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Arbeitsschutz und Mitbestimmung

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arbeitsschutz<br />

bei arbeit 4.0<br />

INFORMATIONSDIENST 12 | 2018<br />

WICHTIG<br />

Beschäftigte vor<br />

Gefahren durch<br />

Maschinen/<br />

Arbeits geräte zu<br />

schützen, ist Sache<br />

des »technischen<br />

<strong>Arbeitsschutz</strong>es«.<br />

Dieser wird durch<br />

die Betriebssicherheits-Verordnung<br />

geregelt. Die<br />

Reihenfolge der<br />

Schutzmaßnahmen<br />

richtet sich beim<br />

technischen <strong>Arbeitsschutz</strong><br />

nach dem<br />

TOP-Prinzip:<br />

1. Technische<br />

Maßnahmen<br />

(Schutzschalter<br />

an Maschinen,<br />

Anweisungen zum<br />

sicheren Umgang)<br />

2. Organisatorische<br />

Maßnahmen (z.B.<br />

Bildschirmpausen,<br />

Beschränkung der<br />

Arbeitszeit bei<br />

Tätigkeiten mit<br />

hoher körperlicher<br />

Belastung)<br />

3. Personenbezogene<br />

Maßnahmen<br />

(z.B. Qualifizierung,<br />

Schutzausrüstungen)<br />

hin. Damit ermöglichen die neuen Formen der<br />

Führung zwar eine hohe Flexibilität bei der Arbeitsgestaltung,<br />

geben aber auch den Erfolgsdruck<br />

an die Mitarbeiter weiter – mit teils verheerenden<br />

ges<strong>und</strong>heitlichen Folgen.<br />

Herausforderungen für den modernen<br />

Arbeits- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz<br />

Der betriebliche Arbeits- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz<br />

muss noch mehr als bisher das gesamte<br />

Arbeitssystem (Mensch, Organisation<br />

<strong>und</strong> Technik) im Blick haben. Nur so kann<br />

Ges<strong>und</strong>heitsprävention erfolgreich gelingen.<br />

Damit das Ganze auch nachhaltig ist, müssen<br />

Aspekte der Demografie <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />

Bestandteil der Unternehmensstrukturen<br />

werden. Ist dies gelungen, bedarf es<br />

einer stetigen Überprüfung <strong>und</strong> Optimierung,<br />

orientiert an den Bedürfnissen der jeweiligen<br />

Mitarbeiter <strong>und</strong> ihrer Beschäftigungsformen.<br />

Diese sind von Anfang an aktiv einzubinden,<br />

denn keiner kennt den jeweiligen Arbeitsplatz<br />

so gut wie die Beschäftigten selbst.<br />

Praxisbeispiele<br />

Dass all dies keine »Zukunftsmusik« ist <strong>und</strong><br />

<strong>Arbeitsschutz</strong> bei Arbeit 4.0 gelingen kann,<br />

zeigen folgende prominente Beispiele aus der<br />

Praxis:<br />

So hat VW tarifvertraglich vereinbart, dass<br />

E-Mails außerhalb der vertraglichen Arbeitszeit<br />

nicht mehr an die Mitarbeiter zugestellt<br />

werden. Zwischen 18.15 Uhr abends <strong>und</strong><br />

7.00 Uhr morgens sowie am Wochenende ist<br />

der Zugriff auf den dienstlichen Server gesperrt,<br />

dienstliche Smartphones können nur<br />

noch zum Telefonieren verwendet werden.<br />

Für 4.000 Tarifbeschäftigte ist das Schreiben<br />

von E-Mails <strong>und</strong> Arbeiten im Internet in dieser<br />

Zeit unmöglich.<br />

Daimler hat eine Richtlinie zum Umgang<br />

mit beruflichen E-Mails in der Freizeit verabschiedet<br />

<strong>und</strong> mit »Mail on Holiday« einen<br />

elektronischen Abwesenheitsassistenten eingeführt,<br />

der alle Mails, die während des Urlaubs<br />

eingehen, löscht. Der Absender erhält<br />

eine Abwesenheitsnotiz mit der Angabe, an<br />

wen er sich ersatzweise wenden kann.<br />

Bei Porsche können Tarifbeschäftigte in<br />

der Woche zwischen 18 Uhr abends <strong>und</strong> 6 Uhr<br />

morgens sowie an Wochenenden Dienstmails<br />

weder lesen noch versenden. Diese werden im<br />

genannten Zeitraum nicht gelöscht, sondern<br />

sind am nächsten Morgen im Postfach.<br />

Und der Betriebsrat von BMW hat eine<br />

Vereinbarung zur Gestaltung mobiler Arbeit<br />

abgeschlossen, durch die Beschäftigten die<br />

Vorteile flexibler Arbeit ermöglicht wurden,<br />

ohne bei der Freizeit Abstriche machen zu<br />

müssen. Danach können Büromitarbeiter<br />

zwar zuhause in gewissem Umfang arbeiten,<br />

haben aber gleichzeitig ein Recht auf Unerreichbarkeit.<br />

Und der Betriebsrat?<br />

Der Einsatz moderner Technik wird die Arbeit<br />

zunehmend verändern. Betriebsräte sind<br />

gefordert, den technischen Wandel aktiv mitzugestalten.<br />

Das Betriebsverfassungsgesetz<br />

(BetrVG) enthält zahlreiche Beteiligungsrechte,<br />

mit denen dem komplexen Thema <strong>Arbeitsschutz</strong><br />

<strong>und</strong> Digitalisierung begegnet werden<br />

kann. Dabei kommt der erzwingbaren <strong>Mitbestimmung</strong><br />

nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 – 13 BetrVG<br />

eine besondere Bedeutung zu.<br />

So kann nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 (Fragen<br />

der Ordnung <strong>und</strong> des Verhaltens der Arbeitnehmer)<br />

<strong>und</strong> Nr. 6 (Einführung <strong>und</strong> Anwendung<br />

technischer Einrichtungen) der Einsatz<br />

von Technik geregelt werden. Betriebsvereinbarungen<br />

können vorsehen, dass insbesondere<br />

mobile Geräte (Tablets, Handys) oder der<br />

geschäftliche E-Mail-Account zum Schutz der<br />

Beschäftigten nach Feierabend bzw. während<br />

des Urlaubs beschränkt oder gar komplett ausgeschlossen<br />

wird (siehe auch Checkliste S. 7).<br />

Aber auch Regelungen zur Arbeitszeit<br />

(§ 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG), der Ges<strong>und</strong>heitsprävention<br />

(§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG) sowie<br />

Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung (§§ 96 ff. BetrVG)<br />

sind Kernthemen des <strong>Arbeitsschutz</strong>es bei<br />

Arbeit 4.0.<br />

Fazit<br />

Bei Arbeit 4.0 handelt es sich um kein vorübergehendes<br />

Phänomen. Vielmehr liegt eine<br />

globale Entwicklung vor, die nicht mehr aufzuhalten<br />

ist. Der damit einhergehende Wandel<br />

betrifft nahezu alle Branchen <strong>und</strong> Lebensbereiche.<br />

Die zunehmende Vernetzung <strong>und</strong><br />

eine immer schnelle voranschreitende Technisierung<br />

bringen jedoch nicht nur Vorteile<br />

<strong>und</strong> Erleichterungen mit sich. Betriebsräte<br />

stehen vor der großen Herausforderung, die<br />

technischen Möglichkeiten der Arbeitgeber<br />

mit den Interessen <strong>und</strong> Rechten der Arbeitnehmer<br />

so gut es geht in Einklang zu bringen.<br />

Eine große Aufgabe, die den Interessenvertretern<br />

Einiges abverlangt. v<br />

Sebastian Wurzberger, Wirtschaftsjurist (LL.B.),<br />

AfA Rechtsanwälte Nürnberg.<br />

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