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David Chilton<br />

Zurück zum Paradies<br />

Eine Eschatologie der Herrschaft<br />

ID-DESIGN Medien


Titel der amerikanischen Originalausgabe: Paradise Restored<br />

Copyright © 1985 by Dominon Press, Tyler, Texas, USA.<br />

All rights reserved.<br />

Copyright © der deutschen Ausgabe 2017 by<br />

ID-DESIGN Medien, 63454 Hanau<br />

Alle Rechte vorbehalten<br />

1. Auflage 2017<br />

Bibelstellen sind in der Regel der Unrevidierten Elberfelder Übersetzung entnommen.<br />

Aus dem Amerikanischen übersetzt von Julia Edelmann<br />

Umschlaggestaltung: Matthias Prieber, Grace Design<br />

Satz: ID-Design – www.id-de-sign.de<br />

Gedruckt in Deutschland<br />

ISBN 978-3-941569-22-1<br />

ISBN (E-Book) 978-3-941569-28-3<br />

Für kostenlose Informationen über unser Lieferprogramm:<br />

ID-DESIGN Medien<br />

Fichtelgebirgsstraße. 49<br />

63454 Hanau<br />

Email: office@id-de-sign.de<br />

Internet: www.id-de-sign.de


„Es wäre leicht zu beweisen, dass bei unserer<br />

momentanen Wachstumsrate die Königreiche<br />

dieser Welt niemals die Königreiche unseres<br />

Herrn Jesus Christus werden könnten.<br />

Tatsächlich haben viele in der Gemeinde Jesu<br />

diese Vorstellung aufgegeben, außer in der<br />

Lehre von der Wiederkunft Christi, welche sehr<br />

gut in unsere eigene Untätigkeit einstimmt und<br />

so zum beliebten Thema wurde. Ich selbst glaube<br />

auch, dass unser König Jesus regieren wird und<br />

die Götzen völlig zerbrochen werden; aber<br />

genauso erwarte ich, dass dieselbe Kraft, die<br />

einst die Welt auf den Kopf gestellt hat,<br />

fortfahren wird dies zu tun. Der Heilige Geist<br />

würde der Unterstellung niemals unterliegen,<br />

dass er sich auf seinem Namen ausruht und<br />

nicht fähig wäre, die ganze Welt zur Umkehr zu<br />

bringen.“<br />

Charles Haddon Spurgeon<br />

3


Inhaltsverzeichnis<br />

Inhaltsverzeichnis .......................................................................................... 4<br />

Teil 1 - Die Eschatologie des Sieges .................................................................... 5<br />

Kapitel 1 - Die Hoffnung ................................................................................ 7<br />

Teil 2 - Das Paradies als Modell der Prophetie ................................................. 19<br />

Kapitel 2 - Wie man Prophetie deutet .......................................................... 21<br />

Kapitel 3 - Das Paradies als Leitmotiv ......................................................... 29<br />

Kapitel 4 - Der heilige Berg ...........................................................................35<br />

Kapitel 5 - Der Garten des Herrn ................................................................. 43<br />

Kapitel 6 - Der Garten und das einsame, öde Jammertal ...........................53<br />

Kapitel 7 - Die Wolke aus Feuer .................................................................... 61<br />

Teil 3 - Das Evangelium des Reiches ................................................................ 69<br />

Kapitel 8 - Das Kommen des Reiches ........................................................... 71<br />

Kapitel 9 - Die Zurückweisung Israels ......................................................... 81<br />

Kapitel 10 - Die große Trübsal ..................................................................... 89<br />

Kapitel 11 - Er kommt auf den Wolken........................................................ 99<br />

Kapitel 12 - Der Aufstieg des Antichristen ................................................. 107<br />

Kapitel 13 - Die letzten Tage ........................................................................ 115<br />

Kapitel 14 - Die Wiederherstellung Israels ................................................ 123<br />

Kapitel 15 - Der Tag des Herrn .................................................................... 131<br />

Kapitel 16 - Die Vollendung des Königreiches ........................................... 139<br />

TEIL 4 - Studien im Buch der Offenbarung ................................................... 147<br />

Kapitel 17 - Die Offenbarung auslegen ...................................................... 149<br />

Kapitel 18 - Die Zeit ist nahe ....................................................................... 157<br />

Kapitel 19 - Eine kurze Zusammenfassung der Offenbarung .................. 167<br />

Kapitel 20 - Das Tier und der falsche Prophet (Off 13) .............................. 173<br />

Kapitel 21 - Die große Hure (Off 17-19)........................................................ 185<br />

Kapitel 22 - Das Königreich der Priester (Offenbarung 20) ......................... 193<br />

Kapitel 23 - Die neue Schöpfung (Offenbarung 21-22) ............................... 201<br />

TEIL 5 - Bis ans Ende der Erde ....................................................................... 209<br />

Kapitel 24 - Der Missionsauftrag ................................................................ 211<br />

Anhang A - Ein Überblick der Eschatologie der Herrschaft ......................... 221<br />

Anhang B - Josephus über den Fall Jerusalems ..............................................235<br />

Literaturverzeichnis ........................................................................................ 297<br />

4


Teil 1 - Die Eschatologie des Sieges<br />

Darum sollst du herrschen<br />

Gott und Mensch zugleich.<br />

Zugleich Sohn Gottes<br />

und des Menschen Sohn.<br />

Gesalbter Weltenkönig<br />

alle Macht verleih ich dir,<br />

nach Verdienst auf ewig dir.<br />

Dir unterwerf ich<br />

als dem höchsten Haupt<br />

Gewalten, Thronen<br />

Mächte, Fürstentümer.<br />

Und aller, aller Kniee<br />

sollen sich in Himmel<br />

Erd und Hölle<br />

vor dir beugen!<br />

John Milton - Das verlorene Paradies<br />

[3. Buch 315-322]<br />

5


6


Kapitel 1 - Die Hoffnung<br />

Wenn die Sonne aufgegangen ist, kann die<br />

Finsternis nicht länger bestehen; jeder kleine<br />

Rest davon, der noch irgendwo übriggeblieben<br />

ist, wird hinfort gefegt. Genauso, wo nun die<br />

göttliche Erscheinung des Wortes Gottes<br />

gekommen ist, kann die Finsternis der Götzen<br />

nicht bestehen, und alle Teile der Welt in jeder<br />

Himmelsrichtung werden erleuchtet durch<br />

seine Lehre.<br />

Athanasius<br />

Über die Inkarnation<br />

7


D<br />

ies ist ein Buch über die Hoffnung. Zu lange war die Christenheit von<br />

Verzweiflung, Niederlage und Rückzug geprägt. Zu lange wurde der<br />

Christenheit die falsche Theologie gelehrt, dass wir zum Versagen bestimmt<br />

sind, dass Christen am Ende nicht siegreich sein können und dass<br />

wir immer mehr Boden an den Feind verlieren würden, bis unser Herr wiederkommt.<br />

Die Zukunft der Gemeinde, so wurden wir gelehrt, wird bestimmt<br />

sein von einem stetigen und langsam zunehmenden Abfall. Manche<br />

christlichen Leiter haben uns trauriger Weise informiert, dass wir gerade im<br />

„Zeitalter2von2Laodizäa“2leben.2in2Anlehnung2an2die2„lauwarme“2Gemeinde2<br />

von Laodizäa, von der in Off. 3,14-22 die Rede ist). Jeder neue Krieg, der ausbricht,<br />

jeder Anstieg der Kriminalitätsrate, jeder neue Hinweis auf den Zerfall<br />

der moralischen Werte, wird paradoxerweise als Fortschritt gesehen, als<br />

weiterer Schritt hin auf das erwartete Ziel: den Zusammenbruch der Zivilisation<br />

als Zeichen dafür, dass Jesus jeden Moment wiederkommt, um uns zu<br />

retten. Soziale Projekte wurden skeptisch betrachtet. Man unterstellte, dass<br />

diejenigen, die versuchen die Gesellschaft zu verbessern, nicht wirklich bibelgläubig<br />

sind. Denn die Bibel lehrt doch, dass all diese Bemühungen wertlos2sind;2wie2ein2bekannter2Prediger2es2zum2Ausdruck2brachte:2„Man2poliert2<br />

kein2Silber2auf2einem2sinkenden2Schiff!“2Diese2Aussage basiert auf zwei Annahmen:2Als2Erstes2wird2die2Welt2gesehen2als2„sinkendes2Schiff“;2und2zweitens<br />

wird jedes christliche Bemühen zur Wiederherstellung der Welt verglichen<br />

mit dem Polieren von Silber. Evangelisation ist somit die Einladung zur<br />

Seite der Verlierer zu wechseln.<br />

All das wurzelt in zwei Problemen. Das Erste ist eine falsche Sichtweise dessen,2was2„geistlich“2ist.2Diese2unbiblische2Perspektive2von2„Geistlichkeit“2besagt,2dass2alle,2die2wirklich2geistlich2sind,2irgendwie2„anti-materiell“2sind:<br />

jemand,2der2nicht2zu2sehr2in2„weltliche2Dinge“2involviert2ist,2der2nicht2zu2hart2<br />

arbeitet oder zu tief nachdenkt und die meiste Zeit damit verbringt, darüber<br />

zu meditieren, wie es wohl einst im Himmel sein würde. So lange er jedoch<br />

noch auf der Erde ist, gibt es für ihn nur eine Hauptaufgabe: verfolgt zu werden<br />

um Jesu willen. Der wirklich geistliche Mensch wird dadurch zum<br />

Schwächling, zum Verlierer. Aber zumindest ist er ein Schwächling für Gott.<br />

Die Lehre der Bibel jedoch ist gravierend anders. Wenn die Bibel2von2„geistlich“2spricht,2meint2sie2zuallererst2den2Heiligen2Geist.2Geistlich2zu2sein,2bedeutet<br />

vom Heiligen Geist geleitet und motiviert zu werden. Es bedeutet, seinen<br />

Befehlen zu folgen, die er uns in seinem Wort gegeben hat. Der geistliche<br />

Mensch ist nicht jemand, der zwischen Himmel und Erde schwebt und unheimliche<br />

Stimmen hört. Der geistliche Mensch ist jemand, der das tut, was<br />

die Bibel sagt (Röm 8,4-8). Dies wiederum bedeutet, dass wir mit beiden Beinen<br />

im Leben stehen sollen. Gott möchte, dass wir christliche Werte überall<br />

8


und in allen Lebensbereichen anwenden. Geistlichkeit bedeutet nicht Rückzug<br />

und Absonderung vom Leben; es bedeutet zu regieren. Das zentrale Bekenntnis<br />

des christlichen Glaubens lautet: Jesus ist der Herr (Röm 10,9-10) –<br />

der Herr aller Dinge, im Himmel und auf der Erde. Und als Herr soll er in<br />

allem verherrlicht werden (Röm 11,36). Wenn es um wahre Geistlichkeit geht,<br />

gibt es aus Gottes Sicht in keinem Bereich unseres Lebens Raum für Rückzug.<br />

Das zweite Hindernis für christliches Handeln auf dieser Erde war eine Eschatologie2des2Versagens.2Eschatologie2ist2die2Lehre2von2den2„letzten2Dingen“,2unsere2Erwartung2der2Zukunft.2Und2da2gibt2es2keinen2Zweifel2an2der2<br />

Erwartung der meisten Christen in der Vergangenheit: wir erwarten Versagen.2Die2Welt2wurde2gesehen,2wie2wir2sie2zuvor2gesehen2haben,2als2„sinkendes2Schiff“.<br />

Natürlich glaubt kein Christ an ein ultimatives Versagen. Alle Christen glauben<br />

daran, dass Gott ganz am Ende der Geschichte den Teufel besiegen wird.<br />

Als junger Christ erinnere ich mich an einen meiner Bibellehrer, wie er sagte:<br />

„Wir2haben2schon2mal2im2letzten2Kapitel2der2Bibel2geschmökert2und2gesehen,2<br />

dass2 die2 Christen2 gewinnen!“2 Aber2 das2 ist2 genau2 der2 Punkt.2 Gemäß2<br />

manchen populären Versionen der Eschatologie kommt der Sieg erst im<br />

„letzten2 Kapitel“.2 Im2momentanen2 Zeitalter2in2 der2 Geschichte2 dieser2 Erde2<br />

sind wir Verlierer. Die Welt wird schlimmer und schlimmer. Der Antichrist<br />

kommt. Der Teufel regiert die Welt und wird immer mächtiger. Unser Werk<br />

auf dieser Erde wird keine bleibenden Auswirkungen haben, außer dass wir<br />

einige Seelen vor der Hölle retten. Aber damit sollte man sich sehr beeilen,<br />

denn es bleibt nicht mehr viel Zeit bis zur großen Trübsal und bis alle Christen<br />

verschwinden. Ironischerweise ist die Botschaft dieses Evangeliums: Der<br />

Antichrist kommt! Irgendetwas ist hier schrecklich schiefgegangen.<br />

Was ich damit sagen möchte ist: Die Eschatologie des Versagens ist verkehrt.<br />

Sie ist genauso unbiblisch wie ihre Zwillingsschwester, die falsche Sicht von<br />

Geistlichkeit. Die Bibel ist keine Botschaft der Niederlage, sondern gibt uns<br />

Hoffnung für dieses Leben und für die Ewigkeit. Sie gibt uns eine Eschatologie<br />

des Sieges, eine Zukunftsvision des Regierens! Ich spreche nicht von einem2blinden2„Alles2wird2gut“-Optimismus.<br />

Es ist eine solide, feste und in der<br />

Bibel fundierte Gewissheit, dass das Evangelium noch VOR der Wiederkunft<br />

Jesu auf der ganzen Erde siegreich sein wird.<br />

Für viele scheint dies zu schön um wahr zu sein. Es geht gegen den Geist dieser<br />

modernen Zeit; über Jahre wurde den Christen beigebracht, Niederlage<br />

zu2 erwarten.2 Natürlich2 ist2 es2 absolut2 berechtigt2 und2 gesund,2 jede2 „neue“2<br />

Lehre zu prüfen. Alles muss anhand der Schrift geprüft werden. Allerdings<br />

muss man dazu sagen, dass die Vorstellung einer siegreichen Gemeinde alles<br />

9


andere2als2„neu“2ist.2Tatsächlich2hatten2die2meisten2Christen2bis2vor2relativ2<br />

kurzer Zeit im Allgemeinen eine Eschatologie des Sieges. Zu allen Zeiten der<br />

Kirchengeschichte hielten die meisten Christen die Eschatologie der Niederlage<br />

für eine exotische Lehre vereinzelter Unheilspropheten.<br />

Die Hoffnung eines weltweiten Siegeszuges des Evangeliums war der traditionelle<br />

Glaube durch alle Zeitalter hindurch. Diese Tatsache kann sehr leicht<br />

immer und immer wieder bewiesen werden. Die Worte des Kirchenvaters<br />

Athanasius aus dem 4. Jahrhundert zeigen uns, dass er eine Eschatologie des<br />

Sieges2 hatte.2 In2 seinem2 klassischen2 Werk2 „Über2 die2 Inkarnation“2 fasst2 er2<br />

seine These folgendermaßen zusammen:<br />

Seit der Erlöser kam, um in unserer Mitte zu<br />

wohnen, ist die Ausbreitung des Götzendienstes<br />

nicht nur zum Stillstand gekommen, sondern<br />

wird weniger und weniger bis zum<br />

vollkommenen Verschwinden. Genauso ist auch<br />

die Weisheit der Griechen nicht nur zum<br />

Stillstand gekommen, sondern verschwindet<br />

nach und nach. Und die Dämonen, die mit ihren<br />

Orakelsprüchen und Zaubereien die Menschen<br />

beeindruckt haben, werden vertrieben im<br />

Zeichen des Kreuzes, auch wenn sie noch so sehr<br />

versuchen es weiter zu tun. Auf der anderen<br />

Seite, während Götzendienst, und alles andere,<br />

was dem Glauben an Christus widersteht, täglich<br />

schwindet, breitet sich die Lehre des Erlösers<br />

überall aus! Deshalb, betet den Erlöser an, der<br />

mächtig und „über allem“ ist, Gott das Wort; und<br />

verdammt diejenigen, die besiegt und von ihm<br />

ausgelöscht werden. Wenn die Sonne<br />

aufgegangen ist, kann die Finsternis nicht<br />

länger bestehen; jeder kleine Rest davon, der<br />

noch irgendwo übriggeblieben ist, wird hinfort<br />

gefegt. Genauso, wo nun die göttliche<br />

Erscheinung des Wortes Gottes geschehen ist,<br />

kann die Finsternis der Götzen nicht bestehen,<br />

und alle Teile der Welt in jeder<br />

Himmelsrichtung werden erleuchtet durch<br />

seine Lehre.<br />

Athanasius, Über die Inkarnation<br />

10


Bitte2denke2nicht,2dass2Athanasius2einfach2nur2ein2„positiv2denkender“2Optimist<br />

war, der in einer gemütlichen Umgebung entspannt gelebt hat. Das Gegenteil<br />

ist der Fall: Er durchlebte eine der schwersten Verfolgungen der Kirchengeschichte<br />

unter dem römischen Kaiser Diokletian, der versuchte, ein<br />

für alle Mal den christlichen Glauben auszulöschen. Später stand Athanasius<br />

40 Jahre lang praktisch alleine gegen um sich greifende Irrlehren in der Verteidigung<br />

der Lehre der Dreieinigkeit. Er wurde fünf Mal von Regierungen<br />

ins Exil geschickt und bangte des Öfteren um sein Leben. So gab es eine bekannte<br />

Redensart in der damaligen Zeit: Athanasius contra mundum (Athanasius<br />

gegen den Rest der Welt). Trotzdem verlor er nie die grundlegende<br />

Tatsache der Weltgeschichte aus den Augen, dass das Wort Fleisch wurde,<br />

den Teufel besiegt und die Menschheit erlöst hat und die Welt mit Licht erfüllt<br />

dem die Finsternis sich nicht widersetzen kann.<br />

Die Eschatologie des Sieges der damaligen Gemeinde formte die Geschichte<br />

der westlichen Zivilisation. Denken wir nur an die mächtigen Kathedralen in<br />

Europa und vergleicht sie mit den Kirchengebäuden unserer Zeit. Diese<br />

mächtigen Bauwerke die über Jahrzehnte, manchmal über Generationen<br />

hinweg aufgerichtet wurden, waren dazu gedacht Jahrhunderte zu überleben,<br />

und genau das haben sie. Die moderne evangelikale Gemeinde jedoch<br />

denkt meist nur an ihre eigene Generation. Wir erwarten eben, dass wir<br />

nicht mehr lange hier sind und planen nicht für unsere Enkelkinder. Mit Sicherheit<br />

kann man sagen, dass der durchschnittliche evangelikale Christ<br />

sehr wahrscheinlich noch nie über seine Nachkommen nachdachte, die in<br />

500 Jahren einmal leben werden. Für einen Christen der Vergangenheit war<br />

es nichts Fremdes, dafür zu leben und dafür zu sorgen, dass nachfolgende<br />

Generationen von seiner Arbeit profitieren können. Sie haben für die Zukunft<br />

gebaut.<br />

Lasst uns ein anderes Gebiet nehmen: die Entdecker. Nur sehr wenige Historiker<br />

sind sich bewusst, was Christoph Kolumbus wirklich motivierte, einen<br />

westlichen Weg nach Indien zu finden. Handel? Ja bestimmt war das ein<br />

Grund. Aber noch mehr waren es die unerfüllten Prophetien der Bibel. Bevor<br />

Kolumbus sich auf seine Entdeckungsreise machte, schrieb er seine Tagebücher<br />

voll mit Bibelversen aus Jesaja und anderen biblischen Schreibern, denen<br />

er entnahm, dass der Auftrag Jesu, die Nationen zu Jüngern zu machen,<br />

sich erfolgreich erfüllen würde. (s. z.B. Jes 2,2-5 / 9,2-7 / 11,1-10 / 32,15-17 / 40,4-<br />

11 / 42,1-12 / 49,1-26 / 56,3-8 / 60,1-22 / 61,1-11 / 62,1-12 / 65,1-25 / 66,1-24) Er stellte<br />

sich vor, wenn Indien sich bekehren soll, wäre ein Seeweg die effektivste<br />

Weise, ihnen das Evangelium zu bringen. Deswegen schrieb er seine Entdeckungen<br />

nicht der Mathematik oder geographischen Karten zu, sondern erachtete<br />

sie als ein Werk des Heiligen Geistes, der zustande brachte, was Jesaja<br />

prophezeit hat. Amerika wurde einige Male zuvor von verschiedenen<br />

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Völkern entdeckt, aber erfolgreiche Kolonisierung und Entwicklung fand<br />

erst nach der Entdeckung durch Kolumbus statt. Warum? Weil die Entdecker<br />

vom Evangelium motiviert waren. Ihr Ziel war es, die Welt für das Reich Gottes<br />

zu erobern. Sie kamen in der Erwartung, dass die neue Welt christianisiert<br />

würde. Sie waren siegesgewiss und waren sich sicher, dass alle Hindernisse<br />

nur dazu dienten, sie zu Überwindern zu machen. Sie lebten in dem<br />

Bewusstsein, dass es die göttliche Bestimmung für alle Christen war, siegreich<br />

zu sein.<br />

Man könnte noch manche Beispiele auf vielen Gebieten anführen. Der ganze<br />

Aufschwung der westlichen Zivilisation – Wissenschaft, Kunst, Regierungsformen,<br />

das Rechtssystem, freie Wirtschaft, Bildung, Produktivität, steigender<br />

Lebensstandard, die hohe Stellung der Frau – all das geht auf einen wichtigen<br />

Faktor zurück: Der Westen wurde durch das Christentum transformiert.<br />

Es ist wahr, die Transformation ist noch nicht vollständig. Es liegt<br />

noch manche Schlacht vor uns. Aber der Punkt ist, selbst in diesem Zustand,<br />

der weit vom Ziel entfernt ist, hat Gott uns schon mit so vielen Segnungen<br />

überschüttet.<br />

Die meisten Christen scheinen es nicht zu verstehen, aber Hoffnung ist die<br />

Basis für viele der alten Choräle des Glaubens, geschrieben lange bevor der<br />

evangelikale2 Pessimismus2 um2 sich2 griff.2 Denken2 wir2 nur2 an2 Luthers2 „Ein2<br />

feste Burg ist unser2Gott“,2Isaac2Watts2„Jesus shall reign“2oder2George2Duffields2„Steh2auf,2steh2auf2für2Jesus“.2Glauben2wir2wirklich,2dass2Christus2uns2<br />

„von2Sieg2zu2Sieg führt bis jeder Feind überwunden und Jesus wahrhaftig der<br />

Herr2ist“?2Das2ist,2was2die2Gemeinde2in2der2Vergangenheit2geglaubt2und2in2<br />

ihren Liedern gesungen hat. Besonders in manchen Weihnachtsliedern sieht<br />

man, genau wie in Athanasius' Schriften über die Inkarnation, die unerschütterte<br />

Erwartung des Triumphes von Christus über die Welt durch das<br />

Evangelium.2Lieder2wie2„Come, thou long-expected2Jesus“,2„O2come,2O2come,2<br />

Emmanuel“,2 „Hark!2 the2 herald2 angels2 sing“,2 „God2 rest2 you2 merry,2 gentlemen“,2und2viele2andere<br />

sind aus derselben grundlegenden Perspektive wie<br />

dieses Buch geschrieben. Die Überzeugung, dass Jesus Christus – als Resultat<br />

seines ersten Kommens – nun regiert vom Himmel her und die Erde erobert,<br />

ist2 die2 grundlegende2 Botschaft2 des2 Liedes2 „Freue2 dich2 Welt“2 Joy to the<br />

world):<br />

Lass nicht mehr Sünde und Sorgen wachsen,<br />

noch Dornen den Boden überwuchern; Er<br />

kommt um seine Segnungen auszugießen<br />

soweit der Fluch gereicht hat. Er regiert die Welt<br />

mit Wahrheit und Gnade, und lässt die Nationen<br />

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die Herrlichkeit seiner Gnade und die Wunder<br />

seiner Liebe bezeugen.<br />

Wörtl. Übersetzung aus dem Lied<br />

„Joy to the World“ v. Isaac Watts.<br />

Genauso besingt es auch ein anderes Weihnachtslied:<br />

Die Tage eilen dahin, vorhergesagt durch die<br />

Propheten, wenn mit den wiederkehrenden<br />

Jahren die gold'ne Zeit erscheint. Wenn Friede<br />

über die ganze Welt und über ihre alte Pracht<br />

gelegt wird. Und die ganze Erde einstimmt in<br />

das Lied, das jetzt von den Engeln gesungen<br />

wird.<br />

Wörtl. Übersetzung aus dem Lied<br />

„It came upon the midnight clear“<br />

v. Edmund Hamilton Sears.<br />

Die Psalmen: unser Gesangbuch des Sieges<br />

Es gibt eine sehr wichtige Verbindung zwischen den Liedern der Gemeinde<br />

und ihrer Weltanschauung. Wenn dein Herz und Mund mit Liedern des Sieges<br />

erfüllt sind, dann besteht die Tendenz, auch eine Eschatologie des Sieges<br />

zu haben; wenn stattdessen deine Lieder angsterfüllt sind und die Sehnsucht<br />

zu entkommen beschreiben – oder schwache, kindliche Liedchen sind – dann<br />

wird deine Sicht der Zukunft ebenso kindisch und von Flucht geprägt sein.<br />

Historisch gesehen waren die Psalmen immer das Gesangbuch der Gemeinde.<br />

Das umfangreichste Buch der Bibel ist das Buch der Psalmen und<br />

Gott hat es mit Absicht in der Mitte der Bibel platziert, damit wir es nicht<br />

übersehen können. Doch wie viele Gemeinden benutzen noch die Psalmen in<br />

ihrer2Anbetungsmusik?2Es2ist2auffallend,2dass2der2Verlust2der2„Eschatologie2<br />

des2Sieges“2Hand2in2Hand2geht2mit2dem2Verlust2der2Psalmen2als2Anbetungslieder.<br />

Die Psalmen sind unübersehbar Königreich-orientiert. Sie sind voller Eroberung,<br />

Sieg und Herrschaft der Heiligen. Sie erinnern uns beständig an den<br />

Krieg zwischen Gott und Satan, ermutigen uns unaufhörlich zum Kampf gegen<br />

die Mächte des Bösen und versprechen uns, dass wir die Erde in Besitz<br />

nehmen werden. Als die Gemeinde noch die Psalmen gesungen hat – nicht<br />

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nur kleine Fragmente davon, sondern sich durch das ganze Buch der Psalmen<br />

gesungen hat – war sie stark, gesund und konnte nicht aufgehalten werden.<br />

Deshalb hat der Teufel uns versucht daran zu hindern, die Psalmen weiterhin<br />

zu singen, um uns um unser Erbe zu bringen. Wenn wir die Eschatologie<br />

des Sieges wieder aufgreifen wollen, müssen wir die Gemeinde reformieren;<br />

und ein unumgänglicher Aspekt dieser Reformation ist es, die Psalmen<br />

wieder zu singen. Hör sie dir an, diese historischen Hymnen der siegreichen<br />

Gemeinde:<br />

Es werden daran gedenken und zum HERRN umkehren alle Enden der Erde; vor dir<br />

werden niederfallen alle Geschlechter der Nationen. (Psalm 22,28)<br />

Denn die Übeltäter werden ausgerottet; aber die auf den HERRN hoffen, die werden<br />

das Land besitzen. Noch kurze Zeit, und der Gottlose ist nicht mehr; und siehst du<br />

dich um nach seiner Stätte, so ist er nicht da. Aber die Sanftmütigen werden das<br />

Land besitzen und werden ihre Lust haben an Fülle von Heil. (Psalm 37,9-11)<br />

Kommt, schaut die Großtaten des HERRN, der Entsetzen verbreitet auf Erden! Der<br />

Kriege beschwichtigt bis ans Ende der Erde, Bogen zerbricht und Speere zerschlägt,<br />

Wagen mit Feuer verbrennt. Lasst ab und erkennt, dass ich Gott bin; ich werde erhöht<br />

sein unter den Nationen, erhöht auf der Erde. (Psalm 46,9-11)<br />

Ihr Völker alle, klatscht in die Hände! Jauchzt Gott mit Jubelschall! Denn der HERR,<br />

der Höchste, ist gefürchtet, ein großer König über die ganze Erde. Er unterwarf uns<br />

die Völker und die Völkerschaften unter unsere Füße. (Psalm 47,2-4)<br />

Die ganze Erde wird dich anbeten und dir Psalmen singen; sie wird deinen Namen<br />

besingen. (Psalm 66,4)<br />

Und er möge herrschen von Meer zu Meer und vom Strom bis an die Enden der Erde.<br />

Vor ihm sollen sich beugen die Bewohner der Wüste, und seine Feinde sollen den<br />

Staub lecken. Die Könige von Tarsis und den Inseln sollen Geschenke bringen, es sollen<br />

Tribute entrichten die Könige von Scheba und Saba. Und alle Könige sollen vor<br />

ihm niederfallen, alle Nationen ihm dienen. (Psalm 72,8-11)<br />

Alle Nationen, die du gemacht hast, werden kommen und vor dir anbeten, Herr, und<br />

deinen Namen verherrlichen. (Psalm 86,9)<br />

Alle Könige der Erde werden dich preisen, HERR, wenn sie die Worte deines Mundes<br />

gehört haben. Sie werden die Wege des HERRN besingen, denn groß ist die Herrlichkeit<br />

des HERRN. (Psalm 138,4-5)<br />

Die Frommen sollen jubeln in Herrlichkeit, jauchzen sollen sie auf ihren Lagern! Lobpreis<br />

Gottes sei in ihrer Kehle und ein zweischneidiges Schwert in ihrer Hand, um<br />

Rache zu vollziehen an den Nationen, Strafgerichte an den Völkerschaften, um ihre<br />

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Könige zu binden mit Ketten, ihre Edlen mit eisernen Fesseln, um das [schon] aufgeschriebene<br />

Gericht an ihnen zu vollziehen! Das ist Ehre für alle seine Frommen. Halleluja!<br />

(Psalm 149,5-9)<br />

Ist es wirklich so wichtig?<br />

Die Eschatologie zielt letztendlich auf eine zentrale Frage: Wird das Evangelium<br />

in seiner Mission siegreich sein oder nicht? Ganz gleich welcher speziellen<br />

Schule sie entspringt oder welche individuelle Nuancen sie beinhaltet,<br />

die Eschatologie des Versagens ist sich in einem Punkt einig: Das Evangelium<br />

von Jesus Christus wird versagen. Das Christentum wird nicht erfolgreich<br />

sein in seinem weltweiten Auftrag. Der Missionsbefehl von Jesus, alle<br />

Nationen zu Jüngern zu machen, wird nicht erfüllt werden. Satan und die<br />

Mächte des Antichristen werden am Ende der Zeit siegen, die Gemeinde<br />

überwinden und sie beinahe auslöschen – würde nicht Jesus im letzten Moment<br />

eingreifen, genauso wie die Kavallerie in einem zweitklassigen Western<br />

die kleine Truppe von Soldaten aus der Hand der Rothäute befreit.<br />

Ist es wirklich so wichtig? Beeinflusst die eschatologische Sichtweise wirklich<br />

unser Leben? Ich glaube, wir haben schon zu viel von der Antwort auf diese<br />

Frage2 gesehen.2 Ich2 zitiere2 eine2 „Jesus2 People“-Zeitschrift der frühen 70er<br />

Jahre,2die2ein2Interview2mit2einem2der2führenden2„Endzeit-Experten“2jener2<br />

Tage2 abdruckte.2 Auf2 der2 Grundlage2 der2 „Tatsache“,2 dass2 Jesus2 seine2 Gemeinde2„jeden2Moment2entrücken“2würde,2hat2dieser2Mann2den2damaligen2<br />

Jugendlichen tatsächlich geraten, nicht mehr zu heiraten und Familien zu<br />

gründen. Überhaupt blieb ja gar keine Zeit mehr für solch weltliche Dinge.<br />

Die Entrückung stand vor der Tür, so wäre jede irdische Beschäftigung nutzlos.<br />

(Wenn du der Teufel wärst, könntest du dir eine2bessere2„geistlich“2klingendere<br />

Ausrede für Christen vorstellen, Gottes Siegesplan zu vergessen?)<br />

Die Entrückungs-Ethik jener Jahre veranlasste zahlreiche Jugendliche, ihre<br />

Schulen, ihre Familien und damit auch jegliche Verantwortung zu verlassen.<br />

Scharen von Jesus-People wanderten ziellos durchs Land mit keiner größeren<br />

Vision als dem nächsten christlichen Rock-Konzert. Es dauerte Jahre, bis<br />

die meisten von ihnen aufwachten und es dauerte wieder Jahre, um das Leben<br />

von manchen von ihnen wieder ins Lot zu bringen.<br />

Die einfache Wahrheit ist folgende: Wenn du nicht glaubst, dass die Gesellschaft<br />

transformiert werden kann, dann wirst du dich niemals dafür einsetzen,<br />

dass die Gesellschaft transformiert wird. Du wirst den Versuch nicht unternehmen,<br />

eine christliche Zivilisation aufzurichten, wenn du überzeugt<br />

bist, dass eine christliche Zivilisation nicht möglich ist. Es war der unerschütterliche<br />

Glaube an den Sieg des christlichen Glaubens, der den früheren Missionaren<br />

den Mut gab, wie die Anführer einer Armee in die entferntesten<br />

15


Winkel das heidnischen Europas zu ziehen, das Evangelium zu predigen, Dämonen<br />

auszutreiben, Götzen zu vernichten und ganze Königreiche in die<br />

Knie zu zwingen und zu Jesus zu bekehren. Sie wussten, dass sie siegreich<br />

sein würden. Selbst wenn sie ihr Leben verlieren würden, wussten sie, dass<br />

die Geschichte auf ihrer Seite sein wird. Sie wussten, dass Satans Macht<br />

Stück für Stück gebrochen und sein Einfluss täglich geschwächt wurde mit<br />

jedem kleinen Schritt, den die Christen unternahmen. Sie waren nicht im<br />

Geringsten pessimistisch im Hinblick auf die Kraft des Evangeliums. Gott<br />

ehrte ihren Glauben an seine Verheißungen und befähigte sie, die Grundlagen<br />

zu legen für ein Christentum, das eines Tages die ganze Erde umfassen<br />

würde.<br />

Wenn Gottes Volk ungehorsam wird und zurückfällt in Unglauben, beginnt<br />

die Gemeinde Schlachten gegen den Feind zu verlieren. Bedeutet das, dass<br />

die Hoffnung falsch ist? Nicht im Geringsten; denn die Bibel lehrt, dass das<br />

geistliche Wachstum der Gesellschaft genauso wenig2„automatisch“2ist,2wie2<br />

das geistliche Wachstum einer einzelnen Person.<br />

Und dies ist der Sieg, der die Welt überwunden hat: unser Glaube. (1. Joh 5,4)<br />

Als2Christ2erwarten2wir2kein2„automatisches“2Wachstum,2egal2in2welchem2<br />

Bereich unseres Lebens. Alles Wachstum und jede Entwicklung ist ein Geschenk<br />

Gottes. Und doch können wir uns nicht einfach zurücklehnen und es<br />

„dem2Herrn2überlassen“,2 nichts2 mehr2 essen2und2uns2 nicht2mehr2 bewegen2<br />

und trotzdem erwarten zu wachsen. Wir wissen, dass wir nicht einfach aufhören<br />

können Gott zu vertrauen, zu beten und zu gehorchen, und trotzdem<br />

erwarten in der Gnade zu wachsen. Genauso wenig können wir unseren Ungehorsam2als2„Trend“2in2unserer2persönlichen2Sicht2der2Endzeit2behandeln2<br />

und2beginnen2zu2behaupten,2wir2wären2„bestimmt“2zu2versagen,2und2deshalb2<br />

nicht2mehr2wachsen.2Ebenso2ist2es2mit2der2kulturellen2„Heiligung“.2Wir2glauben<br />

nicht an irgendeine natürliche Entwicklung in der Zivilisation. Unsere<br />

Zivilisation wird stehen und fallen mit dem Segen Gottes.<br />

Jesus hat uns aufgetragen:<br />

Ihr seid das Salz der Erde; wenn aber das Salz kraftlos geworden ist, womit soll es<br />

gesalzen werden? Es taugt zu nichts mehr, als hinausgeworfen und von den Menschen<br />

zertreten zu werden. Ihr seid das Licht der Welt; eine Stadt, die oben auf einem<br />

Berg liegt, kann nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht eine Lampe an und<br />

setzt sie unter den Scheffel, sondern auf das Lampengestell, und sie leuchtet allen,<br />

die im Hause sind. So soll euer Licht leuchten vor den Menschen, damit sie eure guten<br />

Werke sehen und euren Vater, der in den Himmeln ist, verherrlichen. (Mat 5,13-<br />

16)<br />

16


Das ist nicht weniger als ein Mandat zur kompletten gesellschaftlichen<br />

Transformation der gesamten Welt, und was Jesus verurteilt, ist die Unfähigkeit,<br />

die Gesellschaft um uns herum zu verändern. Uns wurde aufgetragen,<br />

in so einer Weise zu leben, dass eines Tages alle Menschen Gott verherrlichen<br />

werden – dass sie sich zum Christentum bekehren. Wenn die Gemeinde gehorsam<br />

ist, werden die Menschen und die Nationen zur Jüngerschaft Jesu<br />

geführt. Wir wissen, dass jeder ein Christ sein sollte, dass die Gesetze und<br />

Institutionen aller Nationen der Vorlage der Bibel folgen sollten. Aber die Bibel<br />

sagt uns mehr als das. Sie zeigt uns, dass diese Gebote die Zukunft formen<br />

werden. Wir müssen die Welt verändern, und wir werden die Welt verändern.<br />

17


18


Teil 2 - Das Paradies als Modell der<br />

Prophetie<br />

Südwärts durch Eden rann ein breiter Fluss<br />

und drang geraden Laufes in den Berg,<br />

den Gott als Gartenboden aufgehäuft.<br />

Hier stieg der schnelle Strom, von dem Geäder<br />

des lock‘ren Erdreichs durstig eingeschlürft,<br />

als frischer Quell empor und wässerte<br />

das Paradies mit manchem Murmelbach;<br />

gesammelt aber, stürzt' er rasch sich wieder<br />

am jähen Fels hinab zur untern Flut,<br />

die dort hervor aus Bergesdunkel brach<br />

und, in vier Hauptgewässer nun zerteilt,<br />

durch viel berühmte Reich und Länder floss.<br />

Nicht soll ihr dahin folgen mein Gedicht;<br />

vermöcht es zu beschreiben nur, wie hier<br />

aus der saphirnen Quelle muntre Bäche,<br />

auf Goldsand rieselnd oder Perlenglanz,<br />

hinschlängelnd unter hangendem Gebüsch,<br />

mit Nektar tränkten die Gewächs und Blumen:<br />

die Blumen, würdig dieses Gottesgartens,<br />

in Beet und Schnörkel künstlich nicht gezwängt,<br />

nein, von Natur in Fülle hingestreut<br />

auf offner Flur, wo Sonne wärmend schien,<br />

wie unterm Schattendach, das undruchdringlich<br />

die Mittagslauben barg.<br />

John Milton - Das verlorene Paradies<br />

[4. Buch 223 - 246]<br />

19


20


Kapitel 2 - Wie man Prophetie deutet<br />

Ihr wisst was es bedeutet, wenn ein großer<br />

König in eine Stadt kommt und in einem ihrer<br />

Häuser wohnt; durch seine Präsenz in diesem<br />

Haus, wird die ganze Stadt geehrt und<br />

Verbrecher und Diebe wagen es nicht mehr ihr<br />

Unwesen zu treiben. Genauso ist es mit dem<br />

König der Könige; er kam in unser „Land“ und<br />

wohnt in einem Leib mitten unter den<br />

Menschen. Folglich werden nun die Pläne des<br />

Feindes gegen die Menschheit vereitelt, und das<br />

Verderben des Todes, welches sie in seiner<br />

Macht hielt, ist schlicht vergangen. Die<br />

menschliche Rasse wäre völlig verloren, wenn<br />

nicht der Herr und Retter aller, der Sohn Gottes,<br />

zu uns gekommen wäre um dem Tod ein Ende zu<br />

setzen.<br />

Athanasius, Über die Inkarnation<br />

21


M<br />

eine persönliche Reise hin zur Eschatologie des Sieges begann an einem<br />

Abend in der Gemeinde, ungefähr vor 15 Jahren. Der Pastor, bekannt<br />

für seine expositorische Methode der Bibelauslegung, hatte gerade<br />

begonnen an mehreren Abenden über biblische Prophetie zu lehren. So<br />

eloquent er auch seine Eschatologie des Versagens verteidigte, war ich doch<br />

sehr betroffen von der Tatsache, dass er anscheinend nicht in der Lage war,<br />

seine Sichtweise auf eine organische Art aus der Bibel zu entwickeln. Oh ja,<br />

er zitierte viele Bibelstellen – ein Vers hier und ein Vers da. Aber er war nie<br />

fähig aufzuzeigen, dass seine Erläuterung der Zukunft sich in das gesamte<br />

Bild der biblischen Aussagen einfügt. Anders ausgedrückt, verstand er es<br />

meisterlich, seine Ansichten der Wirklichkeit dem biblischen Text aufzudrängen,<br />

indem er die Bibelzitate wie Karten auf der Hand bei einem Kartenspiel<br />

gut sortierte. Er konnte jedoch nie klarmachen, dass seine Lehraussagen<br />

in einem Fluss aus dem Kontext der Bibel hervorkamen; seine Eschatologie<br />

schien kein organischer Teil der Geschichte zu sein, von der die Bibel<br />

uns berichtet.<br />

An diesem Abend begann ich zu verstehen, dass man die biblische Eschatologie<br />

nur durch ein Verständnis der Gesamtaussage der Bibel wiederfinden<br />

kann. Anstatt die Bibel in ein zuvor arrangiertes Muster zu pressen, müssen<br />

wir die Muster entdecken, die bereits in ihr enthalten sind. Wir müssen es<br />

erlauben, dass die der Bibel eigene Struktur sich selbst entfaltet und dann<br />

unser Verständnis formt. Dazu müssen wir uns mit biblischem Vokabular<br />

und ihrer Ausdrucksweise vertraut machen, mit dem Wunsch, dass unser<br />

Denken in schriftgemäßen Kategorien geformt und geprägt wird.<br />

Diese Perspektive wirft ein ganz neues Licht auf die uralte Debatte ob die Bibel2„wörtlich“2oder2„symbolisch“2ausgelegt2werden2soll.2Zum2großen2Teil2verfehlt<br />

diese Debatte den eigentlichen Punkt, um den es geht. Tatsache ist, dass<br />

alle Ausleger manchmal die wörtlichen und anderen Male die symbolische<br />

Methode verwenden.<br />

Auf dem Einband eines Kommentars zur Offenbarung, geschrieben von einem2<br />

bekannten2 evangelikalen2 Bibellehrer,2 las2 ich2 vor2 einiger2 Zeit:2 „Dies2<br />

könnte die wörtlichste Auslegung der Offenbarung sein, die sie jemals gelesen2haben!“2Wenn2man2dann2jedoch2genauer2hinschaut,2entdeckt2man2eine2<br />

höchst symbolische Auslegung mancher Passagen. Hier sind einige Beispiele:<br />

1. Die2„befleckten2Kleider“2der2Gläubigen2in2Sardes2Offenbarung2,<br />

2. Die Verheißung, dass Gläubige „Säulen“2werden2im2Tempel2Gottes2<br />

(3,12)<br />

3. Die2„lauwarme“2Temperatur2der Gemeinde in Laodicäa (3,15-16)<br />

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5. Dass2Jesus2„an2die2Tür2klopft“2,<br />

6. Der2„Löwe2aus2dem2Stamme2Juda“2,<br />

7. Das2„Lamm“2mit2„sieben2Augen“2,<br />

8. Die2„Ölbäume“2und2die2„Leuchter“2,<br />

9. Die2„Frau“2die2„mit2der2Sonne2bekleidet“2ist2,<br />

10. Der2große2„rote2Drache“2,<br />

11. Das2siebenköpfige2„Tier“2,<br />

12. Die2„große2Hure,2die2an2vielen2Wassern2sitzt“2,<br />

4. Das2Angebot2von2Christus,2uns2„Gold“,2„weiße2Kleider“2und2„Augensalbe“2zu2verkaufen2,<br />

Wohl2die2meisten,2selbst2hartgesottenen2„wörtlichen“2Ausleger2würden2beipflichten,<br />

dass diese Stellen zweifellos symbolisch zu verstehen sind. Was wir<br />

verstehen müssen, ist, dass Symbole ständig und in der gesamten Bibel an<br />

vielen Stellen direkt neben sehr wörtlich gemeinten Aussagen zu finden sind.<br />

Der2Grund2dafür2ist,2dass2die2Bibel2„Literatur“2ist2- zwar göttlich inspiriert,<br />

aber trotzdem bleibt es Literatur. Einige Teile davon sind wörtlich zu verstehen,<br />

und so sind sie auch geschrieben – als geschichtliche Berichte, theologische<br />

Lehrsätze oder dergleichen. Aber niemand würde ernsthaft das Buch<br />

der Psalmen oder das Hohelied Salomos mit demselben literarischen Verständnis<br />

lesen wie zum Beispiel den Römerbrief. Es wäre wie wenn man<br />

Hamlets2 Monolog2 „wörtlich“2 verstehen2 wollte:2 „O2 dass2 dieses2 allzu feste<br />

Fleisch2schmelzen2und2in2Tränen2aufgelöst2zerrinnen2möchte!“<br />

Wir sehen also, dass wir die Aussagen der Bibel nicht wirklich (wörtlich) verstehen<br />

können, es sei denn wir berücksichtigen den Gebrauch ihres literarischen<br />

Stils. Könnten wir die Aussage des 23. Psalm wirklich verstehen, wenn<br />

wir2ihn2„wörtlich“2auslegen2würden?2Wäre2das2nicht2ein2wenig2albern?2Tatsächlich<br />

würde eine wörtliche Interpretation dieses Psalms eine falsche Aussage<br />

ergeben; wage ich doch zu behaupten, dass der Herr nicht jeden Christen<br />

auf einer buchstäblichen grünen Wiese lagern will. Normalerweise machen<br />

wir kaum solch grobe Fehler, wenn wir biblische Poesie lesen. Wir wissen<br />

einfach intuitiv, dass diese Bücher der Bibel in poetischer Sprache geschrieben<br />

sind und sehr oft symbolische Sprache enthalten.<br />

Was wir jedoch zu oft nicht realisieren ist die Tatsache, dass genau dasselbe<br />

für die prophetischen Bücher gilt. Die Propheten sprachen ebenfalls sehr oft<br />

in Gedichten, Figuren und Symbolen, die sie einem reichen Schatz göttlicher<br />

Bildersprache entnahmen, der – wie wir gleich sehen werden – bereits im<br />

Garten Eden seinen Anfang nahm. Tatsächlich wurde der Gebrauch von Pro-<br />

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Das war eine <strong>Leseprobe</strong> des Buches<br />

Zurück zum Paradies<br />

von David Chilton<br />

erschienen im ID-DESIGN Medien Verlag<br />

Hardcover, 304 Seiten<br />

ISBN: 978-3-941569-22-1<br />

Verkaufspreis:<br />

EUR 17,-<br />

Das Buch kann bestellt werden<br />

als Hardcover:<br />

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