Personalrat und Mitbestimmung | Ausgabe 1|2019

Praxiswissen für die Gremienarbeit im öffentlichen Dienst Praxiswissen für die Gremienarbeit im öffentlichen Dienst

22.02.2019 Aufrufe

Personalrat und Mitbestimmung online unter: permi-web.de 1. JAHRGANG ISSN 2626-3858 praxiswissen für die gremienarbeit im öffentlichen dienst 1 | 2019 5 Fragen zur Brückenteilzeit | Seite 2 kettenbefristungen Was der Personalrat tun kann | Seite 3 Überblick: Beteiligung der Personalräte in den Jobcentern | Seite 6 Rechtsprechung: Zustimmungsverweigerung (un)beachtlich? | Seite 7 Rechtsprechung: Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung | Seite 8 } Exklusiv für Sie als Abonnent: Ihre Online- Datenbank unter www.permi-web.de Das müssen Sie jetzt wissen Carolin Thomsen, Volljuristin, Bund-Verlag stärkung der pflege Seit 1. Januar 2019 ist das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz in Kraft. Ein Milliardenpaket für bessere Arbeitsbedingungen gegen die Personalnot in der Pflege. Das Gesetz sieht 13.000 neue Stellen in der Altenpflege vor – die Krankenkassen sollen finanzieren. In den Krankenhäusern wird eine Mindestpersonalausstattung angestrebt. stufenzuordnung Einschlägige Berufserfahrung aus vorherigen befristeten Beschäftigungsverhältnissen ist bei der Stufenzuordnung nach TVöD zu berücksichtigen – jedenfalls wenn die/der Beschäf tigte spätestens 6 Monate darauf eine gleichartige Tätigkeit aufnimmt (BAG 6.9.2018 – 6 AZR 836/16, Pressemitteilung Nr. 42/18). tarifverhandlungen tv-l Die Einkommensrunde mit den Ländern zum TV-L startet am 21. Januar 2019. Direkt betrifft sie die Tarifbeschäftigten der Länder. Auf weitere Beamte und Versorgungsempfänger in Ländern und Kommunen soll der Abschluss übertragen werden, um den Gleichklang der finanziellen Entwicklung im öffentlichen Dienst zu sichern.

<strong>Personalrat</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Mitbestimmung</strong><br />

online unter:<br />

permi-web.de<br />

1. JAHRGANG<br />

ISSN 2626-3858<br />

praxiswissen für die gremienarbeit<br />

im öffentlichen dienst 1 | 2019<br />

5 Fragen zur Brückenteilzeit | Seite 2<br />

kettenbefristungen<br />

Was der <strong>Personalrat</strong> tun kann | Seite 3<br />

Überblick: Beteiligung der Personalräte<br />

in den Jobcentern | Seite 6<br />

Rechtsprechung: Zustimmungsverweigerung<br />

(un)beachtlich? | Seite 7<br />

Rechtsprechung: Anordnung einer<br />

amtsärztlichen Untersuchung | Seite 8<br />

} Exklusiv für Sie als Abonnent: Ihre Online-<br />

Datenbank unter www.permi-web.de<br />

Das müssen Sie jetzt wissen<br />

Carolin Thomsen,<br />

Volljuristin, B<strong>und</strong>-Verlag<br />

stärkung der pflege<br />

Seit 1. Januar 2019 ist das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz<br />

in<br />

Kraft. Ein Milliardenpaket für<br />

bessere Arbeitsbedingungen<br />

gegen die Personalnot in der<br />

Pflege. Das Gesetz sieht 13.000<br />

neue Stellen in der Altenpflege<br />

vor – die Krankenkassen sollen<br />

finanzieren. In den Krankenhäusern<br />

wird eine Mindestpersonalausstattung<br />

angestrebt.<br />

stufenzuordnung<br />

Einschlägige Berufserfahrung<br />

aus vorherigen befristeten<br />

Beschäftigungsverhältnissen<br />

ist bei der Stufenzuordnung<br />

nach TVöD zu berücksichtigen –<br />

jedenfalls wenn die/der Beschäf<br />

tigte spätestens 6 Monate<br />

darauf eine gleichartige Tätigkeit<br />

aufnimmt (BAG 6.9.2018 –<br />

6 AZR 836/16, Pressemitteilung<br />

Nr. 42/18).<br />

tarifverhandlungen tv-l<br />

Die Einkommensr<strong>und</strong>e mit den<br />

Ländern zum TV-L startet am<br />

21. Januar 2019. Direkt betrifft<br />

sie die Tarifbeschäftigten der<br />

Länder. Auf weitere Beamte<br />

<strong>und</strong> Versorgungsempfänger<br />

in Ländern <strong>und</strong> Kommunen<br />

soll der Abschluss übertragen<br />

werden, um den Gleichklang<br />

der finanziellen Entwicklung im<br />

öffentlichen Dienst zu sichern.


aktuelles<br />

INFORMATIONSDIENST 1 | 2019<br />

5 Fragen zur Brückenteilzeit<br />

teilzeitrecht Seit 1. Januar gibt es den neuen Anspruch auf Brückenteilzeit.<br />

Er soll Schluss machen mit dem Motto »Einmal Teilzeit, immer Teilzeit«.<br />

Vor allem Frauen mit Kind(ern) stecken oft in der Teilzeitfalle.<br />

HINTERGRUND<br />

Dauerhaft in Teilzeit<br />

Beschäftigte sind<br />

häufig von Altersarmut<br />

bedroht. Für<br />

ihre Rente ist das<br />

Rückkehrrecht in<br />

Vollzeit besonders<br />

wichtig.<br />

WICHTIG<br />

Wer auf bestimmte<br />

Zeit in Teilzeit arbeiten<br />

will, muss sich<br />

festlegen. Während<br />

der Brückenteilzeit<br />

ist kein weiteres<br />

Verringern, Erhöhen<br />

oder eine<br />

vorzeitige Rückkehr<br />

zur ursprünglich<br />

vertraglich vereinbarten<br />

Arbeitszeit<br />

möglich. Hierdurch<br />

soll der Arbeitgeber<br />

Sicherheit bei der<br />

Personalplanung<br />

erhalten.<br />

1. Was ist unter dem Begriff Brückenteilzeit<br />

konkret zu verstehen?<br />

Im Teilzeit- <strong>und</strong> Befristungsgesetz (TzBfG)<br />

wurde mit § 9 a ein Rechtsanspruch auf die<br />

sog. »Brückenteilzeit« geschaffen. Das bedeutet,<br />

dass die Beschäftigten nach einer<br />

von vorneherein befristeten Teilzeitphase automatisch<br />

zu ihrer ursprünglich vertraglich<br />

vereinbarten Arbeitszeit zurückkehren. Die<br />

Brückenteilzeit ist nicht an einen bestimmten<br />

Gr<strong>und</strong> geknüpft – wie etwa Kindererziehung.<br />

Solche Ansprüche nach dem Eltern- oder<br />

Pflegezeitgesetz bleiben aber bestehen. Es ist<br />

auch kein Mindestmaß an Reduktion der Arbeitszeit<br />

erforderlich, um den Anspruch geltend<br />

zu machen. Von der Brückenteilzeit profitieren<br />

daher auch Teilzeitbeschäftigte, die<br />

ihr Pensum auf Zeit weiter reduzieren wollen.<br />

2. Wann gibt es den Anspruch auf<br />

Brückenteilzeit?<br />

Der Arbeitgeber muss den Anspruch auf befristete<br />

Teilzeit gewähren, wenn die in § 9a<br />

TzBfG genannten Voraussetzungen erfüllt<br />

sind. Aber Vorsicht: Wer die Brückenteilzeit<br />

in Anspruch nimmt, kann frühestens 1<br />

Jahr nach der Rückkehr zur ursprünglichen<br />

Arbeitszeit erneut einen Antrag stellen. Es<br />

entsteht sozusagen eine Sperrfrist (vgl. § 9a<br />

Abs. 5 TzBfG).<br />

voraussetzungen<br />

··<br />

Der Arbeitgeber beschäftigt in der<br />

Regel mehr als 45 Arbeitnehmer/innen<br />

··<br />

Das Arbeitsverhältnis besteht länger<br />

als 6 Monate<br />

··<br />

Antrag in Textform (z. B. per E-Mail)<br />

3 Monate vor Beginn der Brückenteilzeit<br />

··<br />

Der im Antrag bestimmte Zeitraum<br />

liegt zwischen 1 <strong>und</strong> 5 Jahren<br />

··<br />

Keine entgegenstehenden betrieblichen<br />

Gründe<br />

··<br />

Das Gewähren der Brückenteilzeit ist<br />

für den Arbeitgeber zumutbar<br />

3. Kann der Arbeitgeber den Anspruch<br />

ablehnen?<br />

Der Arbeitgeber kann den Anspruch nur ablehnen,<br />

wenn betriebliche Gründe entgegenstehen,<br />

die die Organisation, den Arbeitsablauf<br />

oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich<br />

beeinträchtigen (§ 9 a Abs. 2 TzBfG). Darüber<br />

hinaus gibt es eine Zumutbarkeitsschwelle,<br />

wonach Arbeitgeber, die 46 bis 200 Beschäftigte<br />

haben, den Anspruch auch dann ablehnen<br />

können, wenn (je nach Unternehmensgröße)<br />

bereits eine bestimmte Anzahl von Beschäftigten<br />

ihre Arbeitszeit reduziert hat.<br />

4. Was gilt in kleinen Unternehmen<br />

mit bis zu 45 Beschäftigten?<br />

Kleinere Betriebe sind von der neuen Brückenteilzeitregelung<br />

ausgenommen, um sie<br />

bei der Personalplanung nicht zu überfordern.<br />

Sie können gleichwohl freiwillig eine<br />

befristete Teilzeit vereinbaren. Unabhängig<br />

von der Betriebsgröße besteht für alle Arbeitgeber<br />

die Verpflichtung, einen Veränderungswunsch<br />

der Arbeitszeit mit den Beschäftigten<br />

zu besprechen. An der Erörterung kann auf<br />

Wunsch der/des Beschäftigten der <strong>Personalrat</strong><br />

teilnehmen.<br />

5. Gibt es weitere Änderungen?<br />

Verbesserungen sieht das neue Teilzeitrecht<br />

auch bezüglich des Aufstockens von Arbeitszeiten<br />

vor. Will eine Teilzeitkraft aufstocken,<br />

so muss der Arbeitgeber künftig beweisen,<br />

dass er keinen entsprechenden freien Arbeitsplatz<br />

hat, oder darlegen <strong>und</strong> beweisen,<br />

dass die Teilzeitkraft nicht gleich geeignet ist<br />

wie andere Bewerber. Nach alter Rechtslage<br />

mussten die Beschäftigten beweisen, dass ein<br />

freier Arbeitsplatz vorhanden <strong>und</strong> sie selbst<br />

auch geeignet waren, die Arbeit zu übernehmen.<br />

Mit der Neuregelung erfolgt eine Umkehr<br />

der Darlegungs- <strong>und</strong> Beweislast zu Lasten<br />

der Arbeitgeber. v<br />

Dirk Lenders, Rechtsanwalt,<br />

Anwaltskanzlei Lenders Sankt Augustin.<br />

2


INFORMATIONSDIENST 1 | 2019<br />

personalratsarbeit<br />

Kettenbefristungen im<br />

öffentlichen Dienst – was tun?<br />

befristung Jeder zweite Beschäftigte im öffentlichen Dienst wird befristet eingestellt.<br />

Besonders hoch ist der Anteil an Befristungen bei den Ländern. Personalräte können<br />

helfen, den Anteil der befristeten Arbeitsverhältnisse zu reduzieren.<br />

Für Beschäftigte bedeuten Befristungen eine<br />

große Belastung. Ihnen wird jegliche Planungssicherheit<br />

verwehrt. Aber auch der Arbeitgeber<br />

verpasst eine wichtige Chance, Beschäftigte<br />

an sich zu binden.<br />

Rechtslage nach dem TzBfG<br />

Arbeitnehmer sind befristet beschäftigt, wenn<br />

die Dauer ihres Arbeitsvertrags kalendermäßig<br />

bestimmt ist oder sich aus Art, Zweck<br />

oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt<br />

(§ 3 Abs. 1 TzBfG). Die Befristung eines<br />

Arbeitsverhältnisses bedarf im Interesse der<br />

Rechtssicherheit <strong>und</strong> der Rechtsklarheit stets<br />

der Schriftform (§ 14 Abs. 4 TzBfG).<br />

Zudem ist gr<strong>und</strong>sätzlich ein sachlicher<br />

Gr<strong>und</strong> erforderlich. Als sachlichen Gr<strong>und</strong> erkennt<br />

das TzBfG u. a. an, wenn:<br />

rechtsprechung<br />

Das sagen<br />

die Gerichte:<br />

Von dem gesetzlichen Gr<strong>und</strong>satz, dass eine<br />

Befristung ohne Sachgr<strong>und</strong> nur einmal<br />

zulässig ist, machte das BAG lange Zeit<br />

eine Ausnahme – immer wenn die vorherige<br />

Beschäftigung mehr als drei Jahre<br />

zurück lag. Ein Machtwort des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts<br />

setzte dieser Praxis<br />

ein Ende: Ein Abweichen vom Vorbeschäftigungsverbot<br />

ist nur in engen Grenzen<br />

zulässig. Denkbare Ausnahmen sind<br />

beispielsweise vorherige geringfügige Beschäftigungen<br />

während der Studien- oder<br />

Familienzeit, eine Tätigkeit als Werkstudent<br />

oder eine lange zurückliegende Vorbeschäftigung,<br />

nach der sich die betroffene<br />

Person beruflich neu orientiert hat (BVerfG<br />

6.6.2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14).<br />

• der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung<br />

nur vorübergehend besteht,<br />

• die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung<br />

oder ein Studium erfolgt, um den<br />

Übergang in eine Anschlussbeschäftigung<br />

zu erleichtern,<br />

• es sich um eine Beschäftigung zur Vertretung<br />

handelt<br />

• die Vergütung aus Haushaltsmitteln erfolgt,<br />

die haushaltsrechtlich für eine befristete<br />

Beschäftigung bestimmt sind (§ 14 Abs. 1<br />

TzBfG).<br />

Liegt ein sachlicher Gr<strong>und</strong> vor, können die<br />

Parteien auch wiederholt (<strong>und</strong> ggf. unmittelbar<br />

im Anschluss aneinander) befristete Arbeitsverträge<br />

abschließen. Die kalendermäßige<br />

Befristung eines Arbeitsvertrags ohne<br />

Vorliegen eines sachlichen Gr<strong>und</strong>es ist dagegen<br />

nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG lediglich<br />

bis zur Dauer von 2 Jahren zulässig – es sei<br />

denn, es besteht eine abweichende Regelung<br />

durch Tarifvertrag. Im öffentlichen Dienst<br />

findet häufig der Sachgr<strong>und</strong> der Vertretung<br />

Anwendung, insbesondere Elternzeitvertretungen<br />

(§ 21 BEEG).<br />

Rechtsunwirksamkeit der Befristung<br />

Die Befristung eines Arbeitsvertrags ist unzulässig,<br />

wenn die Voraussetzungen für die<br />

Befristung (Schriftform, kalendermäßige Befristung<br />

oder Sachgr<strong>und</strong>, ggf. speziellere gesetzliche<br />

Befristungsregelung) nicht vorliegen.<br />

Bei Rechtsunwirksamkeit einer Befristung<br />

tritt an die Stelle des befristeten Arbeitsverhältnisses<br />

ein unbefristetes Arbeitsverhältnis,<br />

das durch den Arbeitgeber frühestens zum<br />

vereinbarten Ende kündbar ist (§ 16 TzBfG).<br />

Die Gerichte dürfen sich bei der Befristungskontrolle<br />

nicht auf die Prüfung des geltend<br />

gemachten Sachgr<strong>und</strong>s beschränken. Sie<br />

müssen aus unionsrechtlichen Gründen ausschließen,<br />

dass Arbeitgeber missbräuchlich<br />

befristete Einstellungen vornehmen. Diese<br />

zusätzliche Prüfung verlangt eine Würdigung<br />

DEFINITION<br />

Kettenbefristung<br />

meint das mehrfache<br />

Hintereinanderschalten<br />

befristeter Arbeitsverträge,<br />

sodass<br />

Beschäftigte über<br />

Jahre hinweg nur<br />

befristet beschäftigt<br />

bleiben.<br />

HINWEIS<br />

Das Gesetz kennt<br />

keine Befristungs-<br />

Höchstdauer.<br />

Die vereinbarte<br />

Vertragsdauer muss<br />

sich aber am Sachgr<strong>und</strong><br />

der Befristung<br />

orientieren <strong>und</strong> darf<br />

diesen nicht in Frage<br />

stellen.<br />

3


personalratsarbeit<br />

INFORMATIONSDIENST 1 | 2019<br />

HINTERGRUND<br />

§ 17 Satz 2 TzBfG<br />

ordnet die entsprechende<br />

Geltung des<br />

§ 7 KSchG an: Wird<br />

die Rechtsunwirksamkeit<br />

einer Kündigung<br />

(hier dann also<br />

Befristung) nicht<br />

rechtzeitig geltend<br />

gemacht, so gilt<br />

sie als von Beginn<br />

an rechtswirksam<br />

(Fiktionswirkung).<br />

HINWEIS<br />

Änderungen der<br />

Arbeitsbedingungen<br />

in einem kalendermäßig<br />

(d.h. ohne<br />

Sach gr<strong>und</strong>) befristeten<br />

Vertrag lassen<br />

die Wirksamkeit der<br />

Befristung müssen<br />

sie unberührt,<br />

wenn sie innerhalb<br />

der Befristungsdauer<br />

erfolgen <strong>und</strong><br />

die vereinbarte<br />

Befristungsdauer<br />

unverändert bleibt.<br />

sämtlicher Umstände des Einzelfalls (gr<strong>und</strong>legend<br />

BAG, 18.7.2012 – 7 AZR 443/09).Von<br />

besonderer Bedeutung sind dabei die Gesamtdauer<br />

der befristeten Beschäftigungen<br />

sowie die Anzahl der Vertragsverlängerungen.<br />

Nachdem es in der Rechtsprechung zunächst<br />

keine konkreten Schwellenwerte gab, hat das<br />

BAG zwischenzeitlich darauf erkannt, dass<br />

eine umfassende Kontrolle in der Regel geboten<br />

ist, wenn:<br />

• die Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses<br />

8 Jahre überschreitet<br />

• das Arbeitsverhältnis mehr als 12mal<br />

verlängert wurde<br />

• das Arbeitsverhältnis länger als 6 Jahre<br />

andauert <strong>und</strong> das Vertragsverhältnis<br />

in dieser Zeit mehr als 9mal verlängert<br />

wurde (26.10.2016 – 7 AZR 135/15;<br />

21.02.2018 – 7 AZR 696/16).<br />

In diesen Fällen sind von Arbeitnehmerseite<br />

weitere Umstände vorzutragen, nach denen<br />

ein Missbrauch der Befristung anzunehmen<br />

ist. Überschreitet die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses<br />

hingegen<br />

• 10 Jahre,<br />

• 15 Vertragsverlängerungen<br />

• wurde in über 8 Jahren mehr als 12mal verlängert,<br />

ist ein Rechtsmissbrauch indiziert. Es obliegt<br />

dann dem Arbeitgeber, die Annahme eines<br />

Rechtsmissbrauchs durch das Vorbringen besonderer<br />

Gründe zu entkräften.<br />

Welche Rechte haben die Beschäftigten?<br />

Befristet Beschäftigte dürfen wegen der Befristung<br />

des Arbeitsvertrags nicht schlechter<br />

behandelt werden als vergleichbare unbefristet<br />

Beschäftigte. Um die Chancen auf einen<br />

Dauerarbeitsplatz zu verbessern, ist der Arbeitgeber<br />

verpflichtet, befristet Beschäftigte<br />

über zu besetzende unbefristete Arbeitsplätze<br />

zu informieren (§ 18 TzBfG).<br />

Wollen Beschäftigte die Unwirksamkeit<br />

der Befristung ihres Arbeitsvertrags geltend<br />

machen, müssen sie innerhalb von 3 Wochen<br />

nach dem vereinbarten Ende des befristeten<br />

Arbeitsvertrags Klage beim Arbeitsgericht<br />

erheben. Die Klagefrist wird für jede Befris-<br />

Musterformulierung für eine Befristungsregelung<br />

in Dienstvereinbarungen<br />

»Befristungen nur noch im Ausnahmefall<br />

arbeitshilfe<br />

1. Die Parteien dieser Dienstvereinbarung beschließen hiermit, dass in der Dienststelle A<br />

in Zukunft gr<strong>und</strong>sätzlich unbefristete Arbeitsverträge oder sachgr<strong>und</strong>befristete Arbeitsverträge<br />

vereinbart werden. Nur in Ausnahmefällen – <strong>und</strong> deshalb die Formulierung<br />

»gr<strong>und</strong>sätzlich« – kann ein sachgr<strong>und</strong>los befristeter Arbeitsvertrag gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG<br />

abgeschlossen werden.<br />

2. Das kann z. B. in folgenden Fällen in Frage kommen:<br />

··<br />

befristete Beschäftigung von Trainees mit Abschluss als Bachelor (EG 9) oder als Master<br />

(EG 13) zum berufsbegleitenden Erwerb der jeweiligen Laufbahnbefähigung anstelle eines<br />

Referendariats;<br />

··<br />

befristete Übernahme von Auszubildenden über das benötigte Maß hinaus, um diesen<br />

z. B. den Übergang in das Berufsleben zu erleichtern;<br />

··<br />

befristete Übernahme von Auszubildenden über das benötigte Maß hinaus, um denjenigen<br />

eine Chance zu geben, sich noch für eine Daueraufgabe zu qualifizieren, die nicht so gute<br />

Noten haben oder bei denen noch Zweifel an der persönlichen Eignung bestehen;<br />

··<br />

befristete Beschäftigung, um festzustellen, ob ein/e Kandidat/in die notwendige ges<strong>und</strong>heitliche<br />

Eignung für eine Verbeamtung aufweist bzw. noch erwirbt;<br />

··<br />

befristete Personalaufstockung in kurzfristig <strong>und</strong> kurzzeitig auftretenden Krisensituationen<br />

(z. B. zur Bewältigung der Flüchtlingskrise) zur Stärkung des vorhandenen Personals.«<br />

Diese Arbeitshilfe finden Sie online unter: www.permi-web.de<br />

4


INFORMATIONSDIENST 1 | 2019<br />

personalratsarbeit<br />

tungsabrede einzeln in Lauf gesetzt. Das bedeutet,<br />

dass jede Befristung gesondert anzugreifen<br />

ist, um die Fiktionswirkung des § 17<br />

Satz 2 TzBfG i.V.m. § 7 KSchG zu vermeiden.<br />

Wird nur Klage gegen die letzte Befristung<br />

erhoben, gelten die zuvor vereinbarten Befristungen<br />

als wirksam. Eine Befristungskontrolle<br />

des vorletzten Vertrags findet nur statt,<br />

wenn der Beschäftigte gegen die vorletzte Befristung<br />

rechtzeitig innerhalb von 3 Wochen<br />

Klage erhoben <strong>und</strong> sich in dem nachfolgenden<br />

Vertrag das Recht vorbehalten hat, die<br />

Wirksamkeit der vorangegangenen Befristung<br />

überprüfen zu lassen (BAG 24.8.2011 – 7 AZR<br />

228/10).<br />

Vereinbaren die Vertragsparteien während<br />

einer Befristung eine Änderung der Tätigkeit<br />

<strong>und</strong> ggf. der Vergütung, so ist maßgeblicher<br />

Zeitpunkt für die Kontrolle des Sachgr<strong>und</strong>s<br />

der Zeitpunkt des letzten Änderungsvertrags.<br />

Fehlt es zum Zeitpunkt der letzten Vertragsänderung<br />

an einem Sachgr<strong>und</strong>, wird durch<br />

die Vertragsänderung ein unbefristetes Arbeitsverhältnis<br />

begründet (BAG 17.5.2017 –<br />

7 AZR 301/15).<br />

Welche Möglichkeiten der Mitwirkung/<br />

Einflussnahme hat der <strong>Personalrat</strong>?<br />

Eine Höchstgrenze für den Anteil an befristeten<br />

Beschäftigungen in einem Betrieb oder in<br />

einer Dienststelle existiert nicht. Der Arbeitgeber<br />

ist jedoch verpflichtet, den <strong>Personalrat</strong><br />

über die Anzahl befristet Beschäftigter in der<br />

Dienststelle <strong>und</strong> deren Anteil an der Gesamtbelegschaft<br />

zu informieren (§ 20 TzBfG).<br />

Zudem ist der <strong>Personalrat</strong> auch im Rahmen<br />

einer befristeten Einstellung zu beteiligen.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich sind die zulässigen Gründe<br />

für eine Zustimmungsverweigerung bei der<br />

Einstellung in § 77 Abs. 2 BPersVG abschließend<br />

aufgezählt. Ein Verweigerungsgr<strong>und</strong><br />

wegen häufiger (im Übrigen aber rechtswirksamer)<br />

Befristung durch den Arbeitgeber existiert<br />

zwar nicht. Der <strong>Personalrat</strong> kann jedoch<br />

nach § 77 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG die Zustimmung<br />

verweigern, wenn die durch Tatsachen<br />

begründete Besorgnis besteht, dass andere<br />

Beschäftigte benachteiligt werden. Eine solche<br />

Benachteiligung kann auch die Mehrbelastung<br />

des Stammpersonals darstellen,<br />

wenn dieses aufgr<strong>und</strong> zahlreicher befristeter<br />

Einstellungen einen erheblichen Einarbeitungsaufwand<br />

bewältigen muss (VG Ansbach<br />

19.6.2018 – AN 7 P 17.02404). Einen entsprechenden<br />

Einwand darf die Dienststelle jedenfalls<br />

nicht als gr<strong>und</strong>sätzlich unbeachtlich<br />

ansehen.<br />

Personalräte sollten daher immer auch prüfen,<br />

ob die vermehrte Einstellung befristet Beschäftigter<br />

Kräfte des Stammpersonals überlastet.<br />

Je mehr Stammpersonal betroffen ist, desto<br />

eindeutiger nimmt der <strong>Personalrat</strong> kollektive<br />

Interessen wahr (VG Ansbach 19.6.2018 – AN<br />

7 P 17.02404). Ist die zahlenmäßige Betroffenheit<br />

der Überlasteten geringer, empfiehlt sich<br />

hingegen zur Konkretisierung die Mitteilung<br />

der jeweils betroffenen Kräfte.<br />

Ausblick<br />

übersicht<br />

Zustimmungs verweigerung<br />

Unbeachtlich ist eine Zustimmungsverweigerung<br />

nur, wenn sie:<br />

··<br />

nicht schriftlich begründet ist,<br />

··<br />

lediglich formelhaft begründet ist,<br />

··<br />

sich auf Gründe stützt, die sich von<br />

vornherein eindeutig keinem <strong>Mitbestimmung</strong>statbestand<br />

zuordnen lassen,<br />

··<br />

völlig aus der Luft gegriffen sind oder<br />

neben der Sache liegen,<br />

··<br />

oder der vorgebrachte Standpunkt<br />

rechtsmissbräuchlich nur zum Schein<br />

vorgeschoben wird.<br />

(BVerwG 19.6.2007 – 2 AZR 58/06)<br />

Die Anforderungen an die Zustimmungsverweigerung<br />

dürfen nicht zu streng sein.<br />

Lesen Sie dazu auch unseren Rechtsprechungsbeitrag<br />

auf S. 7.<br />

Die Große Koalition plant neben den Neuerungen<br />

im Teilzeitrecht auch eine Reform<br />

des Befristungsrechts. Sie beabsichtigt, Kettenbefristungen<br />

einzuschränken: Diese sollen<br />

maximal über einen Zeitraum von 5 Jahren<br />

zulässig sein. Der Koalitionsvertrag sieht<br />

auch vor, die Möglichkeit der sachgr<strong>und</strong>losen<br />

Befristung auf maximal 18 Monate herabzusetzen.<br />

Arbeitgeber mit mehr als 75 Beschäftigten<br />

sollen zudem den Anteil sachgr<strong>und</strong>los<br />

befristeter Beschäftigungen auf maximal<br />

2,5 Prozent der Belegschaft reduzieren. Wie<br />

sich diese Vorhaben auf das Einstellungsverhalten<br />

im öffentlichen Dienst auswirken<br />

würden, ist nicht absehbar. Dafür kommt es<br />

maßgeblich auf die konkrete Ausgestaltung<br />

des Gesetzes an – ein Entwurf liegt bislang<br />

aber noch nicht vor. v<br />

Dirk Lenders, Rechtsanwalt,<br />

Anwaltskanzlei Lenders Sankt Augustin.<br />

HINWEIS<br />

Die Anforderungen<br />

an die Darstellung<br />

der konkreten Überlastungen<br />

durch den<br />

<strong>Personalrat</strong> dürfen<br />

nicht zu streng sein,<br />

weil § 77 Abs. 2 Nr. 2<br />

BPersVG zunächst<br />

nur die »Besorgnis«<br />

von Nachteilen<br />

verlangt.<br />

LINKTIPP<br />

Zum brandneuen<br />

Urteil des EuGH<br />

zum Thema Kettenbefristungen<br />

bei<br />

Lehrkräften finden<br />

Sie einen Beitrag<br />

auf unserer Website<br />

unter www.b<strong>und</strong>verlag.de/personal<br />

rat/aktuellespr~Be<br />

fristet-bis-zu-den-<br />

Sommerferien~<br />

5


mitbestimmung<br />

INFORMATIONSDIENST 1 | 2019<br />

Beteiligung der Personalräte<br />

in den Jobcentern<br />

beteiligung In Angelegenheiten des Jobcenters mischen gleich drei unterschiedliche<br />

Personal vertretungen mit. Der lokale <strong>Personalrat</strong> des Jobcenters, derjenige der<br />

B<strong>und</strong>es agentur für Arbeit sowie der des kommunalen Trägers. Welches Gremium<br />

wann zu beteiligen ist, regelt das SGB II jedoch nur unzureichend.<br />

TIPP<br />

§ 47 Abs. 2 BPersVG<br />

schützt Personalräte<br />

vor Versetzungen,<br />

Abordnungen <strong>und</strong><br />

Umsetzungen –<br />

nicht aber gegen<br />

die Zuweisung an<br />

ein Jobcenter auf<br />

Gr<strong>und</strong> von § 44g<br />

Abs. 1 SGB II. Mehr<br />

dazu lesen Sie in der<br />

Kommentierung des<br />

Basiskommentars<br />

zu § 47 BPersVG.<br />

Dieser steht für Sie<br />

als Abonnent unter<br />

www.permi-web.de<br />

zur Verfügung.<br />

HINWEIS<br />

Auch die Höher- <strong>und</strong><br />

Rückgruppierung<br />

erfolgt durch die<br />

Geschäftsführung<br />

des Jobcenters<br />

(BVerwG 1.10.2014 –<br />

6 P 13.13). Zu beteiligen<br />

ist der <strong>Personalrat</strong><br />

des Jobcenters.<br />

Bei einem Jobcenter handelt es sich um eine<br />

Gemeinsame Einrichtung zweier Träger:<br />

der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit (BA) <strong>und</strong> der<br />

Kommune. Das Jobcenter verfügt über kein<br />

eigenes Personal. Dort sind Beschäftigte der<br />

jeweiligen Träger oder anderer Behörden im<br />

Wege einer Zuweisung eingesetzt (§ 44 g SGB<br />

II). Die Leitung eines Jobcenters obliegt der<br />

Geschäftsführung, welche für 5 Jahre bestellt<br />

wird. Die Geschäftsführer sind ebenfalls Beamte<br />

oder Arbeitnehmer eines Trägers <strong>und</strong><br />

unterstehen dessen Dienstaufsicht.<br />

Personalvertretungen existieren bei den<br />

Jobcentern (§ 44 h SGB II) <strong>und</strong> bei beiden<br />

Trägern. Die Beteiligung richtet sich danach,<br />

für welche Maßnahmen die Geschäftsführung<br />

des Jobcenters zuständig ist.<br />

Verantwortungsbereich der<br />

Geschäftsführung<br />

Dieser sind sämtliche dienst-, personal- <strong>und</strong><br />

arbeitsrechtlichen Befugnisse übertragen, solange<br />

<strong>und</strong> soweit das Personal dem Jobcenter<br />

zugewiesen ist. Es besteht nur eine Ausnahme:<br />

Die Befugnis zur Begründung <strong>und</strong><br />

Beendigung von Beschäftigungsverhältnissen<br />

obliegt dem Träger (§ 44 d Abs. 4 SGB II).<br />

Einstellung <strong>und</strong> Kündigung sind daher Sache<br />

des Rechtsträgers. Das erstmalige Ernennen<br />

<strong>und</strong> Entlassen von Beamten betrifft ebenso<br />

die Zuständigkeit des Rechtsträgers, wie die<br />

Erhebung einer Disziplinarklage. Zuständig<br />

ist dann der <strong>Personalrat</strong> des jeweiligen<br />

Rechtsträgers.<br />

Zuständigkeit des <strong>Personalrat</strong>s<br />

des Jobcenters<br />

Der <strong>Personalrat</strong> des Jobcenters ist bei personellen<br />

Maßnahmen zu beteiligen, die sich<br />

innerhalb des Jobcenters auswirken. So etwa<br />

eine Umsetzung oder die Übertragung einer<br />

höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit.<br />

Zuständig ist er gr<strong>und</strong>sätzlich auch<br />

für alle Beteiligungsmaßnahmen nach § 75<br />

Abs. 3 bzw. § 76 Abs. 2 BPersVG, da sie sich<br />

innerhalb des Jobcenters unmittelbar auswirken<br />

(z. B. Beginn <strong>und</strong> Ende der täglichen Arbeitszeit<br />

<strong>und</strong> Pausen).<br />

Problemfall Beförderung<br />

Ob das Befördern in die Kompetenz des<br />

Rechtsträgers oder jene der Geschäftsführung<br />

des Jobcenters fällt, ist umstritten. Die<br />

Beförderung steht der Begründung oder Beendigung<br />

eines bestehenden Rechtsverhältnisses<br />

nicht gleich. Entscheidend ist, wie in<br />

der Begründung des SGB II ausgeführt, dass<br />

der Geschäftsführung auch die Möglichkeit<br />

einer Beförderung oder Höhergruppierung<br />

eingeräumt werde (BT-Drucks. 17/1555 vom<br />

4.5.2010). Dies stimmt mit der Möglichkeit<br />

der Stellenbewirtschaftung durch das Jobcenter<br />

überein (§ 44 k SGB II). Gleichwohl<br />

nimmt oftmals der Rechtsträger die Beförderung<br />

vor.<br />

Handlungsmöglichkeiten der Personalräte<br />

Erfolgt etwa bei einer Höhergruppierung<br />

oder einer Beförderung keine Beteiligung, so<br />

sollten die Personalräte ein personalrechtliches<br />

Beschlussverfahren einleiten.<br />

Davon unabhängig sollte das Gremium<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich immer darauf drängen, dass die<br />

Geschäftsleitung die bei der Trägerversammlung<br />

zu bildende Einigungsstelle (§ 44 c Abs. 3<br />

SGB II) tatsächlich einschaltet. Denn eine<br />

geltend gemachte <strong>und</strong> inhaltlich auch beachtliche<br />

Zustimmungsverweigerung läuft oft ins<br />

Leere, weil die Einigungsstelle nicht angerufen<br />

wird. Der <strong>Personalrat</strong> kann im Beschlussverfahren<br />

feststellen lassen, dass die Geschäftsleitung<br />

verpflichtet ist, die Einigungsstelle bei der<br />

Trägerversammlung anzurufen. v<br />

Dirk Lenders, Rechtsanwalt,<br />

Anwaltskanzlei Lenders Sankt Augustin.<br />

6


INFORMATIONSDIENST 1 | 2019<br />

rechtsprechung<br />

Zustimmungsverweigerung (un)beachtlich?<br />

VG Berlin 19.7.2018 – 71 K 5.18 PVB<br />

mitbestimmung Erachtet die Dienststelle eine Zustimmungsverweigerung des<br />

<strong>Personalrat</strong>s für unbeachtlich, sollte der <strong>Personalrat</strong> sich hiergegen zur Wehr setzen.<br />

Die Zustimmungsverweigerung ist nur dann unbeachtlich, wenn die Begründung<br />

»offensichtlich« fehlerhaft ist.<br />

Bei einer Dienststelle des B<strong>und</strong>es bat die Leitung<br />

den <strong>Personalrat</strong> um Zustimmung zum<br />

Absehen von einer Stellenausschreibung für<br />

den Leiter Personal. Den Posten solle ein<br />

Beschäftigter einnehmen, der bereits als Leiter<br />

Personal bei einer anderen Behörde des<br />

B<strong>und</strong>es eingesetzt gewesen sei. Er werde zeitnah<br />

zu der Dienststelle versetzt, vergleichbar<br />

qualifizierte Statusbewerber gebe es nicht.<br />

Der <strong>Personalrat</strong> verweigerte die Zustimmung:<br />

Nur durch die Ausschreibung sei die vom<br />

Gesetzgeber gewollte Bestenauslese nach<br />

Art. 33 Abs. 2 des Gr<strong>und</strong>gesetzes sichergestellt.<br />

Diese Begründung hielt die Dienststelle<br />

für »zu pauschal«. Der <strong>Personalrat</strong> habe lediglich<br />

– losgelöst vom konkreten Fall – den<br />

Gesetzeswortlaut wiedergegeben. Seine Einwendungen<br />

seien daher unbeachtlich. Der<br />

<strong>Personalrat</strong> leitete daraufhin ein personalvertretungsrechtliches<br />

Beschlussverfahren ein.<br />

Das sagt das Gericht<br />

Nach Ansicht des VG Berlin war die Zustimmungsverweigerung<br />

des <strong>Personalrat</strong>s zum<br />

Verzicht auf eine Stellenausschreibung nicht<br />

unbeachtlich. Zwar reiche eine formelhafte<br />

Begründung oder die bloße Wiedergabe<br />

des Gesetzeswortlauts nicht aus (siehe dazu<br />

prozessuales<br />

Zum Zeitpunkt der Entscheidung war der<br />

Posten bereits seit 2 Monaten besetzt.<br />

Ein konkreter Feststellungsantrag ist unzulässig,<br />

wenn das abgebrochene <strong>Mitbestimmung</strong>sverfahren<br />

im Einzelfall nicht<br />

fortgeführt oder nachgeholt werden kann.<br />

Hier hätte man den Beschäftigten aber erneut<br />

umsetzen können. Die Ausschreibung<br />

war also noch möglich <strong>und</strong> der konkrete<br />

Feststellungsantrag zulässig. Andernfalls<br />

hätte der <strong>Personalrat</strong> einen abstrakten<br />

Feststellungsantrag stellen müssen.<br />

auch die Übersicht auf S. 5). Der <strong>Personalrat</strong><br />

dürfe sich aber darauf beschränken, den <strong>Mitbestimmung</strong>statbestand<br />

<strong>und</strong> den Gr<strong>und</strong> der<br />

Zustimmungsverweigerung in dem konkreten<br />

Einzelfall anzugeben. Insbesondere könne er<br />

die Zustimmungsverweigerung nicht nur mit<br />

dem Vortrag von Tatsachen, sondern auch<br />

mit der Darlegung seiner Rechtsauffassung<br />

begründen. Ausnahmsweise unbeachtlich sei<br />

eine Zustimmungsverweigerung des <strong>Personalrat</strong>s<br />

nur, wenn der Verweigerungsgr<strong>und</strong> von<br />

vorneherein <strong>und</strong> eindeutig nicht vorliege <strong>und</strong><br />

nach keiner vertretbaren Betrachtungsweise<br />

möglich erscheine – also die Fehlerhaftigkeit<br />

der Rechtsauffassung »offensichtlich« sei.<br />

Das bedeutet die Entscheidung für Sie<br />

Vorsicht: Die Entscheidung bedeutet gerade<br />

nicht, dass der <strong>Personalrat</strong> den Verzicht auf<br />

eine Ausschreibung immer pauschal mit dem<br />

Argument »Bestenauslese« verweigern kann.<br />

Es kommt auf den Einzelfall an. Auch ist<br />

noch nicht darüber entschieden, ob die Verweigerung<br />

der Zustimmung in diesem Fall<br />

begründet war.<br />

Fest steht aber, dass die Zustimmungsverweigerung<br />

nicht unbeachtlich war <strong>und</strong> die<br />

Dienststelle ein Stufen- bzw. Einigungsstellenverfahren<br />

hätte einleiten müssen. Denn<br />

die Dienststellenleitung darf sich nicht zum<br />

»Richter in eigener Sache aufschwingen«<br />

<strong>und</strong> selbst über die Begründetheit der Zustimmungsverweigerung<br />

entscheiden.<br />

Erachtet die Dienststelle die Zustimmungsverweigerung<br />

des <strong>Personalrat</strong>s für unbeachtlich,<br />

ist der <strong>Personalrat</strong> nicht rechtlos<br />

gestellt. Er kann ein Beschlussverfahren einleiten,<br />

<strong>und</strong> die Feststellung beantragen, dass<br />

sein <strong>Mitbestimmung</strong>srecht verletzt wurde.<br />

Dies ist dem <strong>Personalrat</strong> auch zu raten, damit<br />

die Dienststelle seine Einwendungen nicht<br />

auch in Zukunft als unbeachtlich abtut. v<br />

Dirk Lenders, Rechtsanwalt,<br />

Anwaltskanzlei Lenders Sankt Augustin.<br />

HINTERGRUND<br />

Im vorliegenden<br />

Fall erachtete das<br />

Gericht die Ausschreibung<br />

nicht<br />

als von vorneherein<br />

sinnlos, gerade<br />

weil es intern keine<br />

weiteren Bewerber<br />

für den Posten gab.<br />

HINWEIS<br />

Der <strong>Personalrat</strong><br />

muss innerhalb<br />

einer knappen<br />

Äußerungsfrist<br />

reagieren (hier<br />

nach §§ 69 Abs. 2,<br />

82 Abs. 2 BPersVG<br />

innerhalb von 20<br />

Arbeitstagen). Eine<br />

rechtlich vertiefte<br />

Begründung ist<br />

daher nicht zu verlangen.<br />

7


echtsprechung<br />

INFORMATIONSDIENST 1 | 2019<br />

Anforderungen an die Anordnung<br />

einer amtsärztlichen Untersuchung<br />

VG Ansbach 19.6.2018 – AN 1 E 18.00667<br />

amtsarzt Von einer Untersuchungsanordnung Betroffene müssen in der Lage<br />

sein, deren Tragfähigkeit zu prüfen. Anzugeben sind tatsächliche Feststellungen,<br />

die eine Dienstunfähigkeit naheliegend erscheinen lassen.<br />

WICHTIG<br />

Untersuchungsanordnung<br />

rechtzeitig<br />

beanstanden!<br />

Eine Rüge nach<br />

erfolgter amtsärztlicher<br />

Untersuchung<br />

ist unbeachtlich<br />

(BVerwG 5.6.2014 –<br />

2 C 22.13).<br />

HINTERGRUND<br />

Wenden sich<br />

Beschäftigte mit<br />

Anregungen <strong>und</strong><br />

Beschwerden an den<br />

<strong>Personalrat</strong>, kann er<br />

mit der Dienststelle<br />

hierüber verhandeln<br />

(§ 68 Abs. 1 Nr. 3<br />

BPersVG).<br />

Die als Studienrätin tätige Beamtin war im<br />

Schuljahr 2016/2017 an 64 Arbeitstagen <strong>und</strong><br />

im folgenden Schuljahr an 44 Arbeitstagen<br />

dienstunfähig erkrankt. Ein ihr angebotenes<br />

Betriebliches Wiedereingliederungsmanagement<br />

(BEM) nach § 167 Abs. 2 SGB IX lehnte<br />

sie ab. Die Dienststelle verlangte aufgr<strong>und</strong><br />

der Fehlzeiten eine amtsärztliche Untersuchung<br />

zur Überprüfung ihrer Dienstfähigkeit,<br />

da bei gehäuften Fehlzeiten Ges<strong>und</strong>heitsstörungen<br />

zugr<strong>und</strong>e liegen könnten. Hiergegen<br />

erhob die Betroffene Widerspruch <strong>und</strong> führte<br />

aus, ihre Erkrankungen (Infekt im Magen-Darm-Bereich,<br />

Mandelentzündung <strong>und</strong><br />

grippaler Infekt) seien ausgeheilt. Gegen eine<br />

erneute Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung<br />

beantragte die Betroffene den Erlass<br />

einer einstweiligen Anordnung.<br />

Das sagt das Gericht<br />

Das Verwaltungsgericht erließ die beantragte<br />

Anordnung mit der Begründung, die Untersuchungsaufforderung<br />

sei unzureichend. Fehlzeiten<br />

könnten zwar gr<strong>und</strong>sätzlich Zweifel an<br />

der Dienstfähigkeit von Beamten begründen,<br />

dies sei hier aber nicht schlüssig dargelegt<br />

worden. Die Dienststelle hätte die Betroffene<br />

zunächst auffordern müssen, Ursachen für die<br />

Fehlzeiten zu benennen <strong>und</strong> entsprechende<br />

Unterlagen vorzulegen. Bei Zweifeln an der<br />

Belastbarkeit der – bislang nicht angeforderten<br />

– privatärztlichen Unterlagen, könne von<br />

der Betroffenen ggf. ein amtsärztliches Attest<br />

ab dem ersten Werktag verlangt werden.<br />

Das bedeutet die Entscheidung für Sie<br />

Personalräte sind im Wege der <strong>Mitbestimmung</strong><br />

oder der Mitwirkung erst zu beteiligen,<br />

wenn Betroffene wegen Dienstunfähigkeit<br />

vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden<br />

sollen. Leitet eine Dienststelle übereilt <strong>und</strong> gehäuft<br />

Untersuchungsanordnungen ein, kann<br />

<strong>und</strong> sollte sich der <strong>Personalrat</strong> jedoch auf Initiative<br />

der Beschäftigten schon im Vorfeld der<br />

eigentlichen Beteiligung einbringen <strong>und</strong> beispielsweise<br />

das Gespräch mit der Dienststellenleitung<br />

suchen. Wesentliche Aufgabe ist es<br />

zudem, über die Bedeutung, Ausgestaltung<br />

<strong>und</strong> Sinnhaftigkeit eines BEM-Verfahrens zu<br />

berichten. Dies kann etwa in Personalversammlungen<br />

geschehen. v<br />

Dirk Lenders, Rechtsanwalt,<br />

Anwaltskanzlei Lenders Sankt Augustin.<br />

8<br />

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