden Fall bin ich sehr<br />
motiviert. Vier Jahre auf meinen<br />
nächsten Profisieg warten möchte<br />
ich jedenfalls nicht.<br />
Geboren am 7. Dezember 1993,<br />
zog es den Sohn von Erik Zabel<br />
schon früh zum Radsport. Nach<br />
guten Platzierungen bei den Junioren<br />
wechselte er 2012 zum Rabobank<br />
Development Team. 2014<br />
wurde Rick Zabel Profi bei BMC und<br />
fuhr drei Jahre bei der US-amerikanischen<br />
Equipe. 2017 wechselte er<br />
zu Katusha-Alpecin und bestritt<br />
erstmals die Tour de France und<br />
die Straßen-WM.<br />
24 PROCYCLING | JUNI 2019
Du kennst die Länge<br />
deines nächsten Anstiegs<br />
nicht?<br />
DEIN EDGE SCHON.<br />
PHOTO: MARGUS RIGA<br />
JACK HAIG, MITCHELTON-SCOTT<br />
©2019 Garmin Ltd. or its subsidiaries.<br />
NEU!<br />
EDGE ® 530 | 830<br />
#BeatYesterday<br />
MIT DEINEM GARMIN
PROLOG<br />
INSIDER<br />
RALPH DENK<br />
ZUFRIEDENHEITSLEVEL 95 PROZENT<br />
Der Teamchef schreibt über die aktuellen sportlichen Entwicklungen bei Bora–hansgrohe.<br />
Aufgezeichnet von Werner Müller-Schell, © Bora–hansgrohe/BettiniPhoto<br />
Ein Sieg bei einem der großen<br />
Frühjahrsklassiker – das war<br />
eines unserer großen Ziele<br />
vor dieser Saison. Auch wenn das<br />
am Ende leider nicht geklappt hat:<br />
Zufrieden sein können wir trotzdem.<br />
Mit dem Doppelpodium bei Lüttich–<br />
Bastogne–Lüttich, den zahlreichen<br />
Top-Platzierungen bei den Klassikern<br />
und den siegreichen Auftritten<br />
bei den verschiedenen Etappenrennen<br />
in den letzten Wochen haben<br />
wir gezeigt, dass unsere Mannschaft<br />
stärker denn je ist.<br />
Lange waren bei Bora–hansgrohe<br />
alle Augen auf Peter Sagan gerichtet.<br />
Vor allem in der Öffentlichkeit wurde<br />
Peter immer als der alleinige<br />
Kapitän gesehen, alle Fahrer dahinter<br />
standen in der zweiten Reihe. In<br />
den letzten Wochen waren es aber<br />
gerade diese Fahrer, die für Erfolge<br />
gesorgt und bewiesen haben, dass<br />
sie längst auch zur ersten Garde<br />
gehören. Maximilian Schachmann<br />
hat sich mit seinen Auftritten im<br />
Baskenland und bei den Ardennenklassikern<br />
in der absoluten Weltspitze<br />
etabliert, Felix Großschartner hat<br />
mit der Türkei-Rundfahrt zum ersten<br />
Mal eine WorldTour-Rundfahrt<br />
gewonnen, Davide Formolo ist spätestens<br />
mit dem zweiten Rang bei<br />
Lüttich–Bastogne–Lüttich bei uns<br />
angekommen, Sam Bennett steht<br />
bereits jetzt bei sechs Saisonerfolgen<br />
und Pascal Ackermann feierte bei<br />
Eschborn–Frankfurt einen weiteren<br />
großen Erfolg. Mit bis dato insgesamt<br />
20 Saisonsiegen sind wir nicht<br />
umsonst auf Platz vier im derzeitigen<br />
WorldTour-Ranking.<br />
Warum mein Zufriedenheitslevel<br />
nur bei 95 und nicht bei 100 Prozent<br />
ist, liegt aber natürlich daran,<br />
dass wir mit Peter nicht das erreichen<br />
konnten, was wir uns vorgenommen<br />
hatten. Er hat diese Saison<br />
bisher einfach nicht diese überdimensionale<br />
Stärke, die ihn in den<br />
„MIT BIS DATO INSGESAMT 20 SAISONSIEGEN<br />
SIND WIR NICHT UMSONST AUF PLATZ VIER<br />
IM DERZEITIGEN WORLDTOUR-RANKING.“<br />
vergangenen Jahren ausgezeichnet<br />
hat. Die Gründe hierfür gilt es nun<br />
für uns herauszufinden. Einer ist<br />
sicherlich, dass er in der direkten<br />
Klassikervorbereitung krank war<br />
und ihm so rund 1.000 Trainingskilometer<br />
fehlten – auf dem Level<br />
kann das schon den entscheidenden<br />
Unterschied bringen. Wir sind deshalb<br />
jetzt als Team gefragt, ihn wieder<br />
zurück an die Spitze zu führen.<br />
Davide Formolo (links) und Maximilian<br />
Schachmann (rechts) belegten<br />
bei Lüttich–Bastogne–Lüttich hinter<br />
Sieger Jakob Fuglsang die Plätze<br />
zwei und drei.<br />
Wenn ihr diese Zeilen lest, ist der<br />
Giro d’Italia bereits in vollem Gange.<br />
Ich hoffe, dass wir bei der Italien-<br />
Rundfahrt an unser gutes Frühjahr<br />
anknüpfen können. Die Voraussetzungen<br />
dafür sind gut: Mit unseren<br />
Kapitänen Davide Formolo, Rafał<br />
Majka und Pascal Ackermann schicken<br />
wir ein schlagkräftiges Team<br />
nach Italien, wovon wir uns einiges<br />
versprechen. Davide und Rafał können<br />
in der Gesamtwertung sehr weit<br />
vorne landen – das haben sie nicht<br />
nur im Laufe ihrer Karrieren bereits<br />
bewiesen, sondern auch schon in<br />
diesem Jahr.<br />
Rafał wurde jüngst etwa Sechster<br />
bei der Tour of the Alps, Davide war<br />
bei der Katalonien-Rundfahrt und<br />
eben bei Lüttich–Bastogne–Lüttich<br />
sehr stark. Dazu kommt Pascal<br />
Ackermann für die Sprints. Er befindet<br />
sich momentan ebenfalls in<br />
Topform. Unser Ziel mit dieser<br />
Mannschaft ist zum einen eine<br />
Top-Fünf-Platzierung in der Gesamtwertung,<br />
zum anderen wollen<br />
wir aber auch einen Etappensieg<br />
einfahren. Drückt uns die Daumen,<br />
dass das genauso klappt wie bei den<br />
Frühjahrsklassikern!<br />
Ralph Denk ist Teammanager der<br />
deutschen WorldTour-Mannschaft<br />
Bora–hansgrohe. Nach jahrelanger<br />
Aufbauarbeit ist die Equipe mit Sitz<br />
im oberbayerischen Raubling seit<br />
2017 in der höchsten Radsportliga<br />
aktiv. In <strong>Procycling</strong> berichtet Denk,<br />
in früheren Jahren selbst aktiver<br />
Rennfahrer, jeden Monat über seinen<br />
Alltag als Teamchef.<br />
26 PROCYCLING | JUNI 2019
F A S T I S G O O D .<br />
T R A N S O N I C I S B E T T E R .<br />
T H E A L L - N E W<br />
F U J I T R A N S O N I C<br />
FujiBikes.eu
PROLOG<br />
EIN<br />
UNGLAUBLICHES<br />
FINALE<br />
Ein Blick auf Mathieu van der Poels Siegesfahrt<br />
beim Amstel Gold Race.<br />
Text Werner Müller-Schell<br />
© Strava (Screenshot)<br />
Was war das für ein Finale!<br />
Die letzten Kilometer des<br />
Amstel Gold Race waren<br />
an Spannung kaum zu überbieten.<br />
Lange Zeit sah es danach aus, als<br />
würden Jakob Fuglsang (Dänemark,<br />
Astana) und Julian Alaphilippe<br />
(Frankreich, Deceuninck–Quick-<br />
Step) das Rennen machen. Dahinter<br />
kämpfte ein einsamer Maximilian<br />
Schachmann (Deutschland, Bora–<br />
hansgrohe) in der Verfolgung, ehe<br />
eine größere Verfolgergruppe um den<br />
Niederländer Mathieu van der Poel<br />
(Corendon-Circus) folgte. Letzterer<br />
galt bei seinem Heimrennen als großer<br />
Favorit, schien aber nach einer<br />
erfolglosen Attacke 43 Kilometer vor<br />
dem Ziel bereits geschlagen.<br />
Doch van der Poel zeigte, warum<br />
er als eines der größten Radsporttalente<br />
unserer Zeit gilt: Während sich<br />
Fuglsang und Alaphilippe vorne belauerten,<br />
organisierte er die Verfolgungsarbeit<br />
der lange Zeit rund eine<br />
Minute zurückliegenden Verfolger.<br />
Mit Erfolg: Der Vorsprung schrumpfte<br />
und schrumpfte, doch selbst zwei<br />
Kilometer vor dem Ziel lagen die beiden<br />
Führenden noch 30 Sekunden<br />
an der Spitze. Der zweifache Cross-<br />
Weltmeister aus den Reihen des<br />
zweitklassigen Corendon-Circus-<br />
Teams gab jedoch auch dann noch<br />
nicht auf: In bester Bahnfahrermanier<br />
fuhr er den letzten Kilometer<br />
wie ein Verfolger von vorne und übersprintete<br />
schließlich das Spitzenduo<br />
auf den letzten Metern – ein Finale<br />
für die Geschichtsbücher!<br />
28 PROCYCLING | JUNI 2019
PROLOG<br />
REKORDWERTE AUF STRAVA<br />
Auch auf Strava sorgte van der Poel<br />
für Rekorde. Und das noch überraschender<br />
als beim Amstel Gold Race<br />
auf der Straße: Denn eigentlich war<br />
der Niederländer bis dato kaum auf<br />
der Plattform aktiv. Die nackten<br />
Zahlen seiner Fahrt rund um Limburg<br />
dürften aber auch ihn beeindruckt<br />
haben: 260,1 Kilometer, eine<br />
Fahrzeit von 6:26:20 Stunden, eine<br />
Höhendifferenz von 3.488 Metern<br />
und ein Kalorienverbrauch von rund<br />
6.500 Kalorien. Wie anspruchsvoll<br />
das Amstel Gold Race 2019 war,<br />
zeigt aber ein weiterer Wert: Über<br />
die Fahrzeit von sechseinhalb Stunden<br />
trat van der Poel im Schnitt<br />
337 Watt – in etwa so viel, wie ein<br />
normaler Radamateur während eines<br />
20-minütigen Einzelzeitfahrens<br />
schafft. Die Strava-Nutzer quittierten<br />
das mit Applaus – oder Kudos,<br />
wie es auf der Online-Plattform<br />
heißt: Innerhalb von zwei Tagen gab<br />
es so 18.000 Kudos für Mathieu<br />
van der Poels Leistung.<br />
Diese wird umso beeindruckender,<br />
wenn man sich die Zahlen im<br />
Detail anschaut: In einem Abschnitt<br />
des Rennens trat van der Poel über<br />
20 Minuten 378 Watt mit einer<br />
Maximalleistung von 1.400 Watt<br />
während seines Schlusssprints. Das<br />
Besondere daran war, dass er den<br />
Sprint nicht klassisch fuhr und wie<br />
ein Katapult beschleunigte, sondern<br />
der Spurt den Gipfel eines immer<br />
schneller werdenden letzten Kilometers<br />
darstellte. Zusammen mit<br />
der vorherigen Belastung über<br />
260 Kilometer vermag der 75 Kilogramm<br />
schwere Crossspezialist<br />
also mit großer Wahrscheinlichkeit<br />
noch deutlich höhere Wattwerte im<br />
Sprint zu treten.<br />
DAS GANZE RENNEN AM LIMIT<br />
Dass sich van der Poel auch während<br />
des Rennens nicht geschont<br />
hat, zeigt etwa ein Blick auf seine<br />
Attacke am Gulpenberg 43 Kilometer<br />
vor dem Ziel: Auf Strava benötigte<br />
er für den 430 Meter langen und<br />
im Schnitt fünf Prozent steilen Hügel<br />
genau 59 Sekunden. Seine Durchschnittsleistung<br />
hier: 769 Watt.<br />
Selbiges gilt für die letzten Kilometer:<br />
Wir erinnern uns: Während<br />
Alaphilippe und Fuglsang vorne lagen,<br />
erledigte van der Poel fast die<br />
gesamte Nachführarbeit in der Verfolgergruppe<br />
alleine: Betrachtet<br />
man nur die letzten zehn Kilometer,<br />
dann trat van der Poel hier über rund<br />
15 Minuten im Schnitt 407 Watt<br />
bei einer durchschnittlichen Herzfrequenz<br />
von 181. Im Schlusssprint<br />
steigerte sich seine Herzfrequenz<br />
schließlich auf den Maximalwert<br />
von 197 – Leistungen, die absolut<br />
verblüffen, insbesondere, da Mathieu<br />
van der Poel mit gerade einmal<br />
24 Jahren erst noch am Anfang seiner<br />
Straßenkarriere steht. Nach seinen<br />
beiden Weltmeistertiteln im<br />
Cross 2015 und 2019 und seinem<br />
„ÜBER DIE FAHRZEIT VON SECHSEINHALB<br />
STUNDEN TRAT VAN DER POEL IM SCHNITT<br />
337 WATT – IN ETWA SO VIEL, WIE EIN<br />
NORMALER RADAMATEUR WÄHREND<br />
EINES 20-MINÜTIGEN EINZELZEIT-<br />
FAHRENS SCHAFFT.“<br />
grandios herausgefahrenen Sieg<br />
beim Amstel Gold Race gehört er<br />
dennoch schon jetzt zu den ganz<br />
Großen im Radsport. Man darf gespannt<br />
sein, zu welchen Leistungen<br />
der junge Niederlände in Zukunft<br />
imstande sein mag. Wir freuen uns<br />
jedenfalls auf viele weitere so tolle<br />
Schlusskilometer wie in Limburg.<br />
Er konnte es selbst nicht<br />
glauben: Mathieu van der<br />
Poel (links) holte sich nach<br />
einem unglaublichen Finale<br />
den Sieg beim Amstel Gold<br />
Race. Seinen Strava-Ride gibt<br />
es unter www.strava.com/<br />
activities/2307958367<br />
© Luc Claessen/Getty Images, Strava (Screenshot)<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 29
TOM DUMOULIN<br />
DER<br />
AUFSTIEG<br />
Gebildet und nachdenklich, wirkt Tom Dumoulin nicht<br />
wie der typische Radprofi. Der Giro-Sieger von 2017<br />
fand es schwer, sich an den Ruhm zu gewöhnen,<br />
und fragt sich manchmal, warum er das alles macht.<br />
<strong>Procycling</strong> erzählt er, wie er sich mit seiner Rolle als<br />
Tour-Mitfavorit angefreundet hat.<br />
Text Barry Ryan<br />
Fotografie Chris Auld<br />
30 PROCYCLING | JUNI 2019
JUNI 2019 | PROCYCLING 31
DAS GROSSE INTERVIEW<br />
s gibt in der roten und kargen<br />
EDoch Mondlandschaft auf zu dieser Jahreszeit führt er ein weitaus abgeschiedeneres<br />
Leben.<br />
dem Teide-Vulkan kaum etwas, das einen Mann<br />
von dieser fundamentalen Frage ablenken kann: Worum geht es dabei? Im Grunde geht es darum,<br />
Pauschalreisen an nordeuropäische Urlauber<br />
Warum mache ich das?<br />
Das ist gefährliches Gebiet. Das Leben eines zu verkaufen. Heute Morgen mussten Dumoulin<br />
Radprofis beinhaltet, die Absurdität seiner zentralen<br />
Prämisse anzunehmen, aber auch darüber von Sunweb wiederholt denselben Abschnitt des<br />
und Mitglieder des Männer- und des Frau enteams<br />
hinwegzusehen: nämlich, dass der Lebensunterhalt<br />
eines Erwachsenen mit der Meisterhaftigkeit spot für ihren Sponsor zu drehen. Aber man kann<br />
Bergs hoch und runter fahren, um einen Werbe<br />
in etwas bestritten wird, das einst ein Spielzeug davon ausgehen, dass Werbung für Urlaube nicht<br />
der Kindheit war. An diesem Februarmorgen geht in Dumoulins Kopf herumgeht, wenn er bei einem<br />
die Welt ihrem täglichen Geschäft nach, und Tom Zeitfahren von der Startrampe rollt.<br />
Dumoulin dem seinen. Er führt die Sisyphusarbeit<br />
aus, mit dem Fahrrad einen aus dem Atlantik wendigkeit, Geld zu verdienen, doch für Dumou<br />
Einige Athleten motiviert eine dringende Not <br />
ragenden Vulkan hoch und runter zu fahren, um lin, der in einer Mittelschichtfamilie in Maastricht<br />
sich auf die bevorstehende Saison vorzubereiten. aufgewachsen ist und über ein Medizinstudium<br />
Im Sommer wird Dumoulin diese Übung vor Tausenden<br />
von schreienden Fans am Straßenrand in Motivation zu sein. Andere scheinen getrieben<br />
nachgedacht hat, scheint dies keine unmittelbare<br />
Frankreich und Italien und Millionen, die zu Hause<br />
vor dem Fernseher zuschauen, wiederholen. Bedürfnis zu gewinnen, aber der weltgewandte<br />
von einem tief sitzenden, fast soziopathischen<br />
Dumoulin, der seine Hochzeitsreise in den Himalaya<br />
gemacht und eine Vorliebe für die italienische<br />
Kultur hat, scheint kein Opfer einer solchen<br />
Monomanie zu sein. Ruhm? Der reiche ihm<br />
schon, sagt er.<br />
Aber da ist er, in der Sekte von Radprofis, die<br />
nach Teneriffa pilgern und sich wie Asketen von<br />
einst 2.000 Meter über dem Meeresspiegel von<br />
der materiellen Welt abkapseln. Für Männer wie<br />
Dumoulin, Vincenzo Nibali und Ilnur Zakarin,<br />
die in dieser Woche im Parador-Hotel unterhalb<br />
des Gipfels des Teide-Vulkans wohnen, gibt es<br />
wenig zu tun, außer den Regeln zu folgen, die<br />
das klösterliche Leben eines Grand-Tour-Favoriten<br />
ihnen auferlegt. Ihr „ora et labora“ ist trainieren<br />
und schlafen.<br />
An diesem Nachmittag endet Dumoulins Trainingsfahrt<br />
40 Kilomter vor dem Hotel, seine eleganten<br />
Pedalumdrehungen werden langsamer<br />
und er kommt zum Stehen. Sein Teamkollege<br />
Michael Matthews, dessen Ziele früher kommen,<br />
fährt noch weiter, aber Dumoulin weiß, dass sein<br />
Körper genug hat. Die Autofahrt zum Hotel gibt<br />
ihm Zeit zum Gedankenaustausch mit dem Sunweb-Sportdirektor<br />
Brian Stephens. Die Einzelheiten<br />
von Dumoulins Wattzahlen treten zurück<br />
hinter eine existenziellere Frage. Die nagende Frage,<br />
die sich wiederholt. Warum macht man das?<br />
„Im Auto reden wir darüber. Warum quält man<br />
sich da komplett durch? Es ist nicht leicht, denn<br />
du musst neue Wege finden, dich fertigzumachen<br />
und zu leiden. Und warum tust du das?“, sagt Dumoulin<br />
später, nachdem er in einem Aufenthaltsraum<br />
des Parador in eine Couch gesunken ist.<br />
„Ich glaube, ich mag den Weg, und ich glaube,<br />
jeder Fahrer mag diesen Weg. Brian sagte auch:<br />
‚Wenn der einzige Ehrgeiz in deiner Radsportkarriere<br />
ist, die Tour de France zu gewinnen, was<br />
machst du dann, wenn du sie gewinnst?‘ Ist das<br />
alles? Hörst du auf mit dem Radsport? Irgendwie<br />
gibt es eine Motivation außerhalb des Resultats,<br />
und das ist alles, was das Radfahren mit sich<br />
bringt – wie frei zu sein.“<br />
Die holländischen Fans haben keine so existenziellen<br />
Zweifel. Freiheit schien Ende 2017 Mangelware<br />
zu sein für Dumoulin, als seine Siege<br />
beim Giro und der Zeitfahr-Weltmeisterschaft<br />
seinen Ruhm über die Grenzen der einheimischen<br />
Anhängerschaft hinaus in die breite Masse vordringen<br />
ließen. Er fremdelte bereits mit seinem<br />
Bekanntheitsgrad, als an einem duftenden Maiabend<br />
Tausende auf den Markt in Maastricht<br />
strömten, um den rückkehrenden Giro-Champion<br />
zu feiern. Dumoulin, der ohne Sportidole aufgewachsen<br />
ist, sagte der Zeitung De Limburger später,<br />
er habe es absurd gefunden, dass Leute in<br />
Scharen gekommen seien, um „für einen Jungen<br />
zu klatschen, der schnell fahren kann“, und merkte<br />
an, dass niemand einem Arzt applaudiere,<br />
wenn er ein Leben rettet.<br />
Als die Saison vorbei war und Dumoulin kurz<br />
von seinem streng strukturierten Programm befreit<br />
war, stellte er fest, dass sein Privatleben jetzt<br />
durch seinen neuen Ruhm beeinträchtigt wurde.<br />
Preisverleihungen, Interviews, Autogramme in<br />
Supermarktschlangen; in Isolation wurden die<br />
Pflichten eines Radstars bereitwillig getragen,<br />
aber die Flut von Anfragen drohte ihn zu überwältigen,<br />
zumal er erkannt hatte, dass das jetzt die<br />
neue Normalität war.<br />
„Es war schwer, damit umzugehen, mit diesem<br />
Gefühl, dass das mein neues Leben ist“, sagt Dumoulin<br />
jetzt. „Für einige Leute bin ich eine Art<br />
Held, und das ist komisch. Ich wollte das nicht<br />
sein, daher hatte ich ein bisschen damit zu kämpfen<br />
… und damit, dass mein Privatleben in mein<br />
32 PROCYCLING | JUNI 2019
TOM DUMOULIN<br />
Die Einsamkeit des Langstreckenfahrers:<br />
Dumoulin auf dem Teide in Teneriffa.<br />
Arbeits- und Radsportlerleben involviert wurde.<br />
Das Drumherum hat mich ein bisschen davon<br />
abgelenkt, was ich am Radsport mag.“<br />
Es muss sich angefühlt haben, als wäre Dumoulins<br />
Leben nicht mehr sein eigenes. Als wollte<br />
er sich für diesen Kontrollverlust entschädigen,<br />
war seine Reaktion, pedantischer an den Sport<br />
heranzugehen. Ein Angriff auf das Giro-Tour-de-<br />
France-Double war geplant und ein überraschend<br />
schlanker Dumoulin startete bei der Abu Dhabi<br />
Tour in die Saison 2018 in der Hoffnung auf einen<br />
frühen Zeitfahr-Sieg im Regenbogentrikot.<br />
Sein Wutausbruch, als ein Defekt ihn dort ausbremste,<br />
ließ den Druck erahnen, der unter der<br />
Oberfläche brodelte. Weiteren Frust gab es, als<br />
er einen Monat später nach einem Sturz Tirreno–<br />
Adriatico aufgeben musste.<br />
So konnte es nicht weitergehen. Dumoulins<br />
Freundin (jetzt Frau) Thanee, eine Psychologin,<br />
empfahl ihm eine Lektüre, die seine Mühen in<br />
einen Kontext außerhalb der engen Welt des Pelotons<br />
stellte. „Es fällt Menschen schwer, mit gro<br />
ßen Veränderungen im Leben umzugehen“, sagt<br />
Dumoulin. „Aber ich habe es überwunden und<br />
akzeptiert, dass sich einige Dinge nicht ändern<br />
werden. Das ist die neue Realität.“ Unterdessen<br />
sorgte eine entspannte Radtour durch die Ardennen<br />
mit Laurens ten Dam und Bram Tankink dafür,<br />
dass sich das Radfahren wieder mehr wie ein<br />
Privileg als wie eine Last anfühlte.<br />
„Der Druck ist da. Den bekomme ich nicht weg,<br />
daher ist es besser, ihn einfach zu akzeptieren“,<br />
sagt Dumoulin. „Das hat mir Ruhe gegeben und<br />
mich zu dem zurückgebracht, was ich am Radsport<br />
liebe. Warum mache ich das und warum<br />
fahre ich Rad? Das ist eine gute Frage, die man<br />
sich manchmal stellen muss, glaube ich.“<br />
Anfang Mai nach Israel zu reisen, um seinen<br />
Giro-Titel zu verteidigen, war fast eine Wohltat<br />
für Dumoulins verwirrtes Selbstgefühl. In den<br />
folgenden elf Wochen, von der Grande Partenza in<br />
West-Jerusalem, wo er das Rosa Trikot holte, bis<br />
zu den Champs-Élysées, wo er neben Geraint<br />
Thomas auf dem Podium stand, war sein Programm<br />
straffer organisiert und leicht verdaulich.<br />
Nächster Tag, nächster Anstieg, nächste Anstrengung.<br />
Keine Ablenkungen.<br />
„Du kommst in einen Rhythmus“, sagt Dumoulin.<br />
„In dem Moment kannst du nichts an<br />
deiner Form machen und ich kenne das Leben,<br />
das ich bei einer großen Rundfahrt durchlebe. Es<br />
ist mental und körperlich hart, aber ich weiß, was<br />
kommt. Man könnte sagen: Ich war froh, als der<br />
Giro losging.“<br />
Dumoulin war auch froh, das Ziel in Rom zu<br />
erreichen. Er verpasste zwar einen weiteren Gesamtsieg<br />
und musste sich Chris Froome geschlagen<br />
geben, bewertete seine athletische Leistung<br />
aber höher als die von 2017, wo er von einem<br />
etwas moderateren Kurs profitierte. „Dieser<br />
KARRIERE-HÖHEPUNKTE TOM DUMOULINS BISLANG BESTE GC-ERGEBNISSE<br />
ENECO TOUR 2013: 2.<br />
Ist am vorletzten Tag nach starken<br />
Vorstellungen beim Zeitfahren und<br />
der Etappe zur Côte de La Redoute<br />
Spitzenreiter des Rennens, hat<br />
jedoch am letzten Tag nach<br />
Geraardsbergen das Nachsehen<br />
und verliert das Trikot um<br />
26 Sekunden an Zdenĕk Štybar.<br />
TOUR DE SUISSE 2014: 5.<br />
Gesamt-Zweiter nach zwei sehr<br />
starken Zeitfahren und der<br />
Bergankunft in Verbier. Ein<br />
Überraschungsangriff von Rui<br />
Costa am letzten Tag stellt das<br />
Klassement auf den Kopf und<br />
verdrängt Dumoulin auf den<br />
fünften Gesamtplatz.<br />
ENECO TOUR 2014: 3.<br />
Dumoulin kann Cancellara beim<br />
Zeitfahren am dritten Tag knapp<br />
schlagen und schlüpft dank eines<br />
zweiten Platzes in Geraardsbergen<br />
ins Spitzenreitertrikot.<br />
Doch Wellens attackiert auf der<br />
nächsten Etappe und gewinnt das<br />
Rennen; Dumoulin wird Dritter.<br />
TOUR DE SUISSE 2015: 3.<br />
Gewinnt die Prüfungen gegen die Uhr<br />
am ersten und letzten Tag des Rennens,<br />
kann am gewaltigen Anstieg nach<br />
Sölden auf der 5. Etappe jedoch nicht<br />
mithalten. Fällt auf den siebten<br />
Gesamtplatz zurück, befördert sich mit<br />
seinem Sieg im abschließenden<br />
Zeitfahren aber zurück aufs Podest.<br />
© Getty Images<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 33
DAS GROSSE INTERVIEW<br />
Giro war anders, er war vom ersten Tag an<br />
schwer und hatte schwere Etappen. Ich konnte<br />
in diesen Bergen nicht einmal angreifen oder Zeit<br />
auf Rivalen herausfahren. Es war ein großer Unterschied<br />
zu 2017.“<br />
18 Etappen lang schien sein Giro ein Duell mit<br />
Simon Yates zu sein, und als der Brite in der Maglia<br />
Rosa in Prato Nevoso erste Schwächen zeigte,<br />
schien sich das Blatt zugunsten von Dumoulin zu<br />
wenden. Yates brach am folgenden Tag am Colle<br />
delle Finestre endgültig ein, aber niemand – selbst<br />
Dumoulin nicht – hätte damit gerechnet, dass ein<br />
bis dahin harmlos wirkender Froome 70 Kilometer<br />
vor dem Ziel ein Solo startet und mit drei Minuten<br />
Vorsprung gewinnt.<br />
Froome sagte später, dass Dumoulin den Giro<br />
gewonnen hätte, wenn er nicht auf die Hilfe anderer<br />
gewartet hätte, bevor er nach dem Finestre die<br />
Verfolgung aufnahm, doch der Holländer hält<br />
nichts vom Konjunktiv in der Vergangenheit. „Bei<br />
den Informationen, die ich in dem Moment hatte,<br />
habe ich die einzig richtige Entscheidung getroffen.<br />
Rückblickend habe ich natürlich die falsche<br />
Entscheidung gefällt“, sagt Dumoulin. „Ich hätte<br />
sofort hinterhergehen sollen, aber das hätte ich<br />
am Gipfel des Finestre nicht wissen können. Es<br />
ist nachher einfach zu sagen und zu twittern: ‚Er<br />
hat’s vermasselt.‘ Ja, gut, natürlich habe ich das.<br />
Aber in jenem Moment habe ich das nicht.“<br />
Nach Dumoulins zweitem Platz bei der Tour<br />
hinter Thomas, aber vor Froome, ging eine weitere<br />
Runde Hypothesenbildung los. Am Ende<br />
war die kumulative Erschöpfung so groß, dass<br />
an einen Angriff auf Thomas’ Gelbes Trikot<br />
nicht zu denken war. „Ich habe einfach nur<br />
meine Position verteidigt, was schon schwer<br />
genug war“, sagt Dumoulin, aber er tut die Frage<br />
lachend ab, was er hätte erreichen können<br />
„KÖRPERLICH WAR ICH TROTZ<br />
DES GANZEN MISTS BEI ZWEI<br />
LANDESRUNDFAHRTEN<br />
HINTEREINANDER AUF SEHR<br />
HOHEM NIVEAU – DARAUF<br />
BIN ICH STOLZ.“<br />
ohne die Nachwirkung des Giro. „Darüber habe<br />
ich nie nachgedacht.“<br />
Dumoulins Saison brachte nicht die großen Siege<br />
von 2017 – er verlor seinen Zeitfahr-Weltmeistertitel<br />
in Innsbruck an Rohan Dennis, während<br />
er im Straßenrennen mit einer sehenswerten Aufholjagd<br />
auf den vierten Platz fuhr –, aber er stellt<br />
die Leistungen klar über die von 2017. „Mental<br />
hatte ich zu Beginn des Jahres einige Probleme und<br />
die zu überwinden, war ein großer Sieg. Dann war<br />
ich körperlich – trotz des ganzen Mists – bei zwei<br />
Landesrundfahrten hintereinander auf sehr hohem<br />
Niveau, die Kombination, von der alle sagen, sie sei<br />
Dumoulin gibt zu, dass mit Geraint<br />
Thomas der bessere Fahrer die Tour 2018<br />
gewonnen hat.<br />
unmöglich, daher bin ich stolz“, sagt Dumoulin.<br />
„2017 hatte ich größere Höhen bei den Resultaten,<br />
aber körperlich und mental war 2018 besser.“<br />
Als Dumoulin letzten Sommer sagte, dass<br />
er nicht vorhabe, 2019 zwei große Rundfahrten<br />
zu bestreiten, war der Rückschluss,<br />
dass er seine Saison endlich auf die Tour<br />
ausrichtet. Die ursprünglichen Pläne von Sunweb<br />
drehten sich um den Juli, aber eine Tour-Route,<br />
die weitgehend frei von Zeitfahren ist, dämpfte<br />
Dumoulins Begeisterung für das Projekt bald. Der<br />
Giro mit seinen drei Einzelzeitfahren schien hingegen<br />
maßgeschneidert für ihn zu sein. Dumoulins<br />
Präferenz war klar, obwohl seine Sponsoren<br />
vielleicht erst überzeugt werden mussten. „Ich<br />
kann nicht immer weiter warten“, räumt er ein.<br />
Doch dieser Giro war zu verlockend, um ihn sausen<br />
zu lassen. Die Diskussionen dauerten fast den<br />
ganzen Herbst, ein weiterer Anlauf auf das Double<br />
nahm als Kompromiss zwischen persönlicher<br />
Vorliebe und beruflicher Pflicht Gestalt an.<br />
„Es war eine schwere Entscheidung, weil wir<br />
vorgehabt hatten, uns auf die Tour zu konzentrieren,<br />
und die Pläne aller Fahrer waren darauf ausgerichtet“,<br />
sagt Dumoulin. Seine Überlegung ist<br />
simpel. Die Route der Tour 2019 begünstigt die<br />
Kletterer und setzt dem, was er erreichen kann,<br />
eine gläserne Decke auf.<br />
„Ich war in den Bergen immer noch nicht der<br />
Beste. Ich war nahe dran, der Beste zu sein, aber<br />
ich war nie wirklich der Beste. Die Tour zu gewinnen,<br />
wäre eine geringe Chance“, sagt er<br />
© Getty Images<br />
VUELTA A ESPAÑA 2015: 6.<br />
Dumoulin gelingt der Grand-<br />
Tour-Durchbruch: Er hält bei<br />
Bergankünften mit und gewinnt<br />
das Zeitfahren. Er trägt am<br />
drittletzten Tag das Rote Trikot,<br />
bricht aber ein, als Aru Druck<br />
macht, und landet auf dem<br />
6. Platz.<br />
TOUR DE ROMANDIE 2016: 5.<br />
Unterliegt beim Prolog<br />
und dem Zeitfahren auf der<br />
3. Etappe überraschend<br />
Ion Izagirre beziehungsweise<br />
Thibaut Pinot. Doch dank seiner<br />
Beständigkeit in den Bergen<br />
bleibt Dumoulin mühelos<br />
in den Top Ten.<br />
TIRRENO–ADRIATICO 2017: 6.<br />
Kann es bei der Bergankunft<br />
am Terminillo nicht mit den reinen<br />
Kletterern aufnehmen und<br />
schneidet beim abschließenden<br />
Zeitfahren mit dem 13. Platz<br />
ungewöhnlich schlecht ab.<br />
Der 6. Gesamtrang ist ein<br />
faires Ergebnis.<br />
GIRO D’ITALIA 2017: 1.<br />
Dumoulins erster Grand-Tour-Sieg<br />
kommt dank eines stürmischen<br />
Zeitfahrens auf der 10. Etappe, wo<br />
nur vier Fahrer weniger als 2:00<br />
Minuten auf ihn verlieren. Aber er<br />
ist auch ein Faktor in den Bergen<br />
und tut genug, um Quintana um<br />
31 Sekunden zu schlagen.<br />
34 PROCYCLING | JUNI 2019
weiter. „Dritter zu werden, wäre ein gutes Resultat,<br />
aber Dritter bei der Tour ist nicht, was ich<br />
anstrebe. Ein zweiter Giro-Sieg würde meine<br />
Karriere bereichern.“<br />
Vor einem Jahr waren Dumoulin und Froome<br />
die ersten Fahrer, die im selben Jahr auf dem<br />
Podium von Giro und Tour standen, seit Marco<br />
Pantani 1998 beide Rennen gewann, aber er<br />
spielt seine Chancen herunter, die Leistungen des<br />
verstorbenen Italieners zu wiederholen, und verweist<br />
auf den geringeren Abstand – fünf Wochen<br />
statt sechs wie im letzten Jahr – zwischen den<br />
Rennen. „Die Chance, bei beiden Rennen gut zu<br />
sein, war schon gering und ist jetzt noch geringer“,<br />
sagt er. „Bei der Tour ums Podium zu kämpfen,<br />
halte ich für sehr unwahrscheinlich. Ich nehme<br />
es, wie es kommt.“<br />
Die Qualität der Konkurrenz beim diesjährigen<br />
Giro, wo das Feld Simon Yates, Vincenzo Nibali<br />
und Primož Roglic umfasst, kann sich mit der der<br />
Tour messen – mit einer Einschränkung: Ineos<br />
schont Froome und Thomas für den Juli. Doch<br />
Dumoulin weist den Gedanken zurück, dass die<br />
Überlegenheit des britischen Teams bei der Tour<br />
ihn zum Giro-Start bewogen habe, genau wie er<br />
ihre Stärke in der Tiefe nicht als Entschuldigung<br />
für seine Niederlage gegen Thomas im letzten<br />
Jahr gelten lassen will.<br />
„Ich habe keine Angst vor Sky [Ineos]“, sagt<br />
Dumoulin. „Die Leute sagen, Sky dominiert das<br />
Rennen, aber sie hatten einfach immer den besten<br />
Fahrer. An einem 20-Kilometer-Berg geht es um<br />
deine Beine, es geht nicht darum, wie stark Bernal<br />
oder sonst wer ist, und Thomas war im letzten<br />
Jahr der beste Fahrer. Wenn ich, Nibali oder sonst<br />
jemand sich als bester Fahrer herausstellt, gewinnen<br />
sie die Tour nicht, auch nicht mit dem besten<br />
Team. Ich habe keine Angst vor Sky.“<br />
BINCKBANK TOUR 2017: 1.<br />
Ein starkes Zeitfahren ist die<br />
Grundlage, doch Dumoulin<br />
gewinnt das Rennen, indem er auf<br />
der 6. Etappe im Duo mit Wellens<br />
angreift. Ein dritter Platz in<br />
Geraardsbergen am letzten Tag<br />
reicht ihm, um seine Gesamtführung<br />
zu verteidigen.<br />
GIRO D’ITALIA 2018: 2.<br />
Beißt sich lange an Simon<br />
Yates die Zähne aus und<br />
verpasst dann seine Chance,<br />
als Froomes Langstreckenangriff<br />
auf der 19. Etappe Yates<br />
in die Knie zwingt. Wird<br />
Zweiter, nur 46 Sekunden<br />
hinter Froome.<br />
TOUR DE FRANCE 2018: 2.<br />
Dumoulin ist einer der Stärksten<br />
der Tour und gewinnt das<br />
abschließende Zeitfahren, muss<br />
sich jedoch einem dominanten<br />
Geraint Thomas geschlagen geben.<br />
Zweite Plätze bei den beiden<br />
großen Bergankünften in den Alpen<br />
geben ihm Grund zum Optimismus.<br />
TIRRENO–ADRIATICO 2019: 4.<br />
Noch nicht ganz in Bestform,<br />
während er sich auf den Giro<br />
2019 vorbereitet, hat Dumoulin<br />
auf der 5. Etappe seinen besten Tag,<br />
verliert aber trotzdem eine Minute<br />
auf den Sieger Fuglsang. Wird<br />
in der Endabrechnung Vierter<br />
hinter Roglič.<br />
© Dion Kerckhoffs/Cor Vos ( 2017), Getty Images<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 35
DAS GROSSE INTERVIEW<br />
© Getty Images<br />
Aber ob Sunweb Dumoulin die nötige Unterstützung<br />
bieten kann, ist fraglich, zumal Verletzungen<br />
die Verfügbarkeit seines besten Leutnants, Wilco<br />
Kelderman, eingeschränkt haben. Und es ist verblüffend,<br />
wie wenige Zugeständnisse er von Sunweb<br />
abseits der Straße bekommt. Entsprechend<br />
der seit seinen Anfängen unter dem Namen Skil<br />
geltenden Philosophie rotieren Manager, Mechaniker<br />
und Pfleger. Das heißt, dass Dumoulin, anders<br />
als Froome oder Nibali, keine feste Gruppe<br />
von Mitarbeitern um sich hat, die ihn das ganze<br />
Jahr über zu jedem Rennen begleiten. „Das könnte<br />
man verbessern“, räumt Dumoulin ein. „Sie wollen<br />
kein Team im Team entstehen lassen. Immer dieselben<br />
Mitarbeiter zu haben, hat auch Nachteile,<br />
aber es ist nötig, eine Art Grundlinie zu haben.“<br />
Die Anforderungen scheinen jedes Jahr größer<br />
zu werden. Extremer Gewichtsverlust zum Beispiel<br />
ist normalisiert worden. „Ich habe Bilder von<br />
der Tour gesehen, wo ich nicht so gesund aussehe,<br />
aber so ist das Leben jetzt für einen Rundfahrer“,<br />
„DIE LEUTE SAGEN,<br />
SKY DOMINIERT DAS<br />
RENNEN, ABER SIE HATTEN<br />
EINFACH IMMER DEN<br />
BESTEN FAHRER. AN EINEM<br />
20-KILOMETER-BERG GEHT<br />
ES UM DEINE BEINE.“<br />
stellt Dumoulin fest. Vor rund einem Jahrzehnt<br />
war Höhentraining ein nettes Beiwerk zum Programm<br />
eines potenziellen Toursiegers. Heute ist<br />
es ein absolutes Muss. Auf Dumoulins Aufenthalt<br />
auf dem Teide im Februar folgte ein längerer Aufenthalt<br />
auf dem Vulkan im April, und zwischen<br />
Giro und Tour ist ein weiteres Manschaftscamp in<br />
den Bergen geplant.<br />
„Die Unterschiede sind so gering, weil jeder<br />
schlaue Leute im Team hat, um das beste Training<br />
und die beste Ernährung auszutüfteln“, sagt<br />
Dumoulin, obwohl er glaubt, dass er die Grenze<br />
dessen erreicht hat, was er durch Opfer erreichen<br />
kann. Die weitere Entwicklung, glaubt er, muss<br />
durch das Erreichen der körperlichen und taktischen<br />
Reife kommen, jetzt, wo der 30. Geburtstag<br />
näher rückt. „Ich brauche nicht extremer zu sein,<br />
das wäre kontraproduktiv.“<br />
Manchmal scheint es, dass ein moderner<br />
Rundfahrtfavorit einen Teil von sich selbst ausschalten<br />
muss. Dumoulin gibt zu, dass er sich<br />
heute mit öffentlichen Äußerungen zurückhalte,<br />
nachdem er die Vergabe von medizinischen Ausnahmegenehmigungen<br />
nach dem Fall Bradley<br />
Wiggins 2016 kritisiert und sich gewundert hatte,<br />
welche Wellen seine Worte schlugen.<br />
„Ich habe das System angegriffen, aber es klang<br />
– nachdem es fünfmal übersetzt war – so, als hätte<br />
ich Wiggins persönlich angegriffen, was nicht<br />
der Fall war“, erklärt Dumoulin. „Ich bin extrovertiert<br />
und manchmal denke ich nicht darüber nach,<br />
was ich sage, aber das sollte ich.“<br />
Es wäre schade, wenn Dumoulin seine Neigung,<br />
seine Meinung zu sagen, mäßigen würde.<br />
Nach seinem Sieg beim Zeitfahren in der Ardèche,<br />
das dem Terrorangriff am französischen Nationalfeiertag<br />
2016 in Nizza folgte, war er ein eloquenter<br />
Sprecher der Tour und sagte, die Etappe<br />
sei sportlich irrelevant, aber als menschliches Zusammenkommen<br />
wertvoll gewesen.<br />
Unlängst reagierte Dumoulin auf das Geständnis<br />
seines früheren Teamkollegen Georg Preidler,<br />
sich Blut extrahiert zu haben, indem er fragte, warum<br />
er nicht öfter gebeten werde, sich zu dem Fall<br />
zu äußern. Der Österreicher war schließlich Teil<br />
des Sunweb-Teams gewesen, das ihn bei seinem<br />
Giro-Sieg 2017 unterstützt hatte. „Journalisten<br />
müssen das am Leben halten“, sagte Dumoulin<br />
dem niederländischen Rundfunk im März.<br />
Fragen zu stellen, scheint Teil von Dumoulins<br />
Veranlagung zu sein, und so, wie er es auf Teneriffa<br />
erzählt, war das Finden von Antworten auf einige<br />
grundlegende Fragen einer seiner größten Siege der<br />
letzten zwölf Monate. Das existenzielle Grübeln,<br />
das auf seinen Höhenflug von 2017 folgte, führte<br />
zu der Erkenntnis, dass er nicht ausschließlich<br />
über seine Ambitionen definiert werden möchte.<br />
„Ich kann jetzt aufhören und bin sehr zufrieden<br />
mit meiner Karriere. Das ist ein beruhigender Gedanke“,<br />
sagt Dumoulin, als die Sonne hinter dem<br />
Pico del Teide untergeht. „Ich meine das wirklich<br />
so. Ich kann morgen aufhören und bin ein zufriedener<br />
Mann.“<br />
Und trotzdem wird er morgen früh wieder den<br />
Vulkan hoch und runter fahren, pflichtschuldig,<br />
um sich auf die Rennen des Sommers vorzubereiten.<br />
Man findet seine Last immer wieder, aber<br />
Dumoulin trägt sie, so leicht er kann.<br />
36 PROCYCLING | JUNI 2019
Der Wendepunkt<br />
beim Giro 2018 –<br />
Dumoulin führt die<br />
Verfolger von Chris<br />
Froome den Colle<br />
delle Finestre hinauf.<br />
© Kramon<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 37
DAS GROSSE INTERVIEW<br />
KONTRAPUNKT<br />
FÜR MICH EINEN DOPPELTEN<br />
2018 war Dumoulin einer von fünf Fahrern, die zwei große Rundfahrten in den Top<br />
Ten beendeten. Wie haben sich die Herausforderungen für ein Double verändert?<br />
Text Edward Pickering<br />
Fotografie Kristof Ramon<br />
Um zwei große Rundfahrten in einem Kalenderjahr<br />
zu gewinnen, muss ein Fahrer<br />
erst einmal eine gewinnen. Deswegen reden<br />
nur sehr wenige Fahrer darüber, bei zwei dreiwöchigen<br />
Etappenrennen in einer Saison den Sieg<br />
anzupeilen. Es hat keinen Sinn, ein Ziel mit einem<br />
Auge im Blick zu behalten, das noch zwei Monate<br />
hin ist, wenn das gewaltige Hindernis eines unmittelbareren<br />
Ziels im Weg steht. Tom Dumoulin,<br />
der der hochkarätigste Fahrer ist, der in diesem<br />
Jahr sowohl den Giro d’Italia als auch die Tour de<br />
France fährt, sagt öffentlich, dass sein Hauptziel<br />
der Giro ist, dessen drei Zeitfahren ihm viel besser<br />
liegen als das Hochgebirgsterrain, das die Tour in<br />
diesem Jahr definiert. Daher trainiert er in erster<br />
Linie für den Giro, um in der Form zu sein, ihn zu<br />
gewinnen, und erst wenn das Rennen vorbei ist,<br />
fängt er an, im Detail an die Tour zu denken.<br />
Grand-Tour-Double sind im Radsport schon<br />
länger aus der Mode. Ihre große Zeit war von den<br />
1970ern bis in die frühen 1990er, als eine Reihe<br />
von Fahrern Siege bei mehreren Rennen erzielten.<br />
Eddy Merckx schaffte vier Grand-Tour-Double<br />
(siehe Tabelle auf der übernächsten Seite); Bernard<br />
Hinault und Miguel Indurain holten drei beziehungsweise<br />
zwei. Das häufigste und prestigeträchtigste<br />
Doppel waren damals der Giro und<br />
die Tour. Die Vuelta war ein Frühjahrsrennen, das<br />
noch vor dem Giro stattfand und vor den 1980ern<br />
nicht immer drei Wochen lang war. (Die Leistung<br />
von Giovanni Battaglin, die Vuelta und den Giro<br />
1981 zu gewinnen, ist aber eine unterbewertete<br />
– zwischen den Rennen lagen nur drei Tage und<br />
die Vuelta hatte keinen einzigen Ruhetag.)<br />
Seit Indurains zweitem Giro-Tour-Double<br />
1993 waren nicht viele erfolgreich – Marco Pantani,<br />
Alberto Contador und Chris Froome waren<br />
die einzigen Fahrer seitdem, die zwei große<br />
Rundfahrten in einem Jahr gewonnen haben.<br />
Contador gewann den Giro und die Vuelta 2008,<br />
während Froome 2017 bei der Tour und dann bei<br />
der Vuelta siegte. Ein Double in der Dekade blieb<br />
eine Weile die Trefferquote.<br />
Es gibt ein Argument, dass die moderne Trainingstheorie<br />
das Grand-Tour-Double getötet hat.<br />
Als die Sportwissenschaftler herausfanden, wie<br />
Fahrer höhere Formspitzen erreichen können,<br />
verringerte sich die Dauer der Formspitze. Um<br />
38 PROCYCLING | JUNI 2019
TOM DUMOULIN<br />
DAS NEUE<br />
GESICHT DES<br />
FRÜHJAHRS<br />
Die Renaissance des Giro-Tour-<br />
Doubles hat zur ersten wirklichen<br />
Veränderung beim Frühjahrs-<br />
Formaufbau seit vielen Jahren geführt.<br />
Der etablierte Weg zum Toursieg ist eine<br />
Reihe von vier oder fünf Frühjahrsrennen,<br />
dann die Dauphiné im Juni.<br />
Doch den Giro vor der Tour zu fahren,<br />
macht das unmöglich. Während der<br />
Toursieger 2018, Geraint Thomas, dem<br />
traditionellen Weg folgte, fuhren die<br />
Männer, die ihn auf dem Podium in Paris<br />
flankierten, Tom Dumoulin und Chris<br />
Froome, beide den Giro. Froome bestritt<br />
die Ruta del Sol (10.), Tirreno (34.)<br />
und die Tour of the Alps (4.) vor<br />
Giro und Tour. Der Holländer<br />
entschied sich für die Abu Dhabi Tour<br />
(38.) und Tirreno (DNF) plus ein paar<br />
Eintagesrennen. In diesem Jahr setzte<br />
Dumoulin auf die UAE Tour (6.) und<br />
Tirreno (4.) plus San Remo und Lüttich,<br />
womit er auf nur 16 Renntage kam. Das<br />
ist nicht viel, aber nicht wesentlich<br />
anders als bei seinen Giro-Rivalen<br />
Yates, Roglič und Nibali. Bei dieser<br />
Vorbereitung bleibt er frisch, und anders<br />
als 2018 waren seine frühen Resultate<br />
gut. Ist das der richtige Formaufbau<br />
für den Giro? Oder will er auch<br />
im Juli in Topform sein?<br />
konkurrenzfähig zu sein und den Giro gewinnen<br />
zu können, wäre es nicht möglich, zu gewinnen,<br />
auszuruhen, sich zu erholen und dann rechtzeitig<br />
zur Tour wieder in Topform zu kommen. Um für<br />
beide Rennen auf gleichem Niveau zu sein, müsste<br />
der Fahrer dieses Niveau niedriger<br />
ansetzen.<br />
Doch die Dinge könnten sich<br />
ändern. Froome fährt seit seinem<br />
Durchbruch 2011 in den meisten<br />
Jahren bei zwei großen Rundfahrten<br />
um den Sieg mit. Er hat in den<br />
letzten drei Jahren bei zweien auf<br />
dem Podium gestanden – sein bevorzugtes<br />
Programm war immer,<br />
bei der Tour alles aus sich herauszuholen<br />
und dann zu sehen, ob er<br />
die Vuelta gewinnen kann, und er<br />
hat ein paar Anläufe gebraucht, bis<br />
er es 2017 schließlich schaffte.<br />
2018 setzte er sich noch höhere<br />
Ziele. Die Tour startete eine Woche<br />
später als üblich, sodass die Fahrer<br />
zusätzliche Zeit hatten, mit der<br />
sie arbeiten konnten, und sowohl<br />
Froome als auch Dumoulin bekamen es sehr sauber<br />
hin, erst den Giro und dann die Tour anzupeilen:<br />
Froome gewann den Giro und wurde Dritter<br />
der Tour; Dumoulin war Zweiter bei beiden.<br />
Obwohl diese beiden die Schlagzeilen beherrschten,<br />
waren sie nicht die Einzigen, die im<br />
letzten Jahr bei zwei großen Rundfahrten auf Gesamtwertung<br />
fuhren. Tatsächlich haben zum ersten<br />
Mal seit 2008 fünf verschiedene Fahrer die<br />
Top Ten zweier großer Rundfahrten im Kalenderjahr<br />
erreicht. Miguel Ángel López war Dritter bei<br />
Giro und Vuelta, Steven Kruijswijk Fünfter in<br />
18<br />
Grand-Tour-<br />
Doubles in der<br />
Historie<br />
10<br />
Fahrer mit einem<br />
GT-Double<br />
Frankreich und Vierter in Spanien, während Nairo<br />
Quintana Zehnter bei der Tour und Achter bei der<br />
Vuelta wurde. Simon Yates war nicht weit von einem<br />
Grand-Tour-Double entfernt – er trug das<br />
Rosa Trikot bis zum drittletzten Tag des Giro und<br />
gewann dann die Vuelta.<br />
EF-Education-First-Manager<br />
Jonathan Vaughters sagt, den Giro<br />
und die Tour zu fahren, sei nur<br />
dann wirklich hart, wenn man<br />
beides zu gewinnen versuche.<br />
„Zwei große Rundfahrten zu bestreiten,<br />
ist kein Problem. Aber<br />
wenn man versucht, konkurrenzfähig<br />
zu sein, dann wird es knifflig“,<br />
teilt er <strong>Procycling</strong> mit. „Nur<br />
wenn du dieses allerhöchste Niveau<br />
brauchst, dieses letzte eine<br />
Prozent in den Schlüsselmomenten<br />
wie fünf Minuten in Alpe<br />
d’Huez. Man kann zwei große<br />
Rundfahrten als Helfer bestreiten,<br />
vielleicht sogar drei, aber wenn du<br />
diesen Knockout-Punch brauchst,<br />
ist es schwer.“<br />
Er fügt hinzu: „Damals, als es unpopulär war,<br />
zwei große Rundfahrten zu absolvieren, waren<br />
wir zwei Jahre – 2008 und 2009 – mit Christian<br />
Vande Velde in einem und Bradley Wiggins im<br />
nächsten Jahr sowohl beim Giro als auch bei der<br />
Tour. Aber sie sind den halben Giro im Gruppetto<br />
gefahren. Es war eigentlich sehr effektiv – sie sind<br />
beide eine hervorragende Tour gefahren. Wir fuhren<br />
zum Giro, gingen auf Etappenjagd und peilten<br />
das Mannschaftszeitfahren an, nicht die Gesamtwertung.<br />
Dann machten wir Höhentraining. Es<br />
war eine sehr effiziente Formel.“<br />
Heute ist ein solcher Weg weniger leicht zu<br />
rechtfertigen, erklärt Vaughters, da der Druck der<br />
Sponsoren es nicht zulässt, ein Rennen zum Training<br />
zu nutzen, aber trotzdem bestreiten viele<br />
Fahrer mehrere große Rundfahrten. Die meisten<br />
WorldTour-Teams schicken Fahrer aufgrund von<br />
bewusster Planung, Notwendigkeit oder Umständen<br />
zu mehr als einem.<br />
Obwohl die letztjährige Umstellung auf achtköpfige<br />
Mannschaften bei den dreiwöchigen Rennen<br />
die Zahlen etwas geändert hat, weist die Art,<br />
wie die Teams ihre Saison strukturieren, ein<br />
Muster auf: Es gibt bei den WorldTour-Teams<br />
weniger Überlappung zwischen den Giro- und<br />
Tour-Mannschaften als für andere Kombinationen.<br />
2018 sind nur zwölf Fahrer, darunter<br />
Froome und Dumoulin, beide Rennen gefahren.<br />
Sie gehören zu den beiden größten Zielen der Saison<br />
und die Ressourcen müssen entsprechend<br />
verteilt werden – es ist sinnvoll, ein „Tour-Aufgebot“<br />
und ein „Giro-Aufgebot“ innerhalb des<br />
Indurain im Jahr 1992 auf dem Weg zu<br />
seinem ersten von zwei Giro-Tour-Doubles.<br />
© Offside Sports Photography<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 39
DAS GROSSE INTERVIEW<br />
Dumoulin und Froome auf dem Podium beim<br />
Giro d’Italia 2018.<br />
Teams zu haben, und das Komplizierte daran ist,<br />
den Kalender so zu gestalten, dass man auch noch<br />
eine gute Fraktion für die Klassiker hat.<br />
Die Tour-Vuelta-Kombination ist häufiger als<br />
Giro und Tour. 2018 gingen 32 Fahrer oder fast<br />
20 Prozent des Feldes nach Spanien, nachdem<br />
sie in Frankreich waren. In einigen Fällen war<br />
Spanien eine „zweite Chance“ – Rigoberto Urán<br />
war Tour-Kapitän von EF-Drapac, stieg aber verletzt<br />
aus, daher bot ihm die Vuelta eine weitere<br />
Chance. Diese Kombination von Rennen zeigt<br />
auch die Prioritäten verschiedener Rennställe –<br />
Movistar, für die die Vuelta ihr Heimatrennen und<br />
fast so wichtig wie die Tour ist, war mit fünf Fahrern<br />
bei beiden Rennen vertreten, darunter die<br />
Kapitäne Quintana und Alejandro Valverde.<br />
Das logischste Grand-Tour-Double sind der Giro<br />
und die Vuelta – obwohl dies die Fahrer zwingt,<br />
das größte Rennen des Jahres auszulassen, ist genug<br />
Zeit, für beide Rennen die Form aufzubauen.<br />
42 Fahrer nahmen 2018 an beiden teil.<br />
Die meisten Teams arbeiten daher mit einigen<br />
Überlappungen bei den Rennen. Die große Mehr <br />
heit der WorldTour-Rennställe setzte in der letzten<br />
Saison 18 bis 20 Fahrer für die drei großen<br />
Rundfahrten ein, obwohl es einige Ausreißer gab<br />
– Astana arbeitete mit insgesamt nur 16 Fahrern,<br />
während am anderen Ende der Skala Groupama-FDJ,<br />
Quick-Step Floors und Trek-Segafredo<br />
ihre Ressourcen großzügiger verteilten und<br />
21 Fahrer einsetzten.<br />
EF hatte zwei separate achtköpfige Aufgebote<br />
bei Giro und Tour im letzten Jahr, aber ihre Vuelta-Truppe<br />
umfasste sechs Mann, die die eine oder<br />
andere der vorausgegangenen Landesrundfahrten<br />
bestritten hatten, darunter Urán. Die Grundregel<br />
scheint zu sein, Ziele bei Giro und Tour mit zwei<br />
weitgehend separaten Mannschaften zu erreichen,<br />
um dann das Vuelta-Aufgebot zu improvisieren,<br />
und all das macht es sehr kompliziert,<br />
mehr als eine Rundfahrt zu gewinnen. Dumoulin<br />
ist zwar einer der großen Favoriten für den Giro,<br />
aber die Erfahrung legt nahe, dass es bei der Tour<br />
für einen Sieg erneut nicht reichen wird.<br />
1.<br />
2.<br />
3.<br />
4.<br />
Eintagesrennen GC Etappen<br />
1.<br />
Etappe, Critérium<br />
International 2014<br />
Niederländische Zeitfahr-<br />
Meisterschaft 2014, 2016,<br />
2017<br />
Etappe, Eneco Tour 2014<br />
Etappe, Tour of Alberta<br />
2014<br />
Etappe, Vuelta al País<br />
Vasco 2015<br />
Etappe, Tour de Suisse<br />
2015 (2)<br />
Etappe, Vuelta a España<br />
2015 (2)<br />
Etappe, Giro d’Italia 2016,<br />
2017 (2), 2018<br />
Etappe, Tour de France<br />
2016 (2), 2018<br />
Giro d’Italia 2017<br />
BinckBank Tour 2017<br />
WM-Zeitfahren 2017<br />
2.<br />
Etappe, Belgien-Rundfahrt<br />
2013, 2014<br />
Niederländische Straßen-<br />
GRAND TOUR TOP 10 DOUBLE<br />
TOM DUMOULIN<br />
meisterschaft 2013<br />
Etappe, Eneco Tour 2013,<br />
2014, 2017<br />
Eneco Tour 2013<br />
Etappe, Ruta del Sol 2014<br />
Belgien-Rundfahrt 2014<br />
Etappe, Tour de Suisse<br />
2014 (2)<br />
Etappe, Tour de France<br />
2014, 2016, 2018 (2)<br />
Tour of Alberta 2014<br />
GP de Québec 2014<br />
Etappe, Vuelta a España<br />
2015<br />
Etappe, Paris–Nizza 2016<br />
Etappe, Tour de<br />
Romandie 2016 (2)<br />
Etappe, Giro d’Italia 2016,<br />
2017, 2018<br />
Olympia-Zeitfahren 2016<br />
Etappe, Tirreno–Adriatico<br />
2017<br />
Giro d’Italia 2018<br />
Tour de France 2018<br />
WM-Zeitfahren 2018<br />
Etappe, UAE Tour 2019<br />
JAHR FAHRER GIRO TOUR VUELTA<br />
2012 J. Rodríguez 2. - 3.<br />
C. Froome - 2. 4.<br />
2013 V. Nibali 1. - 2.<br />
J. Rodríguez - 3. 4.<br />
A. Valverde - 8. 3.<br />
D. Pozzovivo 9. - 6.<br />
2014 A. Valverde - 4. 3.<br />
F. Aru 3. - 5.<br />
2015 F. Aru 2. - 1.<br />
N. Quintana - 2. 4.<br />
A. Valverde - 3. 7.<br />
2016 C. Froome - 1. 2.<br />
N. Quintana - 3. 1.<br />
E. Chaves 2. - 3.<br />
2017 C. Froome - 1. 1.<br />
V. Nibali 3. - 2.<br />
I. Zakarin 5. - 3.<br />
A. Contador - 9. 5.<br />
2018 C. Froome 1. 3. -<br />
T. Dumoulin 2. 2. -<br />
M. Ángel López 3. - 3.<br />
S. Kruijswijk - 5. 4.<br />
N. Quintana - 10. 8.<br />
5.<br />
KARRIERE-ERGEBNISSE<br />
3.<br />
Niederländische Zeitfahr-<br />
Meisterschaft 2013<br />
Eneco Tour 2014<br />
WM-Zeitfahren 2014<br />
Etappe, Tour Down Under<br />
2015<br />
Tour de Suisse 2015<br />
Etappe, Vuelta a España<br />
2015<br />
Etappe, Tour of Britain<br />
2016 (2)<br />
Tour of Britain 2016<br />
Etappe, Abu Dhabi Tour<br />
2017<br />
Abu Dhabi Tour 2017<br />
Etappe, Giro d’Italia 2017,<br />
2018 (2)<br />
Etappe, BinckBank Tour<br />
2017 (2)<br />
Etappe, Deutschland Tour<br />
2018<br />
4.<br />
Etappe, Eneco Tour 2013,<br />
2014, 2016<br />
Etappe, Tour de France<br />
2014 (2), 2015<br />
Etappe, Tour Down Under<br />
2015<br />
Tour Down Under 2015<br />
Niederländische Zeitfahr-<br />
Meisterschaft 2015<br />
Etappe, Tour of Oman<br />
2016<br />
Fausto Coppi 1949<br />
Fausto Coppi 1952<br />
Jacques Anquetil 1964<br />
Eddy Merckx 1970<br />
Eddy Merckx 1972<br />
Eddy Merckx 1973<br />
Eddy Merckx 1974<br />
Giovanni Battaglin 1981<br />
Bernard Hinault 1982<br />
Bernard Hinault 1985<br />
Stephen Roche 1987<br />
Miguel Indurain 1992<br />
Miguel Indurain 1993<br />
Marco Pantani 1998<br />
Alberto Contador 2008<br />
Tour of Oman 2016<br />
Etappe, Giro d’Italia 2016<br />
Clásica San Sebastián<br />
2017<br />
Deutschland Tour 2018<br />
WM-Straßenrennen 2018<br />
Etappe, Tirreno–Adriatico<br />
2019<br />
Tirreno–Adriatico 2019<br />
5.<br />
Etappe, Tour de l’Ain 2011<br />
Rund um Köln 2012<br />
Etappe, Tour of California<br />
2012<br />
Tour de Luxembourg<br />
2012<br />
Belgien-Rundfahrt 2013<br />
Etappe, Tirreno–Adriatico<br />
2014<br />
Tour de Suisse 2014, 2015,<br />
2017<br />
Etappe, Tour Down Under<br />
2015<br />
WM-Zeitfahren 2015<br />
Etappe, Tour of Oman<br />
2016<br />
Tour de Romandie 2016<br />
Strade Bianche 2017<br />
Etappe, Giro d’Italia 2018<br />
(2)<br />
Etappe, Tour de France<br />
2018<br />
GRAND TOUR<br />
DOUBLE-SIEGER<br />
Fausto Coppi 1949<br />
Fausto Coppi 1952<br />
Jacques Anquetil 1963<br />
Jacques Anquetil 1964<br />
Eddy Merckx 1970<br />
Eddy Merckx 1972<br />
Eddy MerckX 1974<br />
Bernard Hinault 1978<br />
Bernard Hinault 1982<br />
Bernard Hinault 1985<br />
Stephen Roche 1987<br />
Miguel Indurain 1992<br />
Miguel Indurain 1993<br />
Marco Pantani 1998<br />
Chris Froome 2017<br />
Jacques Anquetil 1963<br />
Eddy Merckx 1973<br />
Bernard Hinault 1978<br />
Giovanni Battaglin 1981<br />
Alberto Contador 2008<br />
Chris Froome 2017<br />
40 PROCYCLING | JUNI 2019
LEICHTIGKEIT<br />
GIBT KRAFT.<br />
Mit einem Gehalt von nur 14 Milligramm<br />
Mineralsalzen pro Liter gilt<br />
LAURETANA als weichstes und leichtestes<br />
Wasser unseres Kontinents. Die<br />
artesische Quelle wird im nördlichen<br />
Piemont frei-fließend und gänzlich<br />
unbehandelt abgefüllt. Gesundheitsexperten<br />
und Spitzensportler schätzen die<br />
hohe Bekömmlichkeiten, den leichten<br />
Geschmack und die einzigartige Wirkung<br />
des „Leichtesten Wasser Europas“.<br />
TILL SCHRAMM,<br />
Triathlon-Profi,<br />
schwört auf LAURETANA –<br />
„Das leichteste Wasser Europas“.<br />
LAURETANA: „Als Triathlon-Profi trinkst du täglich mehrere Liter Wasser.<br />
Warum hast du dich für LAURETANA entschieden?“<br />
Till Schramm: „LAURETANA ist aufgrund seiner extrem geringen Mineralsierung in der Lage, die<br />
hochwertigen Nährstoffe, die ich mir als Profisportler zuführe, bestmöglich in alle Körperzellen zu<br />
transportieren. Diese optimale Nährstoffverwertung entfesselt in meinem Körper reine Energie!“<br />
www.lauretana.de
© David Ramos/Getty Images<br />
42 PROCYCLING | JUNI 2019
DER<br />
KNOTEN IST<br />
GEPLATZT<br />
Gelbes Trikot bei der Baskenlandrundfahrt, Dritter bei<br />
Lüttich–Bastogne–Lüttich sowie regelmäßiger Etappensieger.<br />
2019 ist Maximilian Schachmann endgültig in der<br />
Weltspitze angekommen. Ein Blick auf die bisherige<br />
Karriere des 25-jährigen Berliners – und auf das,<br />
was noch kommen kann.<br />
Text Werner Müller-Schell<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 43
MAXIMILIAN SCHACHMANN<br />
© Bora–hansgrohe/BettiniPhoto<br />
Kälte. Nässe. Wind. Das alles scheint Maximilian<br />
Schachmann nichts auszumachen,<br />
als 40 Kilometer vor dem Ziel das<br />
schwere Finale von Lüttich–Bastogne–Lüttich<br />
eingeläutet wird. Côte de La Redoute, Côte des<br />
Forges und Côte de la Roche-aux-Faucons heißen<br />
die drei finalen Anstiege des extrem schweren<br />
Klassikers, dessen Peloton sich aufgrund der widrigen<br />
Witterungsbedingungen schon lange vorher<br />
in kleinste Gruppen aufgesplittet hat. Auf den<br />
schmalen, vom Regen nassen Straßen der belgischen<br />
Ardennen gehen immer wieder Attacken<br />
und dünnen das Feld weiter aus – trotzdem hält<br />
sich der 25-Jährige, dick eingehüllt in seine<br />
schwarze Regenjacke mit dem Logo von Bora–<br />
hansgrohe auf dem Rücken, konstant in der Gruppe<br />
der Sieganwärter.<br />
Auch als der Däne Jakob Fuglsang 15 Kilometer<br />
vor dem Ziel für die entscheidende Selektion sorgt,<br />
ist Schachmann mit von der Partie. Zwar kann er<br />
Fuglsang und auch Davide Formolo, seinem italienischen<br />
Bora-Teamkollegen, im Finale nicht folgen,<br />
doch als es wenig später auf die Zielgerade im<br />
Zentrum von Lüttich geht, ist der Berliner noch<br />
immer Teil der nur noch siebenköpfigen Verfolgergruppe.<br />
Sprinten, das kann er, weiß Schachmann.<br />
Am Ende einer strapaziösen Klassikersaison und<br />
nach 260 Kilometern in der nassen Aprilkälte ist<br />
das jedoch leichter gesagt als getan. Noch einmal<br />
holt er alles aus sich heraus, reißt am Unterlenker,<br />
hämmert in die Pedale – und gewinnt den Sprint<br />
der Verfolger um Platz drei.<br />
Eine Podiumsplatzierung bei Lüttich–Bastogne–Lüttich<br />
– es ist das bisherige Meisterstück in<br />
der noch kurzen Profikarriere des Maximilian<br />
Schachmann. Und ein Meisterstück, das mit Jens<br />
Voigt (2005), Dietrich Thurau (1977, 1978 und<br />
1979), Rolf Wolfshohl (1962) und Hermann Buse<br />
(1930) erst vier anderen Deutschen gelungen ist.<br />
„Es war ein unglaublich hartes Rennen. Der Körper<br />
sagt irgendwann, man solle zu treten aufhören.<br />
Aber man muss dann einfach weitertreten.<br />
Jetzt bin ich einfach überglücklich“, lässt der<br />
25-Jährige im Ziel seinen Emotionen freien Lauf.<br />
Wie schwer das Rennen wirklich gewesen ist, erfahren<br />
die meisten Fans erst jetzt: Während weiterer<br />
Teile der sechseinhalb Stunden habe er Probleme<br />
mit den Händen gehabt. „Wegen der Kälte<br />
habe ich teilweise das Gefühl verloren. Einmal bin<br />
ich deshalb fast gestürzt. Daher habe ich kurz angehalten<br />
und neue Handschuhe angezogen. Als<br />
ich dann wieder weitergefahren bin, herrschte<br />
plötzlich eine Windkante und ich saß hinten im<br />
Feld fest – da dachte ich schon, alles wäre gelaufen.<br />
Aber es kam anders“, grinst er über sein bisher<br />
bedeutungsvollstes Resultat als Radprofi.<br />
2019 fährt Schachmann seine<br />
bisher beste Saison. Mit fünf Saisonsiegen<br />
ist er derzeit im UCI World<br />
Ranking zweitbester deutscher<br />
Fahrer hinter seinem Bora-Teamkollegen<br />
Pascal Ackermann.<br />
Dass Schachmann zu Großem fähig ist, hat sich<br />
dabei schon in den Wochen vor Lüttich–Bastogne–Lüttich<br />
angedeutet. Nachdem er im Winter<br />
von der belgischen Mannschaft Quick-Step Floors<br />
zur deutschen Equipe Bora–hansgrohe gewechselt<br />
ist, fährt er seit Saisonbeginn wie entfesselt:<br />
Im März gewinnt er den italienischen Halbklassiker<br />
GP Industria e Artigianato-Larciano und eine<br />
Etappe bei der Katalonien-Rundfahrt. Bei der<br />
Baskenland-Rundfahrt Anfang April holt er insgesamt<br />
drei Etappensiege, gewinnt die Punktewertung<br />
und fährt lange im Gelben Trikot des<br />
Gesamtführenden. Und bei den anspruchsvollen<br />
Frühjahrsklassikern Amstel Gold Race und Flèche<br />
Wallonne, in ihrem Profil Lüttich–Bastogne–Lüttich<br />
nicht unähnlich, wird er jeweils Fünfter.<br />
Schachmann, das steht nach dieser beeindruckenden<br />
Serie an Topresultaten fest, ist in der<br />
Weltspitze angekommen.<br />
44 PROCYCLING | JUNI 2019
MAXIMILIAN SCHACHMANN<br />
EIN FAHRER, DER MITDENKT<br />
In Anbetracht solcher Ergebnisse ist es kaum zu<br />
glauben, dass Schachmann erst seit zweieinhalb<br />
Jahren Radprofi ist. Und doch sind seine derzeitigen<br />
Resultate die konsequent logische Weiterentwicklung<br />
dessen, was er schon in den Nachwuchsklassen<br />
immer wieder angedeutet hat:<br />
2012 wird er Dritter bei der Junioren-Weltmeisterschaft<br />
im Straßenrennen, 2015 holt er Bronze<br />
bei der Zeitfahr-Europameisterschaft und Silber<br />
bei der Zeitfahr-Weltmeisterschaft der U23.<br />
Letzteres schafft er bei der U23-WM ein Jahr<br />
später erneut. „Ich habe mich seit meiner Juniorenzeit<br />
jedes Jahr ein Stück verbessert. Zu Beginn<br />
„ICH DENKE, DASS DER KOPF<br />
EIN WICHTIGER SCHLÜSSEL<br />
ZUM ERFOLG IST. ICH<br />
KOMMUNIZIERE OFT MIT<br />
DEN TRAINERN – NUR SO<br />
KOMME ICH WEITER.“<br />
fehlte mir in der U23 noch das taktische Gespür<br />
im Rennen – aber auch hier habe ich viel gelernt“,<br />
blickt er zurück.<br />
Genau jenes Lernen ist eine entscheidende<br />
Qualität, die Maximilian Schachmann – neben<br />
einer gehörigen Portion Talent – auszeichnet. Es<br />
gibt Fahrer, die legen ihr Schicksal in fremde Hände,<br />
und es gibt die, die ihre Karriere mit Köpfchen,<br />
Plan und harter Arbeit selbst vorantreiben. Maximilian<br />
Schachmann gehört klar zu letzterer Fraktion.<br />
Als seine Laufbahn etwa zu Beginn seiner<br />
U23-Zeit trotz kontinuierlichen Trainings und<br />
achtbarer Erfolge einen Knick erhält, analysiert<br />
er die Ursachen genau. „Es gab vorgegebene Trainingspläne,<br />
die für meinen Körper allerdings nicht<br />
das Optimum darstellten – das habe ich recht<br />
schnell gemerkt. Das Training war damals klar<br />
auf Zeitfahren ausgelegt. Nach meiner eigenen<br />
Umstellung konnte ich aber auch bei Straßenrennen<br />
gut fahren“, erklärt er und fügt hinzu: „Ich<br />
muss ehrlich zugeben, dass ich nicht verstehe,<br />
dass ich als Fahrer meine Karriere von irgendeiner<br />
Person abhängig machen soll, die irgendetwas<br />
aufschreibt. Wenn ich merke, dass mir etwas anderes<br />
besser bekommt, ist es noch sinnvoller, anders<br />
zu trainieren, oder?“ Ein Prinzip, nach dem<br />
er auch heute noch verfährt: „Ich denke schon,<br />
dass der Kopf für mich ein wichtiger Schlüssel<br />
zum Erfolg ist. Ich bin immer offen für alles und<br />
kommuniziere oft mit den Sportlichen Leitern<br />
und Trainern – nur so komme ich weiter.“<br />
Schachmann ist ein Fahrer mit einem eigenen<br />
Kopf – und er hat genaue Vorstellungen von seinem<br />
Weg. Es kommt daher nicht von ungefähr,<br />
dass er seinen ersten Profivertrag für die Saison<br />
2017 bei Quick-Step Floors unterschreibt. Die<br />
ersten Ausrufezeichen lassen auch hier nicht lange<br />
auf sich warten: Bereits Anfang März überzeugt<br />
er mit einem zehnten Platz beim belgischen<br />
Halbklassiker Le Samyn. Im April wird er Vierter<br />
beim Auftaktzeitfahren der Tour de Romandie<br />
und fährt einige Tage im Weißen Trikot des besten<br />
Nachwuchsfahrers. Und im Juni wird er Vierter<br />
der niederländischen Ster ZLM Tour.<br />
Bei Bora–hansgrohe hat Schachmann<br />
seine sportliche Heimat gefunden. Das<br />
bayerische Team um Manager Ralph<br />
Denk ermöglicht ihm genügend Spielraum<br />
zur Weiterentwicklung.<br />
© Bora–hansgrohe/VeloImages<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 45
MAXIMILIAN SCHACHMANN<br />
„MEIN BIKEHANDLING<br />
IST BESSER GEWORDEN,<br />
ICH HABE MEHR<br />
ERFAHRUNG UND ICH<br />
KANN AUF DIE<br />
ANALYSEN MEINER<br />
BISHERIGEN RENNEN<br />
AUFBAUEN.“<br />
MAXIMILIAN<br />
SCHACHMANN<br />
2012<br />
Bronze Straßen-WM U19<br />
2015<br />
Bronze Zeitfahr-EM U23<br />
Silber Zeitfahr-WM U23<br />
© Bora–hansgrohe/VeloImages, Bora–hansgrohe/BettiniPhoto (groß)<br />
2016<br />
Deutscher Meister Zeitfahren U23<br />
Etappensieger Giro della Valle d’Aosta<br />
Gesamtsieger Tour Alsace<br />
Silber Zeitfahr-WM U23<br />
2018<br />
Etappensieger Katalonien-Rundfahrt<br />
Etappensieger Giro d’Italia<br />
Bronze Zeitfahr-EM<br />
Etappensieger Deutschland Tour<br />
3. Gesamtwertung Deutschland Tour<br />
Weltmeister Mannschaftszeitfahren<br />
2019<br />
Sieger GP Industria & Artigianato<br />
Etappensieger Katalonien-Rundfahrt<br />
3 x Etappensieger Baskenland-Rundfahrt<br />
3. Platz Lüttich–Bastogne–Lüttich<br />
Im Sommer 2017 muss er allerdings erstmals in<br />
seiner Karriere einen größeren Rückschlag hinnehmen:<br />
Auf der fünften Etappe der Polen-Rundfahrt<br />
im August stürzt er schwer und bricht sich<br />
die rechte Ferse. Die Verletzung kostet den Berliner<br />
den kompletten Herbst. Doch er kämpft sich<br />
über den Winter zurück: Bereits bei der Algarve-<br />
Rundfahrt im Februar 2018 überzeugt er wieder<br />
mit Topresultaten. Und als er in den darauffolgen-<br />
den Wochen eine Etappe bei der Katalonien-<br />
Rundfahrt gewinnt und Achter beim schweren<br />
Flèche Wallonne wird, lässt er einmal mehr sein<br />
Talent aufblitzen. Seinen bis dato größten Erfolg<br />
fährt er allerdings auf der 18. Etappe des Giro<br />
d’Italia ein: Nachdem er lange zur Fluchtgruppe<br />
des Tages gehört, erhöht er am Schlussanstieg<br />
nach Prato Nevoso das Tempo – und fährt<br />
schließlich zu einem ungefährdeten Solosieg.<br />
46 PROCYCLING | JUNI 2019
MAXIMILIAN SCHACHMANN<br />
EIN FAHRER FÜR JEDES TERRAIN<br />
Seine tolle Form untermauert er im Sommer<br />
mit einem dritten Platz bei den Europameisterschaften<br />
im Zeitfahren und einem überzeugenden<br />
Auftritt bei der Deutschland Tour: Bei der<br />
Wiedergeburt des Rennens ist er einer der dominierenden<br />
Fahrer, gewinnt eine Etappe und wird<br />
Gesamt-Dritter. Das UCI World Ranking 2018<br />
Schlusssprint der dritten Etappe<br />
der Baskenland-Rundfahrt. Schachmann<br />
setzt sich souverän durch und<br />
verteidigte mit dem Etappensieg<br />
sein gelbes Führungstrikot.<br />
beendet Schachmann, wohlgemerkt in seinem<br />
zweiten Profijahr, als drittbester deutscher Fahrer<br />
– es sind Leistungen, die Begehrlichkeiten bei anderen<br />
Teams wecken. Am Ende sichert sich das<br />
deutsche Team Bora–hansgrohe die Dienste des<br />
Youngsters: „Über das große Potenzial von Maximilian<br />
muss man nicht viele Worte verlieren, das<br />
hat er in diesem Jahr schon eindrucksvoll unter<br />
Beweis gestellt. Maximilian wird bei uns die Gelegenheit<br />
bekommen, sich langsam zu entwickeln.<br />
Er hat großes Potenzial auf allen Terrains,<br />
das muss behutsam aufgebaut werden“, sagt dessen<br />
Teammanager Ralph Denk bei der Vertragsunterzeichnung.<br />
Denk meint das wörtlich: Um Schachmann<br />
nach der harten Saison 2018 mehr Zeit zur Regeneration<br />
und zudem Ruhe für eine Folge-Operation<br />
seiner Verletzung von der Polen-Rundfahrt<br />
2017 zu geben, beginnt das Training unter dem<br />
neuen Trainer Dan Lorang erst Mitte Dezember.<br />
Trotzdem ist Schachmann bereits im März bei der<br />
UAE-Tour wieder in Topform. Fast mühelos hält<br />
er dort am Berg das Tempo von Fahrern wie Alejandro<br />
Valverde und Michał Kwiatkowski, kurze<br />
Zeit später gewinnt er wie im Vorjahr eine Etappe<br />
bei der Katalonien-Rundfahrt. Es folgt der starke<br />
April, in dem Schachmann mit seinen jüngsten<br />
Auftritten bei der Baskenland-Rundfahrt und den<br />
Ardennenklassikern den endgültigen Durchbruch<br />
schafft. Wie er sich diese erneute Leistungssteigerung<br />
selbst erklärt, wollen wir wissen: „Ich<br />
glaube, dass diese Saison eine konsequente Weiterentwicklung<br />
der letzten Jahre ist. Und damit<br />
meine ich nicht nur meine Form: Mein Bikehandling<br />
ist besser geworden, ich habe mehr Erfahrung<br />
und ich kann auf die Analysen meiner bisherigen<br />
Rennen aufbauen“, so Schachmann.<br />
Auch in diesen Tagen beweist der Bora-Profi<br />
also, dass genau jenes analytische Denken eine<br />
seiner stärksten Qualitäten ist. „Die Erwartungshaltung<br />
ist jetzt natürlich viel höher. Es wird sich<br />
daher zeigen, ob ich noch Luft nach oben habe.<br />
Mittlerweile bin ich in einer Gruppe von Fahrern<br />
angekommen, wo die Tagesform und das Quäntchen<br />
Glück zählen“, erzählt er mit der nötigen<br />
Distanz. Der Stolz auf das Geleistete ist Schachmann<br />
freilich trotzdem anzumerken. So freue er<br />
sich, dass ihn mittlerweile auch Fahrer wie Vincenzo<br />
Nibali oder Alejandro Valverde vor dem<br />
Rennen ansprechen, wie er lachend anmerkt.<br />
Denn zu ihren Reihen dazuzugehören – das<br />
ist das langfristige Ziel des Maximilian Schachmann,<br />
der trotz seiner erst zweieinhalbjährigen<br />
Profikarriere bereits einen prestigeträchtigen Palmarès<br />
vorzuweisen hat. Dabei kann er sich sogar<br />
den Luxus erlauben, sich noch nicht festlegen zu<br />
wollen, auf welches Terrain er sich langfristig spezialisieren<br />
will. Selbst die großen Landesrundfahrten<br />
seien ein Thema, das er noch nicht zu<br />
100 Prozent ausschließen wolle, wie er meint:<br />
„Im Moment liegt mir tatsächlich fast alles ganz<br />
gut. Ich komme gut mit den Klassikern zurecht,<br />
kann Zeitfahren und auch bei Sprints aus Gruppen<br />
kann ich mich zeigen. Und selbst lange Berge<br />
sind ja eigentlich nur eine Rechnung aus mehr<br />
Watt und weniger Kilo“, überlegt er. Schachmann<br />
ist jemand, der realistisch denkt – gerade deshalb<br />
ist es keine Abwegigkeit, dass er in Zukunft einen<br />
weiteren Leistungssprung schafft. Denn eines ist<br />
sicher: Wer sich in seiner dritten Profisaison bereits<br />
mit den Besten bei einem Rennen wie Lüttich–Bastogne–Lüttich<br />
messen kann – und das<br />
bei widrigsten Witterungsbedingungen –, der hat<br />
eine große Zukunft vor sich.<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 47
PRÄSENTIERT<br />
DAS EINZIGE OFFIZIELLE<br />
PROGRAMM ZUR<br />
TOUR DE FRANCE<br />
OFFIZIELLES PROGRAMM<br />
TOUR DE FRANCE 2019<br />
DIE ETAPPEN<br />
Alle Infos zu jedem Renntag – mit<br />
Karten, Marschtabellen & Höhenprofilen<br />
DIE TEAMS<br />
Die Analyse von Bernard Thévenet –<br />
ihre Fahrer, ihre Stärken, ihre Ziele<br />
DIE FAVORITEN<br />
Thomas, Froome, Dumoulin, Quintana –<br />
welcher Topstar holt sich den Toursieg?<br />
Von den Machern von<br />
€ 7,95<br />
A-€ 8,50<br />
CHF 12,80<br />
Lux-€ 8,50<br />
It-€ 8,50<br />
70% K<br />
90% K<br />
DIE DEUTSCHEN<br />
EDELHELFER & ETAPPENJÄGER<br />
DIE PERSPEKTIVEN VON GREIPEL,<br />
MARTIN, DEGENKOLB & CO.<br />
196<br />
Seiten<br />
zum größten<br />
Radrennen<br />
der Welt<br />
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Adriaenssens Jan<br />
(BEL, 1956, 1960)<br />
Barteau Vincent<br />
(FRA, 1984)<br />
Bontempi Guido<br />
(ITA, 1988)<br />
Cazala Robert<br />
(FRA, 1959)<br />
Dessel Cyril<br />
(FRA, 2006)<br />
266<br />
Fignon Laurent<br />
(FRA, 1983, 1984, 1989)<br />
Géminiani Raphaël<br />
(FRA, 1958)<br />
Hamerlinck Alfred<br />
(BEL, 1931)<br />
Ke ly Sean<br />
(IRL, 1983)<br />
Le Calvez Léon<br />
(FRA, 1931)<br />
Mahé François<br />
(FRA, 1953)<br />
Mottiat Louis<br />
(BEL, 1920, 1921)<br />
Peeters Ludo<br />
(BEL, 1982, 1984)<br />
Rasmussen Michael<br />
(DAN, 2007)<br />
Schleck Fränk<br />
(LUX, 2008)<br />
Thaler Klaus-Peter<br />
(ALL, 1978)<br />
Van Looy Rik<br />
(BEL, 1965)<br />
Wagtmans Marinus<br />
(HOL, 1971)<br />
DE 1919 À 2018<br />
Aerts Jean<br />
(BEL, 1932)<br />
Bauer Steve<br />
(CAN, 1988, 1990)<br />
Bossis Jacques<br />
(FRA, 1978)<br />
Chavanel Sylvain<br />
(FRA, 2010)<br />
De Waele Maurice<br />
(BEL, 1929)<br />
Fontan Victor<br />
(FRA, 1929)<br />
Genêt Jean-Pierre<br />
(FRA, 1968)<br />
Hanegraaf Jacques<br />
(HOL, 1984)<br />
Kint Marcel<br />
(BEL, 1937)<br />
Le Drogo Ferdinand<br />
(FRA, 1927)<br />
Majérus Jean<br />
(LUX, 1937, 1938)<br />
Mottet Charly<br />
(FRA, 1987)<br />
Pélissier Charles<br />
(FRA, 1930, 1931)<br />
Rebry Gaston<br />
(BEL, 1929)<br />
Schroeders Willy<br />
(BEL, 1962)<br />
Thévenet Bernard<br />
(FRA, 1975, 1977)<br />
Van Neste Wi ly<br />
(BEL, 1967)<br />
Wagtmans Wout<br />
(HOL, 1954, 1955, 1956)<br />
Aimar Lucien<br />
(FRA, 1966)<br />
Bautz Erich<br />
(ALL, 1937)<br />
Bottecchia Ottavio<br />
(ITA, 1923, 1924, 1925)<br />
Chiappucci Claudio<br />
(ITA, 1990)<br />
Diederich Jean<br />
(LUX, 1951)<br />
Fontenay Jean<br />
(FRA, 1939)<br />
Gerdemann Linus<br />
(ALL, 2007)<br />
Hassenforder Roger<br />
(FRA, 1953)<br />
Kirchen Kim<br />
(LUX, 2008)<br />
Leducq André (FRA,<br />
1929, 1930, 1932, 1938)<br />
Malléjac Jean<br />
(FRA, 1953)<br />
Museeuw Johan<br />
(BEL, 1993, 1994)<br />
Pélissier Francis<br />
(FRA, 1927)<br />
Riis Bjarne<br />
(DAN, 1995, 1996)<br />
Scieur Léon<br />
(BEL, 1921)<br />
Thomas Geraint<br />
(GBR, 2017, 2018)<br />
Alavoine Jean<br />
(FRA, 1922)<br />
Bauvin Gilbert<br />
(FRA, 1951, 1954, 1958)<br />
Brambi la Pierre<br />
(ITA, 1947)<br />
Christophe Eugène<br />
(FRA, 1919, 1922)<br />
Di Paco Rafaele<br />
(ITA, 1931)<br />
Forestier Jean<br />
(FRA, 1957)<br />
Gerrans Simon<br />
(AUS, 2013)<br />
Heulot Stéphane<br />
(FRA, 1996)<br />
Kirsipuu Jaan<br />
(EST, 1999)<br />
Lemaire Georges<br />
(BEL, 1933)<br />
Altig Rudi<br />
(ALL, 1962, 64, 66, 69)<br />
Be lenger Romain<br />
(FRA, 1923)<br />
Breukink Erik<br />
(HOL, 1989)<br />
266<br />
DIE TRÄGER DES GELBEN TRIKOTS VON 1919 BIS 2018<br />
Van Slembrouck Gustaaf<br />
(BEL, 1926)<br />
Walkowiak Roger<br />
(FRA, 1956)<br />
Marie Thierry<br />
(FRA, 1986, 1990, 1991)<br />
Nazon Jean-Patrick<br />
(FRA, 2003)<br />
Pélissier Henri<br />
(FRA, 1923)<br />
Riotte Raymond<br />
(FRA, 1967)<br />
Sels Edward<br />
(BEL, 1964)<br />
Thurau Dietrich<br />
(ALL, 1977)<br />
Van Springel Herman<br />
(BEL, 1968, 1973)<br />
Wauters Marc<br />
(BEL, 2001)<br />
Cipo lini Mario<br />
(ITA, 1993, 1997)<br />
Dossche Aimé<br />
(BEL, 1929)<br />
Fournier Amédée<br />
(FRA, 1939)<br />
Gilbert Philippe<br />
(BEL, 2011)<br />
Heusghem Hector<br />
(BEL, 1922)<br />
Kittel Marcel<br />
(ALL, 2013, 2014)<br />
LeMond Greg<br />
(USA, 1986, 1989, 90, 91)<br />
Marine li Jacques<br />
(FRA, 1949)<br />
Nelissen Wilfried<br />
(BEL, 1993)<br />
Peña Victor-Hugo<br />
(COL, 2003)<br />
Robic Jean<br />
(FRA, 1947, 1953)<br />
Sercu Patrick<br />
(BEL, 1974)<br />
Thys Philippe<br />
(BEL, 1920)<br />
Van Steenbergen Rik<br />
(BEL, 1952)<br />
Wiggins Bradley<br />
(GBR, 2012)<br />
Andersen Kim<br />
(DAN, 1983, 1985)<br />
Benoît Adelin<br />
(BEL, 1925)<br />
Bruyère Joseph<br />
(BEL, 1974, 1978)<br />
Contador Alberto<br />
(ESP, 2007, 2009)<br />
Durand Jacky<br />
(FRA, 1995)<br />
Frantz Nicolas<br />
(LUX, 1927, 1928, 1929)<br />
Gimondi Felice<br />
(ITA, 1965)<br />
Hinault Bernard (FRA, 78,<br />
79, 80, 81, 82, 84, 1985, 86)<br />
Knetemann Gerrie<br />
(HOL, 1978, 1979, 80, 81)<br />
Letort Désiré<br />
(FRA, 1969)<br />
Martin Hector<br />
(BEL, 1927)<br />
Nencini Gastone<br />
(ITA, 1960)<br />
Pensec Ronan<br />
(FRA, 1990)<br />
Roche Stephen<br />
(IRL, 1987)<br />
Simon François<br />
(FRA, 2001)<br />
U lrich Jan<br />
(ALL, 1997, 1998)<br />
Van Vliet Teun<br />
(HOL, 1988)<br />
Wolfshohl Rolf<br />
(ALL, 1968)<br />
PORTEURS DU MAILLOT JAUNE<br />
Anderson Phil<br />
(AUS, 1981, 1982)<br />
Bernard Jean-François<br />
(FRA, 1987)<br />
Bruyneel Johan<br />
(BEL, 1995)<br />
Coppi Fausto<br />
(ITA, 1949, 1952)<br />
Dussault Marcel<br />
(FRA, 1949)<br />
Froome Christopher<br />
(GBR, 2013, 2015, 16, 17)<br />
Goldschmit Jean<br />
(LUX, 1950)<br />
Hoevenaars Jos<br />
(BEL, 1958, 1959)<br />
Koblet Hugo<br />
(SUI, 1951)<br />
Levêque Roger<br />
(FRA, 1951)<br />
Martin Tony<br />
(ALL, 2015)<br />
Nibali Vincenzo<br />
(ITA, 2014)<br />
Pereiro Oscar<br />
(ESP, 2006)<br />
Ro land Antonin<br />
(FRA, 1955)<br />
Simon Pascal<br />
(FRA, 1983)<br />
Valverde Alejandro<br />
(ESP, 2008)<br />
Vanze la Flavio<br />
(ITA, 1994)<br />
Yates Sean<br />
(GBR, 1994)<br />
1.<br />
ETAPPE<br />
ETAPPENSIEGER<br />
8.<br />
ETAPPE<br />
ETAPPENSIEGER<br />
15.<br />
ETAPPE<br />
ETAPPENSIEGER<br />
Anglade Henry<br />
(FRA, 1960)<br />
Bernaudeau Jean-René<br />
(FRA, 1979)<br />
Bu la Max<br />
(ALL, 1931)<br />
Darrigade André (FRA,<br />
1956, 57, 58, 59, 61, 62)<br />
Egli Paul<br />
(SUI, 1936)<br />
Gaigne Dominique<br />
(FRA, 1986)<br />
Gonzalez de Galdeano Igor<br />
(ESP, 2002)<br />
Honchar Sergueï<br />
(UKR, 2006)<br />
Kübler Ferdi<br />
(SUI, 1947, 1950)<br />
Lino Pascal<br />
(FRA, 1992)<br />
McEwen Robbie<br />
(AUS, 2004)<br />
Nijdam Jelle<br />
(HOL, 1987, 1988)<br />
Pevenage Rudy<br />
(BEL, 1980)<br />
Ronconi Aldo<br />
(ITA, 1947)<br />
Simpson Tom<br />
(GBR, 1962)<br />
Van Avermaet Greg<br />
(BEL, 2016, 2018)<br />
Vasseur Cédric<br />
(FRA, 1997)<br />
Zabel Erik<br />
(ALL, 1998, 2002)<br />
Samstag, 06. Juli 2019<br />
Brüssel > Brüssel<br />
192 km, flach<br />
Samstag, 13. Juli 2019<br />
Mâcon > Saint-Étienne<br />
199 km, hügelig<br />
Sonntag, 21. Juli 2019<br />
Limoux > Foix Prat d‘Albis<br />
Anquetil Jacques<br />
(FRA, 1957, 61, 62, 63, 64)<br />
Bertin Yvon<br />
(FRA, 1980)<br />
Buysse Jules<br />
(BEL, 1926)<br />
Da Silva Acacio<br />
(POR, 1989)<br />
E li Alberto<br />
(ITA, 2000)<br />
Ga lopin Tony<br />
(FRA, 2014)<br />
Gotti Ivan<br />
(ITA, 1995)<br />
Hushovd Thor<br />
(NOR, 2004, 2006, 2011)<br />
Kunde Karl-Heinz<br />
(ALL, 1966)<br />
Lubberding Henk<br />
(HOL, 1988)<br />
McGee Bradley<br />
(AUS, 2003)<br />
Nocentini Roberto<br />
(ITA, 2009)<br />
Piasecki Lech<br />
(POL, 1987)<br />
Rossi Giovanni<br />
(SUI, 1951)<br />
Sörensen Rolf<br />
(DAN, 1991)<br />
Van de Kerckhove Bernard<br />
(BEL, 1964, 1965)<br />
Vermeulin Michel<br />
(FRA, 1959)<br />
Zilioli Italo<br />
(ITA, 1970)<br />
185 km, Gebirge<br />
2.<br />
ETAPPE<br />
ETAPPENSIEGER<br />
9.<br />
ETAPPE<br />
ETAPPENSIEGER<br />
16.<br />
ETAPPE<br />
Archambaud Maurice<br />
(FRA, 1933, 1936)<br />
Bertogliati Rubens<br />
(SUI, 2002)<br />
Buysse Lucien<br />
(BEL, 1926)<br />
Delgado Pedro<br />
(ESP, 1987, 1988)<br />
E liott Seamus<br />
(IRL, 1963)<br />
Gaul Charly<br />
(LUX, 1958)<br />
Grosskost Charly<br />
(FRA, 1968)<br />
Impey Daryl<br />
(AFS, 2013)<br />
Lambot Firmin<br />
(BEL, 1919, 1922)<br />
Maes Romain<br />
(BEL, 1935, 1939)<br />
Merckx Eddy (BEL, 1969,<br />
1970, 1971, 1972, 1974, 75)<br />
Oberbeck Wi li<br />
(ALL, 1938)<br />
Pingeon Roger<br />
(FRA, 1967)<br />
Sagan Peter<br />
(SLQ, 2016, 2018)<br />
Speicher Georges<br />
(FRA, 1933, 1934)<br />
Vandenberghe Georges<br />
(BEL, 1968)<br />
Vervaecke Félicien<br />
(BEL, 1938)<br />
Zoetemelk Joop<br />
(HOL, 1971, 73, 78, 79, 80)<br />
ETAPPENSIEGER<br />
Aru Fabio<br />
(ITA, 2017)<br />
Berzin Evgueni<br />
(RUS, 1996)<br />
Ca lens Norbert<br />
(BEL, 1949)<br />
Delisle Raymond<br />
(FRA, 1976)<br />
Engels Jan<br />
(BEL, 1948)<br />
Gauthier Bernard<br />
(FRA, 1950)<br />
Groussard Georges<br />
(FRA, 1964)<br />
Indurain Miguel (ESP,<br />
1991, 1992, 93, 94, 95)<br />
Lambrecht Roger<br />
(BEL, 1948, 1949)<br />
Maes Sylvère<br />
(BEL, 1936, 1937, 1939)<br />
Mersch Arsène<br />
(LUX, 1936)<br />
Ocaña Luis<br />
(ESP, 1971, 1973)<br />
Planckaert Josef<br />
(BEL, 1962)<br />
San Miguel Gregorio<br />
(ESP, 1968)<br />
Spruyt Joseph<br />
(BEL, 1967)<br />
Vanderaerden Éric<br />
(BEL, 1983, 1985)<br />
Vietto René<br />
(FRA, 1939, 1947)<br />
Zü le Alex<br />
(SUI, 1992, 1996)<br />
Freitag 19. Juli<br />
Sonntag, 07. Juli 2019<br />
Brüssel - Palais Royal > Atomium<br />
27 km, Zeitfahren<br />
Sonntag, 14. Juli 2019<br />
Saint-Étienne > Brioude<br />
170 km, hügelig<br />
Dienstag, 23. Juli 2019<br />
Nîmes > Nîmes<br />
177 km, flach<br />
in alphabetischer Reihenfolge<br />
PAR ORDRE ALPHABÉTIQUE<br />
Bahamontes Federico<br />
(ESP, 1959, 1963)<br />
Biagioni Serafino<br />
(ITA, 1951)<br />
Cance lara Fabian (SUI,<br />
2004, 07, 09, 10, 12, 15)<br />
Dennis Rohan<br />
(AUS, 2015)<br />
Errandonea José-Maria<br />
(ESP, 1967)<br />
Gauthier Jean-Louis<br />
(FRA, 1983)<br />
Groussard Joseph<br />
(FRA, 1960)<br />
Jacquinot Robert<br />
(FRA, 1922, 1923)<br />
Lapébie Roger<br />
(FRA, 1937)<br />
Maechler Erich<br />
(SUI, 1987)<br />
Mi lar David<br />
(GBR, 2000)<br />
O’Grady Stuart<br />
(AUS, 1998, 2001)<br />
Poblet Miguel<br />
(ESP, 1955)<br />
Sastre Carlos<br />
(ESP, 2008)<br />
Stevens Julien<br />
(BEL, 1969)<br />
Van der Poel Adri<br />
(HOL, 1984)<br />
Virenque Richard<br />
(FRA, 1992, 2003)<br />
Samstag 20. Juli<br />
3.<br />
ETAPPE<br />
ETAPPENSIEGER<br />
10.<br />
ETAPPE<br />
ETAPPENSIEGER<br />
17.<br />
ETAPPE<br />
ETAPPENSIEGER<br />
Bakelants Jan<br />
(BEL, 2013)<br />
Boardman Chris<br />
(GBR, 1994, 1997, 1998)<br />
Carrea Andrea<br />
(ITA, 1952)<br />
De Pra Tommaso<br />
(ITA, 1966)<br />
Evans Cadel<br />
(AUS, 2008, 2010, 2011)<br />
Gaviria Fernando<br />
(COL, 2018)<br />
Guerra Learco<br />
(ITA, 1930)<br />
Jalabert Laurent<br />
(FRA, 1995, 2000)<br />
Lauredi Ne lo<br />
(FRA, 1952)<br />
Maertens Freddy<br />
(BEL, 1976)<br />
Moncassin Frédéric<br />
(FRA, 1996)<br />
Pantani Marco<br />
(ITA, 1998)<br />
Polidori Giancarlo<br />
(ITA, 1967)<br />
Schaer Fritz<br />
(SUI, 1953)<br />
Stieda Alex<br />
(CAN, 1986)<br />
Van der Velde Johan<br />
(HOL, 1986)<br />
Voeckler Thomas<br />
(FRA, 2004, 2011)<br />
Mittwoch 17. Juli<br />
Montag, 08. Juli 2019<br />
Binche > Épernay<br />
214 km, hügelig<br />
Montag, 15. Juli 2019<br />
Saint-Flour > Albi<br />
218 km, flach<br />
Mittwoch, 24. Juli 2019<br />
Pont du Gard > Gap<br />
206 km, hügelig<br />
Barone Nicolas<br />
(FRA, 1957)<br />
Bobet Louison<br />
(FRA, 1948, 53, 54, 55)<br />
Catieau José<br />
(FRA, 1973)<br />
Desbiens Laurent<br />
(FRA, 1998)<br />
Favero Vito<br />
(ITA, 1958)<br />
Gayant Martial<br />
(FRA, 1987)<br />
Guimard Cyri le<br />
(FRA, 1972)<br />
Janssen Jan<br />
(HOL, 1966, 1968)<br />
Lebaube Jean-Claude<br />
(FRA, 1966)<br />
Magne Antonin<br />
(FRA, 1931, 1934)<br />
Sonntag 28. Juli<br />
Moreau Christophe<br />
(FRA, 2001)<br />
Pauwels Eddy<br />
(BEL, 1959, 1963)<br />
Privat René<br />
(FRA, 1957)<br />
Schepens Julien<br />
(BEL, 1960)<br />
Stoepel Kurt<br />
(ALL, 1932)<br />
Van Est Wim<br />
(HOL, 1951, 1955, 1958)<br />
Voigt Jens<br />
(ALL, 2001, 2005)<br />
Donnerstag<br />
18. Juli<br />
Montag 15. Juli<br />
Sonntag 21. Juli<br />
4.<br />
ETAPPE<br />
ETAPPENSIEGER<br />
11.<br />
ETAPPE<br />
ETAPPENSIEGER<br />
18.<br />
ETAPPE<br />
ETAPPENSIEGER<br />
Bartali Gino<br />
(ITA, 1937, 38, 48, 49)<br />
Boonen Tom<br />
(BEL, 2006)<br />
Cavendish Mark<br />
(GBR, 2016)<br />
Desmet Gilbert<br />
(BEL, 1956, 1963)<br />
Fei lu Romain<br />
(FRA, 2008)<br />
Geldermans Albertus<br />
(HOL, 1962)<br />
Hamburger Bo<br />
(DAN, 1998)<br />
Karstens Gerben<br />
(HOL, 1974)<br />
Leblanc Luc<br />
(FRA, 1991)<br />
Magni Fiorenzo<br />
(ITA, 1949, 1950, 1952)<br />
Moser Francesco<br />
(ITA, 1975)<br />
Pedersen Jörgen-Vagn<br />
(DAN, 1986)<br />
Raas Jan<br />
(HOL, 1978)<br />
Schleck Andy<br />
(LUX, 2010, 2011)<br />
Teirlinck Willy<br />
(BEL, 1973)<br />
Van Impe Lucien<br />
(BEL, 1976)<br />
Voorting Gerrit<br />
(HOL, 1956, 1958)<br />
Elles apparaissent sur le Maillot Jaune à partir<br />
de 1949 pour honorer la mémoire d’Henri Desgrange,<br />
créateur du Tour de France, décédé en 1940.<br />
Elles disparaissent en 1984 avant d’être réhabilitées<br />
en 2003 par Jean-Marie Leblanc, alors directeur du Tour,<br />
à l’occasion du centenaire de l’épreuve.<br />
POSTER MJ.indd 1 06/05/2019 16:14:48<br />
INITIALES<br />
« HD »<br />
Sonntag 14. Juli<br />
Dienstag 16. Juli<br />
Dienstag, 09. Juli 2019<br />
Reims > Nancy<br />
215 km, flach<br />
Mittwoch, 17. Juli 2019<br />
Albi > Toulouse<br />
167 km, flach<br />
Donnerstag, 25. Juli 2019<br />
Embrun > Valloire<br />
207 km, Gebirge<br />
Samstag 13. Juli<br />
Montag 22. Juli<br />
5.<br />
ETAPPE<br />
ETAPPENSIEGER<br />
12.<br />
ETAPPE<br />
ETAPPENSIEGER<br />
19.<br />
ETAPPE<br />
BRÜSSEL<br />
Sonntag<br />
7. Juli<br />
Samstag 6. Juli<br />
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BELGIEN<br />
Dienstag<br />
9. Juli<br />
Dienstag<br />
23. Juli Mittwoch<br />
24. Juli<br />
Mittwoch, 10. Juli 2019<br />
Saint-Dié-des-Vosges > Colmar<br />
169 km, hügelig<br />
Donnerstag, 18. Juli 2019<br />
Toulouse > Bagnères-de-Bigorre<br />
202 km, Gebirge<br />
Freitag, 26. Juli 2019<br />
Saint-Jean-de-Maurienne > Tignes<br />
ETAPPENSIEGER<br />
123 km, Gebirge<br />
Donnerstag 11. Juli<br />
6.<br />
ETAPPE<br />
13.<br />
ETAPPE<br />
20.<br />
ETAPPE<br />
Freitag<br />
12. Juli<br />
Donnerstag, 11. Juli 2019<br />
Mülhausen > Planche d. Belles Filles<br />
ETAPPENSIEGER<br />
ETAPPENSIEGER<br />
ETAPPENSIEGER<br />
157 km, Gebirge<br />
Freitag, 19. Juli 2019<br />
Mittwoch<br />
10. Juli<br />
MÜHLHAUSEN<br />
Samstag 27. Juli<br />
Freitag 26. Juli<br />
Donnerstag 25. Juli<br />
Pau > Pau<br />
27 km, Zeitfahren<br />
Samstag, 27. Juli 2019<br />
Albertville > Val Thorens<br />
131 km, Gebirge<br />
7.<br />
ETAPPE<br />
ETAPPENSIEGER<br />
14.<br />
ETAPPE<br />
ETAPPENSIEGER<br />
21.<br />
ETAPPE<br />
Freitag, 11. Juli 2019<br />
Belfort > Chalon-sur-Saône<br />
230 km, flach<br />
Samstag, 20. Juli 2019<br />
Tarbes > Tourmalet Barèges<br />
117 km, Gebirge<br />
Sonntag, 23. Juli 2019<br />
Rambouillet > Paris Champs-Élysées<br />
ETAPPENSIEGER<br />
127 km, flach
50 PROCYCLING | JUNI 2019
D A S P H Ä N O M E N<br />
Mathieu van der Poels Sieg beim Amstel Gold Race<br />
elektrisierte den Radsport. <strong>Procycling</strong> zeichnet den Weg des jungen<br />
Niederländers vom Querfeldein-Star zur Klassiker-Sensation nach.<br />
Text Sam Dansie<br />
Fotografie Chris Auld<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 51
MATHIEU VAN DER POEL<br />
athieu van der Poels Sieg beim Amstel Gold Race<br />
war eine Anomalie, die Art von Sieg, die einmal in<br />
einer Generation vorkommt. Wie van der Poel einen<br />
Rückstand von mehr als einer Minute sechs<br />
Kilometer vor dem Ziel in 35 Sekunden 2,5 Kilometer<br />
vor dem Ziel verwandelte, dann den Sprint<br />
anzog und durchzog, kann man wohl am ehesten<br />
mit Moreno Argentins Coup bei Lüttich–Bastogne–Lüttich<br />
1987 vergleichen, als der Weltmeister<br />
am Boulevard de la Sauvenière auftauchte und<br />
Claude Criquielion und Stephen Roche den Sieg<br />
wegschnappte. Dass van der Poel seinen Erfolg im<br />
Trikot des niederländischen Meisters feierte,<br />
machte es zu einem JFK- oder vielleicht besser<br />
VdP-Moment. Die Fans werden sich immer erinnern,<br />
wo sie waren, als der kometengleiche Mathieu<br />
van der Poel zum ersten Mal beim Amstel<br />
gesichtet wurde.<br />
In diesem Jahr hat van der Poel die Klassiker<br />
zum ersten Mal ernsthaft in Angriff genommen<br />
– mit grandiosem Erfolg: Vierter bei Gent–Wevelgem,<br />
Erster beim Dwars door Vlaanderen und<br />
Vierter der Flandern-Rundfahrt waren seine Ergebnisse<br />
bei den Rennen auf Pavé. Er widerlegte<br />
die Auffassung, dass Erfahrung eng mit dem Erfolg<br />
bei diesen Rennen verbunden ist: Der 24-Jährige<br />
scherzte, sein einziger bisheriger Unterricht<br />
auf den Straßen von Flandern bestehe im Omloop<br />
Mandel-Leie-Schelde der Junioren und einigen<br />
bekannteren Anstiegen, die er zum Spaß gefahren<br />
sei. (Zwei flämische Etappen der Belgien-Rundfahrt<br />
vervollständigten seinen Lebenslauf.)<br />
Van der Poels Sieg beim Dwars door Vlaanderen<br />
machte ihn zu einem Favoriten für die Flandern-<br />
Rundfahrt. 60 Kilometer vor dem Ziel des größeren<br />
Rennens ging ein Hüpfer über ein Blumenbeet<br />
schief und er stürzte schwer. Aber er legte eine<br />
20 Kilometer lange Aufholjagd hin und schaffte es<br />
in die Verfolgergruppe. Eine Weile glaubte er, um<br />
den ersten Platz mitzufahren, weil er nicht wusste,<br />
dass sich Alberto Bettiol in der letzten Passage des<br />
Oude Kwaremont abgesetzt hatte.<br />
Nach einer Klassiker-Pause am Roubaix-Wochenende,<br />
als er den Circuit de la Sarthe fuhr – er<br />
gewann natürlich eine Etappe – machte van der<br />
Poel mit den Klassikern weiter und fuhr den Brabantse<br />
Pijl, bei dem er Julian Alaphilippe, Tim<br />
Wellens und Michael Matthews schlug. Dann<br />
kam das Amstel Gold Race. Nach Amstel schaute<br />
sich Het Nieuwsblad die erste Klassiker-Saison<br />
von Eddy Merckx an und erklärte, dass van der<br />
Poels qualitativ besser sei. Tatsächlich hatte van<br />
der Poel kaum daran gedacht, einen vollen Anlauf<br />
auf die Klassiker-Saison zu machen, bis er im<br />
vergangenen Juni die 220 Kilometer lange holländische<br />
Straßenmeisterschaft in Hoogerheide gewann,<br />
die auf einen erfolgreichen Block von<br />
Straßen rennen folgte.<br />
„Da sind alle ausgeflippt“, sagte van der Poel<br />
dem holländischen Journalisten Léon de Kort<br />
in diesem Jahr. „Da sind viele Entscheidungen<br />
über dieses Frühjahr und mein potenzielles Programm<br />
gefallen. Ich wollte keine zwei oder drei<br />
Jahre verlieren, in denen ich mich so langsam gefragt<br />
hätte, ob ich bei den Rennen etwas hätte<br />
ausrichten können.“<br />
Van der Poel war in den letzten vier Jahren<br />
eine der zwei dominanten Kräfte im Cyclocross<br />
neben Wout Van Aert. Der Belgier<br />
kam bei den Klassikern im letzten Jahr ebenfalls<br />
groß raus, wurde Dritter beim Strade Bianche,<br />
Zehnter bei Gent–Wevelgem und Neunter der<br />
Flandern-Rundfahrt. Aber van der Poel war noch<br />
dominanter in beiden Disziplinen. In der vergangenen<br />
Cyclocross-Saison gewann er 31 der 33<br />
Rennen, bei denen er startete, und krönte den<br />
Winter mit seinem zweiten Regenbogentrikot im<br />
dänischen Bogense. (Er holte seinen ersten Titel,<br />
als er 20 war, womit er zum jüngsten Cross-Weltmeister<br />
der Elite wurde). Im Juli 2018 wurde van<br />
der Poel holländischer Cross-Country-Mountainbike-Meister,<br />
sodass er jetzt drei nationale Trikots<br />
gleichzeitig besitzt. Im September holte er Bronze<br />
bei der Mountainbike-Weltmeisterschaft in der<br />
Schweiz. Trotz van der Poels Treue zu den Offroad-Disziplinen<br />
– er hat wiederholt seine Absicht<br />
geäußert, Holland bei Olympia in Tokio 2020 auf<br />
einem Mountainbike zu vertreten –, herrschte allgemein<br />
der Konsens, eines Tages werde er dem<br />
Sirenenruf des Straßenradsports folgen.<br />
Das deutete er vor den Klassikern an. „Ja, es<br />
macht natürlich mehr Spaß, wenn du gewinnst. Es<br />
klingt vielleicht ein bisschen blöd, aber das Gefühl,<br />
auf der Straße zu gewinnen, ist größer, als beim<br />
Cross zu gewinnen“, sagte er De Kort. „Es ist einfach<br />
ein kleines bisschen spezieller. Oder härter.<br />
Was ich meine, ist: Wenn du der Beste bei Cross-<br />
Rennen bist, gewinnst du neun von zehn Mal. Auf<br />
der Straße ist das nicht so. Im letzten Sommer waren<br />
wir auf der Straße mit einer festen Gruppe von<br />
Fahrern, und das lief sehr gut. Es war wirklich gut.“<br />
In der Tat lief es gut: Van der Poel gewann<br />
sechs Straßenrennen von Mai bis Mitte August.<br />
Er verpasste nur knapp einen Sieg bei der Europameis<br />
terschaft in Glasgow, kam aber im Finale<br />
SIEGE AUF<br />
DER STRASSE<br />
2014<br />
Ronde van Limburg<br />
2017<br />
Etappe Belgien-<br />
Rundfahrt<br />
2 Etappen Boucles<br />
de la Mayenne<br />
Boucles de la Mayenne<br />
Dwars door het<br />
Hageland<br />
2018<br />
Etappe Boucles<br />
de la Mayenne<br />
Eintagesrennen<br />
Etappensieg<br />
Gesamtsieg<br />
17<br />
SIEGE<br />
STRASSE<br />
Boucles de la Mayenne<br />
Ronde van Limburg<br />
Niederländische<br />
Straßenmeisterschaft<br />
2 Etappen Arctic<br />
Race of Norway<br />
2019<br />
Grand Prix de Denain<br />
Dwars door<br />
Vlaanderen<br />
Etappe Circuit<br />
Cycliste Sarthe<br />
De Brabantse Pijl<br />
Amstel Gold Race<br />
52 PROCYCLING | JUNI 2019
MATHIEU VAN DER POEL<br />
Nach seinem Sieg bei<br />
der niederlän dischen<br />
Straßenmeisterschaft<br />
letztes Jahr gab van der<br />
Poel auf der Straße Gas.<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 53
MATHIEU VAN DER POEL<br />
© Getty Images (oben)<br />
auf den Geschmack. „Ich habe festgestellt, dass<br />
Straßenradsport die größere internationale Disziplin<br />
ist. Es wird für die Leute wirklich leben -<br />
dig“, sagte er.<br />
Aber nach Amstel stellte er gegenüber Sporza<br />
richtig, wo das Fahren im Gelände in seinen Prioritäten<br />
steht: „Es macht trotzdem mehr Spaß.“<br />
Wagemutig im Radsport wie im Leben,<br />
das fasst diesen jungen Fahrer zusammen.<br />
Van der Poel mag keine Pläne; er<br />
ist impulsiv, ein Draufgänger. In diesem Jahr hat<br />
er seine Cross- und Straßensaison mit einem Skiurlaub<br />
in Morzine getrennt. Er fährt eigentlich<br />
lieber Motocross, als in die Pedale zu treten. Im<br />
letzten Jahr nach der Cross-Weltmeisterschaft in<br />
Valkenburg kam sein Vater Adri nach Hause und<br />
stellte fest, dass Mathieu nicht da war und „niemand<br />
wusste, wo er war“. Es stellte sich heraus,<br />
dass sein Sohn nach Finnland geflogen war und<br />
Rallyewagen auf zugefrorenen Seen fuhr. Ein<br />
Freund hatte angerufen und ihm das vorschlagen,<br />
also hatte er die Tasche gepackt und war zum<br />
Flughafen gefahren.<br />
„Das ist typisch Matje, seinen Eingebungen zu<br />
folgen. Deswegen sollte man ihn nicht mit Programmen<br />
und Plänen traktieren. Die funktionieren<br />
sowieso nicht“, sagte Adri. Auch er hat Benzin<br />
im Blut. Vor Kurzem hat er einen neuen Schuppen<br />
gebaut, um seine wachsende Sammlung von<br />
Sportwagen und Motorrädern unterzubringen.<br />
Im Cyclocross ist van der Poel für sein Geschick<br />
bekannt. Es gibt zahlreiche Fotos und Videos von<br />
seiner wunderbaren Radbeherrschung – wie er<br />
Sprünge und Wheelies abzieht und so weiter.<br />
Meistens zeigen die Bilder, wie andere Fahrer<br />
durch den Schlamm wabbeln, während van der<br />
Poel die Kraft und Kontrolle in Person ist. Er<br />
scheint ein Mann ohnegleichen zu sein.<br />
Als Rennfahrer macht seine Abstammung ihn<br />
dazu. Sein Vater holte Siege bei der Flandern-<br />
Rundfahrt 1986, Lüttich–Bastogne–Lüttich<br />
1988 und Amstel 1990. In seinen 20 Jahren als<br />
Profi gewann Adri zudem eine Reihe von Halbklassikern<br />
und zwei Etappen der Tour. Gegen<br />
Ende dieser langen Karriere konzentrierte er sich<br />
auf den Cross-Sport. Er war sechsmal niederländischer<br />
Cyclocross-Meister und einmal Weltmeister<br />
– 1996. Adri ist verheiratet mit Corinne, der<br />
Tochter von Raymond Poulidor. „Der ewige Zweite“<br />
Poulidor stand zwischen 1962 und 1976<br />
achtmal auf dem Tour-Podium. Corinne und Adri<br />
haben zwei Söhne: David, 26, und Mathieu, 24.<br />
David ergriff als Erster den Familienberuf, aber<br />
Erst auf der Linie ist es vorbei: Beim<br />
Amstel legt der junge Niederländer die<br />
Aufholjagd des Jahres hin.<br />
Als zweifacher Querfeldein-Weltmeister<br />
ist van der Poel an widrige Umstände gewöhnt<br />
– übrigens auch auf dem MTB.<br />
54 PROCYCLING | JUNI 2019
MATHIEU VAN DER POEL<br />
Mathieu erwies sich als der Versierteste. Renaat<br />
Schotte, der belgische Journalist, bemerkte einmal,<br />
dass die Zähigkeit und das Temperament des<br />
jungen Mathieu von seinem bei den Klassikern<br />
glänzenden Vater kommen.<br />
Die frühere Klassiker-Legende Fabian Cancellara<br />
nannte van der Poels Leistung auf der Straße<br />
in diesem Frühjahr eine „verrückte Mischung aus<br />
Spaß und Coolness, aber ohne Druck“. Auch Adri<br />
fand, dass die Performance seines Sohnes mühelos<br />
ausgesehen habe. „Die Leichtigkeit, mit der er<br />
tritt, habe ich vorher nie gesehen. Von dem Tag<br />
an, wo Matje aufs Rad gestiegen ist, war er ein<br />
Sieger.“ Doch er fügte hinzu: „Er hat hart dafür<br />
gearbeitet. Es ist ihm nicht in den Schoß gefallen.“<br />
Es überrascht vielleicht nicht, dass noch vor<br />
diesem Sieg beim Amstel Gold Race die<br />
ersten WorldTour-Teams van der Poel<br />
„kontaktiert“ hatten. Das war immer so für den<br />
Straßenweltmeister der Junioren von 2013, aber<br />
jetzt konnte er seinen Preis nennen. Zuvor hatte er<br />
Interesse bekundet, für Deceuninck zu fahren –<br />
sein Vater ist mit dem Boss des belgischen Teams,<br />
Patrick Lefevere, befreundet. Aber fürs Erste bleibt<br />
van der Poel bei Corendon-Circus. Philip und<br />
Christoph Roodhooft, die Brüder, die das Team<br />
managen, haben sich als sehr stabile Bleibe erwiesen.<br />
Sie haben bewusst und sorgfältig ein Team<br />
auf ihn ausgerichtet, das die Vielseitigkeit hat,<br />
Rennen in allen drei Disziplinen zu bestreiten.<br />
„DIE LEICHTIGKEIT, MIT DER ER TRITT, HABE ICH<br />
VORHER NIE GESEHEN. VON DEM TAG AN, WO MATJE<br />
AUFS RAD GESTIEGEN IST, WAR ER EIN SIEGER.“<br />
Van der Poel hat einen Vertrag bis 2023 bei dem<br />
Team und will ihn einhalten, während Philip<br />
Roodhooft versichert, das nötige Kleingeld zu<br />
haben, um das Team entsprechend den Ambitionen<br />
seines talentierten Schützlings zu entwickeln.<br />
„In drei oder vier Jahren kann Mathieu ein Fahrer<br />
sein, der das Grüne Trikot der Tour anstreben<br />
kann.“ Vielleicht ist die größte Herausforderung<br />
für die Roodhooft-Brüder, mit dem unglaublichen<br />
Aufstieg ihres jungen Stars mitzuhalten.<br />
Kurzfristiger markierte das Amstel Gold Race<br />
das Ende von van der Poels Ausflug auf die Straße.<br />
Während der Fokus sich auf die großen Rundfahrten<br />
verlagert, soll er ein volles Programm von<br />
Mountainbike-Weltcups fahren. Der niederländische<br />
Nationaltrainer möchte van der Poel für<br />
die Straßen-Weltmeisterschaft in Yorkshire. „Es<br />
ist ein Kurs, der ihm perfekt liegt“, sagt er. Ob<br />
VdP ihm den Wunsch erfüllt, ist eine andere Frage.<br />
Eine wichtige Lektion, die Mathieu van der<br />
Poel bereits gelernt hat, ist, ihnen nicht alles auf<br />
einmal zu geben.<br />
© Kramon<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 55
56 PROCYCLING | JUNI 2019
DIE<br />
WEGBEREITERIN<br />
Christine Majerus war in den letzten sechs Jahren als eine<br />
der wertvollsten Helferinnen des Teams eine Konstante bei<br />
Boels-Dolmans. Sie ist auch eine von nur zwei Fahrerinnen,<br />
die Luxemburg im Frauen-Peloton repräsentieren.<br />
<strong>Procycling</strong> hat die Fahrerin getroffen,<br />
die ihrer Nation den Weg bereitet.<br />
Text Sophie Hurcom Fotografie Chris Auld<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 57
CHRISTINE MAJERUS<br />
© Getty Images<br />
Es kann gut sein, dass Ihnen Christine<br />
Majerus schon einmal aufgefallen ist. Die<br />
Boels-Dolmans-Fahrerin ist leicht auszumachen<br />
dank ihrer blau-weiß-roten Streifen der<br />
luxemburgischen Meisterin, die sie seit 2010 in<br />
jeder Saison trägt. Aber obwohl Majerus ein fester<br />
Bestandteil eines der erfolgreichsten Radsportteams<br />
der letzten sechs Jahre ist und zu einigen<br />
seiner größten Siege beigetragen hat, sind es ihre<br />
Teamkolleginnen, die die Schlagzeilen bestimmen.<br />
Die letzten vier Straßenweltmeisterinnen<br />
waren Boels-Fahrerinnen, und auch wenn die Dominanz<br />
des Teams nicht mehr absolut ist, hat es<br />
viele große Rennen gewonnen.<br />
Majerus betrachtet sich nicht als Star und fährt<br />
häufig als Helferin. Aber sie ist eine Wegbereiterin,<br />
eine der wenigen Fahrerinnen ihres Landes in<br />
der Women’s WorldTour. 2019 ist sie eine von<br />
nur zweien; Chantal Hoffmann von Lotto Soudal<br />
ist die andere.<br />
Luxemburg hat, was Radprofis anbelangt, immer<br />
mehr Qualität als Quantität hervorgebracht.<br />
Die erste Weltmeisterin überhaupt, Elsy Jacobs,<br />
war aus Luxemburg. Jacobs war eine Pionierin,<br />
die das Regenbogentrikot 1958 trug. Bei den<br />
Männern sind die Namen bekannter: Charly Gaul,<br />
Kim Kirchen, die Schleck-Brüder Andy und Fränk<br />
sowie heute Bob Jungels zählen zu den fünf berühmtesten.<br />
Trotzdem haben sich wenige Fahrerinnen<br />
durchgesetzt. Viele hatten das Talent dafür,<br />
aber der Weg und die Möglichkeiten, die<br />
ihnen geboten wurden, waren viel weniger klar als<br />
bei den Männern. Der Pool weiblicher Fahrer ist<br />
so klein, das Majerus’ Hauptziel in dieser Saison<br />
ist, genug UCI-Punkte zu sammeln, um sich für<br />
Olympia in Tokio 2020 zu qualifizieren – ihre<br />
Verantwortung als Luxemburgs Topfahrerin. Majerus<br />
ist zwar kein Star, doch sie hält die Fahne<br />
auf jeden Fall hoch.<br />
Als <strong>Procycling</strong> Majerus in ihrem Team-Hotel<br />
im belgischen Moorsel trifft, sind es noch zwei<br />
Tage hin bis zur Flandern-Rundfahrt, einem ihrer<br />
Lieblingsrennen. Es war ein frustrierender Start<br />
in die Saison für sie. Nachdem sie im Winter die<br />
Cyclo cross-Saison absolviert hatte, kam sie in guter<br />
Form in die Saison, stürzte aber beim Omloop<br />
Het Nieuwsblad, ihrem ersten Rennen. Daher<br />
fuhr sie beim Strade Bianche hinterher und kam<br />
dann bei der Ronde van Drenthe erneut zu Fall.<br />
Wie Majerus es sieht, sind das halbe Frühjahr und<br />
Majerus fährt schon seit 2010 im Trikot<br />
der luxemburgischen Straßenmeisterin.<br />
die wertvollen UCI-Punkte, die zu holen sind,<br />
schon vergeudet.<br />
Aber das mindert Majerus’ Begeisterung für<br />
diese Jahreszeit nicht. Über die Flandern-Rundfahrt<br />
sagte sie: „Es ist ein Tag, es ist oft schlechtes<br />
Wetter, Kopfsteinpflaster und du musst dein Rad<br />
beherrschen. Wenn du einen Cyclocross-Hintergrund<br />
hast, hilft es. Ich mag alle Klassiker, erst<br />
recht, seit ich bei Boels bin.“<br />
Aber sie schätzt ihre Chancen, selbst ein Ergebnis<br />
zu erzielen, realistisch ein. Ihre Rolle wird<br />
sein, sich für die anderen zu opfern „Ich bin die<br />
letzten vier Jahre mit Weltmeisterinnen gefahren,<br />
und sie haben auch Frühjahrsklassiker gewonnen,<br />
daher hatte ich keine Wahl, aber deswegen liebe<br />
ich die Rennen nicht weniger“, sagt sie.<br />
Majerus beeilt sich zu betonen, dass sie bei<br />
Boels-Dolmans nicht die Teamkapitänin ist. Tatsächlich<br />
sagt sie es ziemlich oft. Sie ist Allrounderin,<br />
kann in Anstiegen von bis zu rund zwei Kilo-<br />
58 PROCYCLING | JUNI 2019
CHRISTINE MAJERUS<br />
„ICH WEISS, DASS WIR BEI JEDEM RENNEN WENIGSTENS<br />
EINE IM TEAM HABEN, DIE GEWINNEN KANN.“<br />
metern gut klettern und sie kann sprinten, aber sie<br />
ist in beidem nicht unbedingt die Beste der Welt.<br />
Doch die letzten beiden Jahre waren ihre besten.<br />
Sie war Vierte der Tour of Norway und der Women’s<br />
Tour, Zweitplatzierte beim Festival Elsy Jacobs<br />
und Dritte der Healthy Ageing Tour 2018. Im<br />
Jahr zuvor war sie Sechste des WM-Straßenrennens<br />
in Bergen. Frustrierend knappe Ergebnisse,<br />
aber Zeugnis ihrer Beständigkeit.<br />
„Ich bin keine Kapitänin, aber ich habe schöne<br />
Resultate geholt und denke, die letzten beiden<br />
Jahre waren meine besten“, sagt Majerus. „Nicht<br />
von der Anzahl der Siege her, denn das ist schwer<br />
bei so vielen guten Fahrerinnen um mich herum,<br />
aber so, wie ich mich gefühlt habe, habe ich gedacht,<br />
dass es nicht besser werden kann.“<br />
Majerus hätte nie damit gerechnet, den Radsport<br />
eines Tages zum Beruf zu machen, obwohl<br />
der Sport ihre Berufung zu sein schien. Als Teenager<br />
machte sie Leichtathletik, lief die 400 und<br />
800 Meter, bevor Fußverletzungen sie zum Aufhören<br />
zwangen. Damals war ihr älterer Bruder in<br />
dem Radsportverein, in dem auch Fränk Schleck<br />
fuhr und bei dem Majerus heute noch Mitglied ist.<br />
Aus Neugier fing sie mit dem Radsport an, und<br />
mit 18 fuhr sie 2005 ihre erste luxemburgische<br />
Straßenmeisterschaft. Sie wurde Siebte.<br />
Trotzdem sah Majerus im Radsport noch keine<br />
Karriere. „Es war kein Sport für Mädchen“, sagt<br />
sie. Stattdessen studierte sie Sportwissenschaften,<br />
und erst als sie mit 21 ihren Abschluss<br />
machte, fing sie an, über die Zukunft nachzudenken.<br />
Ihre Leistungen auf dem Rad erleichterten<br />
ihr die Entscheidung. 2007 gewann sie ihren ersten<br />
luxemburgischen Zeitfahr-Titel (den sie bisher<br />
elfmal verteidigt hat) und wurde Dritte des<br />
Kaum eine Fahrerin ist schon so lange<br />
bei Boels-Dolmans wie Majerus.<br />
Majerus an der Muur van Geraardsbergen<br />
bei der Flandern-Rundfahrt 2017.<br />
© Velofocus (unten)<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 59
CHRISTINE MAJERUS<br />
Majerus kritisiert die Entscheidung der UCI,<br />
das Mannschaftszeitfahren zu streichen.<br />
Straßenrennens. Der luxemburgische Verband<br />
klopfte an die Tür und bot ihr einen Platz für die<br />
Tour de l’Ardèche an. In der folgenden Saison ging<br />
sie zum französischen Team ESGL 93-GSD Gestion,<br />
wo sie fünf Jahre blieb.<br />
Majerus ist eine Teamplayerin. Da sie einen<br />
Großteil ihrer Karriere als Helferin verbrachte,<br />
zieht sie die Zufriedenheit im Job daraus, anderen<br />
zum Sieg zu verhelfen. Dass sie eine feste Größe<br />
im Boels-Aufgebot ist, zeigt, wie geschätzt sie als<br />
Fahrerin ist.<br />
„Natürlich gibt es Rennen, wo du denkst: ‚Heute<br />
hätte ich auch gerne gesprintet‘, aber wir sind alle<br />
Profi genug, um zu tun, was am besten für das<br />
Team ist. Seitdem ich für dieses Team Rennen<br />
fahre, war das immer die Priorität“, sagt sie. „Ich<br />
weiß, dass wir bei jedem Rennen wenigstens eine<br />
im Team haben, die gewinnen kann. Wenn es<br />
funktioniert, ist es das beste Gefühl.“<br />
Vielleicht deswegen bringt ihr das Mannschaftszeitfahren<br />
eine besondere Befriedigung: das perfekte<br />
Beispiel eines Teams, das zusammen für ein<br />
Ziel arbeitet. Sie wurde mit Boels Weltmeisterin<br />
im Mannschaftszeitfahren in Katar 2016 und<br />
gewann drei weitere Silbermedaillen. Von diesem<br />
Jahr an ist das Mannschaftszeitfahren kein<br />
WM-Event mehr. Die UCI streicht es und führt<br />
ein Teamzeitfahren mit gemischten nationalen<br />
Staffeln ein. Majerus kann das nicht verstehen.<br />
„Es ist enttäuschend, dass sie es gestrichen haben.<br />
Wenn es nur gestrichen worden wäre, hätte<br />
ich es verstanden, aber es zu ändern …“, sagt sie mit<br />
einem verzweifelten Lachen. „Es ist alles gut und<br />
schön und Gender Equality und bla bla bla, aber<br />
die kleinsten Nationen haben nie eine Chance, bei<br />
dem Rennen irgendwas zu gewinnen. Das war das<br />
Schöne an dem Markenteam, es ging um das<br />
Team, und egal, wo du herkamst, hatte jeder eine<br />
Chance. Wenn du zu den Besten gehörtest und im<br />
besten Team warst, konntest du gewinnen.“<br />
Sie sagt weiter: „Bob [Jungels, Deceuninck] hat<br />
im letzten Jahr gewonnen und ich habe in Katar<br />
gewonnen. Aber Luxemburg wird das neue Rennen<br />
nie gewinnen; wir würden noch nicht mal in<br />
die Medaillenränge kommen. Wir haben starke<br />
Fahrer, aber das wird uns niemals gegen die Holländer<br />
helfen, die was weiß ich wie viele, Hunderte<br />
beste Fahrer haben.“<br />
Majerus gibt zu, dass ihr Urteil über den Verlust<br />
des Mannschaftszeitfahrens vielleicht verzerrt<br />
ist, weil sie für ein Team fährt, das gut darin<br />
ist. Andere, die nicht die Ressourcen haben, um<br />
so konkurrenzfähig zu sein, sehen das vielleicht<br />
anders. Trotzdem sieht sie das von der UCI neu<br />
geschaffene Rennen skeptisch, da es die Fahrer<br />
zwingt, ohne viel Training zusammen zu fahren,<br />
trotz der technischen und physischen Ansprüche.<br />
„Das einst schöne Event auf sehr hohem Niveau<br />
wird wie Folklore werden“, sagt sie weiter, „weil es<br />
nicht trainiert wird.“<br />
Es ist interessant, Majerus über die Nachteile<br />
der holländischen Dominanz im Frauenradsport<br />
reden zu hören, wenn man bedenkt, dass sie für<br />
das größte holländische Team fährt und die meisten<br />
Topfahrerinnen des Landes ihre Teamkolleginnen<br />
sind oder waren. Aber bei den meisten Europa-<br />
und Weltmeisterschaften und Olympischen<br />
Spielen ihrer Karriere die einzige Fahrerin zu sein,<br />
die Luxemburg repräsentiert, hat ihr eine Perspektive<br />
gegeben, die ihre Kolleginnen von größeren<br />
Radsportnationen nicht haben.<br />
„Es ist immer hart, wenn du allein bist. Das ist<br />
der Nachteil der Weltmeisterschaften und Olympischen<br />
Spiele“, sagt Majerus. „Es ist schwer, gegen<br />
große Nationen zu kämpfen. Das habe ich<br />
letztes Jahr bei der Europameisterschaft gesehen.“<br />
Die Europameisterschaften gewann die Italiene-<br />
CHRISTINE MAJERUS:<br />
WICHTIGE ERGEBNISSE<br />
1.<br />
2.<br />
3.<br />
1.<br />
Luxemburgische<br />
Straßenmeisterschaft 2010,<br />
2011, 2012, 2013, 2014, 2015,<br />
2016, 2017, 2018<br />
Luxemburgische Zeitfahrmeisterschaft<br />
2007, 2008,<br />
2009, 2010, 2011, 2012, 2013,<br />
2014, 2015, 2016, 2017, 2018<br />
Etappe Festival Elsy Jacobs<br />
2017, 2018<br />
Festival Elsy Jacobs 2017<br />
Etappe Women’s Tour 2015<br />
2016<br />
La Classique Morbihan 2016<br />
Dwars door de Westhoek<br />
2016<br />
Sparkassen Giro 2013<br />
2.<br />
Etappe Festival Elsy Jacobs<br />
2018<br />
Etappe Healthy Ageing Tour<br />
2018<br />
Women’s Tour 2017<br />
Etappe Women’s Tour 2017<br />
Flanders Diamond Tour 2016<br />
GP de Plumelec-<br />
Morbihan Dames 2016<br />
Drentse Acht van Westerveld 2016<br />
Tour de Bretagne Feminin 2015<br />
Etappe Tour de Bretagne<br />
Féminin 2015 (2)<br />
Etappe Internationale<br />
Thüringen Rundfahrt 2014<br />
Erpe-Mere 2011<br />
Sparkassen Giro 2011<br />
Luxemburgische Straßenmeisterschaft<br />
2008, 2009<br />
3.<br />
Etappe Women’s Tour 2015,<br />
2017 (2), 2018<br />
Healthy Ageing Tour 2018<br />
Etappe Healthy Ageing Tour 2018<br />
Driedaagse Brugge-De Panne<br />
2018<br />
Etappe Tour of Norway 2017<br />
Etappe Festival Elsy Jacobs<br />
2016, 2017 (2)<br />
EPZ Omloop van Borsele 2016<br />
Etappe Energiewacht Tour<br />
2015, 2016<br />
Etappe Boels Rental<br />
Ladies Tour 2015<br />
Etappe Tour de Bretagne<br />
Féminin 2012, 2015<br />
Women’s Tour 2015<br />
GP Cycliste de Gatineau 2015<br />
Energiewacht Tour 2015<br />
Novilon Eurocup 2015<br />
Erondegemse Pijl 2013<br />
Knokke-Heist 2011<br />
Etappe Tour Cycliste Féminin<br />
International de l’Ardèche 2010<br />
National Championships RR 2007<br />
60 PROCYCLING | JUNI 2019
CHRISTINE MAJERUS<br />
rin Marta Bastianelli, die sieben Teamkolleginnen<br />
unter den 31 Fahrerinnen hatte, die weniger<br />
als eine Minute hinter ihr waren, weit vor dem<br />
Rest des Feldes. Es waren auch sieben holländische<br />
Fahrerinnen da, und ihre Taktik diktierte<br />
das Rennen.<br />
„Das war der wohl schlimmste Tag, den ich<br />
gesehen habe. Ich sah nur Orange, und sie dominieren<br />
das Rennen einfach. Ich hätte um eine<br />
Medaille mitfahren können, aber sie haben dich<br />
nur abblitzen lassen, die ganze Zeit. Ich mag sie,<br />
ich habe mein halbes Leben mit den Dutchies<br />
verbracht. Doch du kannst als Fahrerin gut sein,<br />
aber du bekommst nie eine Chance, weil du es<br />
nicht mit acht Dutchies aufnehmen kannst. Bei<br />
der Cyclocross-WM in diesem Jahr gab es diese<br />
lange Gerade. Ich schaute auf und sah nur Orange.<br />
Es ist nett, dass sie sehr stark sind, es ist gut<br />
für sie und das System funktioniert, aber“, sagt<br />
sie und stößt Luft aus, „wenn du aus einem kleineren<br />
Land kommst, ist es ein bisschen schwer<br />
zu akzeptieren.“<br />
Bei der Weltmeisterschaft 2023 haben die Athleten<br />
zwar mehrere Tage Zeit zwischen den<br />
Bahn- und Straßenwettbewerben. Der Nachteil<br />
ist, dass sie die ganze Saison über beides trainieren<br />
müssen, statt es zu trennen. Peter Sagan<br />
und Ferrand-Prévot wollten bei den Olympischen<br />
Spielen 2016 sowohl Mountainbike als<br />
auch auf der Straße fahren und mussten sich für<br />
eins entscheiden, oder sie hätten sich in beiden<br />
Disziplinen schwergetan.<br />
„Der Sport wird so spezialisiert, du musst das<br />
Training darauf einstellen. Für ein WM-Straßenrennen<br />
zu trainieren ist wirklich nicht dasselbe,<br />
wie für ein Mountainbike-Rennen zu trainieren,<br />
gerade auf höchstem Niveau“, sagt sie.<br />
Aber vor 2023 kann sich Majerus auf einiges<br />
konzentrieren. Die Flagge ihres Landes hochzuhalten,<br />
ist eine Verantwortung, die sie ernst<br />
nimmt, auch wenn sie hofft, dass andere sich ihr<br />
bald anschließen.<br />
„Ich hoffe, dass ich den Mädchen in den letzten<br />
paar Jahren gezeigt habe, dass es möglich ist“,<br />
sagt sie. „Jetzt sehen wir, dass einige Mädchen<br />
versuchen, in den Radsport einzusteigen, und es<br />
ist schön zu sehen, dass ich vielleicht etwas dazu<br />
beigetragen habe.“<br />
„DU KANNST ALS FAHRERIN GUT SEIN, ABER DU<br />
BEKOMMST NIE EINE CHANCE, WEIL DU ES NICHT MIT<br />
ACHT DUTCHIES AUFNEHMEN KANNST.“<br />
Majerus ist eine von nur fünf Fahrerinnen,<br />
die Straßenradsport mit Cyclocross auf<br />
höchstem Niveau kombinieren – Marianne<br />
Vos, Lucinda Brand, Pauline Ferrand-Prévot<br />
und Jolanda Neff sind die anderen. Ohne Radrennbahn<br />
in Luxemburg ist Cross im Winter die<br />
Sportart der Wahl. Nach einer Saison, in der sie<br />
für andere auf der Straße fährt, gibt es ihr Freiheit.<br />
„Manchmal macht es mehr Spaß als auf der<br />
Straße. Auf der Straße ist es strenger“, sagt sie.<br />
„Ich muss nicht an andere denken; ich kann mich<br />
auf mich selbst konzentrieren. Nach einer langen<br />
Zeit, wo ich für andere da sein muss, ist es gut für<br />
die Psyche.“<br />
Wenige Fahrerinnen nehmen regelmäßig sowohl<br />
Straße als auch Cross auf höchstmöglichem<br />
Niveau in Angriff – was zeigt, wie groß die Herausforderung<br />
ist. Die Struktur des Kalenders gibt<br />
den Fahrerinnen aber die Möglichkeit, es auszuprobieren.<br />
Sowohl Bahn als auch Cross finden im<br />
Winter statt, wenn die Straßensaison ruht. Aber<br />
in vier Jahren wird es anders aussehen, wenn bei<br />
der ersten kombinierten Radsport-Weltmeisterschaft<br />
2023 in Glasgow Fahrer und Fahrerinnen<br />
in zwei Wochen im August um Regenbogentrikots<br />
auf der Straße, der Bahn, im Mountainbiking<br />
und BMX kämpfen.<br />
Es wird als Radsport-Olympia verkauft, aber<br />
Majerus ist skeptisch. „Da ist die Gefahr, es zu<br />
übertreiben. Ich glaube, Burnout ist ein echtes<br />
Problem. Ich habe Angst, dass die UCI die Gesundheit<br />
der Athleten nicht über ihr Marketing<br />
und/oder das finanzielle Ergebnis stellt“, sagt sie.<br />
Majerus gewinnt die erste<br />
Etappe ihres Heimrennens<br />
Festival Elsy Jacobs 2017.<br />
© Velofocus<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 61
DER NEUE CHEF<br />
SIR JIM RATCLIFFE<br />
IST DER CHEMIE-<br />
MAGNAT, DER AUCH<br />
EIGENTÜMER VON<br />
DAVE BRAILSFORDS<br />
TOURSIEGER-TEAM<br />
IST. WIR FRAGEN:<br />
WER IST ER?<br />
Text Matt Majendie Illustration David Despau<br />
62 PROCYCLING | JUNI 2019
JUNI 2019 | PROCYCLING 63
JIM RATCLIFFE<br />
© Getty Images<br />
Für Tour-de-France-Champion Geraint Thomas<br />
und seine Sky-Teamkollegen war es die typische<br />
Trainingsfahrt, als sie von ihrer jeweiligen Wohnung<br />
in Monaco aus zu einer relativ lockeren Trainingsrunde<br />
aufbrachen.<br />
Es ist nicht ungewöhnlich, dass andere Gesichter<br />
in ihrem kleinen Peloton auftauchen –<br />
Fahrer von vielen verschiedenen Teams, die in<br />
der Gegend leben, bilden oft Trainingsgruppen<br />
– und am Ende der Gruppe fuhr ein älterer Mann<br />
im Radsportdress mit. Ein paar Tage später war<br />
Sir Jim Ratcliffe, der reichste Mann Großbritanniens,<br />
Eigentümer des Chemieunternehmens<br />
Ineos und neuerdings ebenfalls mit monegassischem<br />
Wohnsitz ausgestattet, offizieller Eigentümer<br />
des Teams, das früher Team Sky hieß …<br />
also Thomas’ Arbeitgeber.<br />
Der Waliser lässt sich nicht leicht beeindrucken.<br />
Seit seinem Toursieg hat er Trikots mit<br />
Barcelona-Spielmacher Lionel Messi und dem<br />
früheren walisischen Rugby-Kapitän Sam Warburton<br />
getauscht und in einer BBC-Talksendung<br />
mit Nicole Kidman auf dem Sofa gesessen.<br />
Thomas’ Fazit aus der Trainingsfahrt war<br />
schlicht, dass die Leute seiner Erfahrung nach<br />
„umso netter sind, je reicher sie sind“. Sein Eindruck<br />
von einem Mann, dessen Vermögen laut<br />
Reichenliste der Sunday Times 21 Milliarden<br />
Pfund (24 Milliarden Euro) beträgt, war, dass er<br />
„wirklich bescheiden und bodenständig“ sei. Die<br />
Ausfahrt hat es Ratcliffe letztlich schmackhaft<br />
gemacht, einen Drei-Jahres-Vertrag über<br />
120 Millionen Pfund zu unterschreiben, damit<br />
aus dem Team Sky das Team Ineos wird.<br />
Diese helle Begeisterung für den Ineos-Eigentümer<br />
wird nicht von allen geteilt. In der Grangemouth-Raffinerie<br />
in Schottland, wo Ratcliffe<br />
einen langen und erbitterten Streit mit den Gewerkschaften<br />
führte, bekam er den Spitznamen<br />
Ratcliffe hat bereits<br />
die Ambitionen des<br />
Seglers Ben Ainslie (li.)<br />
auf den America’s Cup<br />
unterstützt.<br />
„Dr. No“ nach dem James Bond-Schurken – so<br />
oft, wie er die Forderungen der Arbeitnehmer abgelehnt<br />
hatte. Diese warfen ihm auch vor, sich wie<br />
ein „viktorianischer Fabrikant“ zu verhalten.<br />
Ein Wirtschaftsjournalist, der nicht genannt<br />
werden will, verglich Ratcliffe mit Montgomery<br />
Burns, der reichen und geizigen Figur von den<br />
Simpsons, während der Labour-Abgeordnete<br />
Michael Connerty, in dessen Wahlkreis Grangemouth<br />
liegt, sein parlamentarisches Privileg nutzte<br />
und sagte, Ratcliffe sei in seinem Verhalten das<br />
„Äquivalent zu einem russischen Oligarchen“.<br />
Der Wirtschaftsjournalist Simon English fragte<br />
in seiner Zeitungskolumne, ob Ratcliffe, der unlängst<br />
seinen Wohnsitz nach Monaco verlegt hat<br />
und dadurch Analysten zufolge vier Milliarden<br />
Pfund Steuern sparen könnte, mit diesem Schritt<br />
„alles tue, um zum unbeliebtesten Mann Großbritanniens<br />
zu werden“.<br />
Der 66-Jährige ist ein gnadenloser Geschäftemacher.<br />
Als der Chemiekonzern Solvay drei Tage<br />
zu früh bekanntgab, dass Ineos einen Teil seines<br />
Geschäfts übernehmen werde, zog Ratcliffe bei<br />
den Verhandlungen die Daumenschrauben an.<br />
Als einer von zunächst fünf Interessenten<br />
übernahm er das Team Sky sechs Wochen nach<br />
dem ersten Gespräch mit Dave Brailsford. Dabei<br />
halfen – wie ein Team-Insider sagte – auch „gegenseitige<br />
Übereinstimmung und Bewunderung“.<br />
Sein Kauf des America’s Cup-Teams des britischen<br />
Seglers Ben Ainslie ging noch schneller<br />
über die Bühne.<br />
Ainslie traf Ratcliffe das erste Mal auf ein Bier<br />
in London. Am folgenden Morgen hatte er praktisch<br />
zugesagt, eine ähnliche Summe wie für den<br />
Sky-Deal, rund 110 Millionen Pfund, in Ainslies<br />
Lieblingsprojekt, den ersten britischen Sieg beim<br />
America’s Cup, zu stecken.<br />
Über diese erste Begegnung sagte der viermalige<br />
Segel-Olympiasieger: „Ich wusste, dass er ein<br />
erfolgreicher Geschäftsmann ist, aber nicht, dass<br />
er der reichste Mann Großbritanniens ist. Ich hatte<br />
von seinen abenteuerlichen Unternehmungen<br />
gehört: dass er am Nordpol und Südpol war und<br />
an verrückten Marathons durch die Wüste teilgenommen<br />
hat.“<br />
Er sagt weiter: „Ich wusste, dass er sich fürs<br />
Segeln interessiert, also haben wir uns zu einem<br />
Plausch zusammengesetzt und kamen auf den<br />
America’s Cup zu sprechen. Jim hat sich am<br />
nächsten Tag gemeldet. Er freute sich wirklich auf<br />
die Herausforderung und wollte sich engagieren.<br />
Wenn eine solche Chance kommt, musst du sie<br />
schnell ergreifen.“<br />
Und diese Vorstöße in die Welt des Sports<br />
scheinen weiterzugehen. Ratcliffe war anfangs<br />
daran interessiert, Roman Abramowitsch den<br />
FC Chelsea abzukaufen, obwohl er Fan von Manchester<br />
United ist. Ihm gehört auch der FC Lausanne<br />
in der Schweiz, wohin er den Sitz von Ineos<br />
von 2010 bis 2016 verlegt hatte, und er hat Gespräche<br />
über den Erwerb des französischen Erstligisten<br />
OGC Nizza geführt.<br />
Ratcliffe hat sich daran gewöhnt, Gewinner in<br />
der Wirtschaft zu unterstützen. Sein Modus Ope-<br />
64 PROCYCLING | JUNI 2019
JIM RATCLIFFE<br />
ALS EINER VON FÜNF INTERESSENTEN ÜBERNAHM<br />
ER DAS TEAM SKY SECHS WOCHEN NACH DEM<br />
ERSTEN GESRPÄCH MIT DAVE BRAILSFORD. DABEI<br />
HALF AUCH GEGENSEITIGE BEWUNDERUNG.<br />
Alles wie gehabt: Team Sky an der<br />
Spitze des Feldes. Wird es als<br />
Team Ineos so weitergehen?<br />
randi ist, Elemente von Unternehmen zu kaufen,<br />
die unterbewertet oder uneffektiv sind, und sie in<br />
profitable Konzerne zu verwandeln.<br />
Während abzuwarten bleibt, ob Ben Ainslies<br />
Seglerteam Erfolg haben wird, wenn der America’s<br />
Cup 2021 im neuseeländischen Auckland<br />
stattfinden wird, ist das beim Team Sky nicht der<br />
Fall: Es ist bereits ein bewährter Sieger im Radsport<br />
und hat sechs Frankreich-Rundfahrten in<br />
sieben Jahren gewonnen.<br />
Die Umweltschutzorganisation Friends of<br />
the Earth nannte die Übernahme von Sky<br />
„den jüngsten offensichtlichen Versuch<br />
von Ineos, sich einen grünen Anstrich zu geben“,<br />
und fragte: „Wollen Leute wie Geraint Thomas<br />
und Chris Froome wirklich mit einem Unternehmen<br />
wie Ineos, das den Planeten zerstört, in Verbindung<br />
gebracht werden?“<br />
Unterdessen schrieb die frühere Vorsitzende<br />
der Green Party, Natalie Bennett, auf Twitter:<br />
„Extreme Fehlpaarung: Ein CO 2 -armes, energieeffizientes<br />
Fortbewegungsmittel wie das Fahrrad<br />
& Befürworter von Fracking, Plastikverschmutzung<br />
und Klimauntätigkeit wie Ineos. Aber angesichts<br />
der Reputationsprobleme beider Parteien<br />
vielleicht unvermeidlich …“<br />
Ratcliffe ist leidenschaftlicher Radfahrer und<br />
Radsportfan, auch wenn ihm die Lust an zwei<br />
Rädern leicht hätte vergehen können – nach<br />
seinen ersten Erfahrungen in der Arbeitswelt<br />
zu urteilen.<br />
Sein Vater Alan war Schreiner und gründete<br />
seine eigene Möbelfabrik, in der seine Söhne Jim<br />
und Robert für ihn arbeiteten. „Ich habe als<br />
16-Jähriger für ihn gearbeitet und musste mit<br />
dem Rad zur Arbeit fahren, er wollte mich nicht<br />
im Auto mitnehmen“, erinnerte sich Robert in einem<br />
BBC-Radio-Interview. „Es regnete in Strömen<br />
und irgendjemand bot mir an, mich mit nach<br />
Hause zu nehmen. Er sagte: ‚Er ist nicht aus Zucker.<br />
Er schmilzt nicht.‘ Er wollte damit sagen,<br />
dass man alleine klarkommen und seinen eigenen<br />
Weg gehen muss.“<br />
Ratcliffes Ursprünge sind bescheiden, und er<br />
erzählt gerne die Geschichte, wie er zählen lernte<br />
– indem er seinen Blick über die Schornsteine<br />
gleiten ließ, die er vom Schlafzimmerfenster ihrer<br />
Sozialwohnung in Failsworth bei Manchester sehen<br />
konnte, wo er die ersten zehn Jahre seines Lebens<br />
verbrachte.<br />
Die Familie zog anschließend nach Oldham um<br />
und später dann nach Yorkshire. Insofern passt es<br />
gut, dass das Team bei dem Rennen in jenem<br />
Landkreis Anfang des Monats offiziell sein Debüt<br />
als Ineos gegeben hat.<br />
Nach dem Besuch der Beverley Grammar<br />
School studierte Ratcliffe Chemieingenieurwesen<br />
an der Birmingham University, aber da er unter<br />
Hautausschlag litt, wurde nichts aus einem Job<br />
bei BP.<br />
Nach Anstellungen bei Beecham und Esso begann<br />
er ein Studium der Betriebswirtschaft an der<br />
London Business School. Wie sein Bruder sagt,<br />
gab dieser Teil seines Lebens ihm „Einblicke ins<br />
Unternehmertum und ließ in die konventionelle<br />
Herangehensweise infrage stellen“.<br />
Ab 1989 folgten Arbeitsaufenthalte bei Courtaulds<br />
in Coventry und Advent International, bevor<br />
er mit über 40 sein erstes großes Geschäft<br />
machte, als er die BP-Spezialchemie-Sparte in<br />
Hythe, Kent, für 40 Millionen Pfund kaufte und<br />
seine erste Firma, Inspec, gründete, die er später<br />
an die Börse brachte. Sechs Jahre danach hatte<br />
sich ihr Wert verfünfzehnfacht und er persönlich<br />
28 Millionen Pfund Gewinn gemacht.<br />
Ineos, gebildet aus dem lateinischen ineo, eintreten,<br />
und Eos, der griechischen Göttin der Morgenröte,<br />
wurde 1998 gegründet. Ratcliffe finanzierte<br />
das gewaltige Projekt, indem er sich alles<br />
Geld lieh, das er konnte, um eine alte Inspec-<br />
© Getty Images<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 65
JIM RATCLIFFE<br />
© Getty Images<br />
Anlage im belgischen Antwerpen zu kaufen,<br />
deren Übernahme er selbst nur drei Jahre zuvor<br />
abgewickelt hatte.<br />
„Ich fing mit dem Geschäft an in Zeiten, wo<br />
man seinen gesamten weltlichen Besitz auf den<br />
Tisch legen musste“, sagte er zwei Jahrzehnte<br />
später. „Ich musste 100 Prozent von dem Eigenkapital<br />
einsetzen, das ich damals hatte. Das waren<br />
das Haus, die Ersparnisse und sogar Ehefrau<br />
und Kinder, da passt man sehr gut auf.“<br />
Ineos, wovon Ratcliffe 60 Prozent besitzt, ist<br />
heute riesig und hat rund 20.000 Angestellte und<br />
fast 200 Niederlassungen in 23 Ländern. Noch<br />
kein bekannter Name, stellt es Rohstoffe für alles,<br />
von Hygieneartikeln über Telefone bis Möbel, her.<br />
Der größte Schritt war der Erwerb der BP-<br />
Petrochemie-Tochter Innovene für fünf Milliarden<br />
Pfund vor 14 Jahren. Der Kauf beinhaltete die<br />
umstrittene Raffinerie in Grangemouth, Schauplatz<br />
seines Kampfes mit den Gewerkschaften,<br />
bei dem er drohte, die Anlage zu schließen.<br />
Die Kritik, der er damals ausgesetzt war, war<br />
heftig, und der Streit entwickelte sich zum Politikum.<br />
Im Rückblick auf diese Zeit sagte er: „Ich<br />
habe ein dickes Fell und kann damit leben, aber es<br />
ist kein angemessenes Verhalten. Wenn ich einen<br />
Scheck über 300 Millionen Pfund ausstellen<br />
muss, ist das nicht sehr klug von Gewerkschaften.“<br />
Ratcliffe ist auch ein Befürworter von Fracking<br />
und will Hunderte Millionen in die umstrittene<br />
Methode zur Gewinnung von Schiefergas investieren,<br />
bei der die Erde aufgebohrt und Gestein<br />
hydraulisch geknackt wird.<br />
Neben der Petrochemie-Branche ist er auch auf<br />
anderen Unternehmensfeldern tätig: Er entwickelt<br />
gerade einen Geländewagen, der den nicht mehr<br />
produzierten Land Rover Defender ersetzen soll,<br />
außerdem gehört ihm die britische Modemarke<br />
Belstaff; dazu besitzt er das Lime Wood Hotel im<br />
Thomas und Froome, Skys jüngste Toursieger,<br />
werden das Team Ineos anführen.<br />
RATCLIFFE,<br />
DER<br />
MARATHON-<br />
MANN<br />
Ratcliffe geht gerne an seine körperlichen<br />
Grenzen. Als er vor wenigen<br />
Jahren mit seinem Bruder den New York<br />
Marathon lief, kamen sie mit nur zehn<br />
Minuten Abstand ins Ziel, doch Jim<br />
musste an den Tropf gehängt werden,<br />
um sich zu erholen. Ein Motorradtrip<br />
nach Südafrika schien vorzeitig beendet,<br />
als ihm das Motorrad auf den Fuß fiel<br />
und er sich drei Knochen brach. Aber<br />
statt nach Hause zu fliegen, ließ er sich<br />
einen Skistiefel liefern und setzte die<br />
Reise fort.<br />
Sein Mantra ist, dass ein bisschen<br />
Adrenalin jeden Tag gut für uns sei, ob<br />
es die Stunden sind, die er jeden Morgen<br />
im Fitnessstudio verbringt oder mit ande <br />
ren Sportarten wie Radfahren, Ironman<br />
oder Kitesurfen, das er gerade lernt. Er<br />
war mit seinen Söhnen aus erster Ehe am<br />
Nordpol und Südpol und feierte seinen<br />
60. Geburtstag, indem er den Comrades<br />
Marathon in Südafrika lief.<br />
Es war viel die Rede von seinen zwei<br />
Superyachten, vor allem die Hampshire<br />
II mit Helikopterdeck und Seilbrücke,<br />
die als „schwimmender Palast“ bezeich <br />
net wurde und einer Zeitung zufolge<br />
500 Liter Diesel die Stunde braucht, nur<br />
um zu liegen.<br />
66 PROCYCLING | JUNI 2019
südenglischen Hampshire, und er hält obendrein Anteile<br />
an der „The Pig“-Hotelkette.<br />
Seine Geschäftsphilosophie ist einfach: „Wir schauten<br />
uns Geschäfte an, die unmodern oder unsexy waren,<br />
Einrichtungen, die großen Unternehmen gehörten, wo<br />
man wusste, dass sie bei den Festkosten nicht so genau<br />
hinsehen. Wir führten sie besser, reduzierten die Kosten,<br />
kurbelten das Geschäft an und am Ende waren sie sehr<br />
profitabel.“<br />
Wie Brailsford will er das Potenzial jenseits des Radsports<br />
anzapfen, der Teamboss hat kein Geheimnis daraus<br />
gemacht, dass er in Zukunft „smarte“ Sportbekleidung<br />
herausbringen will, nachdem er ein paar Mal ins Silicon<br />
Valley gereist ist. Sie sind zwei Ritter des Reiches, die in<br />
vielen Quartieren kritisiert wurden, sich aber als natürliche<br />
Geschäfts- und Sportpartner erweisen könnten.<br />
Nach Ratcliffes Entscheidung, den Geschäftssitz<br />
nach Monaco zu verlegen und geschätzte 400 Millionen<br />
bis vier Milliarden Pfund Steuern zu sparen, hat der<br />
scheidende Vorsitzende der britischen Liberaldemokraten,<br />
Sir Vince Cable, gesagt: „Leute in den Ritterstand<br />
zu erheben, die sich diesem Land nicht verpflichtet fühlen,<br />
ist eine Schande.“<br />
Ratcliffe für seinen Teil behauptet, sehr pro-britisch zu<br />
sein; er sei ein glühender Brexiteer, der die Europäische<br />
Union ablehne. Er vertritt gerne die These, dass „die Briten<br />
die Produktion erfunden haben“.<br />
Mit 21 Milliarden Pfund auf der Bank könnten die Radsport-<br />
und Segelabenteuer wie Spielzeuge wirken, aber wie<br />
ein Wirtschaftsjournalist schrieb, ging es ihm selten um<br />
das Geld. „Er ist mehr besessen von der Macht, das Geld<br />
ist nur eine Folge“, sagte er.<br />
Sich in das einzukaufen, was das „Best of British“ des<br />
Sports ist – Ainslies America’s Cup-Team und jetzt das<br />
Team Sky –, ist ein neues Machtspiel des zurückgezogenen<br />
Milliardärs. Was für eine Art Eigentümer er sein wird,<br />
bleibt abzuwarten, aber er hat sich schon eingebracht, indem<br />
er das Trikot mitgestaltet hat – was nahelegt, dass<br />
das Team mehr als ein reines Spielzeug ist.<br />
URLAUBSFINDER<br />
MIT BISS<br />
www.roadbike-holidays.com<br />
#myRoadbikeMoment<br />
Ineos hat mit seinen<br />
Aktivitäten die Wut von<br />
Umweltschützern auf<br />
sich gezogen.<br />
© Getty Images<br />
© makeART OG
PARIS–<br />
ROUBAIX<br />
IN BILDERN<br />
Das war mein dritter<br />
Ausflug zu Paris–<br />
Roubaix. Es ist ein<br />
wirklich hartes Rennen für<br />
uns Fotografen, wobei das<br />
nichts ist im Vergleich zu<br />
dem, was die Fahrer auf über<br />
Fotografiert von<br />
257 Kilometern ausgefahrenen,<br />
unangenehmen, nord<br />
PETE GODING<br />
französischen Landstraßen<br />
zu bewältigen haben. Es ist eine extreme Belastung<br />
für Körper und Geist, und obwohl es dieses<br />
Jahr nicht kalt war, machten der Staub und der<br />
heulende Wind Paris–Roubaix zu einem Tier, das<br />
schwer zu zähmen war.<br />
Die ganz eigene Aura, die dieses Rennen umgibt,<br />
basiert auf ihrer verführerischen Wildheit.<br />
Nach dem Zieleinlauf sind die Fahrer danach im<br />
Velodrom eingepfercht, von der Anstrengung<br />
benommen und verwirrt, wenn Horden von Fotografen<br />
und Journalisten sich auf sie stürzen.<br />
Bekannt sind die Anblicke der verdreckten Fahrer,<br />
die den mit Betonkabinen und schmalen<br />
Holzbänken ausgestatteten Duschraum des<br />
Velodroms nutzen. Ich sah einmal einen Katusha-Alpecin-Fahrer<br />
neugierig den Duschkopf<br />
inspizie ren, als ob er erwartete, dass brauner<br />
Schlamm herausspritzt. Noch bevor das Wasser<br />
über seinen schmutzigen Körper zu fließen begann,<br />
huschte die Erleichterung zunächst über<br />
sein Gesicht, als ein klarer Strahl von lauwarmem<br />
Wasser herauskam.<br />
Der ikonenhafte Status des Duschraums wird<br />
umso deutlicher, als die Kabinen mit glänzenden<br />
Messingtafeln geschmückt sind, von denen jede<br />
eine Verbeugung vor den Radfahrergrößen der<br />
Vergangenheit ist, die in diesen Kabinen das Blut,<br />
den Schweiß, die Tränen und den Schmutz von<br />
Paris–Roubaix abwuschen.<br />
Heutzutage strömen Fotografen in die Kabinen,<br />
um die obligatorischen leeren Blicke und geschundenen<br />
Körper der Fahrer festzuhalten. Es<br />
gibt heutzutage vermutlich mehr Knipser als<br />
Rennfahrer dort, und der Duschraum scheint Teil<br />
des Marketings drumherum zu sein. Kein Marketing-Gag<br />
ist jedoch die schiere Erschöpfung der<br />
Fahrer. Paris–Roubaix ist das härteste Rennen<br />
der Welt.<br />
68 PROCYCLING | JUNI 2019
Obwohl es erst sein dritter<br />
Start bei diesem Rennen ist,<br />
hat Philippe Gilbert keine<br />
Angst vor dem Roubaix-Pavé<br />
auf dem Weg zu seinem ersten<br />
Sieg dort.<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 69
PARIS–ROUBAIX<br />
Compiègne ist ruhig und<br />
friedlich, bevor dort die<br />
Hölle des Nordens losbricht.<br />
Troisvilles nach Inchy, der<br />
erste Pflastersteinsektor, ist<br />
eine Einstimmung auf die<br />
härteren Abschnitte später<br />
im Rennen.<br />
70 PROCYCLING | JUNI 2019
PARIS–ROUBAIX<br />
Das neutrale Mavic-Service-Motorrad<br />
signalisiert<br />
den wartenden Fans die<br />
Ankunft der Fahrer.<br />
Das Rennen startete<br />
unglaublich schnell, ohne<br />
das Peleton von Anfang<br />
an zu schonen.<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 71
PARIS–ROUBAIX<br />
Die unbamherzigen Pflastersteine<br />
erschüttern<br />
Deceuninck–Quick-Steps<br />
Tim Declerq in keinster<br />
Weise – er hat offensichtlich<br />
Spaß am Rennen.<br />
72 PROCYCLING | JUNI 2019
PARIS–ROUBAIX<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 73
PARIS–ROUBAIX<br />
Bretonische Fans repräsentieren<br />
ihre Region in<br />
gebührender Form am<br />
Rande des Rennens.<br />
74 PROCYCLING | JUNI 2019
PARIS–ROUBAIX<br />
Nebelschwaden legen sich<br />
über die Teamwagen und<br />
Fahrer auf den flachen Pavé-<br />
Sektoren in Nordfrankreich.<br />
Bei einem unvorhersehbaren<br />
Rennen wie Roubaix sind<br />
Stürze unvermeidbar.<br />
10.<br />
Luke Rowe beißt die Zähne<br />
zusammen auf den Pflastersteinen<br />
… um seinen Energieriegel<br />
nicht zu verlieren.<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 75
PARIS–ROUBAIX<br />
Der Zweitplatzierte<br />
Nils Politt feiert im Velodrom<br />
seinen Klassiker-<br />
Durchbruch mit seinen<br />
Katusha-Teamkollegen.<br />
EF-Education-First-<br />
Fahrer Mitch Docker hat<br />
nur wenig Privatsphäre<br />
bei seiner Dusche im<br />
traditionellen Baderaum.<br />
76 PROCYCLING | JUNI 2019
PARIS–ROUBAIX<br />
Stürze und technische Probleme<br />
vermasselten sein Rennen,<br />
doch Wout Van Aert hat<br />
am Ende alles gegeben.<br />
Gilbert besiegt Politt beim<br />
Sprint im Velodrom und holt<br />
damit seinen ersten Sieg in<br />
Roubaix und sein viertes Monument<br />
insgesamt.<br />
12.<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 77
NACHLESE<br />
ANALYSE • ERKENNTNISSE • DATEN<br />
© Getty Images<br />
PARIS–ROUBAIX / 14.04.2019<br />
GILBERT MEISTERT DAS<br />
PAVÉ VON ROUBAIX<br />
Die letzten Meter von Paris–Roubaix<br />
2019 hätten leicht unter dem<br />
Motto „Erfahrung gegen Jugend“<br />
dargestellt werden können. Als das alte<br />
Schlachtross Philippe Gilbert und der junge<br />
Emporkömmling Nils Politt, die letzten<br />
Überlebenden in einem Rennen mit gnadenloser<br />
Auslese, erschöpft ihre Runde im<br />
ERGEBNIS<br />
Velodrom drehten, Politt vorne, Gilbert<br />
an sein Hinterrad geheftet, blieb den Zuschauern<br />
ausreichend Zeit, über die zwölf<br />
Jahre Altersunterschied zwischen den beiden<br />
nachzudenken. Als Gilbert sein erstes<br />
Rennen als ausgewachsener Profi fuhr, die<br />
Trofeo Laigueglia 2003, war Politt acht<br />
Jahre alt. Doch die Sache hatte einen klei-<br />
FAHRER TEAM ZEIT<br />
1 Philippe Gilbert Deceuninck–Quick-Step 5:58:02<br />
2 Nils Politt Katusha-Alpecin 0:00<br />
3 Yves Lampaert Deceuninck–Quick-Step + 0:13<br />
4 Sep Vanmarcke EF Education First + 0:40<br />
5 Peter Sagan Bora–hansgrohe + 0:42<br />
Gilbert im Glück:<br />
Mit seinem Sieg<br />
in Roubaix hat der<br />
Belgier nun vier<br />
von fünf Monumenten<br />
gewonnen.<br />
75<br />
Siege in Philippe<br />
Gilberts<br />
Karriere<br />
nen Dreh: Roubaix 2019 war erst Gilberts<br />
dritter Versuch bei dem Rennen, während<br />
es Politts vierter war.<br />
Aber das plus die Zuversicht der Jugend<br />
waren alles, was Politt hatte; alles andere<br />
sprach gegen ihn, als das Rennen in die<br />
letzte Phase ging. Das Duo hatte schon<br />
67 Kilometer vor dem Ziel eine effektive<br />
Allianz gebildet, und es gab wenig Zweifel,<br />
dass die zwei stärksten und aktivsten<br />
Fahrer aus dem Gemetzel hervorgegangen<br />
waren. Doch zwei Kilometer vor dem Ziel<br />
hatte Gilbert Politt an die Spitze manövriert<br />
und den Deutschen vor die Wahl gestellt:<br />
bis ins Ziel arbeiten und einen ersten<br />
oder zweiten Platz sicher haben, oder<br />
langsamer werden und es Gilberts heranrauschendem<br />
Teamkollegen Yves Lampaert<br />
ermöglichen, die Lage zu verkomplizieren.<br />
Der belgische Meister hatte sein<br />
40-Sekunden-Defizit, das er fünf Kilometer<br />
vor der Linie hatte, halbiert – wenn<br />
Politt Spielchen gespielt hätte, hätte Gilbert<br />
Verstärkung gehabt.<br />
Gilbert hatte Politt die Illusion der<br />
Kontrolle über den Ausgang seines Rennens<br />
gegeben, aber in Wirklichkeit hatte<br />
der junge Kölner nur die Wahl zwischen<br />
78 PROCYCLING | JUNI 2019
Edward Pickering<br />
Herausgeber<br />
Ed hält das neue Finale von<br />
Lüttich für eine Verbesserung,<br />
doch im Detail gibt es noch<br />
Optimierungsbedarf.<br />
Sam Dansie<br />
Redakteur<br />
Seit dem Film „Die üblichen<br />
Verdächtigen“ hat Sam keine so<br />
überraschende Wendung wie van<br />
der Poels Amstel-Sieg gesehen.<br />
Sophie Hurcom<br />
<strong>Procycling</strong>-Autorin<br />
Die Klassiker bringen immer wieder<br />
Überraschungen, dennoch waren<br />
Bettiols Flandern-Sieg und Gilberts<br />
Erfolg in Roubaix etwas Besonderes.<br />
Sadhbh O’Shea<br />
<strong>Procycling</strong>-Autorin<br />
Zwei spannende Rennen mit<br />
zwei verdienten Siegern – der<br />
Tag des Amstel Gold hatte es<br />
wirklich in sich.<br />
einer Niederlage und einer Niederlage. Politt<br />
führte bis in die letzte Kurve, dann<br />
steckte Gilbert seine Nase ein letztes Mal<br />
in den Wind, schoss die Bande herunter<br />
und gewann den Sprint souverän. Alter<br />
hatte Jugend geschlagen, obwohl die Frage<br />
der Erfahrung ambivalenter war – ein relativer<br />
Roubaix-Neuling hatte einen anderen<br />
geschlagen.<br />
Paris–Roubaix 2019 beruhigte sich nie.<br />
Schuld daran war in gewisser Weise der<br />
Überraschungssieger von 2016, Mathew<br />
Hayman. Der Australier, ein starker Roubaix-Fahrer,<br />
aber sicher kein Favorit für<br />
den Sieg, hatte in jenem Jahr die frühe<br />
Ausreißergruppe infiltriert, und während<br />
die anderen Favoriten sich gegenseitig fertigmachten,<br />
achtete niemand auf ihn und<br />
er ging frisch genug ins Finale, um Boonen<br />
auf der Radrennbahn im Sprint zu schlagen.<br />
Man denke auch an Rennen im letzten<br />
Jahr: Silvan Dillier ging in die frühe<br />
Ausreißergruppe und wurde Zweiter,<br />
nachdem ihm ein Ad-hoc-Deal von Peter<br />
Sagan angeboten wurde: Fahr’ mit mir<br />
und werde Zweiter oder fahr’ nicht mit mir<br />
und werde nicht Zweiter.<br />
Alle waren beim diesjährigen Rennen<br />
daher so scharf darauf, in die frühe Ausreißergruppe<br />
zu gehen, dass diese nie<br />
wegkam. Es gab eine Angriffswelle nach<br />
Nils Politt zeigte sein ganzes<br />
Klassiker-Potenzial, indem er die<br />
siegbringende Attacke initiierte.<br />
der anderen, bevor sich 150 Kilometer vor<br />
dem Ziel eine Gruppe von 23 Fahrern bildete.<br />
Bis auf sechs Teams waren alle vertreten,<br />
und es ist rückblickend bemerkenswert,<br />
dass mit Politt und Lampaert<br />
zwei Fahrer in der Gruppe waren, die später<br />
auf dem Podium standen.<br />
Was man bei Rennen wie Paris–Roubaix<br />
nicht vergessen darf, ist, dass die Regeln,<br />
die wir bei Grand-Tour-Etappen und<br />
kürzeren Rennen anwenden, nicht gelten.<br />
Wenn Fahrer auf einer Grand-Tour-Etappe<br />
angreifen, haben die anderen Teams<br />
sechs oder sieben Helfer, um die Verfolgung<br />
aufzunehmen. Wenn man diese<br />
sechs oder sieben Helfer mit fünf oder<br />
sechs – oder so vielen Sprintern, wie bei<br />
dem Rennen sind – multipliziert, wird<br />
klar, dass eine vierköpfige Gruppe keine<br />
Chance hat. Aber in den letzten 90 Minuten<br />
von Paris–Roubaix ist das Feld keine<br />
geschmeidig rotierende, 150 Mann starke<br />
Gruppe mehr. Es ist ein zerrüttetes Kollektiv<br />
von 40 oder 50 Fahrern, von denen<br />
die Hälfte nur mitrollt. Sieganwärter können<br />
von Glück sagen, wenn sie noch einen<br />
oder zwei Teamkollegen zur Unterstützung<br />
haben. Wenn ein Team tatsächlich<br />
noch mit mehreren Fahrern vertreten ist,<br />
ist es ein Vorteil. Politts nächste Attacke<br />
67 Kilometer vor dem Ziel, bei der Gilbert<br />
mitging, stellte sich als entscheidender<br />
Moment heraus. Während Gilberts Team -<br />
kollegen sich in der Verfolgergruppe breit<br />
machten, blieb es an den Sieganwärtern<br />
hängen, die stark genug waren zu kontern<br />
und zu versuchen, Politt und Gilbert zu<br />
neutralisieren. Titelverteidiger Sagan<br />
schaffte den Sprung zusammen mit Lampaert,<br />
Van Aert und Vanmarcke plus zwei<br />
vorübergehenden Mitfahrern in Gestalt<br />
von Laporte und Sarreau. Das war keine<br />
Verfolgung, es war eine Gruppe, die sich<br />
von den Verlierern trennte, und als die<br />
sechs sich vorne zusammengeschlossen<br />
hatten, hatten sie mehr Schlagkraft als<br />
das Peloton. Als die sechs stärksten Fahrer<br />
des Rennens vorne an der Spitze waren,<br />
waren die Würfel gefallen. Als Van<br />
Aert angreifbar aussah und Vanmarcke<br />
einen Defekt hatte, fuhr Politt 15 Kilometer<br />
vor dem Ziel eine weitere entschlossene<br />
Attacke. Wieder ging Gilbert mit. Aber<br />
dieses Mal konnte das keiner der anderen.<br />
DIE DOMINANZ<br />
VON DECEUNINCK<br />
Gilberts Roubaix-Sieg zementierte ein weiteres<br />
Frühjahr der absoluten Dominanz von Deceu ninck–<br />
Quick–Step bei den Klassikern. Von den 13 großen<br />
Eintagesrennen der europäischen Frühjahrssaison<br />
konnten sie sieben gewinnen und waren bei weiteren<br />
vier in den Top Vier. Die einzigen relativen Flops<br />
waren Gent–Wevelgem, wo Viviani nach einem<br />
Rennen, das schwerer war als alle erwarteten, im<br />
Gruppensprint auf den 19. Platz durchgereicht wurde,<br />
und Lüttich, das ein Rennen zu viel für Julian<br />
Alaphilippe war (dessen Strade Bianche-San<br />
Remo-Flèche-Hattrick ihn trösten dürfte). Der<br />
Franzose war 16. bei Lüttich–Bastogne–Lüttich.<br />
Das Geheimnis von Deceunincks Erfolg ist<br />
eigentlich kein Geheimnis. Sie haben eine außerordentliche<br />
Stärke in der Tiefe, insbesondere auf dem<br />
Kopfsteinpflaster. Bei den flämischen Klassikern<br />
hatte ihre Kerntruppe vier potenzielle Gewinner bei<br />
jedem Rennen – Gilbert, Lampaert, Stybar und<br />
Jungels. Lampaert stand wahrscheinlich unter den<br />
Sieganwärtern des Teams an vierter Stelle, wäre aber<br />
in jedem anderen Team klarer Kapitän gewesen.<br />
Außerdem scheinen sie ein Modell des totalen<br />
Radsports zu betreiben, wo der Kapitän im Rennen<br />
durch die Umstände auf der Straße bestimmt wird,<br />
und wenn diese Umstände zusammenkommen,<br />
betätigen sich alle anderen als Helfer – in dem<br />
Wissen, dass ihre Zeit kommen wird.<br />
DECEUNINCKS ERFOLGE<br />
RENNEN DQS BESTER FAHRER<br />
Omloop Het Nieuwsblad 1. Zdenĕk Štybar<br />
Strade Bianche 1. Julian Alaphilippe<br />
Mailand–San Remo 1. Julian Alaphilippe<br />
E3 BinckBank 1.t Zdenĕk Štybar<br />
Gent–Wevelgem 19. Elia Viviani<br />
Dwars door Vlaanderen 3. Bob Jungels<br />
Flandern-Rundfahrt 2. Kasper Asgreen<br />
Paris–Roubaix 1. Phillipe Gilbert<br />
Amstel Gold 4. Julian Alaphilippe<br />
Flèche Wallonne 1. Julian Alaphilippe<br />
Liège–Bastogne–Liège 16. Julian Alaphilippe<br />
© Kramon<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 79
NACHLESE<br />
AMSTEL GOLD RACE / 21.04.2019<br />
VDP MIT<br />
HOLLÄNDISCHER<br />
COURAGE ZUM<br />
AMSTEL-SIEG<br />
© Getty Images<br />
Das Männer-Peloton muss ungläubig<br />
den Kopf geschüttelt haben,<br />
als das Amstel Gold Race 2019<br />
vorbei war, und sich kollektiv gefragt haben:<br />
Was machen wir mit einem Problem<br />
wie Mathieu van der Poel?<br />
Es sah so aus, als hätte der junge Holländer<br />
bei seinem Heim-Klassiker viel<br />
falsch gemacht. Die jüngere Geschichte<br />
zeigt, dass Langstreckenangriffe bei den<br />
Eintagesrennen wieder in Mode kommen.<br />
Philippe Gilbert und Peter Sagan gewannen<br />
Flandern und Roubaix in den letzten<br />
Jahren, indem sie 50 Kilometer oder weiter<br />
vor dem Ziel attackierten; Nils Politt<br />
und Philippe Gilbert gingen beim diesjährigen<br />
Roubaix noch früher in die Offensive<br />
und zettelten den entscheidenden Angriff<br />
67 Kilometer vor dem Ziel an. Jungels<br />
gewann Lüttich mit einem 25-Kilometer-<br />
Solo, und die letzten beiden Amstel-Gold-<br />
ERGEBNIS<br />
Auflagen waren viel taktischer, seit der<br />
Cauberg aus dem Finale entfernt wurde.<br />
Aber als van der Poel 45 Kilometer vor<br />
dem Ziel angriff, war genug Energie im<br />
Peloton, um ihn zurückzuholen. Was in<br />
einem alternativen Universum der rennentscheidende<br />
Vorstoß hätte sein können,<br />
stellte sich als taktischer Fehler heraus, da<br />
Julian Alaphilippe und Jakob Fuglsang die<br />
Gelegenheit nutzten, um wegzuspringen,<br />
als der Holländer eingeholt war.<br />
Und das hätte es sein sollen. Die zwei<br />
stärksten Fahrer in dem Rennen setzten<br />
sich an diesem entscheidenden Punkt ab,<br />
während die Verfolgergruppe auseinanderfiel.<br />
Physisch war van der Poel seinen<br />
Rivalen Fuglsang und Alaphilippe in jeder<br />
Hinsicht gewachsen, aber es gab einen<br />
wesentlichen Unterschied: Er hatte zum<br />
falschen Zeitpunkt attackiert und sich<br />
nicht absetzen können, während Fuglsang<br />
und Alaphilippe zum richtigen Zeitpunkt<br />
attackiert hatten und sich hatten<br />
absetzen können.<br />
Der Däne und der Franzose arbeiteten<br />
zusammen, hinter ihnen ein weiteres<br />
Fahrerduo aus Michał Kwiatkowski und<br />
Matteo Trentin, und dahinter eine Gruppe<br />
mit Max Schachmann, Simon Clarke<br />
und Bauke Mollema. Der Abstand wuchs<br />
auf über 45 Sekunden an, was hätte reichen<br />
sollen. Aber vielleicht wurde der<br />
Vorsprung zu groß; vielleicht fühlten sich<br />
die Spitzenreiter wohl in ihrer Überlegenheit<br />
und ihrem Timing, daher erkannten<br />
sie nicht, dass hinter ihnen noch ein Radrennen<br />
im Gange war. Eine Gruppe, in<br />
FAHRER TEAM ZEIT<br />
1 Mathieu van der Poel Corendon-Circus 6:28:18<br />
2 Simon Clarke EF Education First 0:00<br />
3 Jakob Fuglsang Astana 0:00<br />
4 Julian Alaphilippe Deceuninck–Quick-Step 0:00<br />
5 Maximilian Schachman Bora–hansgrohe 0:00<br />
Alaphilippe hatte<br />
den Sieg vor Augen,<br />
doch am Ende<br />
reichte es nicht mal<br />
zum Podium.<br />
18<br />
Jahre seit dem<br />
letzten niederländischen<br />
Sieg<br />
der van der Poel war, jagte die dritte<br />
Gruppe. Die dritte Gruppe jagte Trentin<br />
und Kwiatkowski. Die wiederum jagten<br />
die Spitzenreiter.<br />
Im März waren Alaphilippe und Fuglsang<br />
beim Strade Bianche in einer ähnlichen<br />
Situation gewesen. Sie waren die<br />
Stärksten, fingen aber an, Spielchen zu<br />
spielen, verbrachten mehr Zeit damit, den<br />
Blick auf den anderen zu richten als auf<br />
den Sieg. Wout Van Aert kam wieder heran,<br />
nachdem er schon aus dem Rennen<br />
gewesen war, selbst wenn sich Alaphilippe<br />
im Finale behauptete. Hier, beim Amstel<br />
Gold, wurden sie wieder langsamer. Dieses<br />
Mal erwies es sich als fatal.<br />
Als der Abstand schmolz, nahm Kwiatkowski<br />
die Verfolgung der jetzt sichtbaren<br />
Führenden auf; Schachmann holte Trentin<br />
ein, und Gruppe vier, angeführt von van<br />
der Poel, holte Gruppe drei ein, die jetzt<br />
tatsächlich Gruppe zwei war, wobei Kwiatkowski<br />
knapp vor ihnen war und zu den<br />
Führenden aufschloss. Fuglsang und Ala-<br />
80 PROCYCLING | JUNI 2019
NACHLESE<br />
AMSTEL GOLD RACE LADIES EDITION / 21.04.2019<br />
NIEWIADOMA<br />
MÜNZT TALENT<br />
IN SIEG UM<br />
philippe eröffneten schließlich den Sprint,<br />
machten aber den Fehler zu denken, dass<br />
sie gegeneinander sprinteten, während ihr<br />
gefährlichster Rivale, van der Poel, ein<br />
viel höheres Tempo hatte. Es gab<br />
keine Finesse an van der Poels<br />
Kraftakt: Es begann als Verfolgung,<br />
verwandelte sich in eine<br />
Sprintvorbereitung und dann in<br />
einen Sprint. Taktisch hätte es<br />
nicht funktionieren sollen – es<br />
setzte ihn der Gefahr aus, dass<br />
andere seinen Windschatten<br />
nutzten. Doch er war<br />
so stark, dass niemand<br />
vorbeikam.<br />
Es sah vielleicht so<br />
aus, als hätte van<br />
der Poel beim<br />
Amstel Gold viel<br />
falsch gemacht,<br />
aber am Ende<br />
hat der Sieger<br />
immer recht.<br />
Van der Poels<br />
brachiale Aufholjagd<br />
beim Amstel<br />
Gold schockte<br />
seine Rivalen.<br />
Die Hindernisse auf dem Weg von<br />
Radprofis können ebenso psychologischer<br />
wie physischer Natur<br />
sein. Draußen, in der echten Welt, ist es<br />
einfach – eine Fahrerin muss schneller<br />
über die Hügel fahren als ihre Rivalinnen,<br />
und nur darum geht es bei Radrennen.<br />
Über eine Reihe von Hügeln zu fahren,<br />
mag körperlich schwer sein, aber jede Fahrerin<br />
steht vor derselben Herausforderung.<br />
Doch die psychologischen Hindernisse<br />
sind schwerer zu überwinden. Davon kann<br />
Kasia Niewiadoma ein Lied singen. Dass<br />
die polnische Fahrerin ein extremes Talent<br />
dafür hat, Anstiege hochzuklettern, steht<br />
außer Frage. Auf WorldTour-Niveau ist<br />
ihre Karriere eine Geschichte von konstant<br />
hohen Platzierungen bei Eintagesrennen,<br />
aber nur einem Sieg: dem Trofeo Alfredo<br />
Binda 2018. Das Schwere für Niewiadoma<br />
war, all das Talent, diese Platzierungen<br />
in das oberste Treppchen auf dem Podium<br />
umzumünzen.<br />
Und sie steht vor derselben Herausforderung<br />
wie alle anderen Fahrerinnen in<br />
der Women’s WorldTour: Wie schlägt<br />
man Anna van der Breggen und Annemiek<br />
van Vleuten? Dies mag eine goldene Ära<br />
im Frauenradsport sein – wir sind mit<br />
nicht nur einem, sondern zwei Talenten<br />
gesegnet, die den Sport definieren, aber es<br />
ist keine so goldene Ära aus der Sicht ihrer<br />
Rivalinnen. Niewiadoma zählt oft zum<br />
Besten vom Rest: Zweite hinter van der<br />
Breggen beim Strade Bianche 2018, Dritte<br />
bei Amstel, Flèche und Lüttich 2017, die<br />
alle von van der Breggen gewonnen wurden;<br />
Dritte hinter van Vleuten beim Strade<br />
Bianche in diesem Jahr.<br />
ERGEBNIS<br />
Aber beim Amstel Gold Race 2019 überwand<br />
Niewiadoma nicht nur die physischen<br />
Barrieren vor dem Erfolg, sie schaffte<br />
es auch, sich weit genug von ihren hol ländischen<br />
Rivalinnen abzusetzen, um das<br />
Rennen zu gewinnen. Mit ihrem Angriff<br />
am Cauberg zwei Kilometer vor dem Ziel<br />
schüttelte sie alle ab, aber die härtere Arbeit<br />
war, sich van Vleuten vom Leib zu halten,<br />
die eine entschlossene und unerbittliche<br />
Aufholjagd fuhr. Van Vleuten kann<br />
Herzen brechen – sie schloss in der Schlussphase<br />
des La Course im letzten Jahr eine<br />
scheinbar unüberwindbare Lücke zu van<br />
der Breggen und zog auf den letzten 50 Me -<br />
tern an ihr vorbei. Niewia doma drohte ein<br />
ähnliches Schicksal, aber während van<br />
Vleuten den Abstand verringerte, hielt die<br />
Polin sie auf Distanz. Auf der Kuppe war es<br />
ein Rennen zweier Fahrerinnen: Im Ziel<br />
war van Vleuten nahe genug, um zeitgleich<br />
mit der Fahrerin von Canyon-SRAM zu<br />
sein, doch es reichte nicht zum Sieg.<br />
Katarzyna Niewiadoma fuhr beim Amstel<br />
Gold Race endlich wieder zum Sieg.<br />
FAHRERIN TEAM ZEIT<br />
1 Katarzyna Niewiadoma Canyon-SRAM 3:25:48<br />
2 Annemiek van Vleuten Mitchelton-Scott 0:00<br />
3 Marianne Vos CCC-Liv + 0:10<br />
4 Annika Langvad Boels-Dolmans + 0:10<br />
5 Soraya Paladin Alé-Cipollini + 0:10<br />
© Getty Images<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 81
NACHLESE<br />
Deceuninck–Quick–Step<br />
Astana<br />
Bora–hansgrohe<br />
Mitchelton-Scott<br />
UAE Emirates<br />
Team Sky<br />
26<br />
23<br />
19<br />
17<br />
11<br />
9<br />
SIEGE<br />
PRO<br />
TEAM<br />
Jumbo–Visma ..................................9<br />
Androni Giocattoli–Sidermec. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />
Total Direct Energie ............................8<br />
Movistar ....................................... 7<br />
EF Education First .............................. 7<br />
SIEGE<br />
PRO LAND<br />
37<br />
ITALIEN<br />
19<br />
KOLUMBIEN<br />
32<br />
FRANKREICH<br />
18<br />
NIEDERLANDE<br />
Israel Cycling Academy ........................ 7<br />
Groupama-FDJ .................................6<br />
VitaL Concept–B&B Hotels ..................... 5<br />
Corendon-Circus ............................... 5<br />
AG2R La Mondiale .............................4<br />
6<br />
SAM<br />
BENNETT<br />
BORA–HANSGROHE<br />
SIEGE<br />
PRO FAHRER<br />
9<br />
JULIAN<br />
ALAPHILIPPE<br />
DECEUNINCK–<br />
QUICK-STEP<br />
6<br />
MATHIEU VAN<br />
DER POEL<br />
CORENDON-CIRCUS<br />
M. Schachmann Bora–hansgrohe 5<br />
Alexey Lutsenko Astana 5<br />
D. Groenewegen Jumbo–Visma 5<br />
Elia Viviani Deceuninck–Quick–Step 4<br />
Niccoló Bonifazio Total Direct Energie 4<br />
Daryl Impey Mitchelton-Scott 4<br />
Jakob Fuglsang Astana 3<br />
Caleb Ewan Lotto Soudal 3<br />
Ion Izagirre Astana 3<br />
Adam Yates Mitchelton-Scott 3<br />
M. Ángel López Astana 3<br />
FLÈCHE WALLONNE / 24.04.2019<br />
ALAPHILIPPE<br />
KNACKT DEN CODE<br />
DER MUR<br />
FLÈCHE WALLONNE FEMININ / 24.04.2019<br />
FÜNF-STERNE-SIEG<br />
FÜR VAN DER<br />
BREGGEN<br />
TOUR OF THE ALPS / 22.–26.04.2019<br />
SKY MIT GROSSER<br />
ZUKUNFT BEI DEN<br />
RUNDFAHRTEN<br />
© Getty Images (Bennett, van der Poel), BettiniPhoto (Alaphilippe); Stand: 29. 04.2019<br />
Julian Alaphilippe hat die Formel geknackt,<br />
wie man an der Mur de Huy beim Flèche<br />
Wallonne gewinnt. Tatsächlich waren die<br />
Fahrer, die der Franzose auf seinem Weg zum<br />
Sieg stellte und überholte, das Einzige, was bei<br />
seinem zweiten Sieg in zwei Jahren anders war.<br />
Beide Jahre wartete Alaphilippe auf der ersten<br />
Hälfte des Anstiegs, versteckt hinter zwei Lotto-Soudal-Fahrern.<br />
500 Meter vor dem Ziel, wo<br />
die Rampe mit 25 Prozent am steilsten ist, beschleunigte<br />
er und verfolgte einen Fahrer weiter<br />
vorn – 2019 war es Jakob Fuglsang, 2018 sein<br />
Teamkollege Max Schachmann. Einmal gestellt,<br />
hielt er sich bis 100 Meter vor der Linie im Windschatten,<br />
bevor er zum Sieg sprintete.<br />
FAHRER<br />
TEAM<br />
1 Julian Alaphilippe Deceuninck–Quick–Step<br />
2 Jakob Fuglsang Astana<br />
3 Diego Ulissi UAE Emirates<br />
Anna van der Breggen hat Marianne Vos’<br />
Rekord der meisten Siege beim Flèche<br />
Wallonne eingestellt und ihren fünften<br />
Sieg bei dem Ardennenklassiker gefeiert, während<br />
sie die Regenbogenstreifen der Weltmeisterin<br />
trug. Van der Breggen ist in diesem Frühjahr<br />
weniger Straßenrennen gefahren und hat stattdessen<br />
am Cape-Epic-Mountainbike-Rennen in<br />
Südafrika teilgenommen. Aber sie hat bewiesen,<br />
dass sie immer noch die beste Fahrerin an der<br />
Mur de Huy ist. Obwohl van der Breggen komfortabel<br />
mit zwei Radlängen gewann, war dies<br />
der kleinste Vorsprung bei ihren fünf Siegen, nur<br />
eine Sekunde vor ihrer Landsmännin Annemiek<br />
van Vleuten.<br />
FAHRERIN<br />
TEAM<br />
1 Anna van der Breggen Boels-Dolmans<br />
2 Annemiek van Vleuten Mitchelton-Scott<br />
3 Annika Langvad Boels-Dolmans<br />
Pawel Siwakows erster Profisieg bei der<br />
Tour of the Alps vor seinem Teamkollegen<br />
Chris Froome verhieß eine glänzende<br />
Zukunft für das Team Sky. Der 21 Jahre alte<br />
Russe ist der zweitjüngste Fahrer von Sky – jetzt<br />
Ineos –, aber sein Sieg bei der Bergankunft auf<br />
der 2. Etappe, mit dem er sich das Spitzenreitertrikot<br />
vor Froome und Vincenzo Nibali holte,<br />
erklärte, warum er seit Langem hoch gehandelt<br />
wurde. Siwakows Sieg kam während einer dominanten<br />
Vorstellung von Sky, bei der Tao Geoghegan<br />
Hart, 24, zwei Etappen gewann. Das<br />
heißt, dass 2019 bisher alle neun Sky-Siege<br />
bis auf einen von Fahrern geholt wurden, die<br />
25 Jahre oder jünger waren.<br />
FAHRER<br />
TEAM<br />
1 Pavel Sivakov Team Sky<br />
2 Tao Geoghegan Hart Team Sky<br />
3 Vincenzo Nibali Bahrain-Merida<br />
82 PROCYCLING | JUNI 2019
NACHLESE<br />
Kirsten Wild bei<br />
ihrem zweiten Sieg<br />
von Gent–Wevelgem.<br />
NIEDERLANDE<br />
SIEGE PRO LAND – FRAUEN<br />
LIÈGE–BASTOGNE–LIÈGE FEMMES / 28.04.2019<br />
VAN VLEUTENS<br />
STARKES FRÜHJAHR<br />
Annemiek van Vleuten hat gezeigt, warum<br />
sie Zeitfahr-Weltmeisterin ist: Sie spielte<br />
ihre überlegene Power aus und fuhr solo<br />
zu einem Debütsieg bei Lüttich–Bastogne–Lüttich<br />
mit mehr als anderthalb Minuten auf ihre nächsten<br />
Verfolgerin, nachdem sie an der Côte de la Redoute<br />
angegriffen hatte. Der Sieg war der 52. ihrer<br />
Kariere, aber der erste in Lüttich, und folgte auf<br />
ihren Sieg beim Strade Bianche im letzten Monat<br />
sowie eine Reihe von zweiten Plätzen bei der<br />
Flandern-Rundfahrt, Amstel Gold Race und<br />
Flèche Wallonne. Das heißt, dass die Holländerin<br />
2019 nur einmal die Top Five verpasst hat – der<br />
siebte Platz beim Dwars Door Vlaanderen war<br />
ihre niedrigste Platzierung.<br />
FAHRERIN<br />
13 10<br />
TEAM<br />
1 A. van Vleuten Mitchelton-Scott<br />
2 Floortje Macaij Sunweb<br />
AUSTRALIEN<br />
3 Demi Vollering Parkhotel Valkenburg<br />
DEUTSCHLAND<br />
ITALIEN<br />
LIÈGE–BASTOGNE–LIÈGE / 28.04.2019<br />
FUGLSANG GEWINNT<br />
SEIN ERSTES<br />
EINTAGESRENNEN<br />
Jakob Fuglsangs Sieg bei Lüttich–Bastogne–<br />
Lüttich war sein erster Erfolg bei einem Eintagesrennen.<br />
Vor diesem Jahr war der 34-<br />
Jährige zuletzt in die Top Five eines Eintagesrennens<br />
gefahren, als er Zweitplatzierter des olympischen<br />
Straßenrennens 2016 wurde, einer von nur<br />
zwölf Top-Five-Plätzen seiner Karriere bei Eintagesrennen.<br />
Aber Fuglsang startete 2019 besser<br />
denn je in die Saison und beendete die Ruta del<br />
Sol im Februar und die drei anderen Etappenrennen,<br />
die er fuhr, alle mindestens auf dem sechsten<br />
Platz. Er war Zweiter beim Strade Bianche, Dritter<br />
beim Amstel Gold und Zweiter beim Flèche Wallonne,<br />
bevor er Lüttich als Solist mit 27 Sekunden<br />
Vorsprung gewann.<br />
FAHRER<br />
5 4<br />
TEAM<br />
1 Jakob Fuglsang Astana<br />
2 Davide Formolo Bora–hansgrohe<br />
3 Maximilian Schachmann Bora–hansgrohe<br />
SIEGE<br />
PRO<br />
TEAM –<br />
FRAUEN<br />
Mitchelton-Scott<br />
Trek-Segafredo<br />
WNT-Rotor Pro Cycling<br />
Team Virtu Cycling<br />
Boels-Dolmans<br />
SIEGE PRO<br />
FAHRERIN<br />
3 4 3<br />
MARTA<br />
BASTIANELLI<br />
TEAM VIRTU<br />
CYCLING<br />
3<br />
KIRSTEN<br />
WILD<br />
WNT-ROTOR<br />
PRO CYCLING<br />
9<br />
LOTTA<br />
LEPISTÖ<br />
TREK-<br />
SEGAFREDO<br />
Chloe Dygert Sho-Air-Twenty20 3<br />
Annemiek van Vleuten Mitchelton-Scott 2<br />
Ellen van Dijk Trek-Segafredo 2<br />
Amanda Spratt Mitchelton-Scott 2<br />
Grace Brown Mitchelton-Scott 2<br />
4<br />
7<br />
8<br />
© Velofocus (Bastianelli), Getty Images (Wild, Lepistö), Luc Claessen/Getty Images (oben)<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 83
NACHLESE<br />
Fahrer im Fokus<br />
ALEXANDER KRISTOFF<br />
WAS WIR<br />
DIESEN MONAT<br />
GELERNT HABEN<br />
Crosstraining ist en vogue.<br />
© Getty Images<br />
Alexander Kristoffs Siege sind, seit er 2010<br />
in die WorldTour kam, einer klassischen<br />
Glockenkurve gefolgt. Null im ersten Jahr.<br />
Einer, dann zwei in der nächsten Saison, sieben<br />
2013, zweistellige Zahlen im Jahr darauf. Er erreichte<br />
seinen Zenit 2015 mit 20 Siegen. Seitdem<br />
war die Geschichte eine fast identisch verlaufende<br />
Abwärtskurve mit sinkenden zweistelligen Zahlen,<br />
dann hohen einstelligen Zahlen. Um Genesis<br />
3:19 zu zitieren: Die Karriere ist aus Staub gemacht,<br />
und zu Staub kehrt sie zurück.<br />
Aber die Zahlen täuschen über eine wieder erstarkte<br />
Form hinweg. Er gewinnt vielleicht nicht<br />
viel in puncto Quantität, aber die Qualität seiner<br />
Resultate ist hoch. Er gewann<br />
seinen ersten Tourde-France-Sprint<br />
seit vier<br />
Jahren auf den Champs-<br />
Élysées 2018, was bedeutsam<br />
war. Kristoff ist<br />
in den letzten Jahren von<br />
schnelleren Rivalen bei<br />
der Tour geschlagen worden,<br />
aber je länger und<br />
GENT–WEVELGEM<br />
MAILAND–SAN REMO<br />
härter die Rennen sind,<br />
umso besser schneidet FLANDERN-RUNDFAHRT<br />
er ab. Auf den Champs-<br />
SCHELDEPRIJS<br />
Élysées, wo Widerstandsfähigkeit<br />
und ein langer ESCHBORN–FRANKFURT<br />
Sprint zählen können,<br />
HAMBURG CYCLASSICS<br />
schlug er John Degenkolb<br />
BRETAGNE CLASSIC<br />
und Arnaud Démare (vielleicht<br />
nicht zufällig sind<br />
SIEGE GESAMT<br />
alle drei Mailand–San-Remo-Sieger). Kristoff holte<br />
auch seinen ersten großen Frühjahrssieg seit<br />
dem Scheldeprijs 2015, als er im April Gent–Wevelgem<br />
gewann. Wieder gab ein langer und ermüdender<br />
Tag im Sattel den Ausschlag für ihn, zudem<br />
hatte er sich das Rennen exzellent eingeteilt<br />
– er griff die Hauptgruppe vor der letzten Passage<br />
des Kemmelbergs an, um den Anstieg mit gleichmäßigem<br />
Tempo hochfahren zu können, statt in<br />
den roten Bereich zu gehen, um bei Beschleunigungen<br />
zu folgen.<br />
Kristoff mag zwar keine 20 Rennen im Jahr<br />
mehr gewinnen, aber dieses Frühjahr hat gezeigt:<br />
Je länger und schwerer die Rennen sind, umso<br />
schwerer ist es, ihn zu schlagen.<br />
KRISTOFFS LEISTUNGEN BEI EINTAGESRENNEN<br />
’10 ’11 ’12 ’13 ’14 ’15 ’16 ’17 ’18 ’19<br />
DNF<br />
10<br />
4<br />
7<br />
14<br />
131<br />
15<br />
17<br />
6<br />
11<br />
8 1 2 6 4 4 14<br />
14<br />
4<br />
5<br />
3<br />
DNF<br />
11<br />
5<br />
15<br />
1<br />
2 5 4 3<br />
8 1 3 2 11<br />
0 1 2 7 14 20 13 9 5 2<br />
9<br />
1<br />
1<br />
4 5 16 3<br />
15<br />
73 25<br />
1 1 1 1<br />
1<br />
Typisch: Erst wartet man Jahre, bis ein ehemaliger<br />
Cyclocross-Champion die Frühjahrsklassiker<br />
dominiert, und dann kommen<br />
drei auf einmal daher. Zdenek Štybar stand<br />
in den letzten Jahren als dreifacher Cross-Weltmeister,<br />
der sich auf die Straße verlegt hat, allein<br />
auf weiter Flur. Seine Frühjahrs-Palmarès waren<br />
beeindruckend – Siege beim Strade Bianche und<br />
in diesem Jahr beim Omloop Het Nieuwsblad und<br />
E3 Harelbeke, während er bei Paris–Roubaix auf<br />
dem Podium gestanden hat. Aber 2018 tauchte<br />
Wout Van Aert auf, ebenfalls dreifacher Cross-<br />
Weltmeister, der Top-Ten-Resultate bei Strade<br />
Bianche, Gent–Wevelgem und der Flandern-<br />
Rundfahrt geholt hat. Und 2019 war das Frühjahr<br />
von Mathieu van der Poel, der zwar erst zwei Regenbogentrikots<br />
hat, aber Vierter bei Flandern<br />
und Gent–Wevelgem wurde, Dwars door Vlaanderen<br />
gewann und vor allem einen sensationellen<br />
Sieg beim Amstel Gold Race herausfuhr.<br />
Im letzten Jahrzehnt haben nationale Verbände,<br />
die Nachwuchs für die Straße fördern wollten,<br />
den Bahnradsport als Weg dorthin genutzt. Australien<br />
und Großbritannien haben mit ihren<br />
Bahnprogrammen in den frühen 2000ern eine<br />
goldene Generation von Straßenfahrern hervorgebracht.<br />
Andere, wie Italien, haben es ihnen<br />
nachgemacht – Elia Viviani ist Olympiasieger im<br />
Omnium. Aber man darf gespannt sein, ob die<br />
Cyclocross-Route weiter ausgebaut wird oder ob<br />
Straßen-Talentscouts nach Cross-Fahrern Ausschau<br />
halten, die Štybar, Van Aert und van der<br />
Poel nacheifern können. Der Brite Tom Pidcock ist<br />
ein U23-Zeitfahr-Weltmeister und Roubaix-Sieger<br />
der Junioren, aber er ist auch Junioren- und<br />
U23-Cyclocross-Champion. Sicher ist, dass van<br />
der Poel nicht der letzte konvertierte Crosser ist,<br />
der ein großes Straßenrennen gewinnt.<br />
84 PROCYCLING | JUNI 2019
NACHLESE<br />
TAKTIK-TIPPS: EINER GEGEN VIELE<br />
Alberto Bettiols Sieg bei der Flandern-Rundfahrt<br />
beruhte auf<br />
seiner Überlegenheit am Oude<br />
Kwaremont. Wenn einer der anderen<br />
Fahrer an diesem Punkt 17 Kilometer<br />
vor dem Ziel ihm hätte folgen können,<br />
hätte er das getan. Dass keiner mitging,<br />
zeigte, wer der stärkste Fahrer des Rennens<br />
war. Aber Rennen werden nicht nur<br />
mit Stärke alleine gewonnen. Nach Kwaremont<br />
und Paterberg hatte Bettiol weniger<br />
als eine halbe Minute Vorsprung auf<br />
eine 17-köpfige Gruppe. Wenn diese<br />
Fahrer sich organisiert und mit der Tempoarbeit<br />
abgewechselt hätten, hätten sie<br />
ihn normalerweise eingeholt. Aber das<br />
Feng Shui in dieser Gruppe stimmte<br />
nicht. Erstens waren drei der Fahrer unter<br />
ihnen – Kristoff, Sagan and Matthews<br />
– exzellente Sprinter und einige weitere<br />
– van der Poel, Van Avermaet und Valverde<br />
– ebenfalls ziemlich schnell. Die<br />
zweite, eng damit zusammenhängende<br />
Tatsache war, dass keiner von diesen<br />
Fahrern Teamkollegen hatte. Drittens<br />
hatten die zwei Teams, die mit mehr als<br />
einem Fahrer vertreten waren – Lotto mit<br />
Benoot und Keukeleire sowie Deceuninck<br />
Am Oude Kwaremont<br />
war Alberto<br />
Bettiol zu stark für<br />
die Konkurrenz<br />
und setzte sich ab;<br />
danach fehlte es<br />
bei den Verfolgern<br />
an Einigkeit.<br />
mit Jungels und Lampaert – zufälligerweise<br />
keine Sprinter dabei. Die Sprinter<br />
wollten, dass das Rennen wieder zusammenlief;<br />
die einzigen Teams, die fähig<br />
waren, das Szenario herbeizuführen,<br />
hatten keine Sprinter. (Noch ein relevanter<br />
Fakt: Bettiols Teamkollege Langeveld<br />
bekam es sauber hin, die Nachführarbeit<br />
zu stören und Angriffe zu unterbinden).<br />
Die Gruppe hätte zusammen fahren<br />
müssen wie eine gut geölte Maschine;<br />
stattdessen fuhr sie stotternd und mit<br />
Fehlzündungen bis zum Ziel. Bettiol war<br />
nie gefährdet.<br />
© Chris Auld<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 85
NACHLESE<br />
Wir haben uns die zwölf größten europäischen<br />
Frühjahrsrennen angeschaut – Omloop, Kuurne,<br />
Strade Bianche, San Remo, E3, Wevelgem, Dwars door<br />
Vlaanderen, Flandern, Roubaix, Amstel, Flèche und Lüttich<br />
– und unsere Berechnungen angestellt.<br />
WER FUHR DIE<br />
MEISTEN RENNEN?<br />
Michael Valgren ging bei zehn der zwölf Frühjahrsrennen an<br />
den Start, beendete jedoch nur sieben davon. Sieben Fahrer<br />
bestritten neun der Rennen und kamen bei jedem ins Ziel.<br />
BESTER DER<br />
ARDENNEN<br />
Bei den drei Ardennenklassikern Amstel Gold Race, Flèche<br />
Wallonne und Lüttich–Bastogne–Lüttich zeigte sich ein Fahrer<br />
klar überlegen: Jakob Fuglsang. Wie schnitten die anderen Fahrer<br />
ab, die bei allen drei Rennen ins Ziel kamen?<br />
FAHRER AMSTEL FLÈCHE LIÈGE<br />
1 J. Fuglsang Astana 3 2 1<br />
2 M. Schachmann Bora–hansgrohe 5 5 3<br />
3 J. Alaphilippe Deceuninck–Quick-Step 4 1 16<br />
4 B. Lambrecht Lotto Soudal 6 4 27<br />
5 M. Kwiatkowski Team Ineos 11 16 12<br />
6 R. Bardet AG2R La Mondiale 9 13 21<br />
7 P. Konrad Bora–hansgrohe 26 7 13<br />
8 M. Matthews Sunweb 16 8 35<br />
9 S. Clarke EF Education First 2 23 40<br />
10 A. De Marchi CCC Team 7 21 41<br />
© Yuzuru Sunada (oben rechts, Valgren, Gilbert), BettiniPhoto (Avermaet), Getty Images<br />
10/7<br />
MICHAEL<br />
VALGREN<br />
9/9<br />
OLIVER<br />
NAESEN<br />
PFLASTER-<br />
STARS<br />
Die Kopfsteinpflaster-Klassiker wurden<br />
wieder mal von Deceuninck–Quick-Step<br />
dominiert. Wir haben die besten Ergebnisse<br />
der Fahrer addiert und errechnet, dass Bob<br />
Jungels mit seinem Sieg bei Kuurne und<br />
hohen Platzierungen bei E3 und Dwars<br />
door Vlaanderen knapp vor Zdenĕk Štybar<br />
mit zwei Siegen liegt.<br />
9/9<br />
JENS<br />
KEUKELEIRE<br />
9/9<br />
EDWARD<br />
THEUNS<br />
9/9<br />
STEFAN<br />
KÜNG<br />
9/9<br />
GREG VAN<br />
AVERMAET<br />
9/9<br />
YVES<br />
LAMPAERT<br />
9/8<br />
CHRIS<br />
JUUL-JENSEN<br />
9/9<br />
MATEJ<br />
MOHORIČ<br />
9/7<br />
PHILIPPE<br />
GILBERT<br />
AUFGABEN<br />
ZHANDOS<br />
BIZHIGITOV<br />
ASTANA<br />
TOP-TEN-PLÄTZE<br />
7 5<br />
OLIVER<br />
NAESEN<br />
AG2R LA MONDIALE<br />
596<br />
FAHRER FUHREN<br />
MINDESTENS<br />
EINEN<br />
KLASSIKER<br />
FAHRER NAT. TEAM OHN KBK E3 GW DDV FR PR<br />
1 Bob Jungels Deceuninck–QS 16 1 5 – 3 16 –<br />
2 Zdenĕk Štybar Deceuninck–QS 1 34 1 35 – 36 8<br />
3 Nils Politt Katusha-Alpecin 19 disq. 6 – 21 5 2<br />
4 Greg Van Avermaet CCC Team 2 – 3 20 – 10 12<br />
5 Yves Lampaert Deceuninck–QS 7 5 18 77 8 17 3<br />
6 Alexander Kristoff UAE Emirates – – 21 1 12 3 56<br />
7 Oliver Naesen AG2R La Mondiale 10 43 8 3 19 7 13<br />
8 Philippe Gilbert Deceuninck–QS 8 – 11 22 DNF DNF 1<br />
9 Matteo Trentin Mitchelton-Scott 9 DNF 7 7 – 21 43<br />
10 Wout Van Aert Jumbo–Visma 13 – 2 29 – 14 22<br />
11 Jens Keukeleire Lotto Soudal 11 7 14 15 11 12 29<br />
86 PROCYCLING | JUNI 2019
NACHLESE<br />
Bob Jungels kommt<br />
mit Pflastersteinen<br />
optimal zurecht und<br />
konnte in Kuurne<br />
überragend siegen.<br />
© Tim de Waele/Getty Images<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 87
88 PROCYCLING | JUNI 2019
ZWISCHEN<br />
DEN WELTEN<br />
Gravel-Bikes liegen im Trend, doch was genau darunter<br />
zu verstehen ist, kann auch unser Testfeld nicht klären:<br />
Zu unterschiedlich sind die Räder, die zu diesem Thema<br />
geliefert werden. Ausgehend von 35 bis 40 Millimeter<br />
breiten Reifen, gehen sie mal mehr in Richtung Rennrad,<br />
mal mehr in Richtung Crosser – oder sind wirklich auf<br />
Offroad-Touren und -Reisen abgestimmt. Interessant<br />
und vielseitig ist die noch junge Gattung in jedem Fall.<br />
Text Caspar Gebel<br />
Fotografie Andreas Meyer<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 89
RADTEST<br />
AIRSTREEEM GRAVELLER<br />
7.420 € // www.airstreeem.com<br />
Der Salzburger Hersteller definiert<br />
„Gravel“ sehr nah am Aero-Rennrad.<br />
Mit integriertem Gabelkopf,<br />
tief angesetzten Sitzstreben, ausgekehltem<br />
Sitzrohr und Aero-Stütze wirkt der<br />
Graveller erst einmal wie ein typisches<br />
Modell der Österreicher. Doch die Reifen<br />
fallen mit 35 Millimetern ziemlich breit<br />
aus, und schon sind wir bei dem Alleinstellungsmerkmal<br />
dieser Rennmaschine:<br />
FAZIT<br />
Die eigentlich im<br />
Triathlon beheimateten<br />
Salzburger<br />
bleiben ihren<br />
Wurzeln treu und<br />
stellen ein Rennrad<br />
vor, das mit 35-Milli -<br />
meter-Pneus sehr<br />
große Freiheiten<br />
bei der Streckenwahl<br />
bietet, dabei<br />
aber jederzeit für<br />
Highspeed gut ist.<br />
Der Graveller ist nichts anderes als ein<br />
Aero-Rad, das mit bis zu 40 Millimeter<br />
breiten Reifen bestückt werden kann, kein<br />
offroad-taug licher Reiserenner in Stil eines<br />
Crossers. Doch wenn es darum geht, mit<br />
ihm ab und zu auf nicht asphaltierten<br />
Strecken, Kopfsteinpflaster oder Ähnlichem<br />
zu fahren, ist das Airspeeed ideal.<br />
Selbst mit den breiten Pneus ist das Rad<br />
sehr leicht – nur knapp acht Kilo –, dazu<br />
schnell und handlich. Schwalbes G-One<br />
Allround rollt überraschend leicht, bietet<br />
mit reduziertem Druck viel Grip im Gelände<br />
und sorgt in schnellen Kurven für optimale<br />
Bodenhaftung; der Rahmen ist mit<br />
noch recht kurzem Radstand und eher<br />
steilem Lenkwinkel handlich und agil. Ein<br />
Blick auf die Geometrietabelle überrascht:<br />
Abgesehen von den zwei ausgewiesenen<br />
Aero-Spezialisten „Super TT“ ist kein<br />
Airstreeem-Bike so aggressiv geschnitten<br />
wie der Graveller. Ein komfortorientierter<br />
Tourenrenner ist dieses Rad definitiv nicht.<br />
Dazu passt die edle Komplettierung mit<br />
mechanischer Dura-Ace und tiefen Carbonfelgen;<br />
verbaut sind dazu ein leichter<br />
Carbonsattel sowie ein griffgünstiger Aero-<br />
Lenker mit flachem Oberlenker. Kurz: Der<br />
Graveller ist eher „Rennrad +“ als Gravel-<br />
Bike, damit aber der vielleicht perfekte Kompromiss<br />
zwischen Straße und Gelände.<br />
SPECS<br />
Rahmen Ultralight<br />
Carbon<br />
Gabel<br />
Vollcarbon<br />
Schaltung<br />
Shimano<br />
Dura-Ace<br />
Kurbelsatz<br />
Shimano<br />
Dura-Ace<br />
Laufradsatz<br />
Carbon Aero 50<br />
Bereifung<br />
Schwalbe G-One<br />
Allround 35 mm<br />
Vorbau/Lenker<br />
Speeed<br />
Carbonlight<br />
Sattel Speeed<br />
Carbonlight<br />
Stütze<br />
Graveller Carbon<br />
Gewicht<br />
7,97/1,48/1,78 kg<br />
(kpl. o. P./VR/HR)<br />
90 PROCYCLING | JUNI 2019
RADTEST<br />
BERGAMONT GRANDURANCE ELITE<br />
2.599 € // www.bergamont.com<br />
SPECS<br />
Rahmen<br />
Ultra Lite High<br />
Strength Carbon<br />
Gabel Grandurance<br />
Carbon<br />
Schaltung<br />
SRAM Apex 1<br />
Kurbelsatz<br />
SRAM Apex 1<br />
Laufradsatz<br />
Mavic Allroad<br />
Bereifung<br />
Schwalbe G-One<br />
Allround 35 mm<br />
Vorbau/Lenker<br />
Syncros RR2.5/<br />
Creston 2.0<br />
Sattel<br />
Syncros FL2.5<br />
Stütze<br />
Syncros RR2.5<br />
Gewicht<br />
9,16/1,55/2,27 kg<br />
(kpl. o. P./VR/HR)<br />
Mit nach außen gebogenem Unterlenker<br />
und 1x11-Schaltung<br />
ist das Bergamont auf den ersten<br />
Blick als klassisches Gravel-Bike zu erkennen:<br />
abgeleitet vom Crosser, mit einem<br />
breiteren Übersetzungsspektrum versehen<br />
und für Touren geeignet. Die spezielle<br />
Lenkerform erleichtert die Montage einer<br />
breiten Lenkertasche; an der Alustütze<br />
lässt sich eine große Satteltasche befestigen.<br />
Ungewöhnlich ist der Schnellspanner<br />
an der Sattelklemme – vielleicht zum Absenken<br />
des Sattels an Steilstücken bergab.<br />
Bergamont veredelt das Topmodell der<br />
Grandurance-Reihe mit einem schlanken<br />
Carbonrahmen, dessen Gewindeösen die<br />
Montage von Schutzblechen ermöglichen.<br />
Auch ein Umwerfersockel kann montiert<br />
werden. Hinterbau und Gabel sind mit<br />
Steckachsen ausgestattet; bei der Forke hat<br />
es leider nicht für eine Innenverlegung der<br />
Bremsleitung gereicht. Vorne ist bereits ein<br />
kleiner „Fender“ montiert. Die Sitzhaltung<br />
fällt etwas kompakter aus als etwa auf<br />
dem Crossrad, ist aber nicht allzu aufrecht;<br />
bei fünf Rahmenhöhen wachsen die Rahmen<br />
stärker in der Höhe als in der Länge.<br />
Auch die Hamburger montieren den<br />
G-One Allround in 35 Millimeter Breite.<br />
Ein 40er dürfte noch durch Rahmen und<br />
Gabel passen, nicht jedoch die Zwei-Zoll-<br />
Walzen mancher Hardcore-Graveller – auf<br />
extreme Offroad-Einsätze ist also auch dieses<br />
Rad nicht abgestimmt. Dafür auf steile<br />
Anstiege: Mit 11-42 Zähnen hinten und<br />
42er-Blatt ist eine 1:1-Übersetzung an Bord.<br />
Die SRAM Apex schaltet knackig und bremst<br />
tadellos; ein Unterschied gegenüber den<br />
teureren Gruppen des Anbieters ist nicht<br />
feststellbar. Mit anderen Reifen könnte der<br />
Radsatz auch schlauchlos gefahren werden.<br />
FAZIT<br />
Das Bergamont<br />
liegt noch etwas<br />
näher am Crosser<br />
als am Extrem-<br />
Reise-Offroad-<br />
Rennrad, ist aber in<br />
Sachen Übersetzung,<br />
Sitzhaltung<br />
und Bereifung klar<br />
„Gravel“, dazu gut<br />
ausgestattet, attraktiv<br />
ausgepreist und<br />
nicht zu schwer.<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 91
RADTEST<br />
CENTURION CROSSFIRE GRAVEL 4000<br />
2.449 € // www.centurion.com<br />
Die süddeutsche Marke hat sich<br />
komplett aus dem Rennradsegment<br />
verabschiedet, bietet jedoch<br />
noch eine Handvoll Geländerenner an –<br />
Ehrensache, Centurion-Gründer Wolfgang<br />
Renner war schließlich mehrfacher deutscher<br />
Querfeldein-Meister. Eine Unterscheidung<br />
zwischen Cross und Gravel findet<br />
freilich nicht statt, mit weniger als<br />
2.500 Euro ist zudem selbst das Topmo-<br />
FAZIT<br />
Centurion liegt mit<br />
dem Crossfire nah<br />
am Quer feldeinrad,<br />
wobei die Straßenübersetzung<br />
der<br />
Kurbel weder hier<br />
noch da passt. Es sei<br />
denn, man montiert<br />
den Träger und geht<br />
mit dem insgesamt<br />
gelungenen Rad auf<br />
Reisen über Asphalt<br />
und Naturwege.<br />
dell eher günstig. Für diesen Preis bekommt<br />
man eine Ultegra mit Straßenübersetzung<br />
(53/34; 11-32), montiert an<br />
einen kühl wirkenden gebürsteten Alurahmen<br />
mit knallroter Carbongabel und<br />
modernen Details: Züge und Leitungen<br />
werden durch Gabel und Unterrohr geführt,<br />
wobei hinterer Schaltzug und hintere<br />
Bremsleitung ab dem Tretlager außen<br />
an den Ketten streben verlaufen; vorne wie<br />
hinten kommen zeitgemäße Steckachsen<br />
zum Einsatz. Außerdem gehört Centurion<br />
zu den ganz wenigen Anbietern, die ein<br />
Direct-Mount-Ausfallende spezifizieren.<br />
Das Crossfire Gravel ist moderat komfortabel<br />
geschnitten, wobei kurzer Vorbau<br />
und Spacer am Testrad eine eher aufrechte<br />
Haltung ergeben. Auch hier sorgt ein unten<br />
breiterer Lenker für Taschen-Kompatibilität,<br />
Gravel-typische Gewindeösen an<br />
allen möglichen Stellen fehlen jedoch. Dafür<br />
erlauben die hinteren Ausfallenden die<br />
Montage eines speziellen Gepäckträgers,<br />
dessen Belastbarkeit von 15 auf 25 Kilo<br />
gesteigert werden kann, wenn man spezielle<br />
Zusatzstreben montiert.<br />
Die 38er-Tubeless-Reifen rollen sehr<br />
leicht, bieten mit Schulterstollen jedoch<br />
auch Kurvengrip auf losem Untergrund.<br />
Für breitere Reifen bietet der Rahmen ausreichend<br />
Platz.<br />
SPECS<br />
Rahmen<br />
Crossfire Gravel<br />
Gabel<br />
Cross Carbon<br />
Schaltung<br />
Shimano<br />
Ultegra<br />
Kurbelsatz<br />
Shimano<br />
Ultegra<br />
Laufradsatz<br />
Procraft/DT Swiss<br />
350 Road<br />
Bereifung<br />
Maxxis Rambler<br />
38 mm<br />
Vorbau/Lenker<br />
Procraft AL OS<br />
PRO/Gravel<br />
Sattel<br />
Procraft Race III<br />
Stütze Procraft<br />
JD-SP67T.2<br />
Gewicht<br />
9,62/1,57/2,01 kg<br />
(kpl. o. P./VR/HR)<br />
92 PROCYCLING | JUNI 2019
RADTEST<br />
CORRATEC ALLROAD C2<br />
2.699 € // www.corratec.com<br />
SPECS<br />
Rahmen<br />
Corratec Allroad<br />
Carbon<br />
Gabel Corratec<br />
Pro Control Fork<br />
Schaltung<br />
Shimano<br />
Ultegra<br />
Kurbelsatz<br />
Shimano<br />
FC-RS 510<br />
Laufradsatz<br />
ZZYZX 700C Disc<br />
Bereifung<br />
Schwalbe G-One<br />
Allroad 40 mm<br />
Vorbau/Lenker<br />
ZZYZX SL Alloy<br />
Sattel Fizik<br />
Antares R7<br />
Stütze Carbon<br />
Gewicht<br />
9,64/1,78/2,25 kg<br />
(kpl. o. P./VR/HR)<br />
Das mattgraue Corratec präsentiert<br />
sich ausgesprochen formschön mit<br />
integriertem Gabelkopf, säuberlich<br />
innen verlegten Zügen wie Leitungen und<br />
einer nahezu unsichtbaren Sitzklemme.<br />
Gabelbeine und Unterrohr erwecken mit<br />
ihren aerodynamischen Formen den Eindruck<br />
eines schnellen Straßenrenners,<br />
doch spätestens die diversen Gewinde ösen<br />
zeigen, dass hier ein echter Allrounder vor<br />
einem steht, der mit 40-Millimeter-Reifen<br />
dazu ziemlich geländetauglich ist. Und<br />
der üppige Durchlauf deutet an, dass noch<br />
breitere Pneus gefahren werden können.<br />
Die Schaltung ist mit einer einfachen Shimano-Kompakt-Kurbel<br />
und 11-32 hinten<br />
für fast alles gerüstet, schnelle Abfahrten<br />
wie steile Anstiege. Mit ausgewogener Sitzposition<br />
ist das Corratec ebenso sportlich<br />
wie tourentauglich; flacher Lenkwinkel und<br />
langer Radstand sorgen für ein ruhiges<br />
Fahrverhalten, Bereifung und Carbonstütze<br />
für Komfort. Der hochwertige Fizik-<br />
Sattel fährt sich sehr angenehm, und zum<br />
griffigen Lenkerband gesellen sich breite<br />
Gummi-Endkappen, die ein Abrutschen<br />
am Unterlenker verhindern.<br />
Die Ultegra-Komponenten des Allroad<br />
liefern bewährt gute Funktion ab in Form<br />
von geschmeidigen Schaltvorgängen und<br />
hoher Bremskraft. Und auch hier überzeu-<br />
gen die ebenso geschmeidigen wie griffigen<br />
Schwalbe-Reifen – eine Verbesserung<br />
könnte nur noch die Tubeless-Variante<br />
bringen, die für einen Reifen dieser Breite<br />
schon fast unheimlich leicht abrollt.<br />
Eher unmodern ist freilich der 32-Speichen-Radsatz,<br />
der komplett mit Kranz<br />
und Reifen über vier Kilo auf die Waage<br />
bringt – kein Wunder, dass das Komplettrad<br />
mit Pedalen über zehn Kilo wiegt.<br />
FAZIT<br />
Im dezenten<br />
Rennrad-Look<br />
gehalten, bietet<br />
das Corratec<br />
viel Gravel-<br />
Funktion mit<br />
breiten Reifen und<br />
diversen Gewindeösen.<br />
Die Ausstattung<br />
ist solide;<br />
für ein Carbonrad<br />
ist das Allroad<br />
freilich eher<br />
schwer.<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 93
RADTEST<br />
FUJI JARI CARBON 1.1<br />
2.899 € // www.fujibikes.com<br />
Am Fuji Jari Carbon 1.1 lässt sich<br />
vorzüglich zeigen, wie ein spezialisiertes<br />
Gravel-Bike aussieht. Die<br />
US-Firma präsentiert einen echten Offroader<br />
mit unten in die Breite gezogenem<br />
Rennlenker und zahlreichen Details, die<br />
das Rad interessant für Langstreckenfahrer<br />
machen. Los geht’s mit dem Rahmen,<br />
der mit einem Gewicht von unter 1.000<br />
Gramm (Herstellerangabe) sehr leicht aus-<br />
FAZIT<br />
Die hierzulande<br />
leider unterrepräsentierte<br />
Marke<br />
stellt ein Gravel-<br />
Bike „im klassischen<br />
Sinne“ vor:<br />
auf Radreisen und<br />
schweres Gelände<br />
abgestimmt, opti -<br />
mal übersetzt, dazu<br />
optisch gelungen,<br />
recht leicht und<br />
ziemlich preiswert.<br />
fällt und mit zahlreichen Gewindebohrungen<br />
versehen ist. Am Unterrohr können<br />
zwei Flaschenhalter montiert werden, dazu<br />
eine am Sitzrohr und eine an jedem Gabelbein.<br />
Das Oberrohr ist hinten/unten mit<br />
einem Schulterpolster zum Tragen ausgestattet,<br />
vorne/oben mit einer angeschraubten<br />
„Bento box“ – einer kleinen Tasche mit<br />
Reißverschluss, in die man etwa Energieriegel<br />
packen kann. Auch Schutzbleche lassen<br />
sich montieren; Züge und Leitungen<br />
sind fein säuberlich innen verlegt. Die flachen<br />
Kettenstreben sowie der auffällige<br />
Knick in den Sitzstreben dienen dem Komfort:<br />
Bis zu 15 Millimeter Federweg soll der<br />
Carbonhinterbau damit bieten. Dazu sind<br />
43 Millimeter breite Panaracer mit schnellem,<br />
dabei griffigem Profil montiert; wie die<br />
WTB-Felgen sind sie „tubeless ready“. Gabel<br />
wie Hinterbau lassen Platz für breitere<br />
Reifen, außerdem kann das Rad mit<br />
650B-Laufrädern gefahren werden. Richtig<br />
exotisch wird’s bei der Übersetzung: Zur<br />
11-34er-Kassette gibt es vorne 46/30<br />
Zähne, einen Berggang unterhalb von 1:1<br />
also, was gerade angesichts der breiten Reifen<br />
sinnvoll ist. Schaltung und Bremsen<br />
entstammen der Ultegra-Familie. Mit 9,1<br />
Kilo ist das Jari Carbon recht leicht, ebenso<br />
sein Radsatz; optisch gelungen und preiswert<br />
ist das Rad dazu.<br />
SPECS<br />
Rahmen<br />
C15 One-Piece<br />
UHM Carbon<br />
Gabel FC-440<br />
Cross Carbon<br />
Schaltung<br />
Shimano Ultegra<br />
Kurbelsatz FSA<br />
Energy Modular<br />
Laufradsatz<br />
WTB KOM Light<br />
i23 TCS 2.0<br />
Bereifung<br />
Panaracer<br />
Gravelking SK<br />
43 mm<br />
Vorbau/Lenker<br />
Oval Concepts<br />
707/325<br />
Sattel Oval<br />
Concepts X38<br />
Stütze Oval<br />
Concepts 905<br />
Gewicht<br />
9,08/3,38 kg<br />
(kpl. o. P./Radsatz)<br />
94 PROCYCLING | JUNI 2019
Nur für kurze Zeit<br />
59,90 € *<br />
statt 150 €<br />
6<br />
JAHRESABO<br />
SPEZIAL<br />
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RADTEST<br />
ROSE BACKROAD GRAVEL<br />
2.549 € // www.rosebikes.com<br />
Das Gravel-Bike aus Bocholt ist bis<br />
auf die Bereifung identisch mit<br />
dem Backroad Cross, einem Querfeldeinrad<br />
auf aktuellem Stand. Darunter<br />
versteht man beim Rose-Versand erst einmal<br />
einen glattflächigen Carbonrahmen in<br />
elegantem Blauton, bei dem alle Züge und<br />
Leitungen innen verlaufen und an den neben<br />
den zwei Flaschenhaltern keine weiteren<br />
Zubehörteile geschraubt werden kön-<br />
FAZIT<br />
Cross oder Gravel?<br />
Bei Rose ist das eine<br />
Frage der Reifen<br />
sowie der Übersetzung.<br />
Womit das<br />
Backroad die sport -<br />
liche Variante der<br />
Gattung ist, die zu<br />
schnellen Runden<br />
im Gelände einlädt,<br />
wobei der Lenker<br />
auch eine Lenkertasche<br />
zulässt.<br />
nen, mal abgesehen von Schutzblechen.<br />
Die Sitzgeometrie auf dem Backroad ist,<br />
anders als bei manch anderem sportlichen<br />
Crosser, eher relaxed und kompakt, dafür<br />
lenkt sich das Rad wendig und handlich.<br />
Die Sitzhaltung passt also gut zu einem<br />
Gravel-Bike.<br />
Ebenso wie die Übersetzung mit 42er-<br />
Kettenblatt und 11-42 hinten, die gleichen<br />
Gänge, mit denen auch die Cross-Variante<br />
ausgeliefert wird und die dort nicht<br />
ganz passen – aber im Rose-Konfigurator<br />
kann man die Kassette ebenso wie Lenkerbreite,<br />
Vorbaulänge und andere Spezifikationen<br />
nach Belieben ändern. Breitere<br />
Reifen als die 40 sind nicht im Angebot,<br />
würden jedoch passen – typisch für einen<br />
Crosser, ist der Durchlauf ziemlich groß,<br />
damit sich kein Matsch festsetzen kann.<br />
Ein weiteres Gravel-typisches Detail ist<br />
der Rennbügel mit um zwölf Grad nach<br />
außen abgewinkeltem Unterlenker, der<br />
mehr Kontrolle bergab erlaubt.<br />
Die vorzüglich funktionierenden Komponenten<br />
mit knackigen elf Gängen und<br />
scharfen Discbrakes sind auch an deutlich<br />
teureren Bikes zu Hause, warum also<br />
nicht einen zweiten Laufradsatz besorgen,<br />
sodass man das Backroad entweder als<br />
richtigen Crosser oder als Gravel-Bike mit<br />
breiteren Reifen fahren kann?<br />
SPECS<br />
Rahmen<br />
High Modulus<br />
Aerospace Carbon<br />
Gabel<br />
High Performance<br />
Disc<br />
Schaltung<br />
SRAM Force 1<br />
Kurbelsatz<br />
SRAM Force 1<br />
Laufradsatz<br />
Rose R Thirty Disc<br />
Bereifung<br />
Schwalbe G-One<br />
Allroad 40 mm<br />
Vorbau/Lenker<br />
Ritchey WCS<br />
C220/WCS<br />
Evomax<br />
Sattel Selle Italia<br />
Novus Flow<br />
Stütze Rose<br />
RC-170 Carbon<br />
Gewicht<br />
8,62/1,61/2,26 kg<br />
(kpl. o. P./VR/HR)<br />
96 PROCYCLING | JUNI 2019
RADTEST<br />
SPECIALIZED DIVERGE EXPERT X1<br />
4.799 € // www.specialized.com<br />
SPECS<br />
Rahmen<br />
FACT 9r Carbon<br />
Gabel<br />
FACT Carbon<br />
Schaltung<br />
SRAM Force 1<br />
Kurbelsatz Praxis<br />
Zayante Carbon 1X<br />
Laufradsatz<br />
Roval C38 Disc<br />
Bereifung<br />
Sawtooth 2Bliss<br />
Ready 38 mm<br />
Vorbau/Lenker<br />
Specialized<br />
Adventure<br />
Gear Hover<br />
Sattel<br />
Body Geometry<br />
Phenom Expert<br />
Stütze<br />
Specialized<br />
Carbon<br />
Gewicht<br />
8,61/1,53/2,0 kg<br />
(kpl. o. P./VR/HR)<br />
Mit Sichtcarbon und Glitterlack ist<br />
das Diverge ein ausgesprochen<br />
attraktives Gravel-Bike – so hip<br />
wie der neue Rennradtrend selbst, dabei<br />
konsequent auf Komfort getrimmt. Die<br />
weit ausgezogene Stütze mit dem charakteristischen<br />
Knick ist sicht- und spürbar<br />
vibrationsdämpfend; im Gabelschaft sitzt<br />
das „Future Shock“-System mit 20 Millimeter<br />
Federweg. Im Vergleich zu älteren<br />
Ausführungen führen auch harte Stöße<br />
nun nicht mehr dazu, dass die Federung<br />
durchschlägt; Dauervibrationen und kleinere<br />
Schläge werden abgepuffert und sorgen<br />
für einen lockeren Griff am Flare-Lenker.<br />
Dieser ist auch nach oben gezogen<br />
und sorgt zusammen mit der extrem entspannten<br />
Sitzgeometrie für eine ungewohnt<br />
aufrechte Haltung: Im Vergleich zu<br />
einem Specialized-Crosser bietet das Diverge<br />
bei gleichem „Reach“ gut sechs Zentimeter<br />
mehr „Stack“. Das ist angenehm<br />
auf entspannten Geländetouren und perfekt<br />
auf den Einsatz zweck abgestimmt.<br />
Als einziger Anbieter im Testfeld verbaut<br />
Specialized eine XG-Kassette mit<br />
10er-Abschlussritzel, das zusammen mit<br />
dem 40er-Kettenblatt für einen ausreichend<br />
lang übersetzten Schnellgang sorgt.<br />
Am Berg steht mit 40-42 sogar eine Untersetzung<br />
zur Verfügung; die Abstufung<br />
muss dafür etwas grob ausfallen, was im<br />
Gelände freilich kein Nachteil ist.<br />
Die Amerikaner montieren ihren hauseigenen<br />
Sawtooth-Reifen, der auf Asphalt<br />
sehr ruhig und leicht rollt, mit dem mäßig<br />
tiefen Sägezahnprofil aber auch auf losem<br />
Untergrund sichere Haftung bietet. Allerdings<br />
sind die Reifen mit 38 Millimetern<br />
nicht allzu breit und der Durchlauf ist vorne<br />
wie hinten nicht allzu üppig bemessen.<br />
FAZIT<br />
Dem ziemlich<br />
leichten Specialized<br />
kann man<br />
„Gravel pur“ be -<br />
scheinigen mit<br />
sehr aufrechter<br />
Sitzhaltung, opti -<br />
maler Übersetzung<br />
und sogar einer<br />
Federung im<br />
Gabelschaft. Nur<br />
die Reifen dürften<br />
etwas breiter sein.<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 97
RETRO<br />
ONCE<br />
DIE LETZTEN<br />
KRIEGER<br />
In den 1990ern stellte das spanische Team<br />
ONCE die etablierte Radsport-Hierarchie und die<br />
traditionellen Methoden auf den Kopf, bevor sie sich zu<br />
ernsthaften Herausforderern für ihre Rivalen Banesto bei<br />
der Tour de France entwickelten. <strong>Procycling</strong><br />
untersucht, wie ihnen das gelang.<br />
Text William Fotheringham Fotografie Getty Images<br />
Jedes große Team hat zu irgendeinem Zeitpunkt<br />
in seiner Geschichte einen Moment<br />
des Durchbruchs. Es ist nicht unbedingt ein<br />
Sieg. Es ist eher ein Punkt bei einem hochkarätigen<br />
Rennen, wo dieses Team zusammenarbeitet<br />
und als Einheit beeindruckt, mehr wird als die<br />
Summe seiner einzelnen Teile. Im Fall des spanisches<br />
Teams ONCE, gesponsert von der Blindenorganisation<br />
des Landes, kam dieser Augenblick<br />
bei der Tour de France 1992 auf der 15. Etappe<br />
nach Saint-Étienne, als das Rennen die Alpen<br />
hinter sich ließ und sich nach Paris bewegte.<br />
Der Col de la Croix de Chaubouret, der entscheidende<br />
Anstieg vor dem Ziel, war der Punkt,<br />
an dem ONCE in Aktion trat. Hier machten die<br />
Männer in Pink – eine Abwechslung zu ihrem<br />
üblichen gelben Outfit – einen konzertierten Versuch,<br />
Johan Museeuw das Grüne Trikot zu entreißen,<br />
um es mit Laurent Jalabert zu übernehmen:<br />
Im Anstieg verschärfte der australische Domestik<br />
Neil Stephens immer wieder das Tempo und dezimierte<br />
die Gruppe, an deren Ende Museeuw zu<br />
kämpfen hatte.<br />
Es war ein weiteres Scharmützel in einem<br />
Kampf, der begonnen hatte, als Jalabert neun<br />
Etappen zuvor eine dramatische Etappe nach<br />
Brüssel gewonnen hatte; die beiden hatten das<br />
Trikot danach abwechselnd getragen, aber hier<br />
war die Gelegenheit für ONCE, einen entscheidenden<br />
Vorsprung zu erringen. Und so kam es:<br />
In Saint Etienne war von Museeuw nichts mehr<br />
zu sehen, Jalabert wurde Vierter und schlüpfte ins<br />
Grüne Trikot, das er bis Paris tragen sollte – als<br />
erster Franzose seit Bernard Hinault 1979.<br />
Das Grüne Trikot der Tour 1992 war nicht der<br />
erste große Sieg für ONCE. Im Gegenteil. 1991<br />
gewann das Team die Vuelta mit dem unbekannten<br />
Melcior Mauri, aber das hätte man als Glückstreffer<br />
abtun können. Das Team gewann außerdem<br />
zwei aufeinanderfolgende Etappen der Tour<br />
1990 mit Eduardo Chozas und Marino Lejarreta,<br />
auch Jalaberts Etappensieg 1992 in Brüssel war<br />
ein Klassiker gewesen. An einem Tag mit Regen<br />
und Kopfsteinpflaster gewann er aus einer vierköpfigen<br />
Ausreißergruppe heraus, in der auch<br />
Greg LeMond und Claudio Chiappucci fuhren.<br />
Doch der Moment am Croix de Chaubouret war<br />
anders: Es war keine individuelle Leistung. Es war<br />
ein Punkt, an dem ONCE als Einheit der Tour, der<br />
größten Arena im Radsport, seine Autorität auf-<br />
zudrücken begann – und das bei einem Rennen,<br />
das vom spanischen Helden der Stunde, Miguel<br />
Indurain, dominiert wurde. Es war eine klare Ansage,<br />
dass da ein weiteres spanisches Team im<br />
Rennen war neben Indurains Banesto, eines, das<br />
eine andere Fahrweise hatte. Von da bis zu seiner<br />
Auflösung 2003 sollte ONCE bei der Tour immer<br />
präsent sein.<br />
Ich würde die großen Radsportteams in zwei<br />
Kategorien einteilen. Die einen ähneln Dynastien,<br />
die wechselnde Sponsoren unter einem weitgehend<br />
gleichen Management haben: Man denke an<br />
Peter Posts Raleigh und Panasonic; Giancarlo Ferrettis<br />
Bianchi, Ariostea, MG und Fassa Bortolo;<br />
Cyrille Guimards Renault, Système-U und Castorama.<br />
Heute hat der Radsport Deceuninck–Quick-<br />
Step, dessen Wurzeln bis zu Capri Sonne in den<br />
frühen 1980ern reichen, auch wenn die heutige<br />
Version auf 2003 zurückgeht, dazu Movistar, das<br />
– ebenfalls in den frühen 1980ern – als Reynolds<br />
begann und lange unter Banesto firmierte.<br />
Die andere Kategorie sind die Formensprenger:<br />
Teams, die neue Sachen machen, neue<br />
Ideen entwickeln und auf andere Weise Rennen<br />
fahren. Das Team Sky entspricht diesem<br />
98 PROCYCLING | JUNI 2019
JUNI 2019 | PROCYCLING 99
RETRO<br />
ONCE<br />
© Offside Sports Photography<br />
Sche ma, ebenso Garmin in seinen ersten Jahren.<br />
Auch die Teams von Guimard und Post waren<br />
radikale Innovatoren.<br />
ONCE fällt aus dem Rahmen. Dies war ein<br />
Team, das von einem karitativen Unternehmen<br />
gesponsert und nicht von einem Ex-Profi geleitet<br />
wurde, auf eine bestimmte Art Rennen fuhr und<br />
größten Wert auf Dinge legte, die einige Teams<br />
für selbstverständlich hielten: Fahrräder (nicht<br />
alle auf einmal lachen), Transport und Equipment.<br />
Diese Gelben Trikots mit dem Piktogramm<br />
einer Person mit Stock gehören zu den unverkennbarsten<br />
Designs des Radsports.<br />
DER NEULING BETRITT DAS PARKETT<br />
Die ONCE-Geschichte begann 1989, als ein unbekannter<br />
Coach namens Manolo Saiz beauftragt<br />
wurde, ein Radsportteam auf die Beine zu stellen,<br />
das vom spanischen Blindenverband gesponsert<br />
wurde. Die Organización Nacional de Ciegos<br />
Españoles wurde 1938 gegründet und hat ein<br />
staatliches Monopol für eine nationale Lotterie.<br />
Die Lose werden in Kiosken verkauft, die an jeder<br />
Ecke stehen und das Logo der Organisation tragen:<br />
die Person mit Stock. Im Laufe der Jahre<br />
hat es sich zu einem großen Unternehmen entwickelt,<br />
das Leute mit Behinderungen einstellt,<br />
auch Taube. Es bietet Ausbildung und Arbeit bei<br />
den unterschiedlichsten Dienstleistungsbetrieben<br />
– Hotels, Geschäften, Gesundheitszentren –, die<br />
Zehntausende von Menschen beschäftigen.<br />
SAIZ SAGTE SPÄTER,<br />
ANDERE SPORTDIREKTOREN<br />
HÄTTEN IHN GESCHNITTEN;<br />
ER PASSTE NIE WIRKLICH<br />
REIN. ONCE WAR ANDERS<br />
ALS DIE ANDEREN TEAMS.<br />
Das war nicht der übliche Radsportsponsor, und<br />
Saiz war alles andere als der übliche Ex-Profi, der<br />
sich nach seiner Karriere in den Mannschaftswagen<br />
setzt. Er war jung: erst 30. Er sei ein erfolgloser<br />
Amateur gewesen, sagte er, weil er nicht leidensfähig<br />
genug gewesen sei. Dann hatte er sich<br />
zum Trainer ausbilden lassen und war Coach der<br />
spanischen Junioren- und Amateur-Teams geworden.<br />
Unter anderem hatte er bei dem ostdeutschen<br />
Bahntrainer Wolfram Lindner gelernt. Die<br />
Verbindung mit ONCE kam zustande, als er für<br />
sie die Verantwortung für das Team der Tandem-<br />
Fahrer mit blindem Partner übernahm.<br />
Saiz sagte später, andere Sportdirektoren hätten<br />
ihn geschnitten; er passte nie wirklich rein.<br />
ONCE war anders als die anderen Teams, sagte<br />
er, „weil mein Team eine Seele hat“. Das sah<br />
auch der Australier Stephen Hodge so, der 1990<br />
neben einem weiteren wichtigen Neuzugang –<br />
dem Veteranen Marino Lejarreta – zu ONCE<br />
kam und sagte: „Manolo war anders. Er baute<br />
eine enge, fast familiäre Atmosphäre zwischen<br />
den Jungs auf. Er war eher wie ein älterer Bruder<br />
als wie ein Boss.“<br />
Der ONCE-Chef hatte auch in Bezug auf das<br />
Coaching neue Ideen. Zum einen hatte Lindner<br />
ihn überzeugt, dass die meisten Radprofis nicht<br />
hart genug trainierten. Laurent Jalabert stieß<br />
1992 zum Team, aber seine ersten Jahre waren<br />
alles andere als ein Genuss. „Ich habe ihm gesagt:<br />
‚Du wirst sehr leiden‘“, sagte Hodge. „Er kämpfte<br />
sechs Monate ohne Ergebnisse und begann bereits<br />
zu zweifeln. Doch dann kamen die Resultate.“<br />
Hodge erinnert sich, dass Saiz beim Training<br />
der Fahrer „nicht zimperlich“ war und ihnen –<br />
damals eher unüblich – jede Menge Arbeit im Fitnessstudio<br />
und Krafttraining verordnete.<br />
Jalabert erwies sich als die wichtigste Verpflichtung<br />
in Saiz’ Karriere – neben dem kurzsichtigen<br />
Schweizer Alex Zülle, den der Sportliche Leiter<br />
erst nicht anstellen wollte, weil er Ohrringe trug.<br />
Die beiden bescherten Saiz seine größten Erfolge:<br />
drei Siege bei der Vuelta; 1995 für Jalabert, 1996<br />
und 1997 für Zülle. Mittlerweile war das Team<br />
als „Gelbe Armada“ bekannt.<br />
„Bei der Vuelta gab es immer eine Etappe, wo<br />
wir nach einem Hügel auf ein langes flaches Stück<br />
mit Seitenwind kamen und dort genug Zeit vor<br />
dem Ziel hatten, um etwas auszurichten“, erklärte<br />
Hodge. „Jeder wusste, was passieren wird, aber<br />
trotzdem schafften wir es immer, Windstaffeln<br />
aufzumachen und das Rennen zu sprengen. Das<br />
brachte uns den Spitznamen ein.“<br />
ONCE war auch aus anderen Gründen besonders<br />
präsent. Als sie die Vuelta gewannen, wurden<br />
rund 100.000 Mitglieder der Organisation<br />
mit dem Bus nach Madrid geschafft, um sich die<br />
letzte Etappe anzuschauen – allesamt in gelben<br />
T-Shirts. Die Verbindung mit dem karitativen<br />
Unternehmen bedeutete, dass das Team ONCE-<br />
Einrichtungen wie Hotels in ganz Spanien nutzen<br />
konnte, die Fahrer besuchten außerdem<br />
Schulen und Unternehmen, die sich der Blindenhilfe<br />
widmeten.<br />
„Wenn es hart auf hart kam, musste man nur<br />
daran denken, wie das Leben für die blinden, tauben<br />
und stummen Menschen in Spanien war, die<br />
wir in der Welt der Sehenden repräsentierten“,<br />
sagte Hodge.<br />
Auf der Straße wurde von der Gelben Armada<br />
erwartet, für Chaos und Panik zu sorgen; bei<br />
Etappenstarts und Ankünften stachen ihre Busse<br />
Der Schweizer Alex Zülle wurde zu<br />
einem der wichtigsten Fahrer von ONCE.<br />
100 PROCYCLING | JUNI 2019
heraus. Seiner Zeit weit voraus, kaufte Saiz einen<br />
zweiten Bus für die Mechaniker und Pfleger, auch<br />
weil Lkw in Spanien sonntags nicht fahren dürfen,<br />
und mit Bussen kamen Mitarbeiter und Material<br />
schneller nach Hause. Es gab spezielle Bergfahrräder<br />
– von Klein, aber mit Look-Logo – mit leichten<br />
Komponenten, die in einigen Fällen vom<br />
Mountainbiking stammten, sowie Modelle für<br />
Paris–Roubaix … und das in einer Zeit, in der einige<br />
Teams noch immer auf dicken Stahl setzten.<br />
Die Rivalität mit Banesto war unvermeidlich,<br />
teils weil ONCE relativ neuartig war, teils weil<br />
Saiz nicht zum Klüngel gehörte, aber auch wegen<br />
des unterschiedlichen Ethos. ONCE fuhr überall<br />
mit derselben Angriffslust, egal ob es ein kleines<br />
spanisches Rennen oder die Tour war. Banesto<br />
verließ sich auf die Zeitfahr-Qualitäten und die<br />
Präsenz von Indurain und begnügte sich damit,<br />
die ganze Saison auf den Giro und die Tour auszurichten.<br />
Ausgerechnet die neuen Jungs in Gelb<br />
erinnerten an frühere spanische Helden wie Luis<br />
Ocaña und Pedro Delgado.<br />
DIE GELBE ARMADA<br />
Wenn ONCE einen großartigsten Moment hatte,<br />
dann bei der Tour 1995, wo das Team nahe dran<br />
war, Indurain um seinen fünften Sieg in Serie zu<br />
bringen. 1994 war es bei der Tour nach Jalaberts<br />
fürchterlichem Sturz in Armentières leer ausgegangen<br />
– er hatte im Frühjahr sieben Etappen der<br />
Vuelta gewonnen und galt erneut als Favorit für<br />
das Grüne Trikot der Tour –, doch 1995 war der<br />
Franzose wieder da, einige Kilo leichter, nachdem<br />
er Muskelmasse verloren hatte, während er sich<br />
von dem Sturz erholte. In jenem Jahr gewann er<br />
Paris–Nizza, Mailand–San Remo und den Flèche<br />
Wallonne. Auch Zülle präsentierte sich mit Siegen<br />
bei der Baskenland-Rundfahrt und der Vuelta a<br />
Valencia in sehr guter Form.<br />
Der ursprüngliche Plan des Teams war, Indurain<br />
auf der schweren Etappe durch die Ardennen<br />
nach Lüttich in Schach zu halten, aber nur Johan<br />
Bruyneel konnte „Big Mig“ folgen, als er an der<br />
Côte des Forges eine – wie sich herausstellte –<br />
Saiz war relativ jung, gerade 30, als er in<br />
ONCEs Teamwagen stieg.<br />
entscheidende Attacke fuhr. Am folgenden Tag<br />
lieferte Indurain eine typische Zeitfahr-Leistung<br />
ab und holte das Gelbe Trikot. Nach dem Transfer<br />
in den Süden zur 9. Etappe ließ Saiz Zülle auf der<br />
ersten Alpenetappe nach La Plagne angreifen. Indurain<br />
konterte und sprengte das Rennen, aber<br />
am Ende des Anstiegs war Zülle sein einziger Herausforderer,<br />
mit 2:27 Minuten Rückstand.<br />
Der dramatischste Tag der Tour war die heute<br />
legendäre 12. Etappe von Saint-Étienne nach<br />
Mende. Mittlerweile kontrollierten Indurains Domestiken<br />
seit vier Tagen das Rennen und waren<br />
erschöpft. Erschwerend kam hinzu, dass sie alle<br />
am Ende des Pelotons in der neutralisierten Zone<br />
waren. Das Epos, das sich an diesem französischen<br />
Nationalfeiertag ereignete, war nicht ge-<br />
© Getty Images<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 101
© Offside/L’Équipe<br />
102 PROCYCLING | JUNI 2019
RETRO<br />
ONCE<br />
Jalabert auf der heute berühmten<br />
12. Etappe der 1995er-Tour, als ONCE<br />
in die Offensive ging.<br />
Belokis fürchterlicher Sturz bei der Tour<br />
2003. Es war die letzte Saison des Teams.<br />
plant. ONCE beabsichtigte, in die Offensive zu<br />
gehen, da die Etappe zu Beginn einen Anstieg<br />
enthielt, an dem Saiz hoffte, Banesto in Schwierigkeiten<br />
bringen zu können. Tatsächlich waren<br />
die Attacken intensiv – von Fahrern, die es auf den<br />
Etappensieg abgesehen hatten. Als Jalabert nach<br />
27 Kilometern die Lücke zu Gewiss-Fahrer Dario<br />
Bottaro zugefahren hatte, war das Feld zerlegt<br />
und die Domestiken von Banesto waren versprengt.<br />
Der Vorsprung pendelte sich rund 20 Kilometer<br />
lang auf 30 Sekunden ein, sodass Saiz Fahrer<br />
nach vorn zu Jalabert schicken konnte.<br />
Zülle hatte ein Knieproblem, also musste Mauri<br />
ran, und später schaffte auch Stephens den Anschluss.<br />
Als Stephens das erste Mal attackierte,<br />
fuhr Indurain dem Helfer hinterher. Als der Australier<br />
gestellt war, fuhr ein anderer ONCE-Fahrer,<br />
Bruyneel, die nächste Attacke. Wieder war es Indurain,<br />
der hinterherging. Das Gelbe Trikot war<br />
isoliert und musste die Arbeit alleine verrichten.<br />
„Als Kollektiv hätten wir die Tour an dem Tag<br />
in Mende gewinnen können“, sagte Saiz Alasdair<br />
Fotheringham für seine Indurain-Biografie Relentless.<br />
„Es war die ideale Strategie, um Indurain<br />
zu schlagen: ihn isolieren und angreifen.“<br />
Es war der einzige wirklich verzweifelte Moment<br />
in Indurains Serie von fünf Toursiegen. Seine<br />
indivduelle Stärke half ihm bei der Verfolgung<br />
des ONCE-Trios, ebenso die Tatsache, dass später<br />
die beiden Banesto-Domestiken Gérard Rué und<br />
Ramón Arrieta wieder zu ihrem Kapitän aufschlossen.<br />
Doch der Schlüsselfaktor war die Hilfe,<br />
die der Spitzenreiter von einer Reihe anderer<br />
Teams und Fahrer im Feld erhielt, im Austausch<br />
für Gefallen, die sie in der Vergangenheit erhalten<br />
hatten, und in der Hoffnung auf künftige Gefallen.<br />
Der ONCE-Angriff bescherte Frankreich seinen<br />
ersten Sieg am Nationalfeiertag seit sechs Jahren<br />
und sicherte Jalabert einen Platz in der Tour-Geschichte.<br />
Dazu beförderte er Jalabert und Mauri<br />
in die Top Six und sorgte dafür, dass ONCE die<br />
Mannschaftswertung gewann. Doch nicht alle<br />
waren zufrieden mit dem Triumph in Mende. Die<br />
spanische Presse war weitgehendend pro Indurain<br />
und sah die Episode als Angriff auf einen Nationalhelden.<br />
„Wir wurden von der Presse geschlachtet“,<br />
sagte Saiz.<br />
DER ANFANG VOM ENDE<br />
Saiz traf einige bizarre Entscheidungen, mit denen<br />
er sich keine Freunde machte. 1997 erlaubte<br />
er Zülle, mit einem gebrochenen Schlüsselbein<br />
bei der Tour zu starten. Das Experiment dauerte<br />
eine Woche, in der der Schweizer dreimal stürzte.<br />
1998 stieg das Team nach dem Festina-Dopingskandal<br />
aus der Tour aus, und Saiz prägte den berühmten<br />
Satz, dass er „der Tour seinen Finger in<br />
den Arsch gesteckt“ habe – eine Anspielung auf<br />
die Razzien der Polizei bei Festina- und TVM-<br />
Fahrern. Saiz wurde vorübergehend von den<br />
Tour-Organisatoren gesperrt, von der UCI aber<br />
zum Rennen 1999 wieder zugelassen. Danach<br />
war es nicht mehr das Gleiche. 2001 wechselte<br />
Jalabert zu Bjarne Riis’ CSC-Team. Auf ihn folgte<br />
Joseba Beloki, ein relativ anonymer Schatten hinter<br />
dem dominanten Lance Armstrong.<br />
Belokis denkwürdigster Tour-Moment war leider<br />
ein fürchterlicher Sturz in der Abfahrt von der Côte<br />
de la Rochette nach Gap 2003, wo er in einer Kurve<br />
die Kontrolle über sein Rad verlor und sich Ellbogen,<br />
Handgelenk und sein rechtes Bein brach.<br />
Das führte zu einem der denkwürdigsten Bilder<br />
der Frankreich-Rundfahrten mit Armstrong, als<br />
der Texaner die Straße verlassen musste, um Belo-<br />
DER ONCE-ANGRIFF<br />
BESCHERTE FRANKREICH<br />
SEINEN ERSTEN SIEG AM<br />
NATIONALFERIERTAG SEIT<br />
SECHS JAHREN.<br />
ki auszuweichen, und sich in einen Crossfahrer<br />
verwandelte, die Kurve bergab schnitt, durch ein<br />
Feld fuhr und sich den Führenden wieder anschloss.<br />
Beloki war danach nie wieder der Alte; am<br />
Ende der Saison stieg ONCE als Sponsor aus. Saiz<br />
führte das Team unter der Liberty-Seguros-Flagge<br />
zu einem unrühmlichen Ende im Operación-Puerto-Dopingskandal.<br />
„Als Beloki fiel, fiel das Team<br />
mit ihm“, sagte Saiz. „Es hatte eine kleine Chance<br />
gegeben, dass ONCE nach der Tour weitermacht …<br />
Es war unsere letzte Chance. Wir haben in dem<br />
Moment nicht nur die Tour verloren, wir haben unsere<br />
Zukunft verloren.“<br />
© Offside/L’Équipe<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 103
WUNSCHLISTE<br />
DIE PRODUKT-HIGHLIGHTS DES MONATS<br />
104 PROCYCLING | JUNI 2019
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JUNI 2019 | PROCYCLING 105
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auf: die Agressor, die 1992<br />
das Gesicht so manchen Radprofis<br />
schmückte, darunter Moreno<br />
Argentin. Mit ihrer hohen Scheibe<br />
deckt sie das Gesicht großflächig<br />
ab, sodass Fahrtwind und Kälte<br />
von den Augen abgehalten<br />
werden. Da Letztere dem Anbieter<br />
zufolge besonders viel Wärme<br />
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der Brille besonders auf gute<br />
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schneidet nun noch leichter durch<br />
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ten Griff lässt sich der Cutter da -<br />
bei sicher und exakt führen. Für<br />
sicheren Stand auf der Werkbank<br />
sorgt ein kleiner Halter, der eigens<br />
mitgeliefert wird.<br />
106 PROCYCLING | JUNI 2019
WUNSCHLISTE<br />
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oder Rennradtouren auf schlechten<br />
Strecken. Der Träger ist für<br />
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Dreiviertelliter-Flaschen geeignet<br />
und wird inklusive Tune-<br />
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Helm ist preislich in der Mittelklasse<br />
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auf der Straße wie im Gelände.<br />
JUNI 2019 | PROCYCLING 107
WUNSCHLISTE<br />
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Hersteller neuerdings seine<br />
Laufräder versieht. Im konkreten<br />
Fall heißt dies: 58 Millimeter tiefe<br />
Felgen mit 18er-Maulweite und gut<br />
28 Millimeter maximaler Breite,<br />
je 21 „Sapim CX Ray“-Speichen,<br />
vorne wie hinten 2:1 gespeicht,<br />
Zahnscheibenfreilauf sowie ein mit<br />
knapp 1.670 Gramm annehmbar<br />
geringes Gewicht. Im Preis<br />
inbegriffen ist ein Satz bereits<br />
montierter Conti 5000; für knapp<br />
30 Euro Aufpreis wird der Radsatz<br />
mit Conti Tubeless ausgeliefert.<br />
108 PROCYCLING | JUNI 2019
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des SKS-Rennkompressors bleibt<br />
mit Stahlrohr und großem<br />
Standfuß aus Metall in Werkstatt<br />
und Radkeller stets aufrecht. Das<br />
oben angebrachte Manometer<br />
ist optimal ablesbar und der<br />
Zwei-Komponenten-Griff liegt<br />
gut in der Hand; sehr praktisch<br />
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geeignete Klemmkopf. Die<br />
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Redaktionsleitung Dieter Steiner<br />
Textchef Caspar Gebel<br />
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Peter Cossins, Sam Dansie, Alasdair<br />
Fotheringham, Daniel Friebe, Werner<br />
Müller-Schell, Sadhbh O’Shea, Herbie<br />
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Layout Saskia Funke<br />
Übersetzungen Esther Kriegel<br />
Lektorat Helga Peterz<br />
Fotos Andreas Meyer, Getty Images,<br />
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Druck Mayr Miesbach GmbH<br />
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© 2019 WOM Medien GmbH<br />
16. Jahrgang<br />
Geschäftsführer Dieter Steiner<br />
Das Magazin <strong>Procycling</strong> und die<br />
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<strong>Procycling</strong> erscheint in Lizenz der<br />
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112 PROCYCLING | JUNI 2019
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TOUR DE FRANCE<br />
LE<br />
TO UR<br />
20<br />
18<br />
BERNHARD EISEL<br />
ARCTIC RACE<br />
RAD DES MONATS<br />
DER Cervélo S5 GROSSE – das Rad des<br />
OF NORWAY<br />
RÜCKBLICK<br />
Das BMC Timemachine<br />
Österreichers im Detail<br />
Zu Besuch am R01 Polarkreis<br />
von Michael Schär<br />
JENS VOIGT HIGHWAY TO ZEITNAHME<br />
HÖLL<br />
Darum ist die Michael Vuelta etwas Woods’ Hinter Strava-Ride<br />
den Kulissen<br />
ganz Besonderes durch die Höttinger der Tour Höll<br />
de France<br />
RICK ZABEL<br />
MURO DI SORMANO LIANE LIPPERT<br />
RALPH DENK<br />
TOM DUMOULIN TONY MARTIN<br />
ANNEMIEK VAN NICO VLEUTEN<br />
DENZ RALPH DENK<br />
Höchste Thibaut Zeit für<br />
Pinots Strava-Ride Deutsche Meisterin mit 20 „Wir –<br />
haben 2018 das<br />
Kommentiert Fährt die<br />
er bei Jumbo-Visma<br />
Tokyo Calling – die Nur erfolgreichste<br />
noch ein paar Saisonstart Zentimeter wie aus<br />
die Winterpause<br />
bei „Il Lombardia“ zur eigenen Überraschung<br />
Bestmögliche herausgeholt.“<br />
Bilder seines zurück Jahres<br />
zu alter Stärke?<br />
Fahrerin 2018 hat vom noch großen viel vorErfolg dem entfernt. Bilderbuch<br />
LISA BRENNAUER<br />
RICK ZABELNILS POLITT<br />
„Ich möchte So ein erlebte großes er Marcel Mit einem guten Gefühl<br />
Eintagesrennen Kittels gewinnen.“ ersten Sieg Richtung 2019 Klassiker<br />
BERNHARD RALPH EISEL<br />
DENK DEUTSCHLAND TOUR<br />
Der Steirer Boras schaut Teamchef auf Vier feiert Tage die durch das<br />
seine Karriere ersten zurück<br />
Erfolge der Herz Saison der Republik<br />
GROSSER RADTEST<br />
RALPH DENK<br />
14 Renner zwischen Alles 2.500 in Richtung Giro –<br />
und 10.000 € unter das der sind Lupe Boras Ziele in Italien<br />
RADTEST<br />
Sechs Aerorenner von<br />
Cannondale bis Trek<br />
SEPTEMBER 2018 | Nummer 175<br />
Tour de France – der große Rückblick | Geraint Thomas | Tom Dumoulin | Peter Sagan | Julian Alaphilippe | John Degenkolb<br />
GERAI NT<br />
RAD-WM<br />
THOM DIE<br />
AS<br />
„DAS<br />
GELBE TRIKOT<br />
ZU HABEN,<br />
IST IRRE.“<br />
SO HOLTE SICH DER<br />
WALISER DEN SIEG<br />
EXKLUSIV<br />
WIE PETER<br />
SAGAN DEM DRUCK<br />
ALLE<br />
IM FOKUS<br />
BEGEGNET<br />
Peter Sagan, John Degenkolb,<br />
ETAPPEN<br />
Greg Van Avermaet, Tom Dumoulin,<br />
IM DETAIL<br />
Julian Alaphilippe & Chris Froome<br />
OKTOBER 2018 | Nummer 176<br />
Peter Sagan | Deutschland Tour | Egan Bernal | Arctic Race of Norway | Bernhard Eisel<br />
WILLKOMMEN<br />
ZU HAUSE<br />
DEUTSCHLAND<br />
TOUR<br />
Die Bilder und<br />
Geschichten<br />
der Neuauflage<br />
RENNEN<br />
WERDEN<br />
JEDES JAHR<br />
SCHLIMMER<br />
NOVEMBER 2018 | Nummer 177<br />
Rad-WM Innsbruck | Vuelta-Rückblick | Emanuel Buchmann | Movistar | Greg LeMond 1983<br />
INNSBRUCK<br />
DIE BILDER UND<br />
GESCHICHTEN<br />
AUS TIROL<br />
VUELTA A<br />
ESPAÑA<br />
Großer Rückblick auf die<br />
letzte Grand Tour<br />
des Jahres<br />
DEZEMBER 2018 | Nummer 178<br />
John Degenkolb | Daniel Oss | Michael Valgren & Magnus Cort | BMC | Giro dell’Emilia | Muro di Sormano | Festina-Affäre<br />
MOVISTAR<br />
GROSSER<br />
Wie Spaniens stärkstes<br />
SAISON-<br />
Team das Heimspiel<br />
vergeigte<br />
RÜCKBLICK<br />
DEGEN KOLB<br />
MIT GAST-REDAKTEUR<br />
MARK CAVENDISH<br />
EMANUEL<br />
EXKLUSIV-INTERVIEW<br />
BUCHMANN<br />
GERAINT<br />
Das Saisonfazit des<br />
besten deutschen<br />
„ICH HÄTTE THOMAS<br />
Rundfahrers<br />
VALGREN<br />
„Es ist wie ein Lichtschalter.<br />
& CORT<br />
TOT SEIN<br />
Dazwischen gibt RETRO es nichts.<br />
Nordische<br />
EGAN<br />
Entweder Salat Greg und LeMonds Quinoa<br />
Allianz<br />
KÖNNEN.“<br />
BERNAL<br />
oder Burger WM-Triumph<br />
und Bier.“<br />
Skys nächster<br />
1983<br />
FOTO-<br />
Toursieger<br />
CHRIS FROOME<br />
FEATURE<br />
Giro dell’Emilia<br />
Darum ist er der<br />
FAHREN<br />
Rundfahrer des Jahres<br />
FÜR EIN<br />
RETRO<br />
TASCHENGELD<br />
ENRIC MAS<br />
Die Festina-<br />
Affäre 1998<br />
Warum die Frauen so<br />
FAB GEORGE FOUR<br />
wenig verdienen –<br />
Das<br />
und wie man das<br />
BENNETT<br />
Fazit von<br />
Ackermann,<br />
ändern könnte<br />
Schachmann<br />
& PAULINE<br />
Co.<br />
FERRAND-<br />
PRÉVOT<br />
BMC<br />
SUPERTEAM MIT<br />
NEUEM GESICHT –<br />
SO GEHT ES 2019<br />
WEITER<br />
„WIR SIND EIN<br />
BISSCHEN ROCK’N’ROLL“<br />
DIE WUNDERBARE WELT<br />
DES DANIEL OSS<br />
JANUAR 2019 | Nummer 179<br />
Geraint Thomas | Chris Froome | Marcel Kittel | Quick-Step Floors | André Greipel | Fab Four | Tom Dumoulin | Annemiek van Vleuten | Liane Lippert<br />
FEBRUAR 2019 | Nummer 180<br />
Mark Cavendish | Mailand–San Remo | Marianne Vos | Olympia 1992 | Tony Martin | Nico Denz | Lisa Brennauer<br />
MÄRZ 2019 | Nummer 181<br />
Vincenzo Nibali | Große Saisonvorschau | Themen des Jahres | Fab Four | Erik Zabel | Team Sky | Bernhard Eisel<br />
73<br />
VINCENZO NIBALI<br />
SIEGE „EINEN<br />
WIE QUICK-STEP<br />
DRITTEN GIRO<br />
FLOORS DIE SAISON<br />
ZU DOMINIERT GEWINNEN,<br />
HAT<br />
WÄRE EIN<br />
MARCEL KITTEL<br />
WUNDERBARES<br />
Nach einem Jahr zum<br />
Vergessen – das sind seine<br />
RESULTAT.“<br />
Pläne für 2019<br />
Der beste Allrounder im Radsport<br />
hat ambitionierte Ziele<br />
ANDRÉ GREIPEL<br />
Neues Team, alte Ziele<br />
GROSSE<br />
SAISON-<br />
VORSCHAU<br />
EXKLUSIV-INTERVIEW<br />
„ICH BIN SÜCHTIG<br />
NACH SIEGEN.<br />
ICH BRAUCHE DAS.“<br />
60 Seiten Spezial –<br />
alle Rennen, alle Fahrer,<br />
alle Teams<br />
DER SPRINTSTAR VON DIMENSION DATA<br />
ÜBER SEINE MOTIVATION FÜR 2019<br />
APRIL 2019 | Nummer 182 Greg Van Avermaet | Niki Terpstra | Klassiker-Vorschau | Romain Bardet | Großer Radtest | Nils Politt<br />
AUF DEM RAD<br />
MIT CAV<br />
BEI DER FLANDERN-<br />
KLASSIKER-<br />
VORSCHAU<br />
MAILAND–<br />
SAN REMO<br />
Die Rückkehr<br />
der A lrounder<br />
BEREIT<br />
FÜR DEN<br />
KAMPF<br />
MARIANNE<br />
VOS<br />
GREG VAN AVERMAET<br />
IM VISIER: DER SIEG<br />
WISSEN<br />
IST MACHT<br />
RUNDFAHRT<br />
Wie WorldTour-<br />
Teams Daten nutzen,<br />
um Rennen zu<br />
gewinnen<br />
SPRINTER-<br />
GEHEIMNISSE<br />
OLYMPIA 1992<br />
MAI 2019 | Nummer 183<br />
Simon Yates | Giro-Vorschau | Pascal Ackermann | Radtest: Sechs Aerorenner von Cannondale bis Trek | Deutschland Tour<br />
GIRO<br />
D’ITALIA<br />
S P E Z I A L<br />
IM FOKUS<br />
Diese Themen<br />
werden das<br />
Jahr prägen<br />
FAB FOUR<br />
Stars von morgen<br />
– vier Nachwuchsfahrer<br />
für 2019<br />
DAS ERIK ZABEL<br />
Über Mailand–San Remo<br />
BESTE<br />
– von 1993 bis heute<br />
RENNEN<br />
DER WELT<br />
TEAM SKY<br />
Das Ende? So hat die<br />
britische Equipe das<br />
Peloton verändert<br />
Wir fragen Fahrer, Manager<br />
und Experten, warum sie<br />
den Giro lieben<br />
ROMAIN<br />
BARDET<br />
Frankreichs Star auf der Jagd<br />
nach dem Gelben Trikot<br />
NIKI<br />
TERPSTRA<br />
Nach zwei Monument-Siegen –<br />
neuer Start bei Direct Énergie<br />
DIE<br />
ANSTIEGE<br />
DES GIRO<br />
Diese Berge muss das<br />
Peloton 2019 erklimmen<br />
PASCAL<br />
ACKERMANN<br />
Neues Jahr, neue Höhen?<br />
Der deutsche Meister<br />
im Gespräch<br />
SIMON YATES<br />
RÜCKKEHR NACH ITALIEN –<br />
DER VUELTA-SIEGER WILL DAS ROSA TRIKOT<br />
+<br />
OFFIZIELLES PROGRAMM<br />
TOUR DE FRANCE 2019<br />
DIE ETAPPEN<br />
Alle Infos zu jedem Renntag – mit<br />
Karten, Marschtabellen & Höhenprofilen<br />
Von den Machern von<br />
DIE TEAMS<br />
Die Analyse von Bernard Thévenet –<br />
ihre Fahrer, ihre Stärken, ihre Ziele<br />
DIE FAVORITEN<br />
Thomas, Froome, Dumoulin, Quintana –<br />
welcher Topstar holt sich den Toursieg?<br />
€ 7,95<br />
A-€ 8,50<br />
CHF 12,80<br />
Lux-€ 8,50<br />
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DIE DEUTSCHEN<br />
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DIE PERSPEKTIVEN VON KITTEL,<br />
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DAS LETZTE WORT<br />
JENS VOIGT<br />
Jens macht bei den Frühjahrsklassikern einen Schlagabtausch der alten und neuen Generation aus.<br />
© Getty Images<br />
Das ist Sport: Es gibt immer<br />
ein aufregendes junges Talent<br />
um die Ecke und neue<br />
Helden stehen Schlange, um die<br />
Nachfolge der alten Garde anzutreten.<br />
Aber, meine Freunde,<br />
es war noch nie so gut zu sehen wie<br />
jetzt im Radsport. Aktuell erleben<br />
wir den direkten Wechsel zwischen<br />
zwei Epochen mit.<br />
Für die aktuellen Helden und Legenden<br />
des Radsports läuft die Zeit<br />
sehr, sehr schnell ab. Schaut euch<br />
nur die Frühjahrsklassiker an. Der<br />
alte König Philippe Gilbert gewann<br />
Paris–Roubaix, um alle anderen<br />
Klassiker, die er in den letzten zehn<br />
Jahren und mehr gewonnen hat, zu<br />
ergänzen. Im Finale konnte er den<br />
jungen deutschen Fahrer Nils Politt<br />
nur knapp in Schach halten. Politt<br />
hat Gilbert im Rennen zugesetzt,<br />
daran besteht kein Zweifel. Und ich<br />
wette, dass dieses Ergebnis im<br />
nächsten Jahr anders herum lauten<br />
könnte, wenn Politt stärker und erfahrener<br />
wird.<br />
Es gibt noch mehr. Die Flandern-<br />
Rundfahrt wurde von Alberto Bettiol<br />
gewonnen, der erst 25 Jahre alt ist.<br />
Amstel Gold Race wurde vom 24-<br />
jährigen neuen niederländischen<br />
Superhelden Mathieu van der Poel<br />
gewonnen. Dies ist die kommende<br />
Generation der Klassiker-Fahrer.<br />
Gilbert war nicht der einzige ältere<br />
Fahrer, der gewonnen hat. Jakob<br />
Fuglsang nutzte seine Erfahrung<br />
und Reife, um die jungen Talente<br />
bei Lüttich–Bastogne–Lüttich zu<br />
überlisten, obwohl sie nicht weit<br />
zurücklagen – es gab einen weiteren<br />
jungen Deutschen auf Platz drei:<br />
Maximilian Schachmann, der erst<br />
25 Jahre alt ist. Es gab auch starke<br />
Auftritte von David Gaudu und Bjorg<br />
Lambrecht, die beide erst 22 Jahre<br />
alt sind.<br />
Und die Liste geht weiter, denn<br />
nicht nur bei den Klassikern hat es<br />
die ältere Generation schwer gegen<br />
die Jüngeren. Der 24-jährige Brite<br />
Tao Geoghegan Hart gewann bei der<br />
Alpenrundfahrt zwei Etappen und<br />
wurde hinter seinem noch jüngeren<br />
Teamkollegen Pavel Sivakov Zweiter.<br />
Okay, die Alpenrundfahrt ist nicht<br />
das größte Rennen, aber sie hielten<br />
Vincenzo Nibali bei den Kletterpassagen<br />
unter Kontrolle. Und ich habe<br />
noch nicht einmal über den Fahrer<br />
gesprochen, der vielleicht das größte<br />
Talent von allen ist: den 19-jährigen<br />
Belgier Remco Evenepoel, der im<br />
letzten Jahr Doppelweltmeister bei<br />
den Junioren wurde.<br />
Wir als Fans sind in einer tollen<br />
Situation. Wir können unsere Helden<br />
noch ein oder zwei Jahre lang<br />
genießen – und glaubt mir, sie werden<br />
hart kämpfen, um ihren Thron<br />
weiterhin zu besetzen. Aber wir<br />
„MIT DER ZEIT WERDEN WIR UNSERE<br />
NEUEN HELDEN ANNEHMEN. ES FÜHLT<br />
SICH AN, ALS STÜNDEN WIR AM ANFANG<br />
EINER NEUEN ÄRA, AM ANFANG EINES<br />
GENERATIONSWECHSELS.“<br />
Gilbert gegen Politt bei Paris–<br />
Roubaix, im Kampf der jungen gegen<br />
die ältere Generation.<br />
können auch zusehen, wie diese<br />
jungen, hungrigen, wilden Kids versuchen,<br />
sie abzudrängen. Diese Geschichte<br />
ist so alt wie der Sport, und<br />
wenn wir zehn Jahre zurückblicken,<br />
würden wir sehen, dass die jetzigen<br />
Spitzenfahrer damals ihren eigenen<br />
Kampf hatten, um die etablierten<br />
Helden des Radsports zur Seite zu<br />
schieben. Es ist so, wie es sein sollte<br />
– nichts hält ewig.<br />
Mit der Zeit werden wir unsere<br />
neuen Helden annehmen. Es fühlt<br />
sich an, als stünden wir am Anfang<br />
einer neuen Ära, am Anfang eines<br />
Generationswechsels, den wir seit<br />
einigen Jahren nicht mehr erlebt haben.<br />
An der Spitze des Sports stehen<br />
vielleicht nur noch Julian Alaphilippe<br />
und Peter Sagan bei den Klassikern,<br />
die noch mehr als ein Jahr<br />
Zeit haben. Und wie immer seit der<br />
Erfindung des Sports werden wir<br />
dem gleichen Mantra folgen: Der<br />
König ist tot; es lebe der König!<br />
Jens Voigt beendete seine Profi -<br />
karriere 2014 nach 18 Jahren.<br />
Der Berliner war einer der angriffslustigsten<br />
und beliebtesten Fahrer<br />
im Peloton. Unter anderem hielt er<br />
für 42 Tage den Stundenweltrekord.<br />
114 PROCYCLING | JUNI 2019
The<br />
Global<br />
Platform<br />
Die Zukunft<br />
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7. Sept.<br />
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Das 2018 komplett überarbeitete REACTO ist eines der führenden<br />
Rennräder seiner Klasse und überzeugte mit seiner „beeindruckenden<br />
Aerodynamik, dem erstaunlichen Komfort für ein Aero-Rennrad, den<br />
tollen Fahreigenschaften und der kompromisslosen Ausstattung“<br />
auch die Tester der TOUR. Es wird nicht nur äußerst erfolgreich<br />
vom BAHRAIN MERIDA PRO CYCLING TEAM eingesetzt, auch den<br />
Design & Innovation Award 2018 konnte es für sich verbuchen.<br />
Das REACTO ist die perfekte Kombination aus Geschwindigkeit<br />
und Komfort.<br />
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VINCENZO NIBALI - VICTORY MILANO SANREMO 2018<br />
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