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INFORMATIONSDIENST 12 | 2018<br />
aktuelles<br />
Urlaub verfällt nicht immer<br />
urlaubsrecht Bis zum Jahresende muss jeder seinen Urlaub genommen haben. Sonst<br />
verfällt er. Ein Übertragen auf das Folgejahr ist die Ausnahme. Nun hat der EuGH entschieden:<br />
Hat der Beschäftigte gar keinen Urlaubsantrag gestellt, so bleibt der Urlaub erhalten.<br />
Dass der Urlaub im laufenden Jahr zu nehmen<br />
ist, steht so in § 7 Abs. 3 des B<strong>und</strong>esurlaubsgesetzes<br />
(BUrlG). Der Urlaub dient der<br />
physischen <strong>und</strong> psychischen Regeneration<br />
der Arbeitnehmer. Daher ist wichtig, dass jeder<br />
seinen vollen Urlaub in jedem Jahr nimmt<br />
<strong>und</strong> sich erholt. Ein Übertragen des Urlaubs<br />
auf das Folgejahr ist – geht man streng nach<br />
Gesetz – nur im Ausnahmefall möglich. Es<br />
müssen »dringende betriebliche oder persönliche<br />
Gründe« vorliegen, damit Urlaub übertragen<br />
werden kann. Auch dann verfällt der<br />
Urlaub spätestens am 31. März.<br />
Gesetzliche Übertragungsgründe<br />
An die »dringenden betriebliche Gründe« ist<br />
ein strenger Maßstab anzulegen. Es gelten:<br />
• Plötzlicher Arbeitsanfall<br />
• Hoher Krankenstand<br />
• Termin- oder saisongeb<strong>und</strong>ene Aufträge,<br />
die dem Urlaub entgegen stehen<br />
• Technische Probleme im Betriebsablauf<br />
Aber auch »persönliche Gründe« des Arbeitnehmers<br />
können ein Übertragen notwendig<br />
<strong>und</strong> sinnvoll erscheinen lassen. Der alleinige<br />
Wunsch des Arbeitnehmers auf Übertragung<br />
reicht nicht aus. Persönliche Gründe sind beispielsweise:<br />
aktuelles<br />
Wichtiges EuGH-Urteil<br />
Was passiert, wenn der Arbeitnehmer<br />
gar keinen Urlaubsantrag gestellt hat?<br />
Bisher verfiel auch dann der Urlaub.<br />
Nun hat der EuGH die Rechte der Arbeitnehmer<br />
deutlich gestärkt. Der Urlaubsanspruch<br />
verfällt nur dann, wenn der<br />
Arbeit geber nachweisen kann, dass er seine<br />
Angestellten aufgeklärt hat <strong>und</strong> in die<br />
Lage versetzt hat, den Urlaub zu nehmen.<br />
Ist das nicht der Fall, bleiben der Urlaubsanspruch<br />
– oder bei Ausscheiden aus dem<br />
Betrieb – der Abgeltungsanspruch erhalten<br />
(EuGH v. 6.11.2018 – C-684/16).<br />
• Arbeitsunfähigkeit<br />
• Niederkunft der Ehefrau<br />
• Familienurlaub<br />
• Erkrankung eines Angehörigen<br />
• Erkrankung eines Partners, mit dem der<br />
Urlaub verbracht werden sollte<br />
Abweichende Regelungen sind möglich<br />
Allerdings gibt es – vor allem in der Praxis –<br />
vielfältige Ausnahmen von dieser gesetzlich<br />
relativ strengen Regelung. Die Arbeitsvertragsparteien<br />
(also Arbeitgeber <strong>und</strong> Arbeitnehmer)<br />
können beispielsweise ohne weiteres vereinbaren,<br />
dass der Arbeitnehmer auch ohne Vorliegen<br />
bestimmter Gründe den Urlaub im gesamten<br />
Folgejahr noch nehmen kann. Damit ist<br />
auch die gesetzliche Vorgabe, dass der Urlaub<br />
allerspätestens bis zum 31.3. des Folgejahres<br />
zu nehmen ist, hinfällig. Viele Tarifverträge<br />
sehen Übertragungsmöglichkeiten vor, ohne<br />
dass besondere Gründe vorliegen müssen. Da<br />
im Arbeitsrecht das Günstigkeitsprinzip gilt,<br />
muss dann – gegenüber der strengen gesetzlichen<br />
Regelung – immer die für den Arbeitnehmer<br />
günstige Regelung herangezogen werden.<br />
Bei Krankheit gibt es weitere Ausnahmen<br />
Große Probleme ergeben sich immer dann,<br />
wenn ein Arbeitnehmer dauerhaft erkrankt<br />
<strong>und</strong> deshalb den Urlaub nicht nehmen kann.<br />
Jahrelang hatte die deutsche Rechtsprechung<br />
die Meinung vertreten, dass der Urlaub auch<br />
bei Krankheit bis zum 31.3. genommen werden<br />
muss <strong>und</strong> sonst verfällt. Diese Rechtsprechung<br />
ist vom Europäischen Gerichtshof<br />
(EuGH) gekippt worden. Seither gilt: Kann<br />
der Arbeitnehmer seinen Urlaub aufgr<strong>und</strong><br />
einer Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des<br />
Übertragungszeitraumes nicht nehmen, bleibt<br />
der Urlaubsanspruch als Freizeitanspruch zunächst<br />
erhalten. Dieser muss allerdings bis 15<br />
Monate nach Ablauf des entsprechenden Urlaubsjahrs<br />
genommen werden, damit er nicht<br />
ins Unermessliche anwächst. v<br />
Bettina Frowein, Volljuristin, Programmleitung,<br />
B<strong>und</strong>-Verlag, Frankfurt am Main.<br />
EXPERTENRAT<br />
Durch das neue<br />
EuGH- Urteil<br />
(siehe Infokasten)<br />
ist die Beweislage<br />
zu Gunsten der<br />
Beschäf tig ten<br />
deutlich besser<br />
geworden. Solange<br />
der Arbeit geber sie<br />
nicht explizit aufgefordert<br />
hat, den<br />
Urlaub auch zu nehmen,<br />
sind sie auf der<br />
sicheren Seite. Denn<br />
automatisch erlischt<br />
der Anspruch nicht<br />
mehr!<br />
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