Al Ard Magazin Ausgabe 8
Das Arabisch/Deutsche Kulturmagazin
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شجاعة بال حدود Grenzenloser Mut أدوالتشفي تحكم Überschrift<br />
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Von den einen verehrt, von den anderen gehasst:<br />
Das „Zentrum für politische Schönheit“ provoziert<br />
mit radikaler Aktionskunst – und hält den Protest in<br />
Deutschland für mutlos.<br />
Soll Kunst schön sein und dem ästhetischen Genuss<br />
dienen, oder soll sie Menschen aufrütteln und in Bewegung<br />
setzen? Eine Frage, so alt wie die Kunst selbst,<br />
aber Philipp Ruchs Antwort ist eindeutig. „Was stattfindet<br />
in Deutschland ist ein platonischer Protest“, erklärt<br />
er in einem Interview mit dem WDR. Online-Petition<br />
und Mahnwachen bezeichnet er als „kostenlosen Gratismut“.<br />
Kunst, zumindest wenn sie politisch ist, muss<br />
Widerstand ist eine Kunst,<br />
die weh tun,<br />
reizen und verstören muss. “<br />
seiner Meinung nach „weh tun, reizen und verstören“.<br />
Das Ganze nennt er „aggressiven Humanismus“. Diesen<br />
Gedanken des Muts zur Grenzüberschreitung<br />
muss man sich vor Augen halten, um das „Zentrums<br />
für politische Schönheit“ (ZPS) zu verstehen.<br />
Das Künstlerkollektiv wurde von Philipp Ruch 2009 ins<br />
Leben gerufen. Es will mit Aktionskunst Menschenrechtsverletzungen<br />
in unser Bewusstsein rücken. Ruch<br />
und seine Truppe machen das mit einer ungeahnten<br />
Kreativität und einer solchen moralischen Bedingungslosigkeit,<br />
dass es als politisch interessierter Mensch<br />
unmöglich ist, ihnen gleichgültig gegenüberzustehen.<br />
Die Aufmerksamkeit der Medien war den Aktionskünstlern<br />
in den vergangenen Jahren jedenfalls sicher.<br />
Schon seit 2009 machte das ZPS Schlagzeilen, der<br />
Durchbruch aber kam zum 25. Jahrestag des Berliner<br />
Mauerfalls. Die Aktivisten montierten Gedenkkreuze für<br />
Menschen ab, die einst versucht hatten über die Mauer<br />
zu fliehen und von den Grenzwächtern der DDR erschossen<br />
worden waren. Dann veröffentlichte das ZPS<br />
Fotos, die Nachbildungen der Kreuze zusammen mit<br />
Flüchtlingen an der europäischen Außengrenze zeigten.<br />
Die Botschaft: Die einen wollten raus, die anderen<br />
rein, Tote gab es beide male. Die Provokation, wie auch<br />
die Empörung war gewaltig. Nur vordergründig ging<br />
es um die Entweihung eines Gedenkortes – die Kreuze<br />
wurden später renoviert zurückgegeben. Die Empörung<br />
drehte sich um die Gleichsetzung der DDR-Tötungspraktiken<br />
mit der scheinbaren Gleichgültigkeit<br />
der Bundesregierung gegenüber den Todesopfern im<br />
Mittelmeer. Mit der menschenrechtswidrigen DDR,<br />
der man sich bis heute moralisch überlegen fühlt auf<br />
eine Stufe gestellt zu werden – das tat weh.<br />
Doch das war nur der erste Streich. Im Juni 2015<br />
exhumierte das ZPS verstorbene Flüchtlinge an der<br />
EU-Außengrenze, flog die Leichen nach Berlin und<br />
bestattete sie hier nach islamischer Tradition. Später<br />
behaupteten die Aktivisten, weitere Tote vor dem<br />
Bundeskanzleramt beerdigen zu wollen. 5000 Menschen<br />
stürmten bei der Aktion den Rasen vor dem<br />
Sitz der Bundeskanzlerin und buddelten symbolische<br />
Gräber.<br />
GRENZENLOSER<br />
Diese Kreuze wurden an den Todesstreifen Melilla<br />
in Marokko, gebracht um an die Menschen<br />
von heute zu gedenken, die im Namen der Sicherung<br />
der EU-Außengrenzen im Mittelmeer<br />
sterben.<br />
تم جلب هذه الصلبان إلى شريط<br />
الموت مليلة ، المغرب ، إلحياء<br />
.ذكرى الموتى اليوم<br />
MUTARTIKEL PETER SCHRAEDER<br />
FOTOS ZENTRUM FÜR POLITISCHE SCHÖNHEIT<br />
<strong>Al</strong> <strong>Ard</strong> 03/18<br />
<strong>Al</strong> <strong>Ard</strong> 03/18