O'Clock - Japan in Stunden
Eine kurze Geschichte ueber Uhren im oeffentlichen Raum - in Japan und ueberhaupt.
Eine kurze Geschichte ueber Uhren im oeffentlichen Raum - in Japan und ueberhaupt.
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Sven Tetzlaff<br />
O‘CLOCK<br />
<strong>Japan</strong> <strong>in</strong> <strong>Stunden</strong>
für Hua & TT<br />
Zeit ist das, was man an der Uhr abliest.<br />
Albert E<strong>in</strong>ste<strong>in</strong><br />
0:00
Es ist nicht zu wenig<br />
Zeit, die wir haben,<br />
sondern es ist zu viel<br />
Zeit, die wir nicht<br />
nutzen.<br />
Lucius Annaeus Seneca<br />
09:41<br />
U<br />
hren im öffentlichen<br />
und nichtöffentlichen<br />
Raum gibt es schon<br />
e<strong>in</strong>e lange Zeit. Geht man<br />
durch die verbotene Stadt <strong>in</strong><br />
Beij<strong>in</strong>g, auf e<strong>in</strong>e mittelalterliche<br />
Burg an der Mosel<br />
oder e<strong>in</strong>en alten Markt <strong>in</strong><br />
der Türkei, begegnen e<strong>in</strong>em<br />
überall Sonnenuhren.<br />
Irgendwann wurden <strong>in</strong><br />
Europa diese Sonnenuhren<br />
durch mechanische Kirchturmuhren<br />
abgelöst. Für<br />
jedermann sichtbar sollten<br />
sie vor allem klarstellen,<br />
wer im Lande Herr über die<br />
Zeit ist. Gelegentlich verspottet<br />
man heute das<br />
Konzept der Kirchturmuhr
als die falsche Interpretation<br />
der mittelalterlichen Scholastik,<br />
welche vor allem<br />
durch e<strong>in</strong>e Menge an<br />
Sphären (Räderwerk), angetrieben<br />
durch e<strong>in</strong>e Ur-Kraft<br />
(Energiespeicher) und getaktet<br />
durch das Symbol der<br />
Entwicklung - das Pendel<br />
(Gangregler) - das klerikalmechanistische<br />
Weltbild, <strong>in</strong><br />
der e<strong>in</strong>e Entwicklung immer<br />
nur im Kreis erfolgt - bzw.<br />
faktisch nicht stattf<strong>in</strong>det -<br />
vers<strong>in</strong>nbildlicht wurde. Wie<br />
die Sonnenuhren hatten<br />
diese Symboluhren meist<br />
nur e<strong>in</strong>en Zeiger. M<strong>in</strong>utenzeiger<br />
oder gar Sekundenzeiger<br />
wurden noch nicht<br />
gebraucht.<br />
Die Anforderungen an die<br />
Genauigkeit änderten sich<br />
erst mit Beg<strong>in</strong>n der Vermessung<br />
der Welt. Die<br />
geographischen Entdeckungen<br />
und die damit<br />
e<strong>in</strong>hergehenden E<strong>in</strong>geme<strong>in</strong>dungen<br />
<strong>in</strong> den Besitz der<br />
entdeckenden Kolonialmacht<br />
machten e<strong>in</strong>e exakte<br />
Standortbestimmung unabd<strong>in</strong>gbar.<br />
Die auf den<br />
Schiffen mitgeführten Chronometer<br />
ermöglichten diese<br />
Bestimmung des Ortes<br />
durch die Zeit. Die Mar<strong>in</strong>e<br />
verlangte nach immer<br />
Die Leute, die niemals Zeit haben, tun am wenigsten.<br />
Georg Christoph Lichtenberg<br />
10:45
Wenn die Zeit kommt, <strong>in</strong> der man<br />
könnte, ist die vorüber, <strong>in</strong> der man<br />
kann.<br />
Marie von Ebner-Eschenbach<br />
präziseren Zeitmessern und<br />
die bekam sie auch - denn<br />
das rechnete sich. Irgendwann<br />
war es so weit, dass<br />
das britische Empire <strong>in</strong> allen<br />
Zeitzonen präsent war. Wie<br />
die Geschichte weiter g<strong>in</strong>g<br />
ist bekannt. Im agrarischen<br />
Britannien begann die<br />
<strong>in</strong>dustrielle Revolution, die<br />
so nach und nach fast die<br />
ganze Welt erfasste.<br />
Die agrarische Welt kannte<br />
nur zwei Takte. Das war der<br />
Sonnenaufgang, wenn man<br />
zur Arbeit g<strong>in</strong>g und der<br />
Sonnenuntergang, wenn<br />
man zurückkam. Die<br />
<strong>in</strong>dustrielle Welt erhöhte die<br />
Taktzahl. Erst langsam,<br />
dann immer schneller. Doch<br />
10:46
die neuen Takte krankten<br />
daran, dass man sie nicht<br />
e<strong>in</strong>fach ausmachen konnte<br />
und somit nicht synchron<br />
liefen.<br />
Im 19. Jahrhundert wurde<br />
der öffentliche Raum<br />
geradezu überrollt mit allgeme<strong>in</strong><br />
sichtbaren Zeitmessern.<br />
Die <strong>in</strong>dustrielle<br />
Welt synchronisierte sich.<br />
Diese Chronometrisierung<br />
geschah ke<strong>in</strong>eswegs<br />
schleichend und unbemerkt,<br />
sondern wurde<br />
öffentlich wahrgenommen<br />
und diskutiert. Zuweilen<br />
blieb auch beißender Spott<br />
nicht aus. So verglich<br />
Alfred Kub<strong>in</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />
Buch „Die andere Seite“,<br />
den quasi religiösen - und<br />
auch albernen - Großen<br />
Uhrbann, mit öffentlichen<br />
Pissoir.<br />
Es gibt Diebe, die nicht bestraft<br />
werden und e<strong>in</strong>em doch das<br />
kostbarste stehlen: die Zeit.<br />
Napoleon<br />
11:44
Jede Zeit ist e<strong>in</strong>e Sph<strong>in</strong>x, die<br />
sich <strong>in</strong> den Abgrund stürzt,<br />
sobald man ihr Rätsel gelöst<br />
hat.<br />
He<strong>in</strong>rich He<strong>in</strong>e<br />
11:45<br />
„Er (der Uhrturm auf dem<br />
Hauptplatz von Perle) übt<br />
nämlich auf sämtliche Bewohner<br />
e<strong>in</strong>e mysteriöse,<br />
unglaubliche Anziehungskraft<br />
aus. Zu bestimmten<br />
<strong>Stunden</strong> wird dieses alte<br />
Gemäuer schwarmweise<br />
von Männern und Frauen<br />
umr<strong>in</strong>gt. [...] Die Leute<br />
stampfen nervös den<br />
Boden und blicken immer<br />
wieder auf die langen,<br />
rostigen Zeiger da oben.<br />
Fragt man sie, was da<br />
vorgehe, so erhält man<br />
zerstreute, ausweichende<br />
Antworten.[...] Kurz entschlossen<br />
riskierte ich‘s<br />
auch e<strong>in</strong>mal, wurde<br />
jedoch grob enttäuscht.<br />
Weißt du, was da dr<strong>in</strong>nen
war? Auch De<strong>in</strong>e Erwartungen<br />
werden s<strong>in</strong>ken. Man<br />
kommt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e,<br />
w<strong>in</strong>klige, leere Zelle, zum<br />
Teil mit rätselhaften<br />
Zeichnungen, wohl Symbolen<br />
bedeckt. [...] Über die<br />
Seitenwand strömt Wasser,<br />
ununterbrochen strömt es.<br />
Ich tat, wie der Mann, der<br />
nach mir e<strong>in</strong>trat, blickte die<br />
Wand starr an und sagte<br />
laut und deutlich: »Hier<br />
stehe ich vor Dir!« Dann<br />
geht man wieder h<strong>in</strong>aus.<br />
Me<strong>in</strong> Gesicht muss ziemlich<br />
verdutzt ausgesehen haben.<br />
Die Frauen haben ihre<br />
eigene Seite mit eigenem<br />
E<strong>in</strong>gang, was wie <strong>in</strong> der<br />
ganzen Welt durch kle<strong>in</strong>e<br />
Aufschriften kenntlich<br />
gemacht ist.“<br />
Die Zeit vergeht nicht schneller<br />
als früher, aber wir laufen eiliger<br />
an ihr vorbei.<br />
George Orwell<br />
11:55
Uns gehört nur die<br />
Stunde. Und e<strong>in</strong>e<br />
Stunde, wenn sie<br />
glücklich ist, ist viel.<br />
11:57<br />
Theodor Fontane<br />
Allerd<strong>in</strong>gs wurde diese Seite<br />
der Absurdität der Chronometrisierung<br />
nur von<br />
wenigen Menschen wahrgenommen.<br />
In den europäischen<br />
Städten versammelten<br />
sich an entsprechenden<br />
Uhren e<strong>in</strong>e erhebliche<br />
Schar von Menschen,<br />
häufig Männer, die dort<br />
öffentlichkeitswirksam ihre<br />
teuren Taschenuhren stellten.<br />
Die meisten Menschen<br />
begrüßten die explosionsartige<br />
Vermehrung der<br />
öffentlichen Uhren und<br />
freuten sich, nun endlich mit<br />
Fahrplänen, Sprechstunden,
Arbeits-, Pausen-, Öffnungs-<br />
und Lieferzeiten<br />
synchronisiert werden zu<br />
können. Sie konnten zu<br />
jeder beliebigen Gelegenheit<br />
ihre eigene Taschenoder<br />
Armbanduhr mit der<br />
amtlichen Zeit abgleichen,<br />
völlig egal, ob dazu e<strong>in</strong>e<br />
Notwendigkeit bestand<br />
oder nicht. Alle<strong>in</strong> die<br />
Möglichkeit wurde als<br />
ganz persönlicher Fortschritt<br />
wahrgenommen.<br />
Das (nicht e<strong>in</strong>gehaltene)<br />
Versprechen lautete, Zeit<br />
ist Geld.<br />
Das Merkwürdige an der<br />
Zukunft ist wohl die<br />
Vorstellung, dass man unsere<br />
Zeit e<strong>in</strong>mal die gute alte Zeit<br />
nennen wird.<br />
Ernest Hem<strong>in</strong>gway<br />
12:26
Die Neuzeit<br />
Es ist ke<strong>in</strong>esfalls e<strong>in</strong>e<br />
zufällige Analogie, wenn<br />
man gedanklich die<br />
sozialen Netzwerke des<br />
Heute an die Stelle des<br />
Großen Uhrbanns von<br />
damals treten lässt. Diese<br />
Netzwerke senden<br />
permanent Synchronisationsimpulse,<br />
nunmehr <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er so hohen Frequenz,<br />
dass es den Mitspielern<br />
unzumutbar ersche<strong>in</strong>t,<br />
diese jedes Mal von e<strong>in</strong>em<br />
Telefondisplay ablesen zu<br />
müssen. Stattdessen<br />
Liebst du das Leben? Dann<br />
vergeude ke<strong>in</strong>e Zeit, denn<br />
daraus besteht das Leben.<br />
Benjam<strong>in</strong> Frankl<strong>in</strong><br />
12:27
lassen sie den Taktgeber<br />
ihrer persönlichen Fortschrittswelt<br />
an das Handgelenk<br />
wandern und feiern<br />
den Advent der Smartwatch.<br />
So wie Kub<strong>in</strong>s Zeitgenossen<br />
wird auch diesen Protagonisten<br />
die enorme Albernheit<br />
der Situation nicht<br />
bewusst, sondern sie rufen<br />
stattdessen nach mehr Takt.<br />
Es entbehrt nicht e<strong>in</strong>er<br />
gewissen Ironie, dass sich<br />
Apple 2012 für das Design<br />
se<strong>in</strong>er<br />
iOS-Uhr-App<br />
ausgerechnet am Design des<br />
Gestalters Hans Hilfiker von<br />
1944 für die Bahnhofsuhren<br />
der SBB bediente - wenn<br />
auch nicht ganz legal. Das<br />
neue (ebenso leere)<br />
Versprechen heißt nun, Zeit<br />
ist Aufmerksamkeit.<br />
Die zwei größten Tyrannen der<br />
Erde: der Zufall und die Zeit.<br />
Johann Gottfried von Herder<br />
15:36
Verblüffend ist, wie<br />
sich die wutbürgerlichen<br />
Argumente der<br />
sozialen Netzwerker<br />
und der Uhrbannisten<br />
ähneln.<br />
„Der Zustand der<br />
Zeitanzeige durch die<br />
öffentlichen Uhren <strong>in</strong><br />
Wien verdient die<br />
ernstliche Rüge.<br />
Differenzen <strong>in</strong> der<br />
Zeitangabe derselben<br />
von Viertelstunden<br />
und mehr s<strong>in</strong>d nicht<br />
alle<strong>in</strong> häufig, sondern<br />
ganz permanent. Das<br />
hat etwas Uncivilisiertes,<br />
Orientalisches<br />
und ist<br />
durchaus mit dem<br />
Leben e<strong>in</strong>er Großstadt<br />
unverträglich.<br />
Die Schätzung des<br />
Die Ewigkeit dauert<br />
lange, besonders gegen<br />
Ende.<br />
Woody Allen<br />
15:42
Werthes der Zeit steht <strong>in</strong><br />
directer Beziehung mit dem<br />
Culturzustande e<strong>in</strong>er Bevölkerung,<br />
und die fleißigen,<br />
sparsamen Leute <strong>in</strong> Wien<br />
mögen deshalb laut ihre<br />
Stimme gegen E<strong>in</strong>richtungen<br />
erheben, welche täglich<br />
Tausende von Arbeitsstunden<br />
durch unnöthiges<br />
Warten und allerlei Verfehlungen<br />
verloren gehen<br />
lassen. Die Eisenbahn-<br />
Stationsbeamten theilen<br />
mit, daß es ganz an der<br />
Tagesordnung sei, daß<br />
Personen, getäuscht durch<br />
die Angaben öffentlicher<br />
Uhren, die Züge versäumen.<br />
Wer kommt diesen Leuten<br />
für die daraus erwachsenden<br />
Verluste und großen<br />
Unannehmlichkeiten auf?<br />
Diese Zustände stellen<br />
seitens der städtischen Behörden,<br />
welche es angeht,<br />
die vollste Nichtachtung dar<br />
vor e<strong>in</strong>em geldwerthen<br />
Rechte der Bürger: dass<br />
man ihm sagt, wie viel es<br />
geschlagen hat.“ (Neue<br />
Freie Presse, 7.8.1875, S.<br />
6.)<br />
Schon vor e<strong>in</strong>iger Zeit hat<br />
e<strong>in</strong> Rückzug der Uhren aus<br />
dem öffentlichen Raum<br />
begonnen. Öffentliche<br />
Uhren werden sicher<br />
niemals zu 100% verschw<strong>in</strong>den,<br />
doch schon heute<br />
dom<strong>in</strong>ieren Uhren zur<br />
Reklame und historische<br />
Uhren das Stadtbild. Neue<br />
Uhren - als ausschließlich<br />
Zeit anzeigende Stadtmöbel<br />
oder gar Kunstwerke -<br />
werden von den Geme<strong>in</strong>den<br />
Die Stadtuhr hat wieder<br />
rheumatische Zufälle.<br />
GeorgChristophLichtenberg<br />
15:51
15:52<br />
Die Zeit mag Wunden heilen,<br />
aber sie ist e<strong>in</strong>e miserable<br />
Kosmetiker<strong>in</strong>.<br />
Mark Twa<strong>in</strong>
kaum noch f<strong>in</strong>anziert. Selbst<br />
Kirchturmuhren werden<br />
immer mehr zurückgebaut.<br />
Deren Unterhalt ist den<br />
Institutionen zu teuer<br />
geworden und sie passen<br />
nicht mehr <strong>in</strong> das neue<br />
Market<strong>in</strong>gkonzept der<br />
spirituellen Entschleunigung<br />
bzw. des Innehaltens. Dieser<br />
Rückzug der Uhren aus dem<br />
öffentlichen Raum ist global.<br />
Es gibt Wichtigeres im Leben, als<br />
beständig dessen Geschw<strong>in</strong>digkeit<br />
zu erhöhen.<br />
Mahatma Gandhi<br />
18:08
Wer von se<strong>in</strong>em Tag<br />
nicht zwei Drittel für<br />
sich selbst hat, ist e<strong>in</strong><br />
Sklave.<br />
Friedrich Nietzsche<br />
<strong>Japan</strong><br />
In Asien und besonders <strong>in</strong><br />
<strong>Japan</strong> vollzog sich die<br />
Entwicklung der Uhren im<br />
öffentlichen Raum auf<br />
gänzlich andere Weise. 1633<br />
schlossen die Herrscher<br />
<strong>Japan</strong>s das Land zu und<br />
warfen den Schlüssel weg.<br />
Man verzichtete - unter<br />
Androhung drakonischer<br />
Strafen - auf den Austausch<br />
mit Völkern außerhalb.<br />
Diese Periode ist bekannt<br />
als Sankoku. Erst 1853<br />
wurde es von außen und mit<br />
Gewalt der Schwarzen<br />
Schiffe des Commodore<br />
Matthew Perry der US Navy<br />
wieder aufgesperrt.<br />
Bevor man sich <strong>in</strong> diese<br />
Isolation zurückzog, gab es<br />
schon Austausch mit dem<br />
Westen, allen voran mit<br />
holländischen Missionaren.<br />
Im 16. Jahrhundert brachten<br />
diese die ersten mechanischen<br />
Uhren nach <strong>Japan</strong>.<br />
Die japanischen Uhrmacher<br />
entwickelten <strong>in</strong> der Isolation<br />
e<strong>in</strong>e ganz eigene Art von<br />
Uhren, die sich <strong>in</strong> vielerlei<br />
H<strong>in</strong>sicht sehr stark von<br />
denen des Westens unterschieden.<br />
Neben e<strong>in</strong>er anderen<br />
Anzahl von <strong>Stunden</strong><br />
wich vor allem das Konzept<br />
der variablen <strong>Stunden</strong>längen<br />
je nach Jahreszeit<br />
von den westlichen Uhren<br />
ab. Diese Uhren nannten<br />
sich Wadokai.<br />
18:12
Managerkrankheit: e<strong>in</strong>e<br />
Epidemie, die durch den<br />
Uhrzeiger hervorgerufen und<br />
durch den Term<strong>in</strong>kalender<br />
übertragen wird.<br />
John Ste<strong>in</strong>beck<br />
1851 entwickelte Hisashige<br />
Tanaka die Man-nen<br />
Dokei (10.000-Jahre-Uhr).<br />
Sie zeigte neben der westlichen<br />
Zeit noch die<br />
japanische Zeit, die Mondphasen,<br />
die Wochen, Monate<br />
auch noch die 24<br />
Solar-Terms des <strong>in</strong> Ostasien<br />
verbreiteten lunisolaren<br />
Kalenders an. Diese<br />
Uhr brauchte nur e<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>ziges Mal pro Jahr<br />
aufgezogen werden.<br />
Zur Weltausstellung 2005<br />
<strong>in</strong> Aichi wollte man e<strong>in</strong>e<br />
vollständig rekonstruierte<br />
Uhr präsentieren. Um das<br />
wirklich zu schaffen,<br />
mühte sich ab 2004 e<strong>in</strong><br />
Heer von über 100<br />
18:50
19:08<br />
In Zukunft wird jeder<br />
15 M<strong>in</strong>uten berühmt<br />
se<strong>in</strong>.<br />
Andy Warhol
Experten, Ingenieuren und<br />
Wissenschaftlern, an ihr ab.<br />
Sie zerlegten das Gerät <strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong>e mehr als 1.000 Bestandteile,<br />
ersetzen defekte<br />
Bauteile und nach 6 Monaten<br />
lief sie wieder - nach<br />
154 Jahren Pause.<br />
Der gleiche Tanaka baute<br />
1853 die erste japanische<br />
Dampfmasch<strong>in</strong>e. Dampfkriegsschiffe,<br />
Gewehre, Telegrafen,<br />
Glasfabriken …<br />
Vieles mehr folgte. Se<strong>in</strong>e<br />
kle<strong>in</strong>e Firma <strong>in</strong> G<strong>in</strong>za/<br />
Roppongi wurde zu der<br />
bekanntesten japanischen<br />
Firma überhaupt - Toshiba.<br />
Wer nach der Uhr lebt,<br />
muss damit rechnen,<br />
dass ihm se<strong>in</strong> Leben mit<br />
der Zeit auf den Wecker<br />
geht.<br />
Ernst Ferstl<br />
19:12
19:42<br />
Laufe nicht der Vergangenheit nach und<br />
verliere dich nicht <strong>in</strong> der Zukunft. Die<br />
Vergangenheit ist nicht mehr. Die Zukunft ist<br />
noch nicht gekommen. Das Leben ist hier und<br />
jetzt.<br />
Buddha
So wie Tanaka g<strong>in</strong>g es<br />
vielen Entwicklern <strong>in</strong><br />
<strong>Japan</strong>. Nachdem die Meiji-<br />
Zügel locker gelassen<br />
wurden, kam es zur<br />
<strong>in</strong>dustriellen Revolution.<br />
Nur eben <strong>in</strong> viel kürzerer<br />
Zeit als <strong>in</strong> anderen<br />
Ländern.<br />
Auch ganz ohne den<br />
erstarkenden japanischen<br />
Imperialismus verlangte<br />
die vom Militär und der<br />
Groß<strong>in</strong>dustrie dom<strong>in</strong>ierte<br />
Gesellschaft nach Synchronisation.<br />
1873 schaffte<br />
man per Dekret den<br />
lunisolaren Kalender ab<br />
und etablierte den<br />
westlichen Solarkalender.<br />
1881 <strong>in</strong>stallierte<br />
E.Howard & Co. die<br />
Sapporo Turmuhr.<br />
Es ist gut, wenn uns die<br />
verr<strong>in</strong>nende Zeit nicht als<br />
etwas ersche<strong>in</strong>t, das uns<br />
verbraucht, sondern als etwas,<br />
das uns vollendet.<br />
Anto<strong>in</strong>e de Sa<strong>in</strong>t Exupéry<br />
19:48
1888 wurde die japanische<br />
Standardzeit etabliert.<br />
Ich er<strong>in</strong>nere mich noch gut,<br />
wie e<strong>in</strong>es Tages e<strong>in</strong><br />
Schulkamerad, irgendwann<br />
<strong>in</strong> den 70ern, mit e<strong>in</strong>em<br />
unglaublichen Metallklumpen<br />
am Handgelenk <strong>in</strong> die<br />
Klasse kam. Der Klumpen<br />
entpuppte sich als die erste<br />
(kommerzielle) Armbanduhr<br />
mit digitaler Anzeige - Made<br />
<strong>in</strong> <strong>Japan</strong>. Nicht wenige - so<br />
auch ich - dachten damals,<br />
ich muss <strong>in</strong> der 6. oder 7.<br />
Klasse gewesen se<strong>in</strong>, das ist<br />
das Ende der Analoguhr.<br />
Doch die Digitaluhr setze<br />
sich weder <strong>in</strong> <strong>Japan</strong>, noch<br />
irgendwo sonst <strong>in</strong> der Welt<br />
gegen die analoge Anzeige<br />
durch – auch nicht im<br />
öffentlichen Raum. Dabei<br />
gab es zahllose Versuche.<br />
Wer die Enge se<strong>in</strong>er Heimat<br />
begreifen will, der reise. Wer die<br />
Enge se<strong>in</strong>er Zeit ermessen will,<br />
studiere Geschichte.<br />
Kurt Tucholsky<br />
21:08
Die Verbreitung der<br />
öffentlichen Uhren war und<br />
ist vermutlich <strong>in</strong> England<br />
am höchsten. Das viktorianische<br />
Zeitalter hat<br />
dort e<strong>in</strong>en riesigen<br />
Uhrenzoo h<strong>in</strong>terlassen. In<br />
<strong>Japan</strong> blieb nur relativ<br />
wenig Zeit für den Aufbau.<br />
Heute ist die Häufigkeit der<br />
Uhr im Stadtbild <strong>in</strong> Tokyo,<br />
Osaka, Kyoto, Kobe, Sapporo<br />
… vergleichbar mit jeder<br />
anderen Stadt auf der Welt.<br />
Und wie überall - mit<br />
abnehmender Tendenz.<br />
Die Menschen werden geboren, die Menschen sterben, und die<br />
Zeit dazwischen verbr<strong>in</strong>gen sie mit dem Tragen der<br />
Digitaluhren.<br />
Douglas Adams<br />
23:00
1. Auflage: 09/2015<br />
2. veraenderte Auflage: 05/2019<br />
Kathai Media & Consult<strong>in</strong>g<br />
Adm<strong>in</strong>istrative Committee of<br />
Changx<strong>in</strong>g Economic and Technological<br />
Development Zone<br />
508 Xianqian East Road,<br />
Postcode: 313100<br />
Changx<strong>in</strong>g, Zhejiang<br />
T +86 13777476258<br />
www.kathai.de<br />
sven.tetzlaff@kathai.de<br />
Text und Bilder: Sven Tetzlaff<br />
Satz und Layout: Lv Chengyi<br />
25:00<br />
Fotografiert mit Leica M(Typ240),<br />
Summicron-M 1:2/35 ASPH <strong>in</strong> Osaka, Kobe,<br />
Kyoto, Nara und Tokyo, August 2015<br />
Bearbeitet mit Capture One Pro<br />
Quellen:<br />
• Die Verwandlung der Welt. - Osterhammel,<br />
Jürgen. - München : Beck, 2010, 5., durchges.<br />
Aufl.<br />
• Die synchronisierte Stadt - Öffentliche Uhren<br />
und Zeitwahrnehmung, Wien 1850 bis heute. -<br />
Payer, Peter. - Wien: Holzhausen Verlag 2015<br />
• Toshiba : Press Releases 8 March 2005. N.p.,<br />
n.d. Web. 06 Apr. 2013.