Betriebsrat und Mitbestimmung
Betriebsrat und Mitbestimmung | Praxiswissen für kleine Gremien und nicht freigestellte Betriebsratsmitglieder
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mitbestimmung<br />
INFORMATIONSDIENST 12 | 2018<br />
HINWEIS<br />
Ihr <strong>Mitbestimmung</strong>srecht<br />
besteht<br />
unabhängig davon,<br />
in welcher Form<br />
der Arbeitgeber<br />
seine Maßnahme<br />
durchführen will.<br />
Es spielt z.B. keine<br />
Rolle, ob er eine<br />
Betriebsvereinbarung<br />
anstrebt oder<br />
dies durch Zusätze<br />
zu den Arbeitsverträgen<br />
erreichen<br />
möchte.<br />
HINWEIS<br />
Ihr <strong>Mitbestimmung</strong>srecht<br />
erstreckt sich<br />
auch auf Regeln<br />
zum Mitbringen von<br />
Haustieren <strong>und</strong> zur<br />
Pflege mitgebrachter<br />
Pflanzen an den<br />
Arbeitsplatz.<br />
BEISPIEL<br />
Die Anweisung zum<br />
Tragen eines Haarnetzes<br />
einer langhaarigen<br />
Kolle gin<br />
an einer Ständerbohrmaschine<br />
ist<br />
eine individuelle<br />
Maßnahme. Bei einer<br />
Tragepflicht von<br />
Haarnetzen in der<br />
Lebensmittelherstellung<br />
handelt es<br />
sich um eine kollektive<br />
Maßnahme.<br />
Von der <strong>Mitbestimmung</strong> nach § 87 Abs. 1<br />
Nr. 1 BetrVG erfasst, sind auch Strafen, Sanktionen<br />
oder Folgen, die das Verhalten der<br />
Arbeitnehmer in Bezug auf die betriebliche<br />
Ordnung beeinflussen. Darunter fallen z.B.<br />
betriebliche Sanktionssysteme, die darauf<br />
gerichtet sind die betriebliche Ordnung sicherzustellen<br />
(z.B. Entzug von Flugvergünstigungen<br />
als Reaktion auf Verstöße gegen die<br />
betriebliche Ordnung). Auch diese Bußen darf<br />
der Arbeitgeber nur verhängen, wenn vorher<br />
eine Vereinbarung zwischen den Betriebsparteien<br />
zustande gekommen ist.<br />
Umfang des <strong>Mitbestimmung</strong>srechts<br />
Möchte der Arbeitgeber die Ordnung im Betrieb<br />
oder das Verhalten der Arbeitnehmer regeln,<br />
ist das <strong>Mitbestimmung</strong>srecht zu wahren.<br />
Der Arbeitgeber darf eine Maßnahme nicht<br />
durchführen, solange der Sachverhalt nicht<br />
mit dem <strong>Betriebsrat</strong> in einer Betriebsvereinbarung<br />
geregelt ist.<br />
Ebenso kann der <strong>Betriebsrat</strong> in diesen Angelegenheiten<br />
die Initiative ergreifen <strong>und</strong> dem<br />
Arbeitgeber Vorschläge zur Regelung der betrieblichen<br />
Ordnung sowie zum Verhalten der<br />
Arbeitnehmer unterbreiten. Man spricht daher<br />
auch von »Initiativrecht« des <strong>Betriebsrat</strong>s.<br />
Kommt eine Einigung über den Sachverhalt<br />
nicht zustande, besteht für beide Betriebsparteien<br />
die Möglichkeit die Einigungsstelle<br />
anzurufen (§ 87 Abs. 2 BetrVG). Der Spruch<br />
der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen<br />
den Betriebsparteien <strong>und</strong> entfaltet die<br />
gleiche Wirkung wie eine Betriebsvereinbarung.<br />
Grenzen der <strong>Mitbestimmung</strong><br />
Zur Wahrnehmung des <strong>Mitbestimmung</strong>srechts<br />
muss es sich jedoch um eine kollektive<br />
Maßnahme handeln. Diese ist gegeben, wenn<br />
es sich um eine allgemeine Regelung oder<br />
um eine Maßnahme handelt, die mehrere Beschäftigte<br />
(z.B. Schichtarbeitende, Akkordarbeitende,<br />
kaufmännische Angestellte) betrifft.<br />
Hierzu zählen auch Regelungen für bestimmte<br />
Arbeitsplätze oder einzelne Arbeitsplätze,<br />
sofern diese unabhängig von der Person des<br />
dort Beschäftigten gelten sollen.<br />
Ein <strong>Mitbestimmung</strong>srecht des <strong>Betriebsrat</strong>s<br />
ist nicht gegeben, wenn der zu regelnde<br />
Sachverhalt bereits von einem Gesetz,<br />
oder durch einen Tarifvertrag abschließend<br />
erfasst ist. Räumt das Gesetz oder der Tarifvertrag<br />
den Betriebsparteien hingegen weitere<br />
Gestaltungs- <strong>und</strong> Regelungsspielräume<br />
rechtsprechung<br />
Das sagen<br />
die Gerichte:<br />
··<br />
Ein generelles Verbot, TV-, Video- <strong>und</strong><br />
DVD-Geräte in den Räumen des Betriebs<br />
zu nutzen, unterliegt der <strong>Mitbestimmung</strong><br />
durch den <strong>Betriebsrat</strong>. (LAG Köln<br />
12.4.2006 – 7 TaBV 68/05)<br />
··<br />
Die Einführung, Ausgestaltung <strong>und</strong><br />
Durchführung eines allgemeinen Rauchverbots<br />
ist mitbestimmungspflichtig.<br />
(LAG Hamm 8.10.2004 – 10 TaBV 21/04)<br />
··<br />
Will der Arbeitgeber den betrieblichen<br />
Parkraum auf einzelne Personen aufteilen,<br />
hat der <strong>Betriebsrat</strong> ein <strong>Mitbestimmung</strong>srecht.<br />
(LAG Köln 12.5.2010 –<br />
8 TaBV 4/10)<br />
··<br />
Laufzettel, die der Arbeitgeber zur Erfassung<br />
empfangener Arbeitsmittel <strong>und</strong><br />
Berechtigungen verwendet, regeln nicht<br />
das Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer,<br />
sondern das mitbestimmungspflichtige<br />
Ordnungsverhalten. (LAG Schleswig-<br />
Holstein 18.5.2011 – 6 TaBV 11/11)<br />
··<br />
Für die Durchführung des betrieblichen<br />
Eingliederungsmanagements kann der<br />
<strong>Betriebsrat</strong> die Einführung von Verfahrensregelungen<br />
nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 <strong>und</strong><br />
7 BetrVG verlangen <strong>und</strong> ggf. über die<br />
Einigungsstelle nach § 87 Abs. 2 BetrVG<br />
durchsetzen. (LAG Nürnberg 16.1.2013 –<br />
2 TaBV 6/12)<br />
··<br />
Bei der Regelung einer einheitlichen<br />
Dienstkleidung der Mitarbeiter hat der<br />
<strong>Betriebsrat</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich ein <strong>Mitbestimmung</strong>srecht.<br />
(LAG Köln 18.8.2010 –<br />
3 TaBV 15/10)<br />
ein, bleibt das <strong>Mitbestimmung</strong>srecht des <strong>Betriebsrat</strong>s<br />
bestehen. Dies wird im § 77 Abs. 3<br />
BetrVG deutlich mit dem dort beschriebenen<br />
Tarifvorrang herausgestellt, der sowohl<br />
in Betrieben mit als auch ohne Tarifvertrag<br />
gilt. v<br />
Matti Riedlinger, B.A. Sozialökonomie,<br />
Wirtschafts- <strong>und</strong> Arbeitsrecht, Augsburg.<br />
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