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Vom Geschäftshaus Jacobi zum Hotel Orania.Berlin. Geschichte und Wandel einer architektonischen Wiederentdeckung am Oranienplatz

https://www.jovis.de/de/buecher/product/vom-geschaeftshaus-jacobi-zum-hotel-orania-berlin.html ISBN 978-3-86859-525-3

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VOM GESCHÄFTSHAUS JACOBI<br />

ZUM HOTEL ORANIA.BERLIN<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Wandel</strong> <strong>einer</strong><br />

<strong>architektonischen</strong> <strong>Wiederentdeckung</strong><br />

<strong>am</strong> <strong>Oranienplatz</strong><br />

Wolfgang Schäche<br />

David Pessier


Inhalt<br />

Thematische Einleitung 7<br />

Der Ort <strong>und</strong> seine <strong>Geschichte</strong>: 11<br />

Der <strong>Oranienplatz</strong> in <strong>Berlin</strong>-Kreuzberg<br />

Das Gebäude <strong>am</strong> Platz: <strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> Nutzungswandel des 49<br />

<strong>Geschäftshaus</strong>es <strong>Jacobi</strong><br />

Die Architekten des Büro- <strong>und</strong> <strong>Geschäftshaus</strong>es <strong>Jacobi</strong>: 71<br />

Zum Werk von Wilhelm Albert Cremer <strong>und</strong> Richard Wolffenstein<br />

Architektonische Transformation im Dialog von Alt <strong>und</strong> Neu: 91<br />

Wiederherstellung <strong>und</strong> Umbau des Gebäudes nach<br />

Plänen von Hilmer & Sattler <strong>und</strong> Albrecht Architekten<br />

Anhang 118<br />

Projekt-Statement von Christoph Sattler 119<br />

Gebäudedaten <strong>zum</strong> Umbau 120<br />

Quellen- <strong>und</strong> Literaturverzeichnis 121<br />

Abbildungsquellen 123<br />

Register 124<br />

Danksagung 126<br />

Autoren 127<br />

Impressum 128<br />

5


„Bauen kann ein jeder,<br />

aber ‚schön bauen‘,<br />

das ist die Kunst!“<br />

(Wilhelm Albert Cremer, 1845–1919)<br />

6


Thematische Einleitung<br />

Der <strong>Oranienplatz</strong> galt zu Beginn des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts als <strong>einer</strong> der schönsten<br />

Plätze <strong>Berlin</strong>s. Heute erinnert kaum noch etwas an die einstmals so beeindruckende<br />

Platzanlage, die nach Plänen von Bruno Schmitz in den Jahren 1905–1907<br />

geschaffen wurde. Allein die Plat<strong>zum</strong>bauung ist in ihren wesentlichen Bestandteilen<br />

auf die Gegenwart überkommen. Eines der signifikanten Gebäude, das seit<br />

s<strong>einer</strong> Errichtung den Platz maßgeblich prägt, ist das nach langem Leerstand sorgfältig<br />

wiederhergestellte <strong>und</strong> im Herbst 2017 als <strong>Hotel</strong> <strong>Orania</strong>.<strong>Berlin</strong> zu neuem<br />

Leben erweckte ehemalige Haus <strong>Jacobi</strong>. Seine bewegte <strong>Geschichte</strong> greift mehr als<br />

100 Jahre zurück <strong>und</strong> ist von jener des Platzes nicht zu trennen. 1912/13 als Büro<strong>und</strong><br />

<strong>Geschäftshaus</strong> nach Entwürfen der renommierten Architektensocietät von<br />

Wilhelm Cremer <strong>und</strong> Richard Wolffenstein für den angesehenen Kaufmann <strong>und</strong><br />

einflussreichen Stadtverordneten Leopold <strong>Jacobi</strong> errichtet, erfuhr es im Verlauf<br />

s<strong>einer</strong> mehr als h<strong>und</strong>ertjährigen Existenz etliche Nutzungswandel, bauliche Veränderungen<br />

sowie langjährige Vernachlässigung. Erst mit dem Kauf des Gebäudes<br />

durch Dietrich von Boetticher wurde sein sukzessiver Verfall gestoppt. Er ließ<br />

das heruntergekommene, aber in s<strong>einer</strong> primären Struktur sowie äußeren Gestalt<br />

noch in toto bauzeitlich erhaltene Haus durch das Architekturbüro Hilmer &<br />

Sattler <strong>und</strong> Albrecht gr<strong>und</strong>legend sanieren <strong>und</strong> zu einem anspruchsvoll ausgestatteten<br />

Stadthotel umbauen, das dem Platz heute wieder zur Zierde gereicht.<br />

Im Rahmen dieser der <strong>architektonischen</strong> Bedeutung angemessenen, umsichtigen<br />

Wiederherstellung des prägnanten Eckgebäudes, ist dem durch die Verwerfungen<br />

der Zeitläufe arg gesch<strong>und</strong>enen Platzgeviert auch eine bedeutende Adresse<br />

zurückgegeben worden. Denn das von Dietmar Mueller-Elmau konzipierte<br />

<strong>Orania</strong>. <strong>Berlin</strong> schaffte es ob s<strong>einer</strong> Qualität innerhalb eines Jahres auf Platz 18<br />

im Ranking der „100 weltbesten Stadthotels“. In s<strong>einer</strong> Ausstattung <strong>und</strong> dem<br />

Am biente an dem höchst angesehenen <strong>Hotel</strong> Schloss Elmau in Oberbayern orientiert,<br />

stellt es – wenn auch deutlich kl<strong>einer</strong> – gleichs<strong>am</strong> dessen großstädtischen<br />

Zwilling dar. Es begreift sich dabei, trotz aller Exklusivität, dezidiert als ein offenes<br />

Haus, dessen Lobby-, Bar- <strong>und</strong> Restaurantbereich frei zugänglich ist <strong>und</strong> in dem<br />

regelmäßig Konzerte <strong>und</strong> Veranstaltungen stattfinden.<br />

Das vorliegende Buch sucht gleichermaßen die komplexe historische Entwicklung<br />

des für Kreuzberg noch immer so bedeuts<strong>am</strong>en Platzes nachzuzeichnen<br />

sowie die wechselvolle <strong>Geschichte</strong> des Hauses <strong>Jacobi</strong>, von s<strong>einer</strong> ursprünglichen<br />

Zweckbestimmung als <strong>Geschäftshaus</strong> bis <strong>zum</strong> mustergültigen Umbau durch das<br />

Büro Hilmer & Sattler <strong>und</strong> Albrecht, sorgfältig zu rekonstruieren. Zudem werden<br />

dessen Schöpfer, Wilhelm Cremer <strong>und</strong> Richard Wolffenstein, in die Betrachtung<br />

miteinbezogen.<br />

Im Einzelnen gliedert sich das Werk in vier aufeinander aufbauende Kapitel. Das<br />

erste Kapitel widmet sich pointiert der städtebaulichen Entwicklung des <strong>Oranienplatz</strong>es<br />

<strong>und</strong> macht so den architekturräumlichen Kontext anschaulich, vor dessen<br />

7


Mit dem Bau der st<strong>einer</strong>nen Brücke nach dem<br />

Entwurf von Bruno Schmitz <strong>und</strong> mit den<br />

mächtigen Kandelabern an den Platzecken<br />

[fand] der <strong>Oranienplatz</strong> die vollkommenste<br />

Gestalt in s<strong>einer</strong> <strong>Geschichte</strong> […]; d<strong>am</strong>als<br />

galt er als der schönste Jugendstilplatz<br />

<strong>Berlin</strong>s. Was ihn aber <strong>zum</strong> Flanier- <strong>und</strong><br />

Einkaufszentrum der Luisenstadt machte, war<br />

das Aufkommen der Kauf- <strong>und</strong> Warenhäuser<br />

um die Jahrh<strong>und</strong>ertwende. Den Anfang hatte<br />

Wertheim in der Oranienstraße <strong>und</strong> <strong>am</strong><br />

Moritzplatz gemacht, <strong>am</strong> <strong>Oranienplatz</strong> folgten<br />

die Häuser Maassen, Heitinger <strong>und</strong> <strong>Jacobi</strong> /<br />

Brenninkmeyer, Anfang der 30er-Jahre bildet das<br />

Genossenschaftskaufhaus von Bruno Taut […]<br />

den krönenden Abschluss.“<br />

(Klaus Duntze: Der Luisenstädtische Kanal, <strong>Berlin</strong> 2011)<br />

10


Der Ort <strong>und</strong> seine <strong>Geschichte</strong>:<br />

Der <strong>Oranienplatz</strong> in <strong>Berlin</strong>-Kreuzberg<br />

Das hier in seinem historischen Kontext thematisierte <strong>Geschäftshaus</strong> <strong>Jacobi</strong><br />

− das heutige <strong>Hotel</strong> <strong>Orania</strong>.<strong>Berlin</strong> − zählt neben dem ehemaligen Kaufhaus<br />

R. M. Maassen von Alfred Breslauer <strong>und</strong> Paul Salinger <strong>und</strong> dem nach Plänen<br />

von Max Taut errichteten Gebäudekomplex der Konsum-Genossenschaft zu den<br />

<strong>architektonischen</strong> Ikonen des <strong>Oranienplatz</strong>es. Die gleichermaßen bewegte wie<br />

bewegende <strong>Geschichte</strong> dieses in <strong>Berlin</strong>-Kreuzberg gelegenen Platzes reicht bis in<br />

die erste Hälfte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts zurück.<br />

Der für die Stadtentwicklung so bedeutende Platz <strong>und</strong> dessen bauliches Umfeld<br />

bildeten einst das räumliche Zentrum der Luisenstadt. Seinen N<strong>am</strong>en erhielt das<br />

zunächst Cöllnische oder Köpenicker Vorstadt genannte Gebiet im Jahre 1802.<br />

Die Benennung erfolgte zu Ehren der von den <strong>Berlin</strong>ern schon zu Lebzeiten<br />

verehrten Königin Luise, der Gemahlin des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm<br />

III. Begrenzt wurde diese flächenmäßig größte <strong>Berlin</strong>er Vorstadt zu Beginn des<br />

19. Jahrh<strong>und</strong>erts im Nordosten durch die Spree bis <strong>zum</strong> Oberbaum, im Süden<br />

durch die Akzisemauer vom Schlesischen bis <strong>zum</strong> Halleschen Tor, im Westen<br />

durch die Lindenstraße der Friedrichstadt <strong>und</strong> <strong>zum</strong> Stadtteil ,,Neu-Cölln <strong>am</strong><br />

Wasser“ durch den d<strong>am</strong>als noch existenten, später zugeschütteten Graben der<br />

Stadtbefestigung.<br />

In ihrem Weichbild war die Luisenstadt vor mehr als 200 Jahren noch von Äckern<br />

<strong>und</strong> Gärten <strong>und</strong> durch Busch- <strong>und</strong> Weideflächen bestimmt. Hier lebten überwiegend<br />

französische Refugiés. 1803 zählte die Vorstadt insges<strong>am</strong>t 590 Wohnbauten.<br />

Die mehrheitlich zweigeschossigen Bürgerhäuser säumten in unregelmäßiger<br />

Bebauung vornehmlich die <strong>am</strong> Rand der Stadt gelegenen Straßen. Lediglich <strong>am</strong><br />

Ufer der Spree hatten sich Gewerbebetriebe (Kalkbrennereien <strong>und</strong> Holzplätze<br />

sowie Manufakturen <strong>und</strong> Fabriken) niedergelassen. Insges<strong>am</strong>t bewohnten zu dieser<br />

Zeit 13.220 Einwohner die Luisenstadt. Konkrete Planungen, die innerhalb<br />

der Stadtmauern gelegenen <strong>und</strong> noch landwirtschaftlich genutzten Areale für<br />

eine regelmäßige Bebauung zu erschließen, erfolgten ab 1820. Sie sind untrennbar<br />

mit den N<strong>am</strong>en der Bauräte August Ferdinand Mandel <strong>und</strong> Carl Ludwig<br />

Schmidt verb<strong>und</strong>en. Eine zeitgenössische Schilderung des zweiten Predigers der<br />

Luisenstädtischen Kirche macht deutlich, welch ein komplexer städtebaulicher<br />

Ausbau auf dem <strong>zum</strong>eist als Köpenicker Feld bezeichneten Teil der Luisenstadt<br />

vorgesehen war: ,,Nach einem 1826 abgestochenen Plane [gemeint ist der von<br />

Schmidt, d. Verf.] sollen darauf erstehen: 31 Straßen, die zus<strong>am</strong>men eine Länge<br />

von 3 1/4 Meile haben würden <strong>und</strong> die 4 bis 15 Ruthen breit werden sollen,<br />

11 größere <strong>und</strong> 6 kl<strong>einer</strong>e öffentliche Plätze, n<strong>am</strong>entlich auch der Wollmarkt,<br />

2 Kirchen, 1200 – 1500 Häuser, 2 Landthore, das eine zwischen dem Halleschen<br />

<strong>und</strong> Cottbusser, das andere zwischen diesem <strong>und</strong> dem Schlesischen Thore,<br />

ferner ein 520 Ruthen langer <strong>und</strong> 3 1/2 Ruthe breiter Canal, aus der Spree nach<br />

dem Landwehrgraben geführt, mehrere Brücken über die Spree <strong>und</strong> diesen neuen<br />

11


extrem hohe Bebauungsdichte zuließ, entstanden nun vier- bis fünfgeschossige<br />

Mietshäuser mit Kleinwohnungen − <strong>zum</strong>eist nur aus Stube <strong>und</strong> Küche bestehend<br />

− für Arbeiter <strong>und</strong> einfache Angestellte. Für die Innenhöfe der Häuser, die sich<br />

mit Seitenflügeln <strong>und</strong> Quergebäuden tief in die Blockflächen erstreckten, war<br />

von der Baupolizei lediglich eine Größe von 5,30 Metern mal 5,30 Metern vorgeschrieben,<br />

gerade genug Platz, d<strong>am</strong>it die Feuerwehr wenden beziehungsweise ein<br />

Sprungtuch aufspannen konnte.<br />

Die Straßenfassaden dieser Neubauten zeigten ein einheitliches Gestaltungsschema.<br />

Das Souterrain <strong>und</strong> das Hochparterre waren meist durch Quaderputz<br />

4 Ausschnitt aus dem<br />

„Situations-Plan von der<br />

Haupt- <strong>und</strong> Residenz-Stadt<br />

<strong>Berlin</strong> <strong>und</strong> Umgegend“<br />

mit der Erstbebauung des<br />

<strong>Oranienplatz</strong>es, bearbeitet<br />

von W. Liebenow, 1867<br />

16


5 Nordöstliche Platzseite<br />

mit den in den 1860er<br />

Jahren errichteten Wohnhäusern<br />

von Conrad Kaiser,<br />

der dort seit 1866 seine<br />

Konditorei Kuchen-Kaiser<br />

betrieb, Aufnahme um 1923<br />

<strong>und</strong> ein abschließendes Gurtgesims zus<strong>am</strong>mengefasst, die Obergeschosse durch<br />

Fensterrahmungen, Gesimse <strong>und</strong> Friesbänder strukturiert. Auf Balkone <strong>und</strong> Vorbauten<br />

wurde in der Regel verzichtet. Als Bauherren traten Bauunternehmer,<br />

Kaufleute, Rentiers sowie Maurer- <strong>und</strong> Zimmermeister auf. Letztere waren nicht<br />

selten auch die Baumeister der Gebäude.<br />

Den derart vorgegebenen Gebäudemustern folgten auch die Mietshäuser <strong>am</strong><br />

<strong>Oranienplatz</strong>. Auf den an der nordöstlichen Platzseite gelegenen Gr<strong>und</strong>stücken<br />

zwischen Elisabeth-Ufer (heute Leuschnerd<strong>am</strong>m) <strong>und</strong> Naunynstraße, wurden die<br />

drei heute noch existierenden Wohnhäuser errichtet, deren Bauherr Conrad Kaiser<br />

war. Er etablierte dort 1866 seine weithin gerühmte Konditorei Kuchen-Kaiser,<br />

die bis 1957 existierte. Auf den sich diagonal gegenüberliegenden Eck parzellen<br />

Oranienstraße / <strong>Oranienplatz</strong> entstanden jeweils drei weitere Wohnbauten, die<br />

dann in der Bauphase zwischen 1900 <strong>und</strong> 1914 dem Kaufhaus R. M. Maassen<br />

(1903/04) <strong>und</strong> dem <strong>Geschäftshaus</strong> <strong>Jacobi</strong> weichen mussten. Schon 1867 zeigte<br />

sich der Platz aufgr<strong>und</strong> der Bebauung erstmals in s<strong>einer</strong> räumlichen Gestalt. Auf<br />

die beiden von Lenné konzipierten, halbkreisförmigen Platzabschlüsse wurde bei<br />

Errichtung der Randbebauungen wegen d<strong>am</strong>it verb<strong>und</strong>ener Abtretungskosten<br />

verzichtet.<br />

Nach dieser ersten großen Bebauungswelle <strong>am</strong> Platz <strong>und</strong> im Umfeld, die nicht<br />

zuletzt als Ausdruck des „Gründerfiebers“ zu sehen ist, dokumentierte eine statistische<br />

Erhebung für die Luisenstadt aus dem Jahre 1867 einen enormen Bevölkerungszuwachs.<br />

Verteilt auf 3671 Häuser war die Einwohnerzahl auf fast 150.000<br />

angewachsen. Zugleich hatte sich auch der Bestand an Pferden <strong>und</strong> anderen<br />

Nutztieren, wie Kühen <strong>und</strong> Schweinen, erheblich vergrößert, sodass sich auf dem<br />

<strong>Oranienplatz</strong> ein Heu- <strong>und</strong> Strohmarkt etablierte. Dies veranlasste den Magistrat,<br />

eine Ratswaage auf der Südwestseite des Platzes, an der Ecke <strong>zum</strong> Luisenufer<br />

(heute Segitzd<strong>am</strong>m), aufzustellen.<br />

17


13 Blick von Südosten<br />

über die neugestaltete<br />

Platzfläche, im Hintergr<strong>und</strong><br />

links das 1903/04 erbaute<br />

Kaufhaus R. M. Maassen,<br />

Aufnahme von Max Missmann<br />

1908<br />

24


25


21 Blick auf das ehemalige<br />

Kaufhaus R. M. Maassen, welches<br />

1927 von der Konsum-Genossenschaft<br />

<strong>Berlin</strong> <strong>und</strong> Umgegend<br />

übernommen worden war,<br />

Aufnahme um 1930<br />

22 Der <strong>Oranienplatz</strong> aus<br />

nordwestlicher Richtung<br />

nach der Umgestaltung<br />

durch den Gartendirektor<br />

Erwin Barth, Aufnahme<br />

1932<br />

32


23 Neubau des Warenhauses<br />

der Konsum-<br />

Genossenschaft, 1930–1932<br />

erbaut nach Plänen von<br />

Max Taut <strong>und</strong> Franz Hoffmann,<br />

Ansicht des Bauteils<br />

<strong>am</strong> <strong>Oranienplatz</strong>, Aufnahme<br />

1933<br />

24 Neubau des Warenhauses<br />

der Konsum-<br />

Genossenschaft, Ansicht der<br />

Straßenfront an der Prinzessinenstraße,<br />

Aufnahme<br />

1934<br />

33


unversehens in <strong>einer</strong> Randlage wieder. Da der West-<strong>Berlin</strong>er Senat jedoch, wider<br />

den politischen Tatsachen, noch auf Jahre an der stadtzerstörerischen Verkehrsplanung<br />

festhielt <strong>und</strong> zudem Teile der ehemaligen Luisenstadt zu „Sanierungsverdachtsgebieten“<br />

erklärt hatte, unterblieben notwendige Instandsetzungen <strong>und</strong><br />

der überkommene Altbaubestand verwahrloste zusehends. In dieser Zeit bot die<br />

Oranienstraße ein Bild der Tristesse, über das auch die immer noch zahlreichen<br />

Geschäfte nicht hinwegtäuschen konnten.<br />

Mitte der 1970er Jahre setzte vor dem Hintergr<strong>und</strong> eines städtebaulichen Paradigmenwechsels<br />

schließlich ein zunächst vorsichtiger Umdenkungsprozess in der<br />

Sanierungspolitik des Senats ein. Der 1978 initiierte Wettbewerb „Strategien für<br />

Kreuzberg“ sollte helfen, für das östlich vom <strong>Oranienplatz</strong> <strong>und</strong> vom ehemaligen<br />

Luisenstädtischen Kanal gelegene Stadtquartier Perspektiven für eine soziale,<br />

wirtschaftliche wie städtebauliche Neuordnung zu entwickeln. Doch der bestehende<br />

Leerstand ganzer Straßenzüge <strong>und</strong> die weiter betriebene Sanierungspraxis<br />

mit Abrissbirne <strong>und</strong> Planierraupe radikalisierte Kritiker <strong>und</strong> rief schließlich eine<br />

zunehmende Zahl von Hausbesetzungen hervor. Das nun nach dem alten Postzustellbezirk<br />

SO36 benannte Stadtquartier wurde zu <strong>einer</strong> Hochburg der Hausbesetzer,<br />

aus der sich dann in den 1980er Jahren eine Alternativbewegung entwickelte,<br />

die mit ihren neu erprobten Arbeits-, Lebens- <strong>und</strong> Wohnformen Kreuzberg weit<br />

über <strong>Berlin</strong>s Grenzen hinaus bekannt machte.<br />

Auch die 1979 gegründete Bauausstellung <strong>Berlin</strong> GmbH, deren Aufgabe es<br />

war, eine Internationale Bauausstellung (IBA) mit dem Thema ,,Die Innenstadt<br />

als Wohnort“ durchzuführen, leistete einen entscheidenden Beitrag zur<br />

28 Blick auf die ausgeglühte<br />

Ruine des ehemaligen<br />

Kaufhauses R. M.<br />

Maassen <strong>und</strong> das <strong>am</strong> linken<br />

Bildrand sichtbare schwer<br />

beschädigte ehemalige<br />

Warenhaus der Konsum-<br />

Genossenschaft, Aufnahme<br />

um 1950<br />

29 Kartenwerk von<br />

<strong>Berlin</strong> mit der im Flächennutzungsplan<br />

(FNP) festgeschriebenen<br />

„Tangentenplanung“<br />

im Bereich des<br />

<strong>Oranienplatz</strong>es, 1957<br />

30 Blick über den<br />

nordöstlichen Bereich des<br />

Oranien platzes im Zustand<br />

um 1953<br />

38


39


36 Der <strong>Oranienplatz</strong><br />

nach Südosten gesehen<br />

mit dem <strong>Hotel</strong> <strong>Orania</strong>.<br />

<strong>Berlin</strong>, Aufnahme 2018<br />

46


47


Darüber hinaus nobilitieren dezent eingesetzte Schmuckelemente aus dem Repertoire<br />

der Baugeschichte sowie die qualitätvolle Natursteinverkleidung die Ansicht<br />

des Gebäudes <strong>und</strong> verankern es gleichs<strong>am</strong> im Kanon der Architektur. Aus dieser<br />

Balance von Modernität <strong>und</strong> Tradition resultiert jener sachlich-repräsentative<br />

Gestus, der schon unmittelbar vorangegangene Bauten von Cremer & Wolffenstein<br />

auszeichnete <strong>und</strong> nun im <strong>Geschäftshaus</strong> <strong>Jacobi</strong> eine weitere hervorragende<br />

Ausprägung erfuhr.<br />

44 Gr<strong>und</strong>risse von Erdgeschoss<br />

<strong>und</strong> erstem Obergeschoss<br />

mit Möblierung<br />

für das hier eingerichtete<br />

Café Oranien-Palast,<br />

November 1913<br />

56


45 Blick in den Innenraum<br />

des bis 1924 im Haus<br />

ansässigen Café Oranien-<br />

Palast, Postkarte von 1916<br />

46 Postkarte des „Kaffee<br />

Oranien-Palast“ von 1920<br />

Im Herbst des Jahres 1913 schritten auch die Ausbauarbeiten rasch der Fertigstellung<br />

entgegen <strong>und</strong> es konnten bereits erste Mieter akquiriert werden. So fügte<br />

man zwecks Einrichtung eines Cafés noch eine Deckenöffnung zwischen Erdgeschoss<br />

<strong>und</strong> erstem Obergeschoss ein <strong>und</strong> verband beide durch eine zusätzliche<br />

interne Treppe. In die auf diese Weise geschaffenen großzügigen Räumlichkeiten,<br />

welche das Parterre zu etwa drei Vierteln <strong>und</strong> das obere Stockwerk in Gänze<br />

einnahmen, zog das Café Oranien-Palast ein. Nachdem <strong>am</strong> 16. November 1913<br />

die baupolizeiliche Gebrauchsabnahme vollzogen war <strong>und</strong> der Neubau offiziell in<br />

Nutzung genommen werden konnte, fanden hier neben dem gastronomischen<br />

57


„Der Schwerpunkt des Schaffens dieser<br />

Architekten lag in der Zeit des höchsten<br />

Wilhelminischen Glanzes, als <strong>Berlin</strong> anfing, sich<br />

von den Gründerjahren zu mausern <strong>und</strong> eine<br />

eigene berlinisch-potsd<strong>am</strong>sche Baunote suchte,<br />

als man sich wieder auf die Pflichten guter<br />

architektonischer Gesinnung besann. Da gesellte<br />

sich zur praktischen Vernunft <strong>und</strong> <strong>zum</strong> realen<br />

Wirklichkeitsblick Cremers das echt künstlerische<br />

Temper<strong>am</strong>ent Wolffensteins, <strong>und</strong> es entstanden<br />

Bauten, die ihrer Zeit nicht nur genügten,<br />

sondern auch vorbildlich erschienen.“<br />

(Max Wagenführ: Cremer & Wolffenstein, in: <strong>Berlin</strong>er<br />

Architekturwelt, 1919, Heft 3/4)<br />

70


Die Architekten des Büro- <strong>und</strong> <strong>Geschäftshaus</strong>es <strong>Jacobi</strong>: Zum<br />

Werk von Wilhelm Albert Cremer <strong>und</strong> Richard Wolffenstein<br />

58 Richard Wolffenstein<br />

(1846 –1919)<br />

59 Wilhelm Albert<br />

Cremer (1845–1919)<br />

Das in den Jahren 1912/13 errichtete Gebäude <strong>am</strong> <strong>Oranienplatz</strong> ist ein spätes<br />

Werk der Architekten Wilhelm Albert Cremer <strong>und</strong> Richard Wolffenstein. Sie<br />

schufen es im Auftrag von Leopold <strong>Jacobi</strong> (1847–1917), dem angesehenen Kaufmann<br />

<strong>und</strong> langjährigen Stadtverordneten von <strong>Berlin</strong>. Als Eigentümer der Häuser<br />

Oranienstraße 40/41 <strong>und</strong> Elisabethufer 36 hatte er 1911 den Entschluss gefasst,<br />

die bereits mehrfach umgebauten <strong>und</strong> erweiterten sowie in den Ladenzonen<br />

räumlich verb<strong>und</strong>enen Gebäude zugunsten eines Neubaus abtragen zu lassen, da<br />

ein weiterer Ausbau ihm nicht sinnvoll erschien. Mit den Planungen beauftragte<br />

er das Architekturbüro Cremer & Wolffenstein, das für ihn <strong>und</strong> seine F<strong>am</strong>ilie<br />

bereits in den Jahren 1893/94 in der Matthäikirchstraße 32 im vornehmen Tiergartenviertel<br />

eine in Gestaltung <strong>und</strong> Gestus bemerkenswerte Villa gebaut hatte.<br />

Da <strong>Jacobi</strong> mit dem handwerklich soliden Hausbau der Baumeister <strong>und</strong> deren<br />

kultivierter Architektur hoch zufrieden war, lag es nahe, das Büro nun auch mit<br />

dem komplexen Neubauvorhaben <strong>am</strong> <strong>Oranienplatz</strong> zu betrauen, <strong>zum</strong>al Wilhelm<br />

Cremer <strong>und</strong> Richard Wolffenstein auf dem Gebiet großstädtischer Büro- <strong>und</strong><br />

Geschäftsgebäude sowie öffentlicher Verwaltungsbauten über einschlägige Erfahrung<br />

verfügten <strong>und</strong> zahlreiche Referenzbauten vorweisen konnten.<br />

Als sie mit der Planung des Neubaus begannen, blickten sie auf eine schon mehr<br />

als 30 Jahre andauernde enge <strong>und</strong> vertrauensvolle Zus<strong>am</strong>menarbeit zurück.<br />

Während dieser Jahre hatten sie ein beinahe unüberschaubares architektonisches<br />

Werk geschaffen, welches in nicht unbedeutenden Teilen bis in die Gegenwart<br />

erhalten geblieben ist. Hauptschauplatz <strong>und</strong> städtische Bühne ihrer vielfältigen<br />

Bauaktivitäten war <strong>Berlin</strong>, das für beide auch den Lebensmittelpunkt bildete. In<br />

der ökonomisch prosperierenden <strong>und</strong> dyn<strong>am</strong>ischen Metropole des Kaiserreiches<br />

71


75 Verwaltungszentrale<br />

der <strong>Berlin</strong>ischen Boden-<br />

Gesellschaft (BBG) in<br />

<strong>Berlin</strong>-Mitte, Charlottenstraße<br />

/ Ecke Mohrenstraße,<br />

erbaut 1906/07<br />

Werk von Cremer & Wolffenstein hingegen einen weiteren bedeutenden „Meilenstein“<br />

dar. Denn erstmals übertrugen die Architekten hier in voller Konsequenz<br />

das Achsenmaß des monotaktischen Stützenrasters der offenen Gr<strong>und</strong>risse<br />

auf die Gliederung der Fassaden <strong>und</strong> schufen so eine ablesbare Analogie von innen<br />

<strong>und</strong> außen. Allein die Kopfseite des langgestreckten Baukörpers erhielt durch das<br />

mittig angeordnete dreiachsige Hauptportal eine besondere Betonung, indem es<br />

von einem in den Dachbereich gezogenen, mehrfach geschwungenen Segmentgiebel<br />

überhöht wurde, welcher von <strong>einer</strong> mächtigen, in Eisen <strong>und</strong> Glas gefassten<br />

<strong>und</strong> von innen beleuchteten Weltkugel – dem Signet von Tietz – bekrönt war.<br />

Das so über mehrere Gebäudeentwürfe entwickelte Prinzip der Pfeilerfassade fand<br />

auch bei dem 1906/07 erfolgten Bau der <strong>Berlin</strong>ischen Boden-Gesellschaft in der<br />

Mohrenstraße / Ecke Charlottenstraße seine Anwendung. Es erhielt hier jedoch<br />

eine markante kompositorische Variation, die den unterschiedlichen Zweckbestimmungen<br />

der Geschosse geschuldet war. Indem Cremer & Wolffen stein das<br />

Erdgeschoss mit dem ersten <strong>und</strong> zweiten Obergeschoss zu <strong>einer</strong> formalen Einheit<br />

verbanden, die sich von der Gestaltung des dritten <strong>und</strong> vierten Obergeschosses<br />

deutlich abhob, ließen sie optisch zwei unterschiedliche Fassadensysteme an dem<br />

signifikanten Eckbau wirks<strong>am</strong> werden. Dennoch blieb die für die Struktur <strong>und</strong><br />

den Aufbau des Gebäudes prägende Rhythmik der Fensterachsen in ihrer Vertikalbetonung<br />

klar erkennbar <strong>und</strong> ist bis heute, trotz erheblicher gestalterischer<br />

Veränderungen <strong>und</strong> erfolgtem Ausbau des Daches, bestimmend.<br />

84


76 Erweiterungsbau des<br />

Warenhauses Hermann<br />

Tietz <strong>am</strong> Dönhoffplatz in<br />

<strong>Berlin</strong>-Mitte, erbaut 1910–<br />

1912 (zerstört)<br />

77 Erweiterungsbau des<br />

Warenhauses Hermann<br />

Tietz <strong>am</strong> Dönhoffplatz,<br />

Blick in den Lichthof<br />

85


85 Fassadenausschnitt<br />

mit Haupteingang an der<br />

Oranienstraße<br />

86 Der Haupteingang vor<br />

Beginn der Bauarbeiten,<br />

Aufnahme 2014<br />

96


87 Ansicht des Gebäudes<br />

kurz vor Abschluss der Bauarbeiten<br />

im Sommer 2017<br />

rückwärtigen Dachbereiche anzuordnen, dass sie vom <strong>Oranienplatz</strong> aus nicht<br />

sichtbar sind – angesichts der gestalterischen Hilflosigkeit selbst vieler Neubauten<br />

diesbezüglich, ein nicht unwesentliches Detail.<br />

Im Gegensatz <strong>zum</strong> repräsentativen Charakter der in den Stadtraum wirkenden<br />

Ansicht, waren die Fassaden des Innenhofes von jeher eher zurückgenommen <strong>und</strong><br />

funktional bestimmt, dabei jedoch nicht ohne Anspruch in Form <strong>und</strong> Detailierung.<br />

Als prägendes Oberflächenmaterial zeigen sie die für <strong>Berlin</strong>er Gewerbebauten<br />

dieser Zeit typischen gebrochen-weiß glasierten Klinker, die das wenige Licht<br />

der Höfe gut reflektierten <strong>und</strong> sich als robust, pflegeleicht sowie langlebig bewährt<br />

haben. Die vor allem durch diverse Umbauten <strong>zum</strong> Teil stark in Mitleidenschaft<br />

gezogenen Bestandsfassaden wurden mit nachgebrannten Klinkern <strong>und</strong> Formsteinen<br />

wiederhergestellt <strong>und</strong> partiell durch grau konturierte Putzfelder ergänzt. Die<br />

sichtbaren Fensterstürze aus Stahl erhielten nach Reinigung einen neuen Anstrich<br />

in Dunkelgrau. Den größten Eingriff stellte der aus dem Platzbedarf der Restaurantküche<br />

resultierende Anbau im Erdgeschoss dar. Er ist jedoch ebenfalls mit<br />

den nachgebrannten Klinkern verkleidet, die in Format, Farbe <strong>und</strong> Oberfläche<br />

den überkommenen Steinen entsprechen. Einmal mehr entschied man sich also<br />

dagegen, eine Abgrenzung <strong>zum</strong> 100 Jahre älteren Bestand zu artikulieren, sondern<br />

schuf in Fortführung der Architektur eine neue Einheit.<br />

97


92 Gebäudeschnitt, Blick<br />

Richtung <strong>Oranienplatz</strong><br />

93 Gebäudeschnitt, Blick<br />

Richtung Oranienstraße<br />

100


94 Gebäudeansicht <strong>zum</strong><br />

<strong>Oranienplatz</strong><br />

95 Gebäudeansicht zur<br />

Oranienstraße<br />

101


Der überwiegende Teil der anspruchsvollen Transformation in das <strong>Hotel</strong> <strong>Orania</strong>.<br />

<strong>Berlin</strong> spielte sich allerdings im Inneren des ehemaligen <strong>Geschäftshaus</strong>es ab, wo<br />

die umfangreichsten Baumaßnahmen stattfanden <strong>und</strong> die Veränderungen in größerem<br />

Maße zu Tage treten. In annährend ursprünglicher Fassung erhalten sind<br />

die beiden weitgehend intakt überkommenen Treppenhäuser. Insbesondere das<br />

größere, hinter dem <strong>Hotel</strong>eingang an der Oranienstraße, das nun auch als Hauptzugang<br />

der Gäste zu den Etagen dient, ist durch sorgs<strong>am</strong>es Aufarbeiten der Substanz<br />

<strong>und</strong> handwerklich aufwendige, <strong>am</strong> Originalzustand orientierte Ergänzungen<br />

in neuer Schönheit zu erleben. Gleichzeitig wurde bei solchen Maßnahmen<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich Wert darauf gelegt, sichtbare Gebrauchspuren nicht vollständig zu<br />

102 Blick in den ungeteilten<br />

Bar- <strong>und</strong> Restaurantbereich<br />

106


103 Das auf die Primärstruktur<br />

zurückgebaute<br />

Erdgeschoss, Aufnahme<br />

2015<br />

107


112<br />

109 Das Dachgeschoss<br />

vor dem Ausbau, Aufnahme<br />

2015


110 Der <strong>Orania</strong>.Salon im<br />

ausgebauten Dachgeschoss<br />

Der auch angesichts von nur 41 Zimmern <strong>und</strong> Suiten schon fast private Charakter<br />

des <strong>Hotel</strong>s wird im Besonderen noch einmal im Dachgeschoss deutlich, wo sich<br />

neben zwei Suiten der sogenannte <strong>Orania</strong>.Salon befindet. Dieser kann für Konferenzen,<br />

kl<strong>einer</strong>e Konzerte oder Lesungen mit bis zu 100 Personen genutzt werden,<br />

verfügt über eine Bar sowie eine separate Küche, hat durch die Möblierung,<br />

die Bibliothek <strong>und</strong> nicht zuletzt den K<strong>am</strong>in jedoch die Wirkung <strong>und</strong> Qualität<br />

eines atmosphärisch angenehmen Wohnraumes – was nicht ausschließlich für die<br />

Option der Exklusivnutzung dieser Geschossebene so angelegt worden ist. Vielmehr<br />

bildet der halböffentliche Salon gleichs<strong>am</strong> den Gegenpol <strong>zum</strong> Erdgeschoss<br />

113


113 Abendliche Impression<br />

<strong>am</strong> <strong>Oranienplatz</strong> Ecke<br />

Ornanienstraße<br />

116


117


Projekt-Statement von Christoph Sattler<br />

Für uns Architekten lag der Reiz <strong>und</strong> das Privileg der Aufgabe darin, sich mit<br />

diesem herausragenden Bau der Architekten Cremer & Wolffenstein auseinanderzusetzen.<br />

Das Gebäude besitzt die hochurbane Ausstrahlung der <strong>Berlin</strong>er<br />

<strong>Geschäftshaus</strong>ausarchitektur in der Nachfolge Alfred Messels, wirkt jedoch sehr<br />

domestiziert durch eine geordnete Pfeilerstruktur, vier Varianten der Fensteröffnungen,<br />

ein w<strong>und</strong>erbar feines Relief von Profilierungen, üppigere Schmuck-Elemente<br />

im obersten Geschoss sowie die gleichförmig ger<strong>und</strong>ete, nicht überhöhte<br />

Ecke.<br />

Unsere Begeisterung für das vorhandene Gebäude an dieser bestimmenden Stelle<br />

des <strong>Oranienplatz</strong>es teilten wir mit unserem Bauherrn Dietrich von Boetticher<br />

– eine ideale Voraussetzung für den „Einbau“ eines kleinen <strong>Hotel</strong>s. Die innere<br />

Flexibilität, die durch das konsequente Pfeilerraster <strong>und</strong> die beiden peripheren<br />

Treppenhäuser gegeben ist, ermöglichte dabei jenen Wechsel von Nutzungen, der<br />

in den mehr als 100 Jahren der Existenz des Gebäudes stattgef<strong>und</strong>en hat.<br />

Das Erdgeschoss wurde als ein großer, zus<strong>am</strong>menhängender Raum konzipiert, bei<br />

dem die unterschiedlichen Funktionen, <strong>Hotel</strong>eingang, Restauranteingang, Lobby,<br />

Lounge, zwei Restaurantbereiche, Bühnen-Podest, offene K<strong>am</strong>inzonen, Bar tresen<br />

<strong>und</strong> einsehbarer Küchenbereich, zus<strong>am</strong>menwirken. Der Blick des Betrachters<br />

schweift durch diese Raumfolge, die sich entlang der vier Pfeiler mit veränderbaren<br />

Vorhangschleiern <strong>und</strong> unterschiedlichen Möbeln in <strong>einer</strong> Weise gliedert, die<br />

den großen Zus<strong>am</strong>menhang aufrecht erhält <strong>und</strong> dennoch eine Vielzahl von privat<br />

wirkenden Einzelsituationen entstehen lässt.<br />

Die darüber liegenden vier Regelgeschosse beinhalten Gästezimmer <strong>und</strong> Suiten.<br />

Obwohl die Einzel- <strong>und</strong> Doppelzimmer relativ klein sind, wirken sie mit ihren<br />

sehr großen Fenstern <strong>und</strong> ihrem Blick auf den <strong>Oranienplatz</strong> keinesfalls beengt.<br />

Die Suiten im Bereich der Aufgänge sowie in der Gebäuder<strong>und</strong>ung sind dagegen<br />

äußerst nobel <strong>und</strong> großzügig.<br />

Im Dachgeschoss befinden sich zwei Suiten <strong>und</strong> ein durch den geöffneten Dachstuhl<br />

erweiterter Veranstaltungssaal. Dieser eigenwillige Raum mit den kleinen<br />

Gauben zur Stadt, der großen Glaswand <strong>zum</strong> Hof, den Deckenverschneidungen<br />

zwischen sichtbaren Konstruktionsteilen des Dachstuhls, der Bar, dem offenen<br />

K<strong>am</strong>in <strong>und</strong> der variantenreichen Möblierung ist deutlich introvertierter <strong>und</strong><br />

unterscheidet sich d<strong>am</strong>it deutlich von der auf das städtische Umfeld bezogenen<br />

Stimmung im Erdgeschoss.<br />

Als Architekten freuen wir uns, dass <strong>am</strong> <strong>Oranienplatz</strong> in Kreuzberg ein wichtiges,<br />

stadtraum-prägendes Gebäude mit geänderter Nutzung wieder <strong>zum</strong> Leben<br />

erweckt werden konnte – der Bau der Architekten Cremer & Wolffenstein kann<br />

d<strong>am</strong>it auch in diesem Jahrh<strong>und</strong>ert neue Strahlkraft entfalten.<br />

Christoph Sattler<br />

München, im September 2017<br />

119


Autoren<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schäche, Architekt (BDA, DWB, DASL) <strong>und</strong> Bauhistoriker,<br />

Studium der Architektur in <strong>Berlin</strong>, seit 1988 Professor für Baugeschichte<br />

<strong>und</strong> Architekturtheorie an der Beuth Hochschule für Technik <strong>Berlin</strong>, zahlreiche<br />

Publikationen zur Architektur- <strong>und</strong> Stadtgeschichte des 19. <strong>und</strong> 20. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

sowie zur Architekturtheorie <strong>und</strong> Denkmalpflege, zuletzt erschienen: Bauten<br />

für die Wissenschaft. Die Physikalisch-Technische Reichsanstalt / B<strong>und</strong>esanstalt<br />

in <strong>Berlin</strong>-Charlottenburg, <strong>Berlin</strong> 2012 (zus<strong>am</strong>men mit Brigitte Jacob <strong>und</strong> Norbert<br />

Szymanski); Rave Architekten. 1960–2010, <strong>Berlin</strong> 2013; In den Himmel<br />

bauen. Hochhausprojekte von Otto Kohtz (1880–1956), <strong>Berlin</strong> 2014 (zus<strong>am</strong>men<br />

mit Brigitte Jacob <strong>und</strong> David Pessier); Architektur <strong>und</strong> Handwerk. Bauten der<br />

Unternehmerf<strong>am</strong>ilie Schmitz: 1864–2014, <strong>Berlin</strong> 2014 (zus<strong>am</strong>men mit David<br />

Pessier); <strong>Berlin</strong> <strong>und</strong> seine Bauherren. Als die Hauptstadt Weltstadt wurde, <strong>Berlin</strong><br />

2018 (zus<strong>am</strong>men mit Daniel Ralf Schmitz <strong>und</strong> David Pessier), englische Ausgabe:<br />

Building <strong>Berlin</strong>. Devolopers Who Shaped the Emerging Metropolis, <strong>Berlin</strong> 2019.<br />

Dipl.-Ing. M. A. David Pessier, Architekt <strong>und</strong> Bauhistoriker, Ausbildung <strong>zum</strong><br />

Bauzeichner, Studium der Architektur in <strong>Berlin</strong>, Dozent für Baugeschichte <strong>und</strong><br />

Architekturtheorie an der Beuth Hochschule für Technik <strong>Berlin</strong> sowie der Filmuniversität<br />

Babelsberg Konrad Wolf, Tiburtius-Preisträger 2011, Publikationen<br />

zur <strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> Theorie von Architektur <strong>und</strong> Städtebau des 19. sowie 20.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts u. a.: Rezeption – Abstraktion – Negation. Das Architektonische in der<br />

Architektur von Historismus, Moderne <strong>und</strong> Gegenwart, Schriftenreihe zur Baugeschichte<br />

<strong>und</strong> Architekturtheorie des Labors für Baugeschichte <strong>und</strong> Bauerhaltung,<br />

Band 4, <strong>Berlin</strong> 2013; In den Himmel bauen. Hochhausprojekte von Otto Kohtz<br />

(1880–1956), <strong>Berlin</strong> 2014 (zus<strong>am</strong>men mit Wolfgang Schäche <strong>und</strong> Brigitte Jacob);<br />

Architektur <strong>und</strong> Handwerk. Bauten der Unternehmerf<strong>am</strong>ilie Schmitz: 1864–2014,<br />

<strong>Berlin</strong> 2014 (zus<strong>am</strong>men mit Wolfgang Schäche); <strong>Berlin</strong> <strong>und</strong> seine Bauherren. Als<br />

die Hauptstadt Weltstadt wurde, <strong>Berlin</strong> 2018 (zus<strong>am</strong>men mit Wolfgang Schäche<br />

<strong>und</strong> Daniel Ralf Schmitz), englische Ausgabe: Building <strong>Berlin</strong>. Devolopers Who<br />

Shaped the Emerging Metropolis, <strong>Berlin</strong> 2019.<br />

126


98 Blick in das wiederhergestellte<br />

Haupttreppenhaus<br />

99 Das Haupttreppenhaus<br />

vor der Wiederherstellung,<br />

Aufnahme 2014<br />

103

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