Stadtmagazin CLP Ausgabe 30
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eportage<br />
reportage<br />
All´s Aal<br />
Den größten Irrtum, was die Spezies Aal angeht, gilt es<br />
gleich auszumerzen, denn Aale sind keine Aasfresser.<br />
Im Gegenteil, Anguilla anguilla, der Europäische<br />
Aal ist ein Feinschmecker! Der sich in den Salz- und Süßgewässern<br />
des europäischen Kontinents von Südnorwegen<br />
über das Mittelmeer, bis nach Nordafrika von Krebsen und<br />
Kleinfischen, von Würmern und Insekten ernährt. Jedoch nie<br />
von Aas, auch wenn das seit der „Blechtrommel“ von Günter<br />
Grass so falsch in unseren Köpfen hängen blieb.<br />
Und nein, Aale sind auch keine Wasserschlangen und dass<br />
ihre Bestände dramatisch zurückgehen, hat nicht zuletzt<br />
mit dem Schmutz in unserer Umwelt zu tun. Aale sind hoch<br />
empfindliche, intelligente und enorm ausdauernde, kräftige<br />
Kreaturen. Man muss sich vorstellen, dass die Tiere in der Sargassosee,<br />
nahe den Bahamas, im südwestlichen Nordatlantik<br />
laichen und dann im jugendlichen Stadium (eine frisch geschlüpfte<br />
„Weidenblattlarve“ ist kaum größer als 2 mm) über<br />
drei lange Jahre hinweg etwa 5 – 6.000 Kilometer wandern<br />
– bis an die europäischen Küsten, wo sie, nun etwa sieben<br />
Zentimeter lang, in die Flussgewässer aufsteigen.<br />
Das muss ein gewaltiges Naturschauspiel sein: gut 700.000<br />
silbrig glänzende Glasaale (so heißen Aale in diesem Stadium<br />
ihres Heranwachsens), die wie ein nicht enden wollendes<br />
Band durch die Mündungen in die Flüsse schwimmen. Mit<br />
ein wenig Glück und zur richtigen Jahreszeit kann man dieses<br />
atemberaubende Szenario am Severn River im englischen<br />
Gloucester erleben. Dort, wo Aale früher so reichlich waren,<br />
dass sie abgefischt und als Hühnerfutter verarbeitet wurden.<br />
Heute ist man sich des Wertes dieser kostbaren Speisefische<br />
wieder bewusst, und wenn die Aalfischer am Severn River<br />
und anderswo heutzutage die Beute aus ihren Keschern<br />
bergen, dann geschieht das mit Vorsicht und voller Obacht.<br />
Schließlich hat man Bedeutendes mit ihnen vor, im Sinne des<br />
Schutzes der Aale und ihres Bestandes. Den man im momentanen<br />
Stadium deutlich reduzierter Vorkommen einem natürlichen<br />
Zyklus nicht mehr überantworten kann. Allzu gierig<br />
waren die Begehrlichkeiten aus dem asiatischen Raum,<br />
wo man bis vor wenigen Jahren noch für Glasaale Dubioses<br />
empfand, horrende Preise dafür zahlte, und so die Bestände<br />
dramatisch überfischt und dadurch nahezu vernichtet wurden.<br />
Dieser Boom ist vorüber, doch andere Gefahren weiterhin<br />
präsent. Denken wir allein an die 7.000 Wasserkraftwerke<br />
entlang der Flüsse, denen zwar Fischtreppen vorgebaut<br />
sind, um nicht zuletzt auch Aalen den Flussaufstieg zu gewährleisten.<br />
Doch ist auch diese Methode, wie so vieles andere,<br />
leider am grünen Tisch konzipiert und damit jenseits<br />
der erdachten Wirkung. Tausende, in den „Fischtreppen“ geschredderte<br />
Aale sind die Folge, seit langem schon, zu jeder<br />
Saison.<br />
Würde man das so hinnehmen, wären diese faszinierenden<br />
und schmackhaften Fische – schon Aristoteles schätzte<br />
sie, rätselte aber auch an ihnen herum – alsbald ausgestorben.<br />
Denn züchten lassen Aale sich nicht. Doch schützen<br />
und an sicheren Stellen aussetzen, wie man es bei der „Initiative<br />
zur Förderung des Europäischen Aals e.V.“ seit 2009<br />
gezielt unternimmt.<br />
In dieser „Lobby für den Aal“ macht man sich für den Besatz<br />
von geeigneten Gewässern mit Jungaalen stark. Und da<br />
diese Methode die wirksamste Maßnahme ist, um den Fortbestand<br />
der Aalbestände in Europa zu sichern werden ein<br />
Gutteil der vor den europäischen Küsten anlandenden Glasaale<br />
zum späteren Besatz verwendet. Das heißt, sie werden<br />
in Gloucester beispielsweise als Glasaale gefangen (3.000<br />
Glasaale sind 1 kg schwer) und anschließend in einer Anlage<br />
circa ½ Jahr gepäppelt und gestärkt, bis sie kräftig genug<br />
sind zum Besatz. Ein weiterer Teil dieses Aalbestandes wird<br />
über zwei Jahre hinweg zum Verzehr groß gezogen.<br />
Jeder dieser Aale ist Teil eines Prinzips zum Fortbestand<br />
der Spezies, denn pro verkauftem Aal spenden die Mitglieder<br />
der genannten Aalinitiative mindestens drei Jungaale<br />
zum Besatz in geeigneten Gewässern und unter der Ägide<br />
von Kennern der Situation. Etliche Millionen Jungaale fanden<br />
so ihre Lebensräume just in den Flusseinzugsgebieten<br />
von Weser, Elbe, Schlei und im Zwischenahner Meer.<br />
Diese Zahlen machen Hoffnung für den Erhalt von Anguilla<br />
anguilla – alles andere wäre eine Bankrotterklärung<br />
an das Verständnis zum Erhalt unserer Natur und der daraus<br />
entwickelten Esskultur gewesen. Ganz zu schweigen von der<br />
Katastrophe für die Feinschmeckerlandschaft rund um das<br />
Zwischenahner Meer! Das ist, auf den ersten Blick, natürlich<br />
zweitrangig, denn im Zusammenhang mit der Geschichte<br />
der ganzen Welt sind Aale pure Tradition!<br />
Ulla Schmitz<br />
P.S. Aal als alles<br />
„Aal“ bedeutet in der plattdeutschen Sprache „Alles“ –<br />
wenn also eine Aalsuppe auf dem Speisezettel steht, bedeutet<br />
das in Hamburg zum Beispiel eine Suppe mit „aals“ aus<br />
dem Garten: Gemüse, Kräuter und – Pflaumen, jawohl. Nicht<br />
unbedingt, ja nur in den seltensten Fällen mit Aal, es muss<br />
jedoch ein Schinkenknochen darin eingekocht sein.<br />
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