03.05.2019 Aufrufe

Stadtmagazin CLP Ausgabe 30

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

eportage<br />

reportage<br />

All´s Aal<br />

Den größten Irrtum, was die Spezies Aal angeht, gilt es<br />

gleich auszumerzen, denn Aale sind keine Aasfresser.<br />

Im Gegenteil, Anguilla anguilla, der Europäische<br />

Aal ist ein Feinschmecker! Der sich in den Salz- und Süßgewässern<br />

des europäischen Kontinents von Südnorwegen<br />

über das Mittelmeer, bis nach Nordafrika von Krebsen und<br />

Kleinfischen, von Würmern und Insekten ernährt. Jedoch nie<br />

von Aas, auch wenn das seit der „Blechtrommel“ von Günter<br />

Grass so falsch in unseren Köpfen hängen blieb.<br />

Und nein, Aale sind auch keine Wasserschlangen und dass<br />

ihre Bestände dramatisch zurückgehen, hat nicht zuletzt<br />

mit dem Schmutz in unserer Umwelt zu tun. Aale sind hoch<br />

empfindliche, intelligente und enorm ausdauernde, kräftige<br />

Kreaturen. Man muss sich vorstellen, dass die Tiere in der Sargassosee,<br />

nahe den Bahamas, im südwestlichen Nordatlantik<br />

laichen und dann im jugendlichen Stadium (eine frisch geschlüpfte<br />

„Weidenblattlarve“ ist kaum größer als 2 mm) über<br />

drei lange Jahre hinweg etwa 5 – 6.000 Kilometer wandern<br />

– bis an die europäischen Küsten, wo sie, nun etwa sieben<br />

Zentimeter lang, in die Flussgewässer aufsteigen.<br />

Das muss ein gewaltiges Naturschauspiel sein: gut 700.000<br />

silbrig glänzende Glasaale (so heißen Aale in diesem Stadium<br />

ihres Heranwachsens), die wie ein nicht enden wollendes<br />

Band durch die Mündungen in die Flüsse schwimmen. Mit<br />

ein wenig Glück und zur richtigen Jahreszeit kann man dieses<br />

atemberaubende Szenario am Severn River im englischen<br />

Gloucester erleben. Dort, wo Aale früher so reichlich waren,<br />

dass sie abgefischt und als Hühnerfutter verarbeitet wurden.<br />

Heute ist man sich des Wertes dieser kostbaren Speisefische<br />

wieder bewusst, und wenn die Aalfischer am Severn River<br />

und anderswo heutzutage die Beute aus ihren Keschern<br />

bergen, dann geschieht das mit Vorsicht und voller Obacht.<br />

Schließlich hat man Bedeutendes mit ihnen vor, im Sinne des<br />

Schutzes der Aale und ihres Bestandes. Den man im momentanen<br />

Stadium deutlich reduzierter Vorkommen einem natürlichen<br />

Zyklus nicht mehr überantworten kann. Allzu gierig<br />

waren die Begehrlichkeiten aus dem asiatischen Raum,<br />

wo man bis vor wenigen Jahren noch für Glasaale Dubioses<br />

empfand, horrende Preise dafür zahlte, und so die Bestände<br />

dramatisch überfischt und dadurch nahezu vernichtet wurden.<br />

Dieser Boom ist vorüber, doch andere Gefahren weiterhin<br />

präsent. Denken wir allein an die 7.000 Wasserkraftwerke<br />

entlang der Flüsse, denen zwar Fischtreppen vorgebaut<br />

sind, um nicht zuletzt auch Aalen den Flussaufstieg zu gewährleisten.<br />

Doch ist auch diese Methode, wie so vieles andere,<br />

leider am grünen Tisch konzipiert und damit jenseits<br />

der erdachten Wirkung. Tausende, in den „Fischtreppen“ geschredderte<br />

Aale sind die Folge, seit langem schon, zu jeder<br />

Saison.<br />

Würde man das so hinnehmen, wären diese faszinierenden<br />

und schmackhaften Fische – schon Aristoteles schätzte<br />

sie, rätselte aber auch an ihnen herum – alsbald ausgestorben.<br />

Denn züchten lassen Aale sich nicht. Doch schützen<br />

und an sicheren Stellen aussetzen, wie man es bei der „Initiative<br />

zur Förderung des Europäischen Aals e.V.“ seit 2009<br />

gezielt unternimmt.<br />

In dieser „Lobby für den Aal“ macht man sich für den Besatz<br />

von geeigneten Gewässern mit Jungaalen stark. Und da<br />

diese Methode die wirksamste Maßnahme ist, um den Fortbestand<br />

der Aalbestände in Europa zu sichern werden ein<br />

Gutteil der vor den europäischen Küsten anlandenden Glasaale<br />

zum späteren Besatz verwendet. Das heißt, sie werden<br />

in Gloucester beispielsweise als Glasaale gefangen (3.000<br />

Glasaale sind 1 kg schwer) und anschließend in einer Anlage<br />

circa ½ Jahr gepäppelt und gestärkt, bis sie kräftig genug<br />

sind zum Besatz. Ein weiterer Teil dieses Aalbestandes wird<br />

über zwei Jahre hinweg zum Verzehr groß gezogen.<br />

Jeder dieser Aale ist Teil eines Prinzips zum Fortbestand<br />

der Spezies, denn pro verkauftem Aal spenden die Mitglieder<br />

der genannten Aalinitiative mindestens drei Jungaale<br />

zum Besatz in geeigneten Gewässern und unter der Ägide<br />

von Kennern der Situation. Etliche Millionen Jungaale fanden<br />

so ihre Lebensräume just in den Flusseinzugsgebieten<br />

von Weser, Elbe, Schlei und im Zwischenahner Meer.<br />

Diese Zahlen machen Hoffnung für den Erhalt von Anguilla<br />

anguilla – alles andere wäre eine Bankrotterklärung<br />

an das Verständnis zum Erhalt unserer Natur und der daraus<br />

entwickelten Esskultur gewesen. Ganz zu schweigen von der<br />

Katastrophe für die Feinschmeckerlandschaft rund um das<br />

Zwischenahner Meer! Das ist, auf den ersten Blick, natürlich<br />

zweitrangig, denn im Zusammenhang mit der Geschichte<br />

der ganzen Welt sind Aale pure Tradition!<br />

Ulla Schmitz<br />

P.S. Aal als alles<br />

„Aal“ bedeutet in der plattdeutschen Sprache „Alles“ –<br />

wenn also eine Aalsuppe auf dem Speisezettel steht, bedeutet<br />

das in Hamburg zum Beispiel eine Suppe mit „aals“ aus<br />

dem Garten: Gemüse, Kräuter und – Pflaumen, jawohl. Nicht<br />

unbedingt, ja nur in den seltensten Fällen mit Aal, es muss<br />

jedoch ein Schinkenknochen darin eingekocht sein.<br />

54 Das <strong>Stadtmagazin</strong> für Cloppenburg & umzu | Reportage Das <strong>Stadtmagazin</strong> für Cloppenburg & umzu | Reportage 55

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!