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Nr. 24 (I-2019) - Osnabrücker Wissen

Nr. 24 (I-2019) - Osnabrücker Wissen Wir beantworten Fragen rund um die Osnabrücker Region. Alle drei Monate als Printausgabe. Kostenlos! Und online unter www.osnabruecker-wissen.de

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LEBEN & GESELLSCHAFT<br />

Warum war 1919 die Geburts-<br />

stunde der Volkshochschulen?<br />

Vor 100 Jahren, ein Jahr nach der Katastrophe des Ersten<br />

Weltkrieges, gab es in ganz Deutschland Bestrebungen<br />

zur Gründung neuer Bildungseinrichtungen. Der Artikel<br />

148 der Weimarer Verfassung von 1919 lautete: „Das Volksbildungswesen, einschließlich der<br />

Volkshochschulen, soll von Reich, Ländern und Gemeinden gefördert werden.“<br />

1919 wurde damit zum wichtigsten<br />

Gründungsdatum der Volkshochschulbewegung<br />

in Deutschland, 135 Volkshochschulen<br />

nahmen in diesem Jahr den<br />

Betrieb auf und begründeten damit eine<br />

Erfolgsgeschichte. Heute gibt es flächendeckend<br />

rund 900 Volkshochschulen, die<br />

insgesamt jährlich mehr als 9 Millionen<br />

Kursteilnahmen verbuchen können.<br />

Auch die Volkshochschule Osnabrück<br />

feiert ihren Geburtstag. Ein guter Grund,<br />

einen Blick in die Archive zu werfen.<br />

Deutlich wird, dass man 1919 vorhatte,<br />

in Osnabrück eine moderne Bildungseinrichtung<br />

für alle Schichten der Bevölkerung<br />

zu schaffen, die sich in ihren pädagogischen<br />

Zielsetzungen klar unterschied<br />

von den autoritären Bildungsvorstellungen<br />

des Kaiserreiches. Und manches lässt<br />

uns heute schmunzeln.<br />

Wer gab in Osnabrück<br />

den Anstoss zur<br />

Gründung der Volkshochschule?<br />

In einer Denkschrift zur Begründung<br />

einer Volkshochschule „Möserakademie“<br />

zu Osnabrück formulierte Dr. Heinz<br />

Hungerland am 25. Februar 1919 wichtige<br />

Leitgedanken und bezog sich ausdrücklich<br />

auf die demokratischen Wurzeln der<br />

Bilder © Volkshochschule Osnabrück<br />

dänischen Volkshochschulbewegung. Die<br />

Gründung der neuen Bildungseinrichtung<br />

war der Stadt immerhin die nicht unbeträchtliche<br />

Summe von 20.000 Mark wert<br />

und zur Jahresmitte wurde im Rathaus<br />

ein Büro eingerichtet, wo auch das „Hörgeld“<br />

zu entrichten war. Der Magistrat<br />

teilte am 10. September offiziell mit: „Die<br />

Lehrplankommission des Volksbildungsausschusses<br />

hat vorerst aus den 150 Themata,<br />

zu deren Behandlung sich rund<br />

70 Dozenten erboten haben, 42 Themata<br />

ausgewählt, die von 37 Lehrern vorgetragen<br />

werden.“ Mitte Oktober 1919 erschien<br />

dann das erste Programm und im<br />

„<strong>Osnabrücker</strong> Tageblatt“ vom 31. Dezember<br />

1919 fand sich nach den ersten<br />

Monaten die skeptische Prognose zur<br />

neuen Volkshochschule: „ob sie mehr<br />

bedeutet als ein Augenblicksgebilde, muss<br />

die Zukunft ergeben.“<br />

Was stand damals<br />

auf dem Programm?<br />

Im ersten Programm fanden sich der Zeit<br />

angemessene Themen wieder. So führte<br />

aus aktuellem Anlass Vikar Dolfen im<br />

Ratsgymnasium einen Kursus durch unter<br />

dem Titel „Deutschland nach dem 30jährigen<br />

Krieg und dem Weltkriege 1914 –<br />

1918“. Pastor Dr. Pfannkuche referierte<br />

nach dem Ende des Kaiserreiches über das<br />

Thema „Der Staatsgedanke unserer großen<br />

deutschen Denker“, während Domprediger<br />

Voß sich die „Wandlung im deutschen<br />

Wirtschaftsleben“ vorgenommen<br />

hatte. Ein heikles Thema wurde strikt nach<br />

Geschlechtern getrennt behandelt. Dr.<br />

med. Gent bot im Lyzeum nur für Männer<br />

einen Kurs über Geschlechtskrankheiten<br />

an. Ausschließlich für Frauen war dagegen<br />

ein gleichnamiger Kurs von Frau Dr. Gilbert.<br />

Wer besuchte die<br />

Volkshochschule?<br />

Die Richtlinien der Volkshochschule führten<br />

13 Punkte auf und formulierten als erstes<br />

Ziel der Bildungsarbeit: „Ausbildung<br />

des Denk- und Urteilsvermögens. Keine<br />

Vermittlung von Kenntnissen“. Weiter<br />

finden sich: „Engste Fühlungnahme zwischen<br />

Lehrer und Hörer“; „Grundsätzlich<br />

keine Vorlesung sondern freier Vortrag“<br />

und „Jedem Vortrag muss eine Besprechung<br />

mit der Hörerschaft folgen.“ Punkt<br />

12 lautet: „Die Volkshochschule ist die<br />

Bekämpferin der Halbbildung.“ Auch der<br />

letzte Satz macht Erwartungen deutlich:<br />

„Es kommt nicht auf die Zahl sondern auf<br />

die Qualität der Hörer an.“<br />

Klang die Presse zum Ende des Jahres 1919<br />

noch skeptisch, so waren die Bedenken ein<br />

Jahr später verflogen. In der Weihnachtsausgabe<br />

des <strong>Osnabrücker</strong> Tageblatts vom<br />

<strong>24</strong>. Dezember 1920 war zu lesen:<br />

„Leiter und Lehrer der VH (Volkshochschule)<br />

können mit Befriedigung auf den soeben<br />

geschlossenen Kursus zurückblicken. Während<br />

andere Städte von der Größe Osnabrücks<br />

ihre VH schon wieder haben schließen<br />

müssen, war unser dritter Kursus besser<br />

besucht als der erste und zweite – von rund<br />

1700 Hörern. …. Und doch ist die Freude<br />

über den Erfolg nicht ganz ungetrübt, weil<br />

von den Personen, denen doch die Kurse<br />

ursprünglich dienen sollten, zu wenige teilnehmen.<br />

Wie oft ist die Forderung erhoben:<br />

Freie Bahn den Begabten! Hier ist die<br />

Gelegenheit dazu geboten, wird aber zu wenig<br />

benutzt. … Möchten doch vor allem die jungen<br />

Leute die Winterabende dazu benutzen,<br />

wöchentlich mindestens zweimal die VH zu<br />

besuchen.“<br />

Lesen Sie im zweiten Teil unserer kleinen<br />

Geschichte, wie es mit der VHS in der<br />

Nazizeit und nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

weiterging. | Carl-Heinrich Bösling<br />

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