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Al Ard Magazin Ausgabe 8

Das Arabisch/Deutsche Kulturmagazin

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34<br />

شجاعة بال حدود Grenzenloser Mut أدوالتشفي تحكم Überschrift<br />

35<br />

Von den einen verehrt, von den anderen gehasst:<br />

Das „Zentrum für politische Schönheit“ provoziert<br />

mit radikaler Aktionskunst – und hält den Protest in<br />

Deutschland für mutlos.<br />

Soll Kunst schön sein und dem ästhetischen Genuss<br />

dienen, oder soll sie Menschen aufrütteln und in Bewegung<br />

setzen? Eine Frage, so alt wie die Kunst selbst,<br />

aber Philipp Ruchs Antwort ist eindeutig. „Was stattfindet<br />

in Deutschland ist ein platonischer Protest“, erklärt<br />

er in einem Interview mit dem WDR. Online-Petition<br />

und Mahnwachen bezeichnet er als „kostenlosen Gratismut“.<br />

Kunst, zumindest wenn sie politisch ist, muss<br />

Widerstand ist eine Kunst,<br />

die weh tun,<br />

reizen und verstören muss. “<br />

seiner Meinung nach „weh tun, reizen und verstören“.<br />

Das Ganze nennt er „aggressiven Humanismus“. Diesen<br />

Gedanken des Muts zur Grenzüberschreitung<br />

muss man sich vor Augen halten, um das „Zentrums<br />

für politische Schönheit“ (ZPS) zu verstehen.<br />

Das Künstlerkollektiv wurde von Philipp Ruch 2009 ins<br />

Leben gerufen. Es will mit Aktionskunst Menschenrechtsverletzungen<br />

in unser Bewusstsein rücken. Ruch<br />

und seine Truppe machen das mit einer ungeahnten<br />

Kreativität und einer solchen moralischen Bedingungslosigkeit,<br />

dass es als politisch interessierter Mensch<br />

unmöglich ist, ihnen gleichgültig gegenüberzustehen.<br />

Die Aufmerksamkeit der Medien war den Aktionskünstlern<br />

in den vergangenen Jahren jedenfalls sicher.<br />

Schon seit 2009 machte das ZPS Schlagzeilen, der<br />

Durchbruch aber kam zum 25. Jahrestag des Berliner<br />

Mauerfalls. Die Aktivisten montierten Gedenkkreuze für<br />

Menschen ab, die einst versucht hatten über die Mauer<br />

zu fliehen und von den Grenzwächtern der DDR erschossen<br />

worden waren. Dann veröffentlichte das ZPS<br />

Fotos, die Nachbildungen der Kreuze zusammen mit<br />

Flüchtlingen an der europäischen Außengrenze zeigten.<br />

Die Botschaft: Die einen wollten raus, die anderen<br />

rein, Tote gab es beide male. Die Provokation, wie auch<br />

die Empörung war gewaltig. Nur vordergründig ging<br />

es um die Entweihung eines Gedenkortes – die Kreuze<br />

wurden später renoviert zurückgegeben. Die Empörung<br />

drehte sich um die Gleichsetzung der DDR-Tötungspraktiken<br />

mit der scheinbaren Gleichgültigkeit<br />

der Bundesregierung gegenüber den Todesopfern im<br />

Mittelmeer. Mit der menschenrechtswidrigen DDR,<br />

der man sich bis heute moralisch überlegen fühlt auf<br />

eine Stufe gestellt zu werden – das tat weh.<br />

Doch das war nur der erste Streich. Im Juni 2015<br />

exhumierte das ZPS verstorbene Flüchtlinge an der<br />

EU-Außengrenze, flog die Leichen nach Berlin und<br />

bestattete sie hier nach islamischer Tradition. Später<br />

behaupteten die Aktivisten, weitere Tote vor dem<br />

Bundeskanzleramt beerdigen zu wollen. 5000 Menschen<br />

stürmten bei der Aktion den Rasen vor dem<br />

Sitz der Bundeskanzlerin und buddelten symbolische<br />

Gräber.<br />

GRENZENLOSER<br />

Diese Kreuze wurden an den Todesstreifen Melilla<br />

in Marokko, gebracht um an die Menschen<br />

von heute zu gedenken, die im Namen der Sicherung<br />

der EU-Außengrenzen im Mittelmeer<br />

sterben.<br />

تم جلب هذه الصلبان إلى شريط<br />

الموت مليلة ، المغرب ، إلحياء<br />

‏.ذكرى الموتى اليوم<br />

MUTARTIKEL PETER SCHRAEDER<br />

FOTOS ZENTRUM FÜR POLITISCHE SCHÖNHEIT<br />

<strong>Al</strong> <strong>Ard</strong> 03/18<br />

<strong>Al</strong> <strong>Ard</strong> 03/18

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