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Leseprobe_Unterwasser

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Szelagowski<br />

<strong>Unterwasser</strong>-Schweißtechnik<br />

Grundlagen – Forschung – Anwendung


Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek<br />

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;<br />

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über htttp://dnb.dnb.de abrufbar.<br />

ISBN 978-3-87155-239-7<br />

Alle Rechte vorbehalten.<br />

© DVS Media GmbH, Düsseldorf · 2015<br />

Herstellung: Himmer AG, Augsburg


Vorwort<br />

Es ist schwer nachzuvollziehen, wann der Mensch erstmals feststellte, dass er sich mit der Hilfe<br />

des Anhaltens des Atems unter Wasser aufhalten konnte. Dennoch lassen sich die Anfänge der<br />

Berufstaucherei inzwischen über 5000 Jahre zurückverfolgen.<br />

Eine Vielzahl geschichtlicher Aufzeichnungen oder Erzählungen berichten davon, dass schon in<br />

der Antike der Mensch sich mit der Taucherei befasst hat. Eine der ersten Angaben über Tauchaktivitäten<br />

ist bereits in Schriften des griechischen Historikers Herodot verzeichnet. Er berichtet<br />

von Tauchern, die im fünften Jahrhundert vor Christus für den persischen König Xerxes gesunkene<br />

Schätze bergen sollten.<br />

In späterer Zeit waren Taucher auch bei militärischen Operationen tätig. In den historischen<br />

Aufzeichnungen wird weiter berichtet, dass selbst Alexander der Große Taucher zur Zerstörung<br />

von Hafenschutzanlagen einsetzte und dabei zur Überwachung der gestellten Aufgaben persönlich<br />

ins Wasser stieg.<br />

Diese frühen Anstrengungen in der Taucherei bezogen sich damals schon auf Wassertiefen um<br />

etwa 30 m. Es hatte sich in der Zeit bereits eine rege, taucherische Bergungsindustrie entwickelt,<br />

die sich an größeren Häfen des Mittelmeeres angesiedelt hatte. Bereits im ersten Jahrhundert vor<br />

Christus waren die industriellen Unternehmen schon so weit und so gut organisiert, dass sie ein<br />

Kostentarif für die Bergungsarbeiten installiert hatten, der die bei steigender Wassertiefe<br />

zunehmende Arbeitserschwernis und damit das steigende Risiko für den Taucher berücksichtigte.<br />

Dieses bezog sich auf die Bergung von Materialien und Waren mit besonderem Handelswert (zum<br />

Beispiel Lebensmittel, Schwämme, Perlen oder Korallen) [1].<br />

Trotz aller Bemühungen von der Antike bis zur Neuzeit erlangten die taucherischen Einsätze erst<br />

ab Ende des neunzehnten, zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts eine größere Bedeutung. Man<br />

hatte zunehmend Kenntnisse über die physikalischen und psychischen Zusammenhänge gewonnen<br />

und konnte diese nun gezielt zum Wohl des Tauchers anwenden. Dadurch wurde eine zielgerichtete<br />

Weiterentwicklung von Tauchverfahren und -systemen auch für das Tauchen in größeren<br />

Wassertiefen letztendlich möglich. Auch der zweite Weltkrieg hat zur Weiterentwicklung des<br />

„Scuba-Tauchens“ beigetragen, indem für die Marinetaucher Drucklufttauchgeräte entwickelt<br />

wurden, mit denen sie sicher unter Wasser ihre Annäherung an feindliche Stellungen und Schiffseinheiten<br />

ermöglichen konnten. Besonders der Franzose Jack Cousteau hatte diese Entwicklungen<br />

vorangetrieben.<br />

Zur Zeit der ersten Ölkrise Ende der fünfziger Jahre trat die starke Abhängigkeit der Industriestaaten<br />

von der Ölversorgung als Primär-Energie durch die wenigen, hauptsächlich arabischen<br />

Ölförderstaaten bedrohlich deutlich zu Tage. Das führte zu verstärkten Anstrengungen bei der<br />

Exploration von Öllagerstätten, die unter dem Meeresboden vermutet wurden. Ein völlig neuer,<br />

von dem Energiebedarf getragener Explorationsboom breitete sich weltweit aus und führte zu<br />

meeresgebundenen Bohr- und Förderaktivitäten, ohne jedoch überhaupt die erforderliche sichere<br />

Ausrüstung und das tauchtechnische Wissen für derartige Einsätze zu besitzen.<br />

Die Anforderungen bei der Offshore-Förderung von Öl und Gas erforderten den Bau von Produktionsplattformen<br />

und -anlagen sowie das Vorhalten von entsprechenden Wartungs- und Instandsetzungsmöglichkeiten,<br />

mit denen eine konsequente, turnusmäßige Inspektion, Wartung und<br />

Instandsetzung kontinuierlich über die gesamte Lebensdauer gesichert werden kann. Dieses breite<br />

Spektrum der anfallenden Arbeiten in größeren bis hin zu sehr großen Wassertiefen machte die


Entwicklung von Verfahren und Geräten dringend notwendig, mit denen man diesen neuen<br />

Herausforderungen sicher und effektiv begegnen konnte.<br />

Weltweit wurden zwischenzeitlich Tieftauchanlagen entwickelt und auf Schiffen oder Plattformkonstruktionen<br />

installiert. Die Verwendung dieser Anlagen stellte einen erheblichen Fortschritt<br />

gegenüber der bisherigen Tauchmethoden bei Arbeiten auf dem Meeresboden dar. Arbeiten mit<br />

Menschen in großen Wassertiefen an Offshore-Strukturen, Pipelines und/oder Plattformen setzten<br />

deshalb die Verwendung von Tauchsystemen voraus, mit denen für die Zeitdauer des Einsatzes auf<br />

dem Meeresboden oder im Wasser die Unterbringung des tauchenden Personals unter dem Einsatzdruck<br />

(entsprechend der Einsatztiefe) ermöglicht wird.<br />

Die Bundesrepublik Deutschland beteiligte sich anfangs an diesen Aktivitäten sehr verhalten,<br />

zumal aufgrund der hoheitlich beschränkten, bundeseigenen Seegebiete kaum mit Öllagerstätten<br />

im Küstenbereich zu rechnen war. Diese Einstellung änderte sich jedoch ab etwa Mitte der<br />

siebziger bis Ende der achtziger Jahre, als man erkannte, dass der hohe technische Standard der<br />

deutschen Industrie mit neuartigen Produkten das Fehlen ertragreicher Öllagerstätten mehr als nur<br />

ausgleichen und dadurch mit den weltweiten Entwicklungen sogar Schritt halten könnte. Leider<br />

hielt diese euphorische Haltung bei den maßgebenden Regierungsvertretern nicht lange an, so dass<br />

schon zu Beginn der neunziger Jahre die Unterstützung in der meerestechnischen Forschung<br />

wieder eingestellt wurde. Die seiner Zeit vor der Insel Helgoland installierte Forschungsplattform<br />

„Helgoland“ (siehe Bild), die zur Unterstützung der deutschen Industrie errichtet wurde, um deren<br />

Produkte und Entwicklungen unter natürlichen Umgebungsbedingungen zu erproben, musste Ende<br />

der neunziger Jahre abgerissen werden und der ehemalige Standort wieder in den Ursprungszustand<br />

zurückversetzt werden.<br />

Ansicht der ehemaligen Forschungsplattform<br />

„Helgoland“. Sie wurde<br />

Ende der neunziger Jahre völlig<br />

abgebaut. Der Meeresboden wurde<br />

in den Urzustand zurück versetzt.<br />

Inzwischen bahnt sich wieder ein Wechsel in der Chancenbeurteilung der Meerestechnik an, weil<br />

dem neuen Aufgabengebiet der Windenergieforschung und der Installation von Windenergierädern<br />

im Offshore-Bereich neue Entwicklungschancen beigemessen werden. Derzeitig ist man darum<br />

bemüht, dass für die mit Fragestellungen im Zusammenhang stehende Meerestechnik nicht nur<br />

eine, sondern mehrere Forschungsplattformen erforderlich sein werden und zu installieren sind.


Bereits im Jahre 2002 wurden vom Bundesministerium für Forschung und Technologie die Entwicklung<br />

und der Bau einer neuen Forschungsplattform in Auftrag gegeben. Anfang Februar 2012<br />

konnte eine der neuen Forschungsplattformen bei Borkum in Betrieb genommen, an der unter<br />

anderem auch das GKSS-Forschungszentrum Geesthacht beteilig ist [2].<br />

Die derzeitigen Entwicklungen in der Meerestechnik lassen den Schluss zu, dass sich in den<br />

nächsten Jahren das Erfordernis einstellen wird, eine neue moderne Tieftauchanlage zu installieren.<br />

Das vorliegende Buch ist das erste deutschsprachige Werk zur <strong>Unterwasser</strong>-Schweißtechnik, das<br />

umfassend und informativ die Entwicklung und den Stand der Forschung und der Versuchsprogramme<br />

schildert, insbesondere die Entwicklungs- und Forschungsmaßnahmen des GKSS-<br />

Forschungszentrums in Geesthacht über mehrere Jahrzehnte. Darüber hinaus werden erfolgreiche<br />

Erprobungen und industrielle Anwendungen zum hyperbar nassen Schweißen sowie zum hyperbar<br />

trockenen Schweißen behandelt, welche den auf diesen Gebieten tätigen Fachfirmen als wertvolle<br />

Informationen und Anregungen dienen können.<br />

In die Beschreibungen der gängigen und bewährten <strong>Unterwasser</strong>-Schweiß- und Schneidverfahren<br />

sind die erforderlichen Geräte- und Anlagenausrüstungen mit einbezogen. Betriebliche und<br />

personelle Anforderungen an die Unternehmen der <strong>Unterwasser</strong>-Schweißtechnik sind im Rahmen<br />

eines Kapitels zur Qualitätssicherung sowie zum Arbeits- und Gesundheitsschutz ausführlich<br />

beschrieben.<br />

Die vom Verfasser in mehr als zwei Jahrzehnten in der Forschung, Entwicklung und Anwendung<br />

erworbenen Kenntnisse bieten dem Leser einen umfassenden Einblick in den Stand dieser Hochleistungstechnik.<br />

Abschließend dankt der Verfasser dem Düsseldorfer Verlag DVS Media GmbH für die Bearbeitung<br />

und Veröffentlichung seiner technisch-wissenschaftlichen umfangreichen Literaturarbeit.<br />

Elmshorn, im Dezember 2014<br />

Peter Szelagowski<br />

Schrifttum<br />

[1] A Pictorical History of Diving. Best Publishing Society, San Pedro, California, ISBN 0-<br />

941332-09-8.<br />

[2] FINO 1, 2, 3 – Forschungsplattformen in Nord- und Ostsee. www.fino-offshore.de und<br />

wikipedia.org/wiki/FINO-Forschungsplattformen


1 Einführung zum Schweißen und Schneiden unter<br />

Wasser<br />

Das Tauchen in und mit Tieftauchanlagen ist direkt mit der Sättigungstauchtechnik gekoppelt und<br />

bedeutet eine sichere Methode, den Taucher über einen längeren Zeitraum in einer trockenen<br />

Überdruck-Umgebung zu belassen. Sowohl für den Einsatz in der Sättigung als auch in der<br />

Teilsättigung ermöglicht diese Tauchtechnik die sichere Kompression und Dekompression unter<br />

verhältnismäßig angenehmen, trockenen Umgebungsbedingungen für den Taucher.<br />

Für die Entwicklung von Tauchmethoden, Arbeitsverfahren, Geräten und Systemen wird es zudem<br />

wesentlich kostengünstiger, Simulationsanlagen als Tieftauchanlagen fest zu installieren und dort<br />

unter simulierten Bedingungen Versuchs- und Entwicklungsprogramme bis zur Einsatzreife durchzuführen,<br />

als für jedes Versuchsprogramm ein entsprechend ausgerüstetes Schiff zu mobilisieren<br />

und in einer aktuellen Meerestiefe in einem abgesenkten Druckkammersystem (Habitat) die Versuche<br />

durchführen zu wollen.<br />

Obwohl die Simulationsanlagen landgebunden installiert sind, sind sie dennoch vom Prinzip her<br />

den schiffsgebundenen Systemen vergleichbar. Für alle Belange findet man identische Anlagenkomponenten,<br />

Geräte oder Systeme. Der Vorteil derartiger Anlagen für Forschungs- und Entwicklungsarbeiten<br />

liegt in der vereinfachten und damit kostengünstigeren Handhabung, der<br />

schnelleren Bereitstellung sowie die bessere, direkte Beobachtung und Beurteilungsmöglichkeit<br />

des gesamten Versuchsablaufs einschließlich der im System befindlichen Taucher.<br />

Bereits Ende der siebziger Jahre fiel die Entscheidung durch das Bundesministerium für<br />

Forschung und Technologie, eine Tieftauchsimulationsanlage für die deutsche Industrie zu realisieren,<br />

mit der gezielt technische Versuche im bemannten und unbemannten Betrieb sowohl in<br />

hyperbar nasser wie auch in hyperbar trockener Umgebung durchgeführt werden konnten. Man<br />

war davon überzeugt, dass die Erschließung von Ölvorkommen in größeren Wassertiefen als<br />

bisher angenommen und deren Ausbeutung unmittelbar bevorstand. Deshalb wären für Produktion,<br />

Betrieb und Instandsetzung von Plattformen und Pipelineinstallation die erforderlichen<br />

Herstell-, Prüf- und Instandsetzungsverfahren für den Einsatz vor Ort unbedingt erforderlich und<br />

vorzuhalten gewesen. Diese Verfahren und Geräte für den Einsatz in größeren Wassertiefen waren<br />

bisher nicht vorhanden gewesen und hätten bei erfolgreicher Entwicklung der oben beschriebenen<br />

Unterversorgung mit Verfahren und Gerätschaften für die Anwendung in den großen Wassertiefen<br />

Abhilfe schaffen können. Es eröffnete sich hier ein großes Forschungs- und Entwicklungspotential<br />

für die deutsche Industrie und Wissenschaft, das sowohl vom Bundesforschungsministerium auf<br />

der einen Seite als auch von den entsprechenden Gremien der Europäischen Union auf der anderen<br />

Seite gefördert wurde. Es ergab sich hier zudem ein neues, breites Kooperationsfeld für die<br />

Industrienationen. Der Bau einer entsprechenden, den Anforderungen der Offshore-Technik abdeckenden<br />

Tieftauchsimulationsanlage erschien somit unbedingt notwendig, um die Forschung<br />

und Entwicklung in Deutschland auf diesem neuen Spezialgebiet für alle Beteiligten im kostengünstigen<br />

Rahmen zu unterstützen und voranzutreiben.<br />

Seit Beginn der Exploration und Ausbeutung der Rohöllagerstätten im Meer war der Einsatz der<br />

Schweißtechnik ein wichtiger Baustein der Fügetechnik vor Ort. Ausgehend vom manuellen<br />

Schweißen unter Verwendung von Stabelektroden im Flachwasserbereich kristallisierte sich<br />

darüber hinaus verhältnismäßig schnell der Bedarf an verlässlichen Schweißverfahren in größeren<br />

Wassertiefen heraus.<br />

1


Schon bald war man an die Einsatzgrenze des Lichtbogenhandschweißens mit Stabelektroden in<br />

nasser Umgebung gestoßen, da keine entsprechende Spezialelektrode vorhanden war, die auch nur<br />

annähernd eine fehlerfreie Schweißnaht ermöglichte. Außerdem waren die Tauchverfahren, mit<br />

denen man ohne Gefährdung des Tauchers größere Wassertiefen erreichen und sicher wieder an<br />

die Oberfläche zurückkehren konnte, noch relativ unerforscht und demnach unzureichend entwickelt.<br />

Es stellte sich auch sehr schnell heraus, dass das Schweißen in nasser Umgebung für<br />

größere Einsatztiefen damals völlig ungeeignet war, so dass man sich auf das Schweißen in<br />

hyperbar trockener Umgebung unter den unterschiedlichen Atem- und Kammergasatmosphären<br />

umstellen musste [1-1].<br />

War man in den sechziger Jahren noch der Auffassung gewesen, mit der Exploration und Ausbeutung<br />

der meeresgebundenen Rohöllagerstätten nicht tiefer als bis 200 m tauchen zu müssen, so<br />

änderte sich diese Vorstellung sehr schnell, als man die Begrenzung der Lagerstättenkapazität in<br />

diesen Tiefen feststellte und daraufhin die Explorationsbemühungen auf immer größere Wassertiefen<br />

ausdehnen musste.<br />

Im Jahre 1980 wurde im GKSS-Forschungszentrum Geesthacht für den Betrieb durch das Institut<br />

für Anlagentechnik eine derartige Anlage installiert, die zu dem Zeitpunkt die modernste Anlage<br />

der Welt war [1-2]. Diese Anlage sollte für ihre gesamte Einsatzzeit alle normalen Anforderungen,<br />

die an eine schiffs-gebundene Anlage gestellt wurden, bei weitem übertreffen [1-3]. Das von der<br />

Bundesregierung Deutschlands getragene Forschungszentrum erhielt im Jahre 1982 die Einsatzfreigabe<br />

durch Zulassung des Germanischen Lloyd, Hamburg, der die Konstruktions- und<br />

Bauphase einschließlich aller zugehörigen Installationen kontinuierlich begleitend überwachte [1-4<br />

bis 1-6]. Diese Anlage war für technische, bemannte Versuche bis zu einer maximalen Tauchtiefe<br />

von 600 m und für unbemannte Versuche bis 1000 m Wassertiefe (WT) ausgelegt und zugelassen.<br />

Tauchphysiologische Untersuchungen waren der Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und<br />

Raumfahrt (DFVLR) in Köln/Bad Godesberg übertragen, die parallel eine eigene, hierfür speziell<br />

ausgelegte Tieftauchanlage (TITAN) betrieb. Die hiermit geschaffenen neuen Forschungs- und<br />

Entwicklungsmöglichkeiten wurden vom Ministerium für Forschung und Technologie der<br />

Bundesrepublik Deutschland durch die Bewilligung eines größeren Forschungsprogramms für<br />

Untersuchungen zur <strong>Unterwasser</strong>technik mit Mitteln ausgestattet, die jedoch nur für einen<br />

begrenzten Zeitraum eine intensive Grundlagenforschung auf Spezialgebieten der <strong>Unterwasser</strong>technik<br />

ermöglichten. Diese neuen Bemühungen der Bundesregierung lösten an den Universitäten<br />

und Hochschulen ebenfalls neue Forschungsaktivitäten zur <strong>Unterwasser</strong>technik und in der<br />

Industrie Aktivitäten aus, zum Beispiel zur Entwicklung und zum Bau von unter Wasser einzusetzenden<br />

Geräten und Fahrzeugen.<br />

Das Institut für Anlagentechnik am Geesthachter Forschungszentrum hatte schon in den siebziger<br />

Jahren mit der Umorientierung der Forschungsschwerpunkte vor der Stilllegung des atomar<br />

angetriebenen Forschungsschiffes „OTTO HAHN“ (1979) begonnen und sich, vorbereitend auf<br />

neue Forschungsaufgaben, verstärkt mit der <strong>Unterwasser</strong>technik und den hier auftretenden<br />

Problemen befasst. Dabei konzentrierte man sich schon sehr früh schwerpunktmäßig auf die<br />

Weiterentwicklung der <strong>Unterwasser</strong>-Schweißtechnik und die Technologien und Verfahren, die ein<br />

bemanntes Arbeiten (mit Schwerpunkt Schweißen unter Wasser bis in große Wassertiefen) für den<br />

Taucher gefahrlos ermöglichen sollten. Hierzu gehörten sowohl die Erforschung neuer Tauch- und<br />

Arbeitsverfahren, als auch die Entwicklung neuer Methoden zum sicheren Tauchen mit neuen<br />

Atemgasgemischen (zum Beispiel Trimixatmosphäre), die Entwicklung neuer Kommunikationsverfahren<br />

sowie Untersuchungen zum Tauchermonitoring [1-5 bis 1-8].<br />

Man hatte bereits erfolgreich die ersten Sättigungstauchgänge nach Übernahme und Umbau<br />

des ehemaligen Forschungslabors „Helgoland“ ab 1973 bis zum Jahre 1981 absolviert und erste<br />

2


wichtige Erkenntnisse in der Tauchtechnik erworben. Auf diese konnte man bei der Inbetriebnahme<br />

der neuen Simulationsanlage aufbauen.<br />

Mit der Simulationsanlage wurden im Laufe der kurzen Einsatzzeit von 1981 bis 1990 mehrere<br />

Tieftauchgänge erfolgreich durchgeführt, bei denen bemannte Nassschweißversuche bis maximal<br />

150 m WT und trockene Schweißversuche durch <strong>Unterwasser</strong>schweißer bis 600 m WT im Druckkammersystem<br />

erfolgreich durchgeführt wurden, über deren Ergebnisse sowie die Ergebnisse<br />

zahlreicher unbemannt durchgeführter Versuche in den folgenden Kapiteln ausführlich berichtet<br />

werden soll [1-9 bis 1-15].<br />

Schrifttum<br />

[1-1] Luther, G.: Versuche in der GUSI reduzieren erforderliche und risikobehaftete Seeversuche.<br />

Proc. des internationalen Symposiums „<strong>Unterwasser</strong>schweißen und -schneiden“,<br />

23/24. Juni 1983 in Geesthacht.<br />

[1-2] Schafstall, H.-G., und P. Szelagowski: Die GKSS-<strong>Unterwasser</strong>simulationsanlage (GUSI) –<br />

ein Forschungs- und Entwicklungsinstrument für <strong>Unterwasser</strong>wartungs- und Reparaturarbeiten.<br />

Proc. zum internationalen Kongress SMM 84: Forschung – Technik – Wirtschaft<br />

im Spiegel der Internationalen Fachmesse Schiff, Maschine, Meerestechnik, Hamburg<br />

1984.<br />

[1-3] GKSS-Forschungszentrum Geesthacht GmbH: GUSI, GKSS Underwater Simulator. D-<br />

2054 Geesthacht, Germany.<br />

[1-4] Donker, B., G. Luther und H.-G. Schafstall: <strong>Unterwasser</strong>technik – zukunftsträchtiger Markt<br />

für kleine und mittlere Betriebe – Laufende Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten,<br />

industrielle Versuchs- und Erprobungsmöglichkeiten in der GUSI. Vortrag BITT e. V.,<br />

11.3.1981, Neumünster.<br />

[1-5] Luther, G.: Versuchseinrichtungen für die F+E-Vorhaben in der GUSI. 18. Fachtagung der<br />

STG, Fachausschuss „Manövrieren“, 8.5.1981 in Geesthacht.<br />

[1-6] Szelagowski, P.: GUSI-Versuchseinrichtungen und F+E-Arbeiten. Präsentation für die Projektgruppe<br />

13 „Meerestechnik“ der DECHEMA, 5.3.1982 in Geesthacht.<br />

[1-7] Luther, G.: Testing in GUSI. Annual Symposium of the EUBS, 8 th October 1982, Geesthacht.<br />

[1-8] Bennett, P. B., H.-G. Schafstall, W. Schnegelsberg, J. Holthaus and R. D. Vann: An<br />

Analysis for fourteen successful TRIMIX 5 Deep Saturation Dives between 150 and 600 m.<br />

9 th International Symposium on Underwater and Hyperbaric Physiology, 16 th – 20 th Sept.<br />

1986.<br />

[1-9] Bennet, P. B., R. D. Vann, H.-G. Schafstell, W. Schnegelsberg and J. Holthaus: Control of<br />

HPNS with TRIMIX 5 (5% N2/He/O2) to 600 m. 2 nd Intern. Symposium Underwater<br />

Technology, 15 th /16 th June 1987, Geesthacht.<br />

[1-10] Hamilton, R.W., J. Vollbrandt, J. Holthaus, M. Heineke and M. Kühns: GUSI´s capability<br />

for developing decompresson techniques. 2nd Intern. GUSI Symposium Underwater<br />

Technology, 15 th /16 th June 1987, Geesthacht.<br />

3


[1-11] Schmidt, K., W. Schnegelsberg, and G. Völtzer: Safety experiences from GUSI deep dive<br />

operation. 2 nd International GUSI-Symposium Unterwater Technology, 15 th /16 th June 1987,<br />

Geesthacht.<br />

[1-12] Boie, H., K. Schmidt and W. Schnegelsberg: Welding pollution within the atmosphere of<br />

an underwater simulator. 20 th Annual Offshore Technical Conference (OTC 88), 2 nd – 5 th<br />

May 1988, Houston (Texas).<br />

[1-13] Luther, G., P. B. Bennett, W. Elsner, J. Holthaus, H.-G. Schafstall, K. Schmidt and J.<br />

Vollbrandt: Efficiency of working divers in depths down to 600 m. 20 th Offshore Technical<br />

Conference (OTC 88), 2 nd – 5 th May 1988, Houston (Texas).<br />

[1-14] Vollbrandt, J., and M. Kühns: A complex data acquisition system as a handy tool in R&D<br />

of underwater techniques. Proc. of the European Telemetry Conference in Garmisch-<br />

Partenkirchen, Germany, 10 th – 12 th June 1986.<br />

[1-15] Kipp, P. R., G. Kozik, J. Vollbrandt, K. Harms and K. Wilke: Experiences with the diver<br />

communication during GUSI deep saturation dives. Proc. Subsea ´86 – Intern. Conference,<br />

9 th /10 th December 1986.<br />

4


2 Entwicklung und Bedeutung der <strong>Unterwasser</strong>-<br />

Schweißtechnik<br />

2.1 Allgemeines<br />

Das Schweißen ist seit jeher eines der sichersten und dauerhaftesten Fügeverfahren. Dies gilt<br />

gleicher Weise auch für die Anwendung unter Wasser. Die hierfür eingesetzten Verfahrensweisen<br />

und Prozesse stellen eine Weiterentwicklung der für den Einsatz unter atmosphärischen<br />

Bedingungen entwickelten Schweißverfahren dar. Man unterscheidet manuelles und mechanisches<br />

Schweißen unter Überdruck (hyperbares Schweißen), wobei im Besonderen die Umgebungsbedingungen<br />

mit berücksichtigt werden müssen: hyperbares Schweißen in nasser Umgebung oder<br />

in trockener Gasatmosphäre.<br />

Schweißarbeiten unter Wasser wurden in den späten siebziger und frühen achtziger Jahren als<br />

Instandsetzungstechnik an Offshore-Strukturen und zu deren Lebensdauerverlängerung überwiegend<br />

im Golf von Mexiko als nasses Schweißverfahren eingesetzt. Bei den amerikanischen<br />

Unternehmen hatte sich diese Technik auf einer „Fitness-for-purpose“-Grundlage wegen der<br />

moderaten klimatischen Bedingungen selbst mit den damals erzielbaren begrenzten mechanischtechnologischen<br />

Eigenschaften der Schweißnähte durchgesetzt. Schließlich wurden diese Schweißungen<br />

an Stahlkonstruktionen mit verhältnismäßig geringen Festigkeitseigenschaften, niedrigem<br />

Kohlenstoffgehalt und niedrigem Kohlenstoffäquivalent in geringen Wassertiefen genutzt. Die zu<br />

damaliger Zeit einzige vorhandene Spezifikation, nach deren Vorgaben diese Schweißarbeiten<br />

ausgeführt wurden, war die „Specification for Underwater Welding D 3.6-89“ der American<br />

Welding Society (AWS). Es waren weder Informationen über die erzielbaren Zähigkeitseigenschaften<br />

nasser Schweißungen noch über das Verhalten derartiger Verbindungen unter dauerhafter<br />

wechselnder Belastung vorhanden. An die Ermittlung derartiger Nahteigenschaften war bislang<br />

nicht gedacht worden. Auch war die Berücksichtigung solcher Werte in den nationalen und<br />

internationalen Normen und Richtlinien nicht vorgesehen. Traten starke Wirbelstürme in entsprechenden<br />

Gebieten der USA auf, waren größere Schäden an den Plattformen oder Strukturen<br />

auch durch besonders hohe Nahtqualitäten nicht vermeidbar, so dass man mit den gegebenen Herstellungsmöglichkeiten<br />

und zu den beachtenden Entwurfskriterien zu <strong>Unterwasser</strong>schweißungen<br />

durchaus zufrieden war.<br />

Anders sah es dagegen in den europäischen Offshore-Feldern aus. Die hier installierten Plattformen<br />

und Strukturen waren wegen wesentlich härteren klimatischen Bedingungen aus höherfesten<br />

Stählen ausgeführt, um den hohen Beanspruchungen durch Klima, Wind und Wellen Stand<br />

zu halten. Geschweißt wurde deshalb nur in trockener hyperbarer Atmosphäre, was für die Durchführung<br />

der Schweißarbeiten mit erheblich höheren Kosten verbunden war. Nasse Schweißungen<br />

wurden nicht einmal in Erwägung gezogen.<br />

In Europa galten die nassen Schweißungen in den siebziger Jahren als Schweißarbeiten von<br />

äußerst geringer Qualität (sehr geringe mechanisch-technologische Eigenschaften), hoher Härte<br />

und hoher Wasserstoffkontamination in Schweißgut und Wärmeeinflusszone mit extremer<br />

Neigung zu Wasserstoff induzierter Kaltrissbildung und hoher Porosität. Dies war der Grund,<br />

weshalb europäische Ölgesellschaften keine gute Meinung zur Qualität nasser Schweißungen<br />

hatten. Deshalb wurde die Möglichkeit eines Einsatzes nasser Schweißinstandsetzungen, zum<br />

Beispiel an Nordsee-Plattformen und -Strukturen, nicht in Erwägung gezogen, zumal viele derartige<br />

Konstruktionen wegen der hohen Beanspruchung aus höherfesten Stählen oder sogar aus<br />

5


Feinkornbaustählen (zum Beispiel Pipeline-Rohre) gefertigt waren. Die in den norwegischen<br />

Offshore-Feldern maßgeblich beteiligte Klassifikationsgesellschaft lehnte zu damaliger Zeit nasse<br />

Schweißungen selbst als Heftschweißungen für Opferanoden an Plattformkonstruktionen kategorisch<br />

ab.<br />

Da die Forschungsarbeiten auf dem Gebiet des nassen Schweißens in Europa in den achtziger<br />

Jahren von vornherein abgelehnt wurden, ohne sich zu bemühen, das Verfahren durch intensive<br />

Forschung zu verbessern und zu qualifizieren, griffen trotz aller negativen Einflüsse die drei<br />

internationalen Partner (Firma Comex Services, Marseille, das Institut für Schiffbau der<br />

Universität Hamburg und das GKSS-Forschungszentrum) mit zwei umfangreichen gemeinsamen<br />

Forschungsprogrammen das nasse Schweißen mit ferritischen Stabelektroden auf, begannen es<br />

weiter zu entwickeln und die erzielbaren Nahtqualitäten denen trockener hyperbar geschweißter<br />

Verbindungen anzugleichen. Obwohl die Forschungsergebnisse die Qualität nasser Schweißverbindungen<br />

und bemerkenswerte Festigkeitseigenschaften nachgewiesen hatten, erfolgte nur sehr<br />

verhalten und in ganz kleinen Schritten ein vorsichtiges Umdenken bei den verantwortlichen<br />

Konstrukteuren und Abnahmegesellschaften in Europa – ein Umdenkprozess, der auch nach mehr<br />

als zwanzig Jahren in europäischen Offshore-Bereichen und Inlandgewässern immer noch nicht<br />

abgeschlossen ist.<br />

Zur Reduzierung der Taucherbelastung und zur Steigerung der Qualität der Arbeitsergebnisse<br />

unter Wasser waren zudem in den achtziger Jahren weltweit starke Bemühungen zu verzeichnen,<br />

alle unter Wasser ablaufenden Prozesse zu automatisieren. Dazu gehören auch die hyperbaren<br />

Schweißverfahren. Erste Schritte zur Mechanisierung der Schweißarbeiten in trockener<br />

Atmosphäre wurden erfolgreich abgeschlossen, wobei der Taucher nur noch assistierend tätig sein<br />

musste. Das Ergebnis waren hyperbar einsetzbare Orbitalsysteme, die überwiegend das WIG-<br />

Schweißen als Fügeverfahren einsetzten.<br />

Auch auf diesem Forschungsgebiet waren die Arbeiten am GKSS-Forschungszentrum richtungweisend,<br />

indem man auch hier intensive Untersuchungen zum mechanischen hyperbaren<br />

Schweißen initiierte und erfolgreich durchführte. Darunter fielen auch Entwicklungen zum nassen<br />

Fülldrahtschweißen: sie eröffneten auch hier Möglichkeiten zur Mechanisierung des nassen<br />

Schweißverfahrens. Es ist jedoch derzeit nicht abzusehen, ob der Taucher durch automatische<br />

Arbeitsprozesse ersetzt werden wird, wobei sich dann gleichzeitig größere Einsatztiefen als bisher<br />

wirtschaftlich erschließen ließen.<br />

Um mit dem damaligen internationalen Endwicklungstrend mithalten zu können, waren auch langfristig<br />

angelegte Forschungsprogramme für Grundlagenuntersuchungen und Entwicklungsarbeiten<br />

zum hyperbar trockenen Schweißen unbedingt erforderlich.<br />

2.2 Schweißen in nasser Umgebung (nasse und halbnasse Verfahren)<br />

Nachdem Anfang bis Mitte der achtziger Jahre das <strong>Unterwasser</strong>schweißen sich fast ausschließlich<br />

auf das trockene Schweißen in hyperbarer Gasatmosphäre konzentrierte und hiermit qualitativ<br />

hochwertige Schweißverbindungen erzielt wurden, gelang durch intensive multilaterale Forschungsaktivitäten<br />

dem GKSS-Forschungszentrum, auch beim nassen Schweißen abnahmefähige<br />

und qualifizierbare Verbindungsnähte in reproduzierbarer Qualität herzustellen.<br />

Das nasse Schweißen wird mehr als jedes andere Schweißverfahren von den Umgebungsbedingungen,<br />

unter denen es abläuft, beeinflusst. Dieses war und ist auch heute noch das größte<br />

6


Hindernis zur Überwindung bestehender Vorurteile gegen den Bestand des Verfahrens als anerkanntes<br />

Instandsetzungs- und Fertigungsverfahren. Die maßgeblichen Vorbehalte sind:<br />

– die Dissoziation des den Lichtbogen umgebenden Wassers in Wasserstoff und Sauerstoff und<br />

die damit verbundene Wasserstoffschädigung des Schweißguts,<br />

– der Abbrand von Legierungselementen durch den freigesetzten Sauerstoff,<br />

– die hohe Abkühlgeschwindigkeit des Schweißgutes und die damit verbundene hohe Härte,<br />

– der Einfluss der Wassertiefe auf die Porosität des Schweißgutes, der die Einsatztiefe des Verfahrens<br />

zurzeit noch auf den Flachwasserbereich (Wassertiefe etwa 50 bis 80 m) begrenzt,<br />

– die Überwindung der bei Konstrukteuren vorhandenen Vorurteile gegen vermeintlich verminderte<br />

mechanisch-technologische Eiegnschaften der Naht und fehlende Akzeptanz des Verfahrens<br />

trotz umfangreicher, fundierter Forschungsergebnisse,<br />

– vermeintlich fehlende Auswahl von Schweißzusätzen,<br />

– fehlende Sachkenntnis hinsichtlich schweißgerechter Konstruktionen,<br />

– fehlende Ausbildungsrichtlinien für den Bereich der konstruktiven Gestaltung der Schweißverbindung<br />

und Qualifizierung der Schweißaufsichtspersonen,<br />

– Unkenntnis der Konstrukteure über die tatsächlich auftretenden Probleme beim Schweißen unter<br />

Wasser (keine Berufserfahrung als Taucher),<br />

– Einfluss der Handfertigkeit des <strong>Unterwasser</strong>schweißers auf die Nahtqualität.<br />

Trotz dieser Vorbehalte ist das nasse Schweißen ein Verfahren, das durch folgende Vorteile ab den<br />

späten achtziger Jahren schließlich stetig an Bedeutung gewonnen hat und auch weiterhin seine<br />

Bedeutung festigen konnte:<br />

– erhebliche Kostensenkung durch direktes Instandsetzungs-/Konstruktionsschweißen im Wasser<br />

und Ausschaltung der Installation eines Habitats,<br />

– extrem schnelle Verfügbarkeit/Einsatzbereitschaft,<br />

– hohe Flexibilität und Vielseitigkeit,<br />

– reduzierte Ausfallzeiten der betroffenen Strukturen.<br />

Während der siebziger und frühen achtziger Jahre ließen auch Schweißmethoden im Ausland die<br />

verstärkte Bemühungen zur Entwicklung spezieller Nassschweißverfahren erkennen. Hierunter<br />

fallen auch die halbnassen Verfahren, bei denen der Taucher sich im Wasser befindet und die<br />

Schweißstelle in einem begrenzten trockenen Volumen liegt. Der Schweißprozess läuft in diesem<br />

Kleinvolumen ab.<br />

Eine Vielzahl von ernsthaften Überlegungen konzentrierte sich international auch auf die Entwicklung<br />

von vollmechanisierten Schweißverfahren mit speziellen Schutzdüsen, um den Lichtbogen<br />

und den Bereich des Schmelzbades trocken zu halten. Hierzu zählten um die Kontaktdüse<br />

angeordnete, feste und rotierende Drahtbürsten, deren innerer Bereich durch ein Zusatzgas<br />

wasserfrei geblasen wurde. Eine andere Version war die so genannte Wasservorhangdüse, die aus<br />

ringförmig angeordneten Öffnungen um den Lichtbogen/die Kontaktdüse einen Wasservorhang<br />

erzeugte und durch zusätzliches Schutzgas im Inneren der Wasserkaverne einen trockenen Raum<br />

schuf.<br />

Eine weitere Variante ist aus China bekannt, die über einen Gummibalg, der an der Taucherbrille<br />

befestigt war, Bild 2-1, und in den durch den Mantel eine Stabelektrode in den wasserfrei geblasenen<br />

Innenraum des Maskenvorsatzes geführt wurde, um so die Schweißung in trockener<br />

Kaverne herstellen zu können.<br />

In Finnland wurde Anfang bis Mitte der achtziger Jahre die Idee des Nassschweißens unter einer<br />

Wachsabdeckung publiziert, wobei der Lichtbogen nach dem Zünden mit einem etwa Ziegelstein<br />

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großem Wachsblock abgedeckt wurde und die Stabelektrode seitlich durch das Wachs geführt<br />

werden musste. Mit der einen Hand war die Stabelektrode zu führen, mit der anderen wurde der<br />

Wachsblock gehalten und nachgeführt. Hier handelt es sich um einen „Blindschweißvorgang“, da<br />

dem Taucher keinerlei Möglichkeit zur Beobachtung des Lichtbogens hat.<br />

8<br />

Bild 2-1. Maskenvorsatz (rechts) zum<br />

nassen Schweißen mit Stabelektrode<br />

in einer trockenen Kaverne, links die<br />

Tauchermaske mit Adapterflansch.<br />

(China-Design), der rechte untere<br />

dunkle Teil dient zur Abdichtung des<br />

Vorsatzes gegen das Blech.<br />

Diese Bemühungen scheiterten schließlich, weil die Verfahren für Auftragschweißungen zwar<br />

geeignet, für konstruktive Schweißungen (V-Nähte, Kehlnähte) aber viel zu schwierig anzuwenden<br />

waren. Außerdem war die wichtigste Voraussetzung zum nassen Schweißen nicht erfüllt:<br />

es war dem die Vorrichtung (Düse, Wachsblock usw.) bedienenden Schweißer nicht möglich, den<br />

Lichtbogen und das Schmelzbad zu beobachten. Dieses ist jedoch eine Grundvoraussetzung für die<br />

Erstellung einer hochwertigen Schweißverbindung. Die Installation einer Kamera im Bereich des<br />

Lichtbogens war nicht möglich, da das vorhandene jeweilige Kavernenvolumen zu klein und die<br />

Abstände zum Lichtbogen zu gering waren, so dass eine handhabbare Optik hier nicht zu<br />

installieren war. Diese Optik musste abdunkelbar sein, damit die intensive Lichtbogenstrahlung die<br />

Linsen nicht zerstörte. Die Anbringung einer Kameraoptik außerhalb der Düse machte deshalb<br />

keinen Sinn, da sowohl der Wasservorhang als auch die aus der Kaverne austretenden Gasblasen<br />

einen derart intensiven Wasser- und Blasenschleier um die gesamte Düse erzeugten, die eine Sicht<br />

auf den Lichtbogen vollständig unmöglich machte. Deshalb haben sich diese Düsen im Offshore-<br />

Bereich nicht durchgesetzt.<br />

Anfang der neunziger Jahre hatte das Welding Institute (TWI) aus England ein Fülldrahtschweißsystem<br />

zum nassen Schweißen vom Paton-Institut, Kiew, erworben und Forschungsarbeiten zur<br />

Weiterentwicklung des Verfahrens aufgenommen. Dieses Verfahren arbeitet mit einer Stromquelle,<br />

die an der Wasseroberfläche oder in trockener hyperbarer Atmosphäre betrieben wird und<br />

mit einer Drahtfördereinrichtung verbunden ist, die sich in direkter Nähe des <strong>Unterwasser</strong>schweißers<br />

befindet. Die Besonderheit dieses Verfahrens ist der vollständig nasse Betrieb der<br />

Fördereinheit; selbst die Schweißdrahtspule befindet sich ständig im Wasser und ist so den Korrosionsangriffen,<br />

zum Beispiel durch das umgebende Salzwasser, permanent ausgesetzt.<br />

Dadurch wird sich bei un- und niedriglegierten Schweißzusätzen sehr schnell die Oberfläche mit<br />

Flugrost überziehen, der beim Durchlaufen des Drahtes durch die Kontaktdüse in der Schweißpistole<br />

erfahrungsgemäß sehr schnell zum Verstopfen und zur Blockierung des Drahttransports<br />

führt. Bei eingeschaltetem Schweißstrom wird der stockende Draht innerhalb der Förderseele so<br />

heiß, dass er zumindest in der Stromkontaktdüse, meist jedoch auch in der Drahtförderseele<br />

festbrennt. Ein weiteres Schweißen ist dann nicht mehr möglich. Im Jahr 2011 veröffentlichte das<br />

TWI seinen ersten Forschungsbericht als gekürzte Mitteilung [2-1].


Im Oktober 2010 [2-2] wurde von einem Schweißverfahren (Nepsys-Verfahren) berichtet, das in<br />

Australien erprobt und patentiert wurde und nach Aussagen der Entwickler wesentlich einfacher<br />

als bisherige Nassschweißverfahren zu handhaben ist; weiterhin ist es kostengünstiger als alle<br />

anderen bekannten <strong>Unterwasser</strong>schweißverfahren und soll dabei wesentlich bessere Schweißergebnisse<br />

als das bisherige international eingesetzte Nassschweißverfahren erzielen.<br />

Bild 2-2. Schweißen mit dem<br />

Kleinsthabitat. Deutlich erkennbar<br />

sind die übereinander angeordneten<br />

„Schweißsocken“, durch die<br />

jeweils die Elektrode über eine<br />

verschraubbare Stopfbuchse in das<br />

Habitat eingeführt wird (Werkbild:<br />

Neptune Marine Service,<br />

Australien [2-2]).<br />

Bei diesem Verfahren befindet sich der Taucher im Wasser, die Instandsetzungsstelle wird örtlich<br />

von einer kleinen mit Gas gefüllten Kammer umschlossen, Bild 2-2. Die Elektrode wird durch eine<br />

„Schweißsocke“ in die kleine durchsichtige Kammer geführt und gezündet. Bei der Elektrode<br />

handelt es sich um einen Spezialzusatzwerkstoff, dessen Mantel mit einer Wachsschicht gegen das<br />

Umgebungswasser geschützt wird. Der Innenraum des Kleinhabitats wird ständig mit Argon geflutet,<br />

um die trockene, hyperbare Atmosphäre aufrecht zu erhalten.<br />

Das Habitat wird mit justierbaren Dichtungen, Saugnäpfen, Magneten bzw. Riemen an Ort und<br />

Stelle befestigt und bildet nach dem Einblasen des Schutzgases (Argon) einen wasserfreien<br />

Bereich, in dem das Schweißen durchgeführt wird. Der <strong>Unterwasser</strong>schweißer blickt durch die<br />

durchsichtig gestaltete Habitatwand auf den Lichtbogen.<br />

Nach den vorliegenden Veröffentlichungen sollen sehr gute Schweißergebnisse erzielt worden<br />

sein, die die üblichen mechanisch-technologischen Eigenschaften einer vergleichbaren nass geschweißten<br />

Naht wesentlich übertreffen sollen. Es ist bisher jedoch nicht klar herausgestellt<br />

worden, wie Dichtungsprobleme, zum Beispiel bei Kehlnahtverbindungen oder bei V-Nähten, am<br />

Anfang und Ende des Kleinhabitats beseitigt werden. Eine saubere Abdichtung des Habitats gegen<br />

ebene Flächen ist zweifelsfrei problemlos zu erzielen. Die Abdichtung einer Stufe bei einer<br />

Kehlnaht oder eine offene V-Nahtfuge wirft erheblich größere Schwierigkeiten auf. Auch über die<br />

Abdichtung eines Wurzelspaltes, selbst wenn er mit einer Badsicherung versehen ist, lässt das<br />

immer nachströmende Kammergas Argon entweichen und führt zumindest zu erheblichen Gaskosten.<br />

Das Schweißen in trockener hyperbarer Gasatmosphäre führt verfahrensbedingt zu starker<br />

Schweißrauchbildung und schwächt erheblich die unbedingt erforderliche exakte Sicht auf die<br />

Schweißfuge und den Lichtbogen. Die Elektrode kann bei diesem Verfahren nur mit einer Hand<br />

geführt werden, was vermuten lässt, dass sich das Nahtbild wesentlich rauer und ungleichmäßiger<br />

ausbilden wird, als man es bei dem üblichen nassen Schweißen mit Stabelektrode erwartet kann.<br />

Es bleibt auch die Frage unbeantwortet, wie möglicherweise Schweißfehler (beispielsweise<br />

Schlackeneinschlüsse, Bindefehler, zu große Nahtüberhöhung) im laufenden Schweißbetrieb<br />

beseitigt werden können, wenn das Kleinhabitat montiert ist. Auch erscheint als sehr schwierig,<br />

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